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Walther Kabels Werk 1907–1919

 

Walther Kabels Werk 1907–1919

 

Zwischen 1907 und 1917 verfaßte Walther Kabel, wie er selber in einem Brief an Franz Brümmer schrieb, eine große Anzahl kleinere Skizzen, Novellen, Erzählungen; ferner wissenschaftliche Artikel aller Art. Die ersten dieser Arbeiten finden wir bereits 1907 in der Danziger Allgemeinen Zeitung und in der Akademischen Turnzeitung. Der größte Teil dieser „kleineren Arbeiten“ erschien jedoch zwischen 1909 und 1916, wobei der Verlag Union Deutsche Verlagsgesellschaft allein über 180 Beiträge in der Reihe Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens veröffentlichte.

Viele dieser Beiträge sind mehrfach erschienen. Teils innerhalb eines Verlages bei dann unterschiedlichen Publikationen, teils aber auch bei anderen Verlagen. Bei diesen erneuten Veröffentlichungen änderte sich der Text oftmals nur geringfügig, was in solchen Fällen wohl eher dem Lektorat als Walther Kabel selbst zuzuschreiben ist. Manchmal änderte sich auch der Titel und manchmal auch das benutzte Pseudonym; besonders letzteres ist für uns interessant. So erschienen Artikel in der Publikation Die Burg unter H. Lensen, H. Belka u.a., auch anonym oder nur mit Verfasserangabe in dem Jahresinhaltsverzeichnis,die bereits zuvor in anderen Publikationen unter W. K. oder auch Walther Kabel veröffentlich worden waren. Für uns ist dieser Umstand heute ein Glücksfall, weil sich dadurch viele seiner Pseudonyme belegen lassen.

Walther Kabel selbst faßte auch kürzere Abhandlungen zu größeren Arbeiten zusammen. So geschehen z. B. beim Artikel Sensationelle Kriminalprozesse, welcher unter W. Kabel im Deutschen Hausschatz erschien und drei kürzere Arbeiten vereint, die wiederum einzeln unter W. K. beim Verlag Union Deutsche Verlagsgesellschaft erschienen. Und dies war kein Einzelfall. Noch weiter ging Walther Kabel bei der Erzählung Indische Abenteuer (Argus Nr. 99), die er aus vier Erzählungen zusammenschrieb (eine Neuauflage wurde sogar noch um eine fünfte Erzählung erweitert). Und auch in der Erzählung Die Basar-Hyäne (Argus Nr. 117) können zwei Erzählungen nachgewiesen werden.

Eine zusätzliche Erwähnung muß hier noch die Novelle Im Kugelregen finden, von welcher Kabel gleich drei verschiedene Fassungen bei unterschiedlichen Verlagen veröffentlichte.

Ab 1917 finden wir diese kleinen Beiträge aber nur noch vereinzelte veröffentlicht und ab 1918 konnte bisher nichts mehr in dieser Art nachgewiesen werden.

Wenden wir uns nun den sogenannten Groschenheftchen zu, so sind für den gleichen Zeitraum vor allem die Heftreihen aus dem Verlag moderner Lektüre zu erwähnen.

Da ist zum einen die Argus-Kriminal-Bibliothek, in welcher unter anderem gekürzte Neuauflagen von bereits früher veröffentlichten Erzählungen von Walther Kabel erschienen. So z. B. die Zeitschriftenromane Der Doppelgänger (= Der Andere), Maria Wielands Geheimnis (= Das Geheimnis eines Lebens) oder der Buchroman Das Geheimnis der Ginsterschlucht (= Die einsame Kiefer). Hier finden wir auch mit den Erzählungen um die Serienfigur Detektiv Fritz Schaper den Vorgänger vom später so populär werdenden Detektiv Harald Harst. Diese Reihe erschien von 1912–1916, wurde dann jedoch durch Erlasse der Militärbehörden fast durchgängig verboten (Im Erlaß aus Cassel wird die Reihe nicht aufgeführt). Einige Hefte der Argus Reihe wurden in der Reihe Moderne Kriminal-Bücher erneut aufgelegt. Die Texte weisen nur geringfügige Änderungen auf, die sicherlich vom Lektorat b.z.w. dem Setzer der Druckvorlagen stammen. Auffällig ist hierbei eine „Eindeutschung“ von Fremdwörtern (z. B. Bureau zu Büro, Chauffeur zu Schofför), welche sicherlich nicht nur vermutet mit den Gesellschaftlichen Zuständen in Deutschland nach dem verlorenen Krieg und einer allgemeinen Zeitmode zusammenhängt. Ab wann es diese Reihe gibt ist nicht ganz klar. Vermutlich ab 1920.

Das gleiche Schicksal wie die Argus-Kriminal-Bibliothek erlitt auch die Heftreihe Das eiserne Kreuz (1914–1916), welche durchgängig verboten wurde. Hierfür schrieb Walther Kabel unter dem Pseudonym W. Belka die ersten 11 Hefte der Reihe. Warum Walther Kabel diese Reihe nicht fortführte ist ungeklärt. Möglicherweise vertrug es sich nicht mit seinem Militärdienst (er war zu dieser Zeit im Fronteinsatz im Osten), aber das ist Spekulation.

Als weitere Heftreihe sei Vergiß mein nicht – Bibliothek der besten Romane noch erwähnt. Diese Bändchen erschien von 1910–1922, wurde jedoch 1916 zumindest in einigen Regionen (siehe die Erlasse der Militärbehörden in Münster und München) ebenso mit einem Verbot belegt. Auch in dieser Reihe finden wir Texte von Walther Kabel, jedoch fehlt hier zumeist ein Copyright mit Jahresangaben. Allerdings deuten Adresseangaben wie Berlin S. 14, Dresdenerstraße 88–89 auf eine Veröffentlichung vor 1919 hin.

Nach dem Verbot dieser Heftreihen erhielt Walther Kabel, oder besser W. Belka, nun eine eigene Heftreihe, die Erlebnisse einsamer Menschen, welche sich an die Jugend und an junge und junggebliebene Erwachsene richtete. Eine lockere Sammlung von Robinsonaden auf allen Erdteilen, Abenteuern in der Wüste, im Wilden Westen, Phantastisches, etc. etc. Aber natürlich ebenso Patriotisches, denn auch in dieser Reihe finden wir sehr wohl noch Kriegsberichterzählungen, die sich mit dem Geschilderten aus Das Eiserne Kreuz vergleichen lassen (z. B. Die Höhlen von Saint-Pierre), wodurch eigentlich ausgeschlossen ist, daß Walther Kabel aus moralischem Bedenken seinerzeit keine weiteren Hefte mehr für Das Eiserne Kreuz geschrieben hat. Diese Reihe Erlebnisse einsamer Menschen erschien von 1916 bis 1920 und wurde als eine der wenigen Heftreihen nicht verboten! Wir finden hier gemäß dem Copyright nur Ausgabe aus den Jahren 1916 und 1919/20.

Es hat also oberflächlich den Anschein, daß Walther Kabel in den Jahren 1917/18 eine Pause eingelegt hat, denn die wenigen Zeitschriftenartikel, welche aus dem Jahr 1917 bekannt sind, mögen auch bereits zu einem früheren Zeitpunkt bei den Verlagen eingereicht worden sein. Peter Wanjek geht aber davon aus, daß Kabel gerade als Festungsoffizier der Heimatfront viel Zeit zum Schreiben hatte. Es wird daher eher zutreffen, daß der VmL oder auch Kabel selbst seine Arbeiten zurückgehalten hat. Eine Erklärung mag dafür die kriegsbedingte Papierknappheit sein, die ab Mitte 1917 alle Verlage zu Sparmaßnahmen zwang. So finden wir auch bei anderen Autoren Hinweise darauf, daß eingesandte Manuskripte auf Grund der Papierknappheit liegenblieben und erst später veröffentlicht wurden. Und so hat ja insbesondere das Jahr 1919 mit den ersten Gelbsternbüchern und Kabels Jugendbüchern einige größere Werke aufzuweisen, welche eventuell teilweise in dieser Zeit entstanden sind.

Schauen wir uns nun noch einige größere Arbeiten von Walther Kabel an. Besonderes erwähnt werden muß in diesem Zusammenhang an erster Stelle noch der erste umfangreiche Kriminalroman von Walther Kabel: Das Geheimnis der Ginsterschlucht. Diese Erzählung entstand gemäß Kabels Angaben im Brümmer bereits 1906. Aus heutiger Sicht würde man wohl von einem Jugendkrimi reden. Ein Roman, den eigentlich jeder Walther Kabel-Freund gelesen haben sollte.

Eine weitere Beachtung muß auch eine Broschur-Buchreihe aus dem Verlag moderner Lektüre finden: Als Kabels Jugendbücher erscheinen 1919 vier Erzählungen, die vielleicht als Ergänzung zu den Erlebnissen einsamer Menschen gedacht waren, sich auf jeden Fall an dieselbe Zielgruppe richteten. Durch die hier erschienenen Reiseerzählungen (nach Angaben von Kabel in den Texten waren ursprünglich weitere geplant), wie Die Goldkarawane, weht schon einen kräftiger Hauch von Abelsen und die Reihe kann man sicherlich auch als eine Art früher Vorläufer der Abenteuer abseits vom Alltagswege bezeichnen.

Weiterhin soll noch die Broschur-Buchreihe Gelbstern-Bücher erwähnt werden. Diese erschien ab 1919 bis 1921 ebenso im Verlag moderner Lektüre und umfaßte 20 Broschur-Bücher. Neben den Arbeiten von anderen Autoren finden wir hier elf längere Kriminalerzählungen von Walther Kabel wohl in Erstveröffentlichung. So Der hüpfende Teufel, Der Tempel der Liebe und Das Haus am Mühlengraben um nur drei Erzählungen zu nennen. Einen guten Teil der Titelbilder zeichnete der Maler und Illustrator Paul Wendling. Die Gelbstern-Bücher wurden in den Jahren 1922 bis 1928 mit teils geänderten Titelbildern immer wieder neu aufgelegt. Die Erzählungen von Walther Kabel sollten 1931 nochmals als Kabels Kriminalbücher erscheinen.

Walther Kabel hat also in den 1910er Jahren bereits den Grundstock zu seinem Werk gelegt, welchem er in den „goldenen“ 1920er vieles von Kriminalabenteuern über Frauenromane bis hin zu Verserzählungen noch folgen ließ. Wenn ich nun die Erzählungen benennen darf, die mir in diesem Zeitraum am besten gefallen haben, so komme ich unweigerlich auf jene zurück, die er bereits in dieser frühen Schaffensperiode in der Ich-Form abgefaßt hat. Eben jenes „Rezept“, was auch die Abelsen- und Harald Harst-Serie aus meiner Sicht so erfolgreich machte. Genannt seien hier: Das Tagebuch eines Verlorenen (erneut veröffentlich unter dem Titel Irrende Seelen) aus der Argus-Reihe und die kurze Skizze Zwei Johannistage von 1911.

Als Abschluß möchte ich hier noch einige Auszüge aus der Erzählung Das Glück unterm Dach (Vergißmeinnicht Nr. 264) anfügen, in der Walther Kabel die Anfänge eines Schriftstellerdaseins so treffend beschreibt. Auch wenn es keine autobiographische Erzählung ist, so kann man doch annehmen, daß er hier zumindest teilweise auf eigene Erfahrungen zurückgegriffen hat:

… Unter seinen bei Antritt der Studentenferien in Berlin zurückgebliebenen Sachen, die er sich jetzt nach Danzig hatte nachschicken lassen, befand sich auch eine dicke Mappe mit kleineren Arbeiten, – Skizzen, kurzen Novellen und Erzählungen, die seinen Ansprüchen an Inhalt und Form nicht genügt hatten und die daher nie einer Redaktion vorgelegt worden waren. All diese Werkchen seiner Feder sah er nun in Stunden, wo er nicht die wahre, begeisternde Schaffensfreude spürte, nochmals durch, schickte sie dann an ein Danziger Abschriftenbureau und erhielt sie in sauberer Maschinenschrift zu einem nicht allzu hohen Preise zurück. Nun erst sandte er sie in die Welt hinaus – hierhin und dorthin, um neue Verbindungen anzuknüpfen, wobei er sich nach den Ansprüchen der Zeitschriften und Zeitungen, die leicht aus deren Inhalt hervorgingen, richtete. Immerhin wurde es so ein Dutzend Manuskriptsendungen, die er unterwegs hatte …

… Er arbeitete jetzt gleichzeitig an drei Novellen. Er nannte das selbst „fabrikmäßigen Betrieb“, aber es mußte sein. Seine Kasse hatte eine Auffrischung dringend nötig. Seit vierzehn Tagen war der Geldbriefträger nicht mehr bei ihm erschienen, und sein Barbestand an schnödem und doch so notwendigem Mammon betrug nur noch 126 Mark. Dabei standen ihm gerade jetzt zum Winter größere Ausgaben bevor …

… Dann blätterte er das Manuskript durch, zählte die Seiten, die für den Geschmack der Reaktion zu frei waren. Im ganzen 32 – also keine geringe Arbeit, zumal er nicht einfach das Bemängelte wegstreichen, sondern ändern sollte …

… Noch an demselben Tage ging der wiedergefundene Roman als Eilgutpaket an das „Universum“ ab. Auch die drei Novellen schickte er an drei Zeitschriften ein, die nicht allzu anspruchsvoll waren, da er zu diesen Arbeiten doch kein volles Vertrauen hatte …

Dirk für

www.walther-kabel.de