Walther Kabel
Kriminal-Roman
Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Berlin 26, Elisabeth-Ufer 44
Nachdruck verboten. – Alle Rechte, einschl. das Verfilmungsrecht, vorbehalten. – Copyright 1926 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin.
Druck: P. Lehmann G. m. b. H., Berlin.
„Wollen wir nicht lieber umkehren?“ rief Gina Galden den beiden Herren zu, die soeben das Großsegel der Jacht gerefft hatten. Dabei deutete sie mit der linken Hand auf die schwarze Wolkenwand, die drüben am nördlichen Horizont sich immer höher emporschob.
Aber Werner Fink winkte ab …
„Das Barometer steht tadellos …! Das gibt höchstens einen Regenschauer …“
Der andere jedoch, in dessen Gesicht eine gewisse schwermütige Versonnenheit lag, meinte bedächtig:
„Sie haben vor einer halben Stunde nach dem Barometer gesehen, lieber Fink … Inzwischen kann der Zeiger recht gut auf Sturm gesprungen sein … Der Wind hat merklich aufgefrischt. Auch beunruhigt mich das aufgeregte Schreien der Seevögel …“
Werner Fink, in allem das Gegenstück zu Doktor Gisbert Blume, lachte spöttisch …
„Doktor, Sie bleiben ein Angstmeier … Sie werden Fräulein Gina noch mit Ihren Unkenrufen beunruhigen …“
Die beiden Herren waren zwar Freunde, aber trotzdem insgeheim Gegner. Der Kampf ging um Gina Galden …
Da meldete sich der vierte an Bord, und das war der indische Bootsjunge Selim Bakra …
„Sahib Fink,“ erklärte der hagere braune Bursche sehr bestimmt, „es gibt einen Taifun … Ich bin zwei Jahre Schiffsjunge auf einem Küstenfahrer gewesen und kenne die Anzeichen … Wenn Sahib Fink einmal die Wolkenfäden beobachten will, die sich von dem schwarzen Gewölk strahlenförmig nach oben ziehen …“
Selim Bakra war in einer deutschen Missionsschule in Bombay erzogen worden und beherrschte die deutsche Sprache sehr gut. Aus Bombay war auch Gina Galden mit ihren Verehrern heute früh sieben Uhr zu dieser Segelpartie aufgebrochen. Gina war Lehrerin und Erzieherin bei dem deutschen Konsul, während Werner Fink Konsulatssekretär und Doktor Blume Konsulatsdolmetscher war.
Fink meinte jetzt ärgerlich:
„Nun gut, – kehren wir um! In drei Stunden haben wir die Malabar Hills und die Türme des Schweigens, die Wahrzeichen von Bombay, wieder in Sicht … – Fräulein Gina – fertig zum Wenden!!“
Gina saß am Steuer … Das einfache Segelmanöver wurde ohne Schwierigkeiten ausgeführt, und die kleine Jacht schoß in nordöstlicher Richtung weiter …
Doktor Blume kam jetzt und setzte sich neben Gina.
Sagte leise: „Wir hätten vor einer halben Stunde wenden sollen, wie ich es wollte … Aber Fink hat ja stets seinen Kopf für sich …“
Besorgt schaute er nach dem drohenden Gewölk aus …
Auch Gina flüsterte:
„Selim hat recht … Die Wolkenfäden gefallen mir nicht … Und der Wind flaut wieder ab – auch ein schlechtes Vorzeichen …!“
Fink sprach vorn mit dem Bootsjungen … Und man merkte ihm an, daß auch er dem Wetter nicht mehr recht traute …
Dann schlenderte er über das Deck und stieg die Kajüttreppe hinab, nickte Gina und dem Doktor zu und sagte nur:
„Ich will doch einmal nach dem Barometer sehen!“
Verschwand …
War im Moment wieder oben …
Die beiden am Steuer blickten ihn an … Finks Gesicht verriet nichts Gutes …
„Ich bekenne mich schuldig,“ meinte er dumpf … „Das Barometer ist stark gefallen … Wir müssen vor dem Taifun flüchten … Das ist die einzige Möglichkeit, noch rechtzeitig irgendwo hinter einer Insel Schutz zu suchen … – Also – – wenden, Fräulein Gina …! Kommen Sie, Doktor …!“
Diesmal gelang das Segelmanöver nicht so leicht.
Der Wind war inzwischen fast völlig eingeschlafen.
Werner Fink warf den Hilfsmotor der Jacht an.
Die Stimmung an Bord war urplötzlich mehr als gedrückt …
Das kleine Schifflein hielt jetzt südlichen Kurs …
Aber der Taifun war schneller …
Die Wolkenfäden wurden breiter und breiter … wurden zu zahllosen Armen eines mordgierigen Ungeheuers, dessen Leib sich als pechschwarzes, gelb umrandetes Gewölk höher und höher schob … Es bedeckte bereits den halben Himmel …
Kein Lüftchen regte sich mehr …
Der Ozean hatte eine unheimlich fahle Färbung angenommen … Dazu wurde es immer dunkler … Die Sonne war gänzlich verschwunden, und nur zwischen den Riesenarmen des Wolkenungetüms schimmerten noch schmale Streifen des blauen Sommerhimmels.
Der Motor der Jacht sang sein eintöniges Lied …
Die drei am Heck schwiegen …
Gina hatte einen trotzigen Zug um den Mund, und mit einem Male sagte sie ziemlich scharfen Tones zu Doktor Blume:
„Bitte, sehen Sie mich nicht so mitleidig an, Herr Doktor! Glauben Sie etwa, ich fürchte mich?!“
Diese Worte ließen auch Werner Fink aus dumpfem Brüten emporschrecken …
Gisbert Blume war sehr rot geworden …
„An Ihrem Mute habe ich noch nie gezweifelt, Fräulein Gina,“ verteidigte er sich schlicht. „Daß ich jetzt in unserer bedrohlichen Lage mich um Sie sorge, ist wohl selbstverständlich … Sie sind jung … Und diese Fahrt kann uns in …“
Er führte den Satz nicht zu Ende …
Von Norden her – aus der Richtung des finsteren Gewölks, war der erste tiefe Orgelton des nahenden Sturmes erklungen …
Fink war aufgesprungen …
Starrte nach rückwärts …
Aber mit einem Schlage fast wurde es jetzt stockfinster …
Gleichzeitig aber auch vom Bug her des Bootsjungen schrille Stimme:
„Ein Dampfer – – ein Dampfer …!! Dort vor uns[1] …!!“
Fink fuhr herum …
„Bei Gott …!! Unsere Rettung!!“
Auch Blume hatte sich erhoben …
Und wieder rief Werner Fink:
„Es ist eine große Motorjacht … Sie kommt auf uns [zu][2] …!!“
Das schlanke hellgraue Schiff hatte plötzlich seinen Bugscheinwerfer aufleuchten lassen …
Wenige Minuten später, bevor noch die Windsbraut des Taifuns den kleinen Segler packen konnte, stiegen dessen vier Insassen die Schiffstreppe des rettenden Fahrzeugs empor …
Gina voran …
An Deck oben standen nur indische Matrosen in sauberen Jachtanzügen …
Bevor Gina Galden sich noch nach ihren Begleitern umsehen konnte, hatte einer der Leute höflich zu ihr gesagt:
„Bitte – dorthin, Miß …!“ Und er deutete auf die Treppe des Achterdecks …
Im selben Moment erlosch der Scheinwerfer, und Gina fühlte sich von der Hand des Inders durch tiefe Finsternis vorwärtsgedrängt – zur Treppe hin.
Der Treppenniedergang war erleuchtet …
Gina ließ sich weiter von dem Inder stützen, denn die Jacht rollte jetzt derart, daß das junge Mädchen sich kaum auf den Füßen halten konnte …
Der Inder stieß eine Kabinentür auf … Gina trat ein … –
Inzwischen war man oben an Deck mit Fink, Blume und dem Bootsjungen weit weniger sanft umgegangen. Kräftige Matrosenfäuste hatten jeden der drei gepackt, und im Umsehen waren die völlig Überraschten im Vorschiff in eine Kammer eingesperrt worden, ohne daß man es für nötig befunden hätte, die beiden deutschen Herren über diese rauhe Behandlung irgendwie aufzuklären.
In der engen, leeren Kammer brannte an der Decke eine kleine elektrische Lampe.
Fink und Blume starrten sich verdutzt an …
Dann aber gewann bei Werner Fink die grimme Wut über diesen Gewaltstreich die Oberhand …
Er donnerte mit den Fäusten gegen die Tür …
„Lumpenpack – – öffnen!! Wo habt ihr die junge Dame gelassen …?! Schurken, – laßt uns heraus, oder …“
Da legte ihm Doktor Blume die Hand schwer auf die Schulter …
„Fink, das ist zwecklos …! Nur keine unnütze Kraftvergeudung! – Sprengen wir die Tür … Es müßte doch …“
Und – schwieg …
Die elektrische Lampe war erloschen … Die Jacht schlingerte ganz plötzlich derart, daß Fink und Blume gegen die Wand fielen …
Von draußen auch eine Stimme, die deutlich brüllte: „Wir schießen, falls ihr nicht Ruhe haltet!“
So standen die beiden Deutschen denn nun im Dunkeln, hielten sich aneinander fest und hörten neben sich in der Ecke den Bootsjungen vor Angst wimmern und wehklagen …
Fink meinte fast zischend:
„Doktor, wenn wir nur eine Schußwaffe hätten!! Dies Gesindel!! Und – die arme Gina …!!“
Blume lachte ärgerlich …
„Ihre Schuld!! Nur Ihre Schuld …!! Wir hätten eben rechtzeitig …“
„Ah – leugne ich denn, daß ich mich schuldig fühle?! Leugne ich denn?!“ Und Werner Finks Stimme war wie erfüllt von Reue und Schmerz. „Doktor, Doktor, – – was tun wir nur?! Wir dürfen Gina nicht diesem braunen Lumpenpack überlassen …! Doktor, wir beide lieben Gina!! Wir müssen handeln!“
„Und – würden einfach niedergeknallt werden …!! – Ich denke, wir warten besser erst mal ab, was weitergeschieht … Man wird sich kaum sofort an Gina vergreifen … Die Matrosen haben doch fraglos auf Befehl ihres Herrn uns von Gina getrennt. Dieser Herr ist der Besitzer der eleganten Jacht, zum mindesten ihr Kapitän, also in jedem Falle ein gebildeter Mann … kein hergelaufener Lump!“
Die Jacht rollte und stampfte noch ärger als bisher.
Selim heulte und betete …
Fink und Blume standen breitbeinig an der Wand und hatten alle Mühe, sich auf den Füßen zu halten. Sie hörten deutlich, wie schwere Brecher über Bord klatschten, hörten das Heulen der Sturmstöße, und das helle Pfeifen des Windes in der Takelage … –
Fink hatte sich auf sich selbst besonnen. Seine ungeheure Erregung flaute ab. Er sah ein, daß der Doktor mit seiner kühleren Beurteilung der Sachlage recht hatte.
Drei Stunden vergingen so …
Der Orkan ließ nach …
Die Jacht lief ruhiger …
Dann wurde die Kammertür geöffnet …
„Sahib Fink!“ rief einer der draußen stehenden Matrosen …
Diese Matrosen waren bewaffnet …
„Sahib Fink, Ihr möchtet zu Miß Galden kommen.“
Es war nur ein plumper Trick …
Kaum war Werner Fink draußen im Schiffsgang, als man ihn packte, ihm eine Decke über den Kopf warf …
Genau so erging es Doktor Blume und dem Bootsjungen …
Und fünf Minuten später befanden sich die drei gefesselt in der Kajüte ihres eigenen kleinen Fahrzeugs … Nahmen sich gegenseitig die Fesseln ab, eilten an Deck …
In weiter Ferne verschwand die elegante, unbekannte Jacht im Dunst des Horizonts … Eine Verfolgung war aussichtslos …
So kehrten die drei denn ohne Gina Galden nach Bombay zurück, wo sie nachts gegen zwölf eintrafen und sofort der Polizei Meldung erstatteten.
Am folgenden Mittag saßen Doktor Gisbert Blume, Werner Fink und Selim im Dienstzimmer des Detektivinspektors Brandon und wurden nochmals eingehend zu Protokoll vernommen.
„Motorjacht, etwa vierzig Meter lang, zwei Masten – mehr kann ich leider nicht angeben, Mr. Brandon.“
Der Inspektor wandte sich an Selim.
„Und du, mein Junge?!“
Der braune Bursche zögerte … Er hatte offenbar einen ungeheuren Respekt vor Brandon …
„Rede nur frisch von der Leber weg,“ ermunterte ihn der Inspektor … „Du scheinst etwas aussagen zu wollen … Bedenke, daß du dir einen Teil der Belohnung verdienen kannst, wenn du uns auf die Spur dieser Piraten leitest …“
Selim grinste verlegen …
„Ich … ich habe einen der Matrosen erkannt, Sahib …!“ rief er dann schrill und wie außer Atem. „Der Matrose war mit mir vor anderthalb Jahren zusammen auf dem Küstendampfer London, Kapitän Smider …“
Der Inspektor, ein kleiner, trockener Herr mit der gelblichen Gesichtsfarbe der Leberkranken, schlug vor Freude mit der Faust auf ein Aktenbündel, daß der Staub nur so herauswirbelte …
„Selim, du Perle aller Bootsjungen,“ rief er schmeichelnd, „strenge dein Hirn an und versuche, ob du nicht Näheres über diesen Matrosen weißt …“
Aber Selim Bakra schnitt ein äußerst unglückliches Gesicht, schlackerte mit dem Kopf, daß die Ohren abzufallen drohten, und stöhnte:
„Sahib, war ein Malaie, der Mann … Waren alles malaiische[3] Matrosen an Bord der London, und Malaien sehen sich so ähnlich.“
Brandon hätte sich vor Verzweiflung gern das Haar gerauft, wenn er noch eigenes besessen hätte. Da er aber eine blonde Perücke trug, um seine kahle Schädelplatte zu verbergen, verbot sich das Haarraufen von selbst …
Dafür stieß er als Ersatz einen lästerlichen Fluch aus und meinte zu den beiden deutschen Herren:
„Das war nun ein geringer Hoffnungsschimmer, und dieser Schimmer ist wieder erloschen … – Gott sei’s geklagt: es gibt jetzt ja so zahllose Privatjachten in den indischen Gewässern, daß die Auswahl zu groß ist. Jeder Radscha, jeder malaiische Fürst, jeder reiche indische, persische oder malaiische Kaufmann, leistet sich diesen Luxus. Die Kerle sind ja durch den Weltkrieg alle unverschämt reich geworden. Hinzu kommen noch die Jachten der Europäer, ferner die Luxusjachten der reisenden amerikanischen, japanischen und chinesischen Kriegsgewinnler … Es ist ein Elend, daß es so zahllose Fahrzeuge dieser Art gibt, und daß die meisten davon denselben Typ oder doch einen sehr ähnlichen darstellen. Ja, wenn Sie mir wenigstens eine einzige Besonderheit dieser dreimal verdammten Räuberjacht nennen könnten – eine einzige!!“
Blume und Fink zuckten gleichzeitig die Achseln. Doktor Blumes kluges, ernstes Gesicht war ganz schmal geworden, und sah noch trauriger als sonst aus. Werner Fink dagegen starrte den für einen Engländer äußerst zappeligen Detektivinspektor mit offenbarer Geringschätzung an, und wenn Brandon nicht so erregt gewesen wäre, hätte er dem Deutschen unschwer die Gedanken von der Stirn abgelesen …
Und diese Gedanken waren: „Du bist ein kompletter Idiot!!“
Gleich darauf entließ Mr. Brandon die drei Zeugen dieses Piratenstreiches.
Als die deutschen Herren und Selim die Straße betraten, als die Mittagshitze Bombays sich wie ein glühender Mantel um sie ausbreitete und das Gebrüll der Zeitungsjungen in dieser Hitze wie das Kreischen verängstigter Seevögel aufschrillte – die kleinen braunen Bengel schrien alle dasselbe: Das Allerneueste, eine junge Deutsche entführt –, da sagte Fink mit knirschenden Zähnen zu seinem Konsulatskollegen:
„Dieser Brandon tut nur so, als ob er sich vor Eifer förmlich vierteilen möchte … Der Kerl ist Opiumraucher, das weiß hier jedes Kind, und sein Hirn so ausgedörrt wie eine Kokosnuß, die wochenlang in praller Sonne gelegen hat … Der wird nie etwas ausrichten, nie …!“
Doktor Gisbert Blume nickte. „Außerdem liegt den Herren hier sehr wenig an einem jungen deutschen Mädchen, das nicht einmal mehr Angehörige besitzt, die etwas Feuer dem Amtsschimmel unter den faulen Schwanz machen könnten … Gina Galden wird in acht Tagen vergessen sein. Denn auch die hiesigen amtlichen Stellen unseres Vaterlandes, lieber Fink, werden nie etwas erreichen. Wir sollen sparen – sparen – sparen! Wir Deutschen sind die Schuldner der ganzen Welt, und jeder Nickel wird, … – aber wozu gerate selbst ich in Eifer?!“ unterbrach er sich … „Es ist ja so zwecklos … Wenn wir beide nicht handeln, Fink, verläuft die Sache im Sande …“
„Ah – das darf nicht sein!“ rief der temperamentvolle Konsulatssekretär … „Gehen wir in den Klub, Freund Blume, und überlegen wir bei einem Glase Eispunsch, was wir anfangen sollen …“ Dann wandte er sich an Selim: „Du gehst wieder an Bord unserer Jacht, Boy … Bringe alles in Ordnung … Der Sturm hat dort genug kleine Schäden angerichtet …“ –
Im deutschen Klub war es um diese Stunde leer. Die beiden Herren setzten sich ins Lesezimmer … Ein Diener brachte die Getränke und verschwand wieder.
Blume lag im Klubsessel und putzte die Gläser seiner Hornbrille, blinzelte kurzsichtig, in die Sonnenstrahlen, die durch die Ritzen der Stabjalousien in den großen Raum eindrangen …
Sagte in seiner kühlen, melancholischen Art:
„Gina war, oder besser, ist schön … Gina konnte schon die Begehrlichkeit irgendeines Nabobs reizen … Es war, so schätze ich, ein verabredeter Streich …“
„Natürlich …! Und wir beide, die wir Gina lieben, haben das Unheil verschuldet … Wir luden sie zu der Kreuzfahrt ein …“
„Und wir werden sie retten, Fink … Unsere Rivalität als Bewerber um Ginas Hand muß jetzt zurücktreten. Wir beide besitzen etwas Vermögen. Opfern wir es … Nehmen wir den besten Detektiv, den wir bekommen können …“
„Den besten – – wen?! Ich habe schon an unseren Landsmann Harst gedacht … Doch bevor der aus Berlin …“
Fink war aus seinem Sessel hochgefahren …
„Blume, Harst ist ja in Indien … Blume, vorgestern noch las ich in der Zeitung, daß er …“
Auch Blume sprang empor …
„Bei Gott, er ist hier … Ich besinne mich …“
Er trat an den Zeitungsschrank, hatte sehr bald die Notiz gefunden …
„Hier steht’s …“
„Harald Harst, der in den letzten Tagen als Gast bei dem Radscha von Lindore weilte, wird von Bombay aus den Dampfer Barakar zur Rückreise nach Europa benutzen …“
„Zum Hafen!“ meinte Blume. „Der Barakar muß hier angelegt haben. Vorwärts, Fink …!“
Am Kai erfuhren die Herren, daß der Dampfer vor einer Stunde eingetroffen sei und nachmittags fünf Uhr die Weiterreise antrete.
Sie begaben sich an Bord des Schiffes, hörten hier jedoch, daß der deutsche Detektiv mit seinem Freunde und ständigen Begleiter samt den Koffern soeben an Land gegangen sei und seine Kabine dem Schiffszahlmeister zur Verfügung gestellt habe.
Zwei Stunden lang suchten sie nun sämtliche Hotels und Privatpensionen ab. Harst und Schraut waren nirgends aufzutreiben. Nach einer weiteren Stunde hatten sie den Gepäckträger gefunden, der die Koffer der Herren weggeschleppt hatte. Der Mann konnte nur angeben, daß die deutschen Sahibs mit einem Mietauto davongefahren seien.
Auch dieses Auto fanden Fink und Blume nach abermals zwei Stunden. Sie waren jetzt schon völlig erschöpft. Der braune Schofför erklärte, die Sahibs hätten sich nach dem Eingeborenenviertel bringen lassen, wo sie in der großen Basarstraße samt den Koffern in dem Laden des persischen Edelsteinhändlers Musir verschwunden seien.
„Also zu Musir!“ rief Fink, und trocknete den Schweiß vom Gesicht …
Wieder eine Enttäuschung: der Perser gab ihnen dahin Bescheid, daß die beiden Herren bei ihm nur einiges eingekauft und dann ihre Koffer auf einem zufällig vorüberkommenden Ochsenkarren verladen und zu Fuß sich entfernt hätten … –
Trotzdem gaben Fink und Blume das Rennen nicht auf.
Aber all ihre Nachfragen waren umsonst. Der Abend kam, und um acht Uhr saßen sie wieder Inspektor Brandon gegenüber und baten ihn, durch die Polizei nach den beiden Detektiven forschen zu lassen.
Was Brandon auch feierlich versprach …
Der Inspektor hielt sein Wort, konnte jedoch am nächsten Morgen den beiden Konsulatsbeamten lediglich erklären, Harst und Schraut seien weder mit einem Dampfer abgereist noch in der Stadt.
„Arme Gina!“ meinte Doktor Blume … „Harst hätte dich vielleicht gefunden!“
Das sprach er mehr für sich selbst …
Brandon hatte scharfe Ohren …
„Erlauben Sie: auch wir werden die Miß finden,“ platzte er heraus. „Harsts geistige Jongleurkunststücke beschränken sich auf Sensationsfälle … Er ist auch nur ein Mensch …“
„Neidhammel!“ – dachten Blume und Fink gleichzeitig …
Doch damit war Gina Galden nicht geholfen …
Und der Abend dieses Tages kam …
Da saß Gisbert Blume, der stille Philosoph, auf der Veranda seines winzigen Wohnhäuschens und blickte versonnen hinab auf die große Stadt und den belebten Hafen …
Rauchte, ohne daß es ihm schmeckte, eine Zigarre und grübelte der Frage nach, wo Harst und Schraut geblieben sein könnten …
Der kleine zierliche Bungalow des Doktors lag inmitten der grünen Ostabhänge der Malabar Hills, – ein Schmuckkästchen, so recht eine freundliche Gelehrtenklause. –
Blume wandte den Kopf. Sein Schaukelstuhl knarrte dabei. Neben ihm stand sein Diener Ali …
„Sahib, es sind seit gestern zwei Bettler dauernd vor unserem Hause auf der Straße …,“ sagte Ali gedämpft. „Sahib, es sind Spione … Wenn du ausgehst, ist einer hinter dir her, der andere bleibt. Ich habe Augen, Sahib.“
Blume erwachte aus seiner träumerischen Stimmung …
Seine Gedanken, die zumeist Ginas ernstem Schicksal nachgetrauert hatten, sammelten sich und er erwiderte dem treuen Inder: „Was denkst du, Ali?“
„Ich denke, daß die dich beobachten lassen, Sahib, die Miß Galden geraubt haben …“
Blume nickte. „Dann denken wir dasselbe, Ali … – Ich werde an Inspektor Brandon telephonieren und ihm dies mitteilen … Wenn man diese Spione festnimmt, wird man vielleicht die Spur ihrer Auftraggeber finden …“
Er erhob sich und ging in sein Arbeitszimmer …
Da die Stabvorhänge noch geschlossen waren, schaltete er der Dunkelheit wegen das Licht ein …
Blume hatte gute Nerven. Und doch schrak er zusammen, als er auf dem Rohrsofa an der Rückwand zwei ihm unbekannte Inder sitzen sah …
Der eine winkte rasch …
Deutsche Worte folgten: „Licht aus – – Harst!“
Der Konsulatsdolmetscher gehorchte.
Wenige Minuten später schickte er Ali sowie seinen chinesischem Koch mit Aufträgen in die Stadt …
„Ihr braucht euch nicht zu beeilen,“ betonte er. „Wenn ihr um zehn Uhr zurück seid, genügt das.“
Nachdem Ali und der Koch sich entfernt hatten, betrat Blume abermals sein Arbeitszimmer und sprach in das Dunkel hinein:
„Nun sind wir, wie Sie es wünschten, Herr Harst, allein im Hause … Mein Schlafzimmer geht nach dem Garten hinaus. Dort können wir auf keinen Fall von der Straße aus gesehen werden.“ –
Die beiden verkleideten Detektive und der Doktor saßen in Korbsesseln dicht beisammen. Es brannte nur ein Nachtlämpchen mit violettem Schirm, und der gedämpfte Lichtschein im Verein mit den gedämpften Stimmen der Herren verliehen dieser Unterredung etwas Geheimnisvolles.
Harst, genau wie sein Freund Schraut, in der tadellosen Maske eines indischen ärmeren Kulis, über den jeder achtlos hinwegsieht, hatte Doktor Blume berichtet, wie ein auf dem Dampfer Barakar eingetroffenes Funktelegramm mit der Meldung von der Entführung Fräulein Galdens ihn veranlaßt habe, seine Rückreise zu unterbrechen …
„Dieser Fall nimmt mein Interesse lediglich deshalb in Anspruch, Herr Doktor,“ erklärte er weiter, „weil wir, Schraut und ich, Fräulein Galden persönlich kennen, denn vor acht Monaten legten wir die Reise nach Bombay auf demselben Schiffe zurück … – Im übrigen tun Sie dem Inspektor Brandon unrecht, Landsmann. Mag Brandon auch Opiumraucher sein, er ist trotzdem ein ganz feiner Kopf, sobald sein Hirn frei von den Einwirkungen des Giftes ist … – Hat doch Brandon im Hause des Generalkonsuls, wo Gina Galden als Erzieherin tätig war, Erkundigungen eingezogen, wen das junge Mädchen dort kennengelernt hat, und ob nicht irgend jemand ihr besondere Aufmerksamkeiten erwies?“
Gisbert Blume erwiderte, er verkehre selbst viel im Hause seines Vorgesetzten …
„Ich kann Ihnen also über diese Punkte Auskunft geben, Herr Harst …“
„Und Sie wüßten niemand, der sich Fräulein Galden zu nähern suchte? – Sie verstehen: es muß sich um einen reichen Eingeborenen handeln, denn von einem Europäer ist dieser Streich niemals ausgeführt worden. Das ganze Geschehnis schmeckt nach Orient.“
Blume dachte lange nach …
„Nein, Herr Harst, – Bewerber hatte Gina genug, aber alles nur Herren, die sich ihr mit der schuldigen Ehrerbietung nahten … Inder verkehren kaum im Hause des Generalkonsuls, und die wenigen sind sämtlich ältere, ehrliche Herren …“
Harst wiederholte nochmals eindringlich:
„Bitte, besinnen Sie sich recht genau, Herr Doktor … Rufen Sie sich alles ins Gedächtnis zurück, was hier irgendwie auf einen Inder hinweisen könnte … Denn, – falls dieser Umstand ausscheidet, müßte man leider fürchten, das junge Mädchen habe die Begehrlichkeit von Mädchenhändlern geweckt, und das wäre … furchtbar!“
Blume zuckte zusammen …
„Mein Gott, nur das nicht …! Nur das nicht! – Lassen Sie mich nachdenken …“
Lange Zeit blieb es still.
Dann seufzte Blume vernehmlich und erklärte:
„Ich habe ein treffliches Gedächtnis. Ich finde jedoch nicht den geringsten Anhaltspunkt …“
„Dann – nennen Sie mir die europäischen Bewerber Ginas – alle, Herr Doktor, und geben Sie mir von jedem womöglich eine kurze Charakteristik …“
Blume errötete etwas …
„Ich will ehrlich sein, – auch ich habe Gina den Hof gemacht, Herr Harst, und ich … ich … glaube, daß ich Gina nicht ganz gleichgültig bin. Jedenfalls bestand zwischen uns eine herzliche Freundschaft, und in diese teilte sich noch mein Kollege vom Generalkonsulat Werner Fink, den ich Ihnen gegenüber ja bereits erwähnte. Er war es, der mir Sie beide suchen half, Herr Harst. – Ein Urteil über meine eigene Person kann ich kaum abgeben. Sie werden mich ja näher kennenlernen …“
„Was nicht mehr nötig ist,“ warf Harst liebenswürdig ein. „Man besitzt als Detektiv einige Menschenkenntnis, Herr Doktor … Für Sie würde ich jederzeit die Hand ins Feuer legen. – Und Herr Fink?“
„Ja – wir sind starke Gegensätze, Fink und ich … Fink ist sehr temperamentvoll, vielleicht deshalb als Charakter ein wenig unausgeglichen, aber – ein guter Mensch, ohne Frage … Obwohl wir doch, was Gina Galden betrifft, Rivalen sind, hat das an unseren persönlichen Beziehungen nichts geändert.“
„Einigermaßen merkwürdig, Herr Doktor … Wenn es sich um ein Weib handelt, pflegt jede Männerfreundschaft in die Brüche zu gehen … – Die Segeljacht gehört Ihnen und Fink gemeinsam?“
„Ja …“
„Und wer von Ihnen hat …“
Der deutsche Detektiv unterbrach sich … „Es hat geläutet, Herr Doktor … Der der da Einlaß begehrt, läutet förmlich Sturm …“
„Dann ist’s Werner Fink selbst,“ meinte Blume hastig und erhob sich. „Sie werde jetzt seine Bekanntschaft machen … Vielleicht bringt er gar Neues …“
Er verließ das Schlafzimmer …
Harst wandte sich an seinen Freund Schraut – mit noch gedämpfterer Stimme:
„Die Sache sieht bisher ziemlich aussichtslos aus … Ich fürchte fast, hier haben doch Mädchenhändler die Hand im Spiel …“
Schraut erwiderte nichts …
Dann traten auch schon Blume und Fink wieder ein …
Bei der Vorstellung sagte der Konsulatssekretär halb scherzend:
„Blume ist ja hier mit der Beleuchtung mehr wie sparsam … Man sieht sich kaum … – Freue mich sehr, meine Herren, daß Sie uns helfen wollen, Fräulein Gina zu suchen. Und, um auch das Peinliche sofort zu erledigen, Herr Harst: Sie und Ihr Freund können jede Honorarforderung stellen! Ich bin vermögend, und wir wollen kein Geld sparen, wenn wir …“
Harst winkte ab … „Spätere Sorgen, Herr Fink … – Jetzt möchte ich an Sie dieselben Fragen richten, die mir Doktor Blume bereits beantworten sollte …“
Aber auch Fink vermochte das Dunkel in keiner Weise zu lichten …
„Unter den Herren, die sich um Gina bemühten, ist nicht einer, dem ich etwas Schlechtes zutraue,“ betonte er. „Nun gar noch eine solche Entführung!! Nein – diese Möglichkeit müssen wir völlig streichen.“
Blume hatte jetzt ein kleines Tischchen und für seine Gäste Erfrischungen herbeigeholt …
Die Rauchwölkchen von Zigarren und Zigaretten stiegen zur Zimmerdecke empor, und die leisen Worte der vier Herren klangen matt und farblos, wie im Bewußtsein der Zwecklosigkeit all dieser Bemühungen.
Man erörterte trotzdem stets von neuem jeden auch noch so geringen Anhaltspunkt. Doch die Hoffnung, auf diese Weise Licht in das unerklärliche Geschehnis zu bringen, schwand mit jeder verrinnenden Minute …
„So bleiben uns also nur die beiden Spione vor Ihrem Hause, Herr Doktor,“ meinte Harst schließlich. „Schraut und ich werden uns nun verabschieden und diese Leute aufs Korn nehmen. Sie, meine Herren, hören noch von uns …“
Fink fragte zögernd:
„Entschuldigen Sie schon, Herr Harst … Aber unsereiner, der Ihrem Berufe so fern steht, interessiert sich für Ihre Arbeitsmethode … Wo haben Sie denn Ihr Quartier aufgeschlagen, und wie …“
Harst fiel ihm ins Wort. „Verargen Sie es mir nicht, Herr Fink … Ich pflege jedoch meine Karten bei solchem Spiel niemandem zu zeigen. Selbst mein Freund Schraut muß sich häufig mit Andeutungen begnügen. – Wir werden uns wiedersehen, meine Herren, sobald ich dies für nötig finde … Und jetzt, Herr Doktor, lassen Sie uns bitte durch die Hintertür in den Garten. Eingestiegen sind wir hier bei Ihnen durch ein Fenster. Wir können es jetzt bequemer haben …“
Die beiden verkleideten Detektive verloren sich im Dunkel des Baumschattens. Der Garten stieg in kleinen Terrassen an und grenzte mit seiner Rückseite an den Park des sehr ausgedehnten Grundstücks Lord Bellamoores, des Gouverneurs von Bombay.
Die Freunde kletterten gewandt über die Mauer und erreichten sehr bald die Straße, nachdem sie hier das Gitter überstiegen hatten.
Die Straße war still und einsam. Jetzt um die zehnte Abendstunde war es hier in der vornehmsten Wohngegend der Europäer so ruhig und verlassen[4], wie etwa in den Berliner westlichen Vororten.
Die beiden indischen Kulis wandern mit schleppenden müden Schritten dahin, jeder in der Hand ein Bündel, als ob sie von der Arbeit kämen …
Es ist so gar nichts Auffälliges an ihnen …
Aber ihre Augen sind wach, und ihr Hirn spürt dem Rätsel dieser Mädchenentführung unablässig nach. Sie schweigen. Doch ein einzelnes geflüstertes Wort und ein Blick genügt ihnen, sich zu verständigen.
Sie kommen so an Doktor Blumes Häuschen vorüber.
Die Spione sind nicht mehr da …
Niemand …
Sie gehen weiter – immer weiter, und fahren dann mit der Straßenbahn nach Bombay hinein – im Anhänger, achten auf jedes Gesicht. Mißtrauen gehört mit zu ihrem Beruf. Aber sie spüren nichts von Verfolgern, bleiben dennoch vorsichtig, und schlüpfen schließlich am Ufer eines Seitenarmes des großen Hafens in einen elenden Sampan, einen indischen Frachtkahn, der hier vertäut liegt und den sie von dem persischen Juwelenhändler, ihrem Vertrauten von früher her, als Wohnung erbeten haben.
Der Sampan liegt am Bollwerk vertäut. Fünf Meter weiter die Segeljacht der beiden Konsulatsbeamten, die weiße, schlanke „Niobe“, auf der Selim Bakra, der braune Bootsjunge, den Wächter spielt.
Die Heckkajüte des halbwracken Sampan ist nicht leer. Auf einer Matte sitzt beim schwachen Licht einer Papierlaterne der schwarzbärtige Perser Musir mit untergeschlagenen Beinen, eine Zigarre rauchend. Er ist den deutschen Detektiven zu Dank verpflichtet. Sie haben ihm vor zwei Jahren Leben und Vermögen gerettet.
Musir begrüßt die Freunde mit Wärme und fügt stolz hinzu:
„Mr. Harst, mein Sohn hat Ihre Befehle genau ausgeführt … Und ich bin hergekommen, um mich zu überzeugen, ob Sie es behaglich haben, soweit Sie dies wünschten …“
Er deutet rundum … Harst drückt ihm die Hand.
„So halten wir es hier schon eine Weile aus, Musir … Wir danken Ihnen …“
Der Perser verabschiedet sich bald. Die Detektive nehmen ihre bescheidene Abendmahlzeit ein und sprechen leise über die auffallende Tatsache, daß die Spione vor Blumes Haus das Feld geräumt haben …
Dann gehen sie an Deck und setzen sich in den Schatten des niederen Heckaufbaus, rauchen noch und genießen das bunte Bild des nächtlichen Hafenviertels.
„Wie hat dir Fink gefallen, mein Alter?“ fragt Harst unvermittelt …
„Nicht schlechter als Blume,“ erwidert Schraut und blickt zur Niobe hinüber, wo Selim Bakra sich soeben sein Nachtlager auf den Deckplanken bereitet … Die Nacht ist drückend heiß …
„Und doch,“ sagt Harst, „und doch ist es ein Unding, daß zwei Männer Freunde sind, die sich um dasselbe Weib bewerben … Entweder liebt der eine Gina Galden nicht allzusehr, oder einer von beiden heuchelt Freundschaft …“
„Allerdings, Harald …“
Von den Docks schallt das Heulen von Schiffssirenen aufdringlich herüber … Hier gibt es keine Ruhe, hier am Hafen. – Die Weltstadt Bombay sendet die vielfachen Geräusche ihres lebhaften Schiffsverkehrs Tag und Nacht zum tropischen Himmel empor … – –
Dort auf der Segeljacht ist plötzlich ein Mann erschienen … ein Europäer in hellem Flanellanzug …
Selim begrüßt Sahib Fink mit einigem Ärger, denn er ist müde und hat sich gerade niederlegen wollen.
„Selim,“ sagt Werner Fink, „ich möchte noch ein wenig Seeluft schnappen … Schlafen kann ich doch nicht … Fahren wir noch eine Stunde die Küste entlang …“
Der Bootsjunge wagt keine Widerrede …
Die Jacht wird losgemacht, der Motor springt an … Sie gleitet davon, entschwindet. –
Harst meint kopfschüttelnd zu Schraut: „Das war doch Herr Fink … Wir werden nachher mit Selim Bakra uns unterhalten.“
Schraut gähnt …
Zwei Stunden verstreichen. Dann taucht die Niobe wieder auf, wird vertäut …
Fink sagt dem Jungen Gute Nacht und schreitet den Warenspeichern zu.
Der Bootsjunge säubert flüchtig den Motor und brummt dabei allerlei vor sich hin.
Mit einem Male steht ein hagerer indischer Kuli vor ihm … Selim erschrickt, ruft: „Was willst du hier …?!“ Und hat schon den Revolver in der Hand, den Doktor Blume ihm als Schutz gegen die Hafendiebe anvertraut hat.
Der Kuli, beleuchtet von einer der Jachtlaternen, lacht gutmütig, und meint in deutscher Sprache:
„Höre mich an, Selim … Doktor Blume hat dich sehr gelobt. – Wen liebst du mehr, den Sahib Fink oder den Sahib Blume?“
„Sahib Blume!“ nickt Selim begeistert und starrt den Kuli forschend an, bis er zu begreifen beginnt. Er weiß, daß seine Herren zwei Deutsche gesucht haben, die fähig sind, jedes Geheimnis zu ergründen …
Und ruft leise: „Oh – Sie sind einer von den Detektiven, Sahib …! Jetzt bin ich gar nicht mehr erschrocken …“
„Wenn du Doktor Blume liebst, Selim,“ meinte Harald Harst, „wirst du zu schweigen wissen. Sahib Fink darf nicht erfahren, daß mein Freund und ich hier in der Nähe sind und daß ich mit dir gesprochen habe.“
„Ich kann schweigen …“
„Das ist auch Doktor Blumes Überzeugung … – Wo wart ihr soeben mit der Jacht?“
„Südwärts an der Festlandsküste entlang bis hinter Maturpan. Dies ist ein Dorf im Winkel einer kleinen Bucht.“
„Hast du während der Fahrt etwas Besonderes bemerkt?“
„Ja … – Sahib Fink saß am Steuer. Wir lenkten in die Bucht von Maturpan ein. Als wir wieder wendeten und am Palast des früheren Radschas von Jollapur vorüberkamen, hat Sahib Fink mit seiner elektrischen Taschenlampe gespielt. Er rief mir zu, daß sie nicht richtig leuchten wolle, aber ich merkte, daß er die Lampe absichtlich in Pausen aufleuchten ließ …“
„Also … Signale?“
„Weiß nicht, Sahib …“
„Wurden vom Palast ebenfalls Lichtzeichen gegeben?“
„Ich habe nicht darauf geachtet. Aber – ich hörte etwas, Sahib …“
„Was denn?“
„Vor dem Palast am Ufer ist eine große Anlegebrücke. Der Radscha, den die Engländer vor drei Jahren abgesetzt haben, hat dort seine Jacht vertäut.“
„Eine größere Jacht?“
„Ja …“
„So groß wie die, von der Fräulein Galden entführt wurde?“
„Das kann schon sein, Sahib …“
„Also – was hörtest du?“
„Als Sahib Fink mit der Taschenlampe spielte, wurde an Deck der Jacht die Schiffsglocke leise gerührt – fünf Schläge … ganz leise …“
„Und mehr ist dir nicht aufgefallen?“
„Nein … Nur Sahib Fink war nachher sehr vergnügt und hat mir zwanzig Rupien geschenkt …“
Harst überlegte …
„Selim, du könntest uns nach Maturpan bringen,“ sagte er dann. „Die Nacht ist windstill. Du wirst die Jacht nachher auch allein hierher zurücksteuern können. – Denke daran, daß alles, was wir tun, für Fräulein Galden geschieht, aber auch daran, daß du großen Schaden anrichtest, wenn du nicht verschwiegen bist …“
„Für Fräulein Galden tue ich alles, Sahib … – Gut, fahren wir …“ –
Die Niobe verließ abermals ihren Liegeplatz …
Vorüber an ankernden Ozeanriesen, vorüber an den befestigten kleinen Inseln, die den Hafen von Bombay gegen jeden Angriff schützen, vorüber an Seglern und plumpen Küstenfahrzeugen, – dann ins freie Meer, wo die langen Wogen die Niobe graziös auf ihren Rücken wiegten, wie in zärtlichem Spiel. – Am Steuer saßen die beiden Kulis, ihre Bündel neben sich. In den Bündeln alles, was Leute ihres Berufs brauchten, eine sorgsame, bescheidene Auswahl von Gegenständen.
„Du hattest wohl sofort Verdacht gegen Fink geschöpft, Harald,“ fragte Schraut zögernd, um ein Gespräch in Fluß zu bringen.
„Verdacht – nein! Aber der Mann behagte mir nicht ganz … Er war zu nervös … Diese Nervosität war mehr als nur Temperament. Und dann sein Wunsch, unser Quartier kennenzulernen … Auch das stieß mir auf. Gewiß, es sind alles Kleinigkeiten. Aber den Ausschlag gab doch die Freundschaft mit Blume, diese widerspruchsvolle Freundschaft. Du verstehst …“
„Dann müßte er also mit dem früheren Radscha von Jollapur gemeinsame Sache gemacht haben …“
„Halt, – wir wollen uns denn noch nicht jetzt bereits auf diesen Verdacht geradezu festlegen … Nein, mein Alter, trüben wir uns nicht den kühl kritischen Blick durch eine gewisse Voreingenommenheit … – Wir werden Erfolg haben, denn zweifellos sind wir auf der richtigen Fährte. Wohin diese führt, wer der wahre Schuldige ist, bleibt abzuwarten …“ –
Eine Stunde setzte die Jacht ununterbrochen ihren Weg fort. Dann übernahm Selim Bakra das Steuer … Die Niobe hatte die einsame Bucht von Maturpan erreicht, deren schmaler Eingang, geschützt durch Riffreihen, eine kundige Hand verlangte.
Palmen und tropischer Urwald umsäumten die Buchtufer. Einzelne Felspartien ragten kahl in das Wasser hinein, und an einer dieser natürlichen Landungsbrücken setzte die Niobe die beiden Detektive in aller Stille ab, weitab vom hellen Radschapalast, weit genug, daß kein heimlicher Beobachter zu fürchten war …
Die Jacht enteilte mit pochendem Motor …
Zwei flinke Gestalten tauchten im Ufergebüsch unter und schlichen vorsichtig im Dämmerlicht der Tropennacht ihrem Ziele zu.
Die Bucht war fast kreisrund. In ihrem Ostwinkel lag das Dorf Maturpan, an der Südseite der Palast mit einem ausgedehnten Park, mit Wohngebäuden für die Dienerschaft, Stallungen, einem Tierhause und einem kleinen Tempel hoch am Buchtabhang.
Selim hatte den beiden Deutschen die Örtlichkeit genau beschrieben, denn er kannte die Bucht seit langem, die ihres Fischreichtums wegen geradezu berühmt war.
Bald standen Harst und Schraut vor der Parkmauer, die sich bis zum Wasser hinabzog und hier unten noch durch ein Eisengitter verlängert war.
„Hinüber!“ flüsterte Harst, … „Ich helfe dir empor …“
Schraut saß nun oben auf der Mauerkrone inmitten der grünen Zweige eines Baumes …
Harst war im Moment neben ihm … – Der Baum erleichterte ihnen den Abstieg in den Park … Sie traten nach einigen Minuten aufmerksamen Lauschens aus dem Schatten des Buschwerks auf einen mit Muschelkies bestreuten Weg hinaus. Ihnen gerade gegenüber befand sich eine Gruppe von Felsen, die durch gärtnerische Kunst zu einer riesigen Blumenkrippe umgestaltet war, von der wahre Duftorgien ausströmten und die Luft weithin mit den vielfachen Gerüchen all jener indischen Pflanzen erfüllten, die hauptsächlich nachts unter dem Einfluß der kühleren Temperatur ihre Blütenkelche öffnen.
Noch mehr enthielt diese Grotte.
Sobald sich Harsts scharfe Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten[5], bemerkte er jenseits des hellen Striches des Parkweges und inmitten der bunt bepflanzten Felsen das matte Schillern einer kleinen Metalltür …
Ein Zufall …
Diese Tür schwang jetzt nach außen. Harst hatte noch Zeit, den Freund wieder in den Schutz der Büsche zurückzuziehen.
In der Tür erschien eine Frauengestalt, in weiße, hauchdünne Gewänder gehüllt … Eine Inderin …
Langsam kam sie die drei Stufen, die von der Tür zu dem Wege hinabführten, mit seltsam vorsichtigen, zögernden Schritten, so, als ob sie diesen Gang ins Freie nicht recht wage, herab, und blieb dann auf dem Muschelkiespfade stehen.
Das Halbdunkel der Tropennacht gestattete es den Freunden, das Gesicht dieses jungen Weibes immerhin so weit prüfen zu können, daß die feinen, edlen Züge und die großen dunklen Augen unter leicht geschwungenen Brauen ihnen nicht entgingen.
Die Frau verharrte regungslos …
Nur ihr Kopf, der halb mit einem silbern schillernden Schleier umwunden war, blieb in dauernder mißtrauischer Bewegung …
Dann schritt die Inderin hastig nach links dem nicht allzu fernen Buchtufer zu …
Harst und Schraut blieben hinter ihr, da das Verhalten dieses jungen Weibes allerlei besondere Schlüsse zuließ …
Die Inderin, auch jetzt noch überaus vorsichtig und wachsam, machte an einer Uferstelle halt, wo eine halbrunde künstliche Terrasse in das Wasser hinausgebaut war.
Das Steingeländer der Terrasse zeigte einige Erhöhungen – plump gemeißelte Tierfiguren, und hinter einer dieser Geländerverzierungen duckte die Frau sich zusammen, zog ein Fernglas aus ihrem Gewande hervor und richtete es auf die vielleicht hundert Meter entfernte hölzerne Anlegebrücke, wo die Jacht des Radschas vertäut war.
Längere Zeit blickte die Inderin so nach der Jacht hinüber. Ihre Aufmerksamkeit konnte nur dem Schiffe gelten, das übrigens völlig in Dunkel gehüllt dalag.
Harst und sein Freund hatten sich halb in eine weiche Hecke gedrückt, wo die Umrisse ihrer Gestalten inmitten der Blüten der Hecke vollkommen verwischt wurden.
Dann geschah etwas, das der Person dieses jungen Weibes eine gewisse traurige Bedeutung verlieh.
Drei Leute, offenbar Diener aus dem Schlosse, erschienen urplötzlich und führten die Frau gewaltsam, aber schweigend, davon …
Als sie das Weib roh packten, entfiel ihr das Fernglas und blieb am Boden liegen …
Harst ließ zehn Minuten verstreichen.
Dreimal schaute er auf das Leuchtzifferblatt seiner Uhr, die er im Gürtel unter dem Kulikittel neben der Pistolentasche trug. Dann erst raunte er dem Freunde zu:
„Hast du die drei genau beobachtet?“
„Ja … Es gab nicht viel zu sehen …“
„Doch … Einer der Inder ergriff die linke Hand und entriß ihr einen Schlüssel … Es wird der Schlüssel zu der Metalltür gewesen sein, ein Schlüssel, den die Frau fraglos gegen den Willen des Radschas beschafft hat. Die Frau wird in der Felsgrotte dort gefangengehalten, und es dürfte sich hier um die Gattin des entthronten Fürsten handeln. Besinne dich auf Selim Bakras Mitteilungen über den Radscha, der erst dreißig Jahre zählt und infolge seiner Abstammung – seine Mutter soll eine Holländerin gewesen sein – mehr wie ein Europäer aussieht und auch in allem die europäische Kultur bevorzugt hat, nebenbei aber einer der gefährlichsten Aufwiegler gegen die englische Herrschaft war. Gerade seine überragende Intelligenz – das ist mir noch aus den Zeitungsberichten gegenwärtig – ließ ihn den Engländern so außerordentlich bedrohlich erscheinen, und man benutzte den ersten sich bietenden Anlaß, sein kleines Fürstentum zu kassieren und ihn hierher in die Verbannung zu schicken, wo man ihn infolge der Nähe Bombays stets unter Aufsicht halten kann. Der Radscha[6] soll sich jedoch mit seinem Lose bereits völlig abgefunden haben und lebt hier in seinem Palast nur seinen künstlerischen Neigungen. Er ist Bildhauer … Auch ein Beweis, daß das europäische Blut von seiner Mutter her sich bei ihm geltend macht.“
Abermals befragte er seine Uhr. Es waren jetzt seit dem Verschwinden der brutalen Diener zwanzig Minuten vergangen.
„Ich denke, wir dürfen es wagen,“ fügte er in Ausführungen in energischerem, leisem Tone hinzu. „Ich möchte diese Frau sprechen … Vielleicht hat der Radscha ihr dieses Grottengefängnis angewiesen, weil er … sein Herz an jemand anders verloren hat …“
„An … Gina Galden?“
„Vielleicht, mein Alter … Und vielleicht hat Herr Werner Fink bei dieser Sache ein gutes Geschäft gemacht, indem er durch die Kreuzfahrt mit der Niobe dem Fürsten Gelegenheit gab, Gina verschwinden zu lassen … vielleicht!! Ich möchte mich aber auch jetzt noch nicht auf diesen Verdacht festlegen. – Folge mir … Die Frau hat den Schlüssel hergeben müssen, man wird sie wieder eingesperrt haben und nun für ganz sicher verwahrt halten …“
Er schlich davon …
Bald standen die Freunde wieder im Gebüsch gegenüber der Metalltür …
Aber im Osten zog nun bereits der neue Tag herauf, und das Halbdunkel der Nacht lichtete sich zusehends.
Harst kramte in seinem Bündel, holte ein kleines, tadellos gearbeitetes Instrument hervor, einen verstellbaren Dietrich, der bereits oft genug die kompliziertesten Schlösser geöffnet hatte.
Die Freunde huschten über den Weg und die Stufen empor.
Das Schloß der Metalltür war in der Tat ein Kunstschloß. Und doch brauchte der deutsche Detektiv kaum drei Minuten, um es aufzusperren. Langsam zog er die Metalltür auf und leuchtete mit der Taschenlampe in den dahinter liegenden Raum hinein.
Es war ein winziger, leerer Vorraum mit einer zweiten Tür aus Kupferplatten.
Nachdem die Freunde eingetreten waren und die Außentür hinter sich wieder versperrt hatten, legte Harst die Hand auf den Drücker der Innentür. Auch sie war verschlossen. Auch sie widerstand dem Dietrich nur kurze Zeit.
Dann vor den beiden Deutschen ein rundes Gemach, ausgestattet mit allem erdenklichen orientalischen Prunk.
An der Decke eine altertümliche Öllampe, deren mildes Licht alles in verschwommene Beleuchtung tauchte.
Linker Hand ein Diwan, mit zwei Tigerfellen bedeckt …
Darauf die Inderin, halb liegend, den Kopf in den linken Arm gestützt, die dunklen Augen starr auf die Eindringlinge gerichtet …
Harst trat vor …
Schraut zog die Tür zu und schloß ab …
„Sind Sie des Englischen mächtig?“ begann der deutsche Detektiv mit einer weltmännischen Verbeugung, die jeden Zweifel über seine wahre Persönlichkeit verscheuchte.
Die Inderin hatte sich mit einer schnellen Bewegung aufrecht gesetzt …
„Wer sind Sie?“ fragte sie ebenso erstaunt wie herrisch … „Sie hören, daß ich das Englische vollkommen beherrsche … Wer sind Sie?“
„Einer, der Ihnen nichts anhaben wird, der nur einiges wissen möchte … – Die Zeit drängt … Bitte, antworten Sie mir … Sind Sie die Gemahlin des Radschas?“
„Ja … – Und – Ihr Name, mein Herr?“
„Bevor ich ihn nenne, nur noch eine Frage: Hat der Radscha Sie verstoßen?“
„Ja …“ Das klang anders wie das bisher Gesagte. In diesem kurzen Ja lagen Verzweiflung, Haß, stille Wut, ohnmächtige Wut.
Der deutsche Detektiv erklärte schlicht:
„Ich weiß nicht, ob Sie meinen Namen kennen … Ich heiße Harald Harst und bin Detektiv …“
Die Frau stand mit einem halben Sprung auf den Füßen …
„Ah – Herr Harst …! Gewiß kenne ich Ihren Namen … Ich lese doch Zeitungen. Oder besser: ich las Zeitungen, denn seit acht Tagen bin ich eine Gefangene, die nur die drei vertrauten Diener des Fürsten zu sehen bekommt, die noch heute völlig in Unkenntnis darüber ist, weshalb der Fürst mich vor einer Woche ganz überraschend hierher bringen ließ. Ich habe seitdem nichts von ihm gehört. Die Diener bleiben stumm.“
Sie sprach überhastet. Die großen Augen glühten. Ihre Hände, die dauernd in Bewegung waren, zitterten.
„Woher hatten Sie sich die Nachschlüssel beschafft, Fürstin?“ fragte Harst jetzt in nachdenklichem Tone …
„Beschafft?! – Oh – das ist wie ein Rätsel, Herr Harst … Sehen Sie dort in den Wänden die vielen schmalen Fensterchen? Durch eine dieser Öffnungen flogen in der vergangenen Nacht zwei Schlüssel hier herein, Schlüssel, die sich verstellen ließen. Ich ahne nicht, wer sie mir gespendet hat … Es kann keiner der Leute des Fürsten gewesen sein, denn all diese Männer ebenso wie die im Schlosse anwesenden Frauen sind dem Radscha blindlings ergeben – alle … Alle haben ihn hierher freiwillig in die Verbannung begleitet, und würden nie einen Verrat begehen, nie gegen seine Befehle handeln, genau so wie sie niemals einen Befehl unausgeführt lassen würden. Es sind Fanatiker der Treue, Herr Harst … Und gerade deshalb ist es mir unfaßbar, wer mir zur Flucht verhelfen wollte. Ich wollte in dieser Nacht fliehen, um mich in Bombay beim Gouverneur beschweren zu können. Ich beabsichtigte eines der an der Anlegebrücke vertäuten Boote zu besteigen und nach dem Dorfe Maturpan zu rudern, wo man mir einen Wagen geliehen hätte. – Sie sind also Zeuge gewesen, wie man mich wieder einfing, Herr Harst?“
„Ja, Fürstin … – Sie wissen also nicht, aus welchem Grunde der Radscha Sie hat einsperren lassen?“
„Nein … Ich weiß nur, daß unsere Ehe von Anfang an sehr unglücklich war … Der Fürst hat mich, eine Inderin aus fürstlichem Geschlecht, nie für voll angesehen. Er ist in allem Europäer – nur nicht …“
„Genug, Fürstin … Mein Freund und ich müssen uns zurückziehen, damit uns das Tageslicht nicht überrascht. Ich bitte Sie, noch einige Zeit hier auszuharren. In jedem Falle werde ich für Ihre Befreiung sorgen. Darauf können Sie sich unbedingt verlassen …“
Die Fürstin schüttelte sehr energisch den Kopf …
„Nein, Sie müssen mich sofort mitnehmen, Herr Harst … Ich fürchte zwar nicht, da man mich etwa … töten könnte … Aber dieser enge Kerker hier ist meiner unwürdig. Ich bin eine Tochter des Maharadscha von Gwalior, und …“
Harst hatte die Hand gehoben, flüsterte …
„Die Außentür wird geöffnet … Verbergen Sie uns, – – schnell!“
Die Fürstin bewies eine seltene Geistesgegenwart …
Im Augenblick hatte sie einen der Teppiche zurückgeschoben und eine kleine Falltür hochgeklappt …
Eine schmale eiserne Treppe führte in die Tiefe.
Die beiden deutschen Detektive hatten sich kaum durch die Öffnung in dem Steinplattenboden auf die Leiter geschwungen, als auch schon ein Schlüssel in das Schloß der Innentür geschoben wurde …
Die Fürstin ließ die Falltür herab, glättete den Teppich und … flog dem schlanken Manne mit einem glückseligen Lachen an die Brust, der soeben das runde Gemach betrat …
Der europäisch gekleidete Mann mit dem ernsten, klugen Gesicht, war Singabra[7] Sing Dschamar, der entthronte Radscha von Jollapur …
Schraut war als erster die schmale Leiter hinabgestiegen, die in eine natürliche kleine Höhle führte, deren rissiger Steinboden stellenweise kleine Wasserlachen hervortreten ließ. Die Höhle war leer, und die Luft darin muffig und unangenehm kühl.
Die Freunde standen nun am Fuße der Leiter dicht beieinander.
Harst meinte, indem er seine Repetierpistole hervorholte:
„Wenn die Geschichte nur gut endet, mein Alter! Wir sitzen hier in einer allerliebsten Falle, und wenn es dem Radscha paßt, läßt er uns hier so lange fasten, bis wir alle Lust verloren haben, nach Gina zu suchen.“
Schraut fröstelte …
„Der reine Eiskeller!! – Vielleicht werden wir nicht entdeckt … Die Fürstin wird uns niemals verraten. Nur ein Zufall könnte …“
Sein Kopf schnellte ins Genick …
Er starrte empor …
Die Falltür hob sich …
„Da haben wir’s!!“ sagte Harst ingrimmig …
Doch – die Entwicklung der Dinge wurde weit weniger bedrohlich, als die Freunde fürchten durften.
Der Radscha rief hinab:
„Bitte … wenn die Herren wieder nach oben kommen wollen … Ich bin Singabra Sing Dschamar, und meine Gattin hat mir bereits mitgeteilt, wer Sie sind, meine Herren … Ich freue mich, Sie kennen zu lernen.“
Harst traute dem Frieden nicht, kletterte langsam empor, behielt die Waffe jedoch in der Hand …
Nun – das war sehr überflüssig …
Der Fürst benahm sich weiter durchaus als liebenswürdiger Gentleman …
Die deutschen Herren mußten Platz nehmen, und harmlos lächelnd erklärte der Fürst ihnen, daß er sich mit seiner Gemahlin ausgesöhnt habe. Er wandte sich dabei hauptsächlich an Harst, und meinte zum Schluß freimütig:
„Die Gründe, die mich veranlaßten, meine Gattin in dieser Grotte für kurze Zeit sich selbst zu überlassen, gehen nur mich und Nadija, meine Frau, etwas an …“
Die schöne Nadija nickte eifrig …
Sie hielt die Hand ihres Mannes zärtlich umklammert und saß dicht neben ihm …
Trotz der schwachen Beleuchtung durch die altertümliche Lampe erkannten die Deutschen, daß ihr Gesicht im Widerschein reinsten Herzensjubels strahlte.
Harald Harst hatte bisher nicht viel geäußert. Seine und Schrauts Gedanken waren in diesem Falle dieselben: der Fürst spielte Komödie, nahmen sie an. Sie waren überzeugt, daß sie trotz ihrer Vorsicht von den Kreaturen Singabra[8] Sing Dschamars beobachtet worden waren und daß dieser sie lediglich auf eine höchst gerissene Art loswerden wollte.
Denn klug war dieser entthronte Radscha. Ein Blick in sein durchgeistigtes Gesicht genügte, um dies festzustellen. Sein Auftreten war dabei von ruhiger Vornehmheit, und nichts verriet in seinem ganzen Sichgeben, daß er hier zwei Männer täuschen wollte, die ihm an Intelligenz zum mindesten gewachsen waren.
Nach den Erklärungen des Radschas folgte eine Stille, die sehr bald etwas drückendes annahm. Der Fürst hatte fraglos eine Gegenäußerung Harsts erwartet. Als diese ausblieb und der berühmte Detektiv ihn nur versonnen anschaute, wurde er leicht nervös und meinte dann weit weniger gelassen als bisher:
„Herr Harst, Sie scheinen nicht ganz befriedigt …“
„Nein,“ sagte der Deutsche kalt. „Ich bitte Sie, uns eine Unterredung in Abwesenheit Ihrer Gemahlin zu gewähren, Hoheit …“
Nadija erhob sich … „Ich werde vor der Grotte auf und ab gehen,“ erklärte sie und zog den silberdurchwirkten Schleier vor das Gesicht.
Die Innentür fiel hinter ihr ins Schloß … –
Der Radscha hatte sich noch bequemer in den Sessel zurückgelehnt. Er schien durch diese Haltung ausdrücken zu wollen, daß er dem Kommenden mit größter Seelenruhe entgegensah.
Harald Harst fragte ohne Umschweife:
„Wo waren Sie vorgestern, Hoheit?“
„Mit meiner Jacht unterwegs, Herr Harst …“ – Er beherrschte das Deutsche überraschend gut.
„Wo, Hoheit? In welchem Teile des Indischen Ozeans kreuzten Sie?“
„Nordwestlich von Bombay. Ich hatte ein Schleppnetz auswerfen lassen, um Tiefseefische zu fangen. Mir fehlen in meinem Aquarium noch einige Spezialarten des Mergilus Maris, einer sehr seltenen Fischfamilie.“
Harst ging nach dieser offenbaren Lüge direkt zum Angriff über …
„Hoheit, kennen Sie Fräulein Galden?“
Der Radscha lächelte ein wenig …
„Ah – nun verstehe ich, weshalb Sie mir in dieser Verkleidung die Ehre gegeben haben … Ich habe gehört, daß diese junge Dame gewaltsam entführt wurde, geraubt wurde. Wir können die Sachlage schnell klären, Herr Harst. Ich bin in vielem ganz und gar Europäer geworden, auch darin, daß ich die Bedeutung des Ehrenwortes genau so einschätze wie etwa Sie, Herr Harst. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich diese junge Dame nicht geraubt habe, auch nicht habe rauben lassen, und daß ich sie weder hier noch anderswo gewaltsam zurückhalte.“
Er war langsam aufgestanden. Seine Stimme war hochmütig und ablehnend geworden. Seine Augen ruhten kühl in denen des Detektivs.
„Hiermit dürfte unsere Unterredung wohl beendet sein, Herr Harst …,“ meinte er mit einer knappen Verbeugung. „Ich bedauere, daß wir uns in dieser Weise trennen müssen. Ich gehöre mit zu Ihren Verehrern, und ich würde glücklich gewesen sein, Sie beide bei mir als Gäste aufnehmen zu können.“
Nochmals verneigte er sich …
Harst erhob sich …
„Diese Versicherung genügt mir, Hoheit. Entschuldigen Sie bitte unser Eindringen hier … leben Sie wohl …“
Und die beiden Deutschen wandten sich der Tür zu. Der Radscha hielt sie nicht zurück.
Draußen war es inzwischen Tag geworden. Von der Fürstin war nichts zu sehen. Die Freunde kletterten über die Mauer und schlugen die Richtung nach dem Dorfe Maturpan ein.
Harst meinte nach einer Weile:
„Mein Alter, das war also eine Niete. An dem Worte des Radscha ist nicht zu zweifeln. Hätte er ein schlechtes Gewissen, würde ich ihm das schon angemerkt haben. – Und doch – und doch … irgendetwas stimmt hier nicht, irgendetwas … Die Fürstin Nadija lächelte so merkwürdig, als sie die Grotte verließ, ein so verstohlen-triumphierendes Lächeln war’s …“
„Vielleicht, weil sie die Liebe ihres Mannes zurückgewonnen hat,“ warf Schraut ein.
Harst hob die Schultern …
„Möglich, lieber Alter … – Jetzt kann uns nur Werner Fink weiter helfen … Er wird reden müssen! Wir werden in Maturpan einen Kutter mieten und nach Bombay zurückkehren!“ –
Es war acht Uhr vormittags, als die beiden Freunde wieder auf ihrem Sampan im Hafen von Bombay angelangt waren.
Zunächst holten sie den versäumten Nachtschlaf nach … Um ein Uhr mittags wurde Harst munter, weckte Schraut, und beide begaben sich zu dem Perser Musir, wo sie nicht nur ihre Masken ablegten, sondern auch eine reichliche Mahlzeit einnahmen.
Die Mittagsglut warteten sie gleichfalls bei dem Perser ab. Erst gegen sechs Uhr fuhren sie zu Doktor Blume hinaus, wohin Harst durch einen kurzen Brief auch den Konsulatssekretär bestellt hatte.
Blume und Fink saßen bereits auf der Veranda, als die Detektive den Garten des zierlichen Häuschens betraten.
Harst begrüßte Fink absichtlich sehr kühl, reichte ihm nicht einmal die Hand.
Fink wurde stutzig und errötete. Man nahm wieder an dem Tische Platz, und Harst begann in ebenso ernstem wie strengem Tone:
„Herr Fink, wir sind Landsleute … Ich bedauere Ihnen sagen zu müssen, daß Sie, was Gina Galden betrifft, ein unehrliches Spiel treiben.“
Fink schoß das Blut derart in das gebräunte Gesicht, daß seine Haut kupferrot schimmerte …
Seine Augen irrten unruhig umher, seine Lippen bewegten sich, und man merkte deutlich, daß er krampfhaft nach einer Entgegnung suchte, ohne sich zu einer Antwort aufraffen zu können.
Doktor Blume blickte ihn erst überrascht, dann drohend und unwillig an …
Platzte schließlich heraus:
„Herr Harst, erklären Sie sich genauer … Finks Gesicht hat …“
Harst unterbrach ihn …
„Wenn Landsmann Fink nicht ehrlich alles bekennt, werde ich keine Sekunde zögern, ihn durch die Polizei verhaften zu lassen …“
Fink hatte sich inzwischen leidlich gefaßt …
„Verhaften?!“ rief er. „Sie vergessen, daß ich Angehöriger des Generalkonsulats bin und der indischen Gerichtsbarkeit nicht unterstehe!“
Sein schmales, ein wenig brutales Gesicht war halb verzerrt. Und ebenso empört und gereizt fügte er hinzu: „Ich möchte nur wissen, was Sie eigentlich von mir wollen, Herr Harst?! Sie beleidigen mich hier in Gegenwart von Zeugen auf das gröbste und …“
„Halt – eine Frage nur, Herr Fink … Weshalb sind Sie in der verflossenen Nacht mit der Niobe nach der Bucht von Maturpan gefahren, und weshalb gaben Sie mit Ihrer elektrischen Taschenlampe nach der Jacht des Radschas Singabra hin Signale?“
Fink erblaßte …
In seinen Augen malte sich ein ungeheurer Schreck.
Dann errötete er wiederum, biß die Zähne krampfhaft in die Unterlippe und starrte vor sich hin.
Doktor Blume aber war aufgesprungen …
„Herr Gott, sollten Sie etwa selbst …“
Er kam nicht weiter …
Harst drückte ihn wieder in den Korbsessel zurück …
„Doktor, Herr Fink wird reden – er wird!“
Ein pfeifendes Aufstöhnen drang über des Sekretärs bebende Lippen …
„Ich … werde nicht reden, denn – ich habe nichts zu gestehen!“ rief er halb verzweifelt. „Blume, Sie kennen mich seit Jahren … Haben Sie je erlebt, daß ich etwas Ehrenrühriges beging?! Trauen Sie mir zu, daß ich etwa Gina Galden entführen ließ?!“
Blume sagte eisig: „Sie waren es, der die Kreuzfahrt mit der Niobe vorgeschlagen hat, und … Sie kennen den Radscha Singabra persönlich … Sie sind dort häufig zu Gast … Sie lieben Gina, und Sie sind ein Mensch, mit dem die Leidenschaft sehr wohl einmal durchgehen kann …“
Fink beugte sich, am ganzen Körper zitternd, über den Tisch und zischte Blume ins Gesicht …
„Sie … sind von Sinnen …!! Mein Wort, daß ich nichts mit Ginas Entführung zu tun habe …!“
Aber – diese Versicherung fand taube Ohren.
Harst meinte unfreundlich:
„Gut – mag sein … – Weshalb diese Nachtfahrt mit der Niobe?! Weshalb haben Sie Selim bestochen, diese Fahrt zu verschweigen – – weshalb?!“
Fink lehnte sich wieder zurück.
Sein Gesicht entspannte sich. Er lächelte ironisch.
„Meine Privatangelegenheiten gehen niemand etwas an,“ sagte er fast höhnisch. „Ich verbitte mir auch jede Einmischung in Dinge, die nur in Ihrem argwöhnischen Hirn sich zu Verdachtsgründen aufbauschen, Herr Harst … Und damit Sie endlich diesen unsinnigen Verdacht fallen lassen: ich wiederhole, daß ich mit Fräulein Galdens Entführung nichts, gar nichts zu tun habe, daß ich im Gegenteil gern mein Vermögen opfern will, damit wir sie finden … Zu jedem Eid bin ich bereit … Und wenn ich soeben mich im Ton vergriffen habe und bitter und ironisch wurde, – niemand kann mir dies verdenken!“
Er hatte Ton und Gesichtsausdruck abermals geändert. Jetzt schien Harst doch anderen Sinnes zu werden. Er hatte Fink genau beobachtet …
Schweigen – ein trübes Schweigen folgte …
Dann sagte Harst:
„Landsmann Fink, ich glaube nunmehr zu wissen, worauf Ihr etwas sehr eigentümliches Verhalten zurückzuführen ist …“
Fink blickte ihn forschend an und senkte wieder die Augen …
„Vielleicht hatten Sie sich aus Liebe zu Gina vorgenommen, ganz allein ihre Befreiung durchzuführen,“ meinte Harst. „Vielleicht wollten Sie sie deshalb allein befreien, um allein den Dank zu ernten – den Dank eines Weibes: Gegenliebe!“
Fink regte sich nicht …
„Herr Fink, es ist so? – Bitte, falls meine Vermutung irrig sein sollte, dann … dann geben Sie auch hierauf Ihr Wort …“
Fink bedeckte plötzlich die Augen mit der linken Hand …
In seinem Gesicht arbeitete es …
Dann – überwand er sich …
Und leise entgegnete er:
„Es ist so, Herr Harst … Ich … ich schäme mich jetzt vor mir selbst … Aber … die Eifersucht tat ein übriges. Ich glaubte, daß Gina zu Blume weit freundlicher war als zu mir … Und … und da wollte ich Blume aus dem Felde schlagen, indem ich eben Gina ganz allein aufzufinden gedachte … Zuerst hatte ich keinerlei Anhaltspunkte, wer sie geraubt haben könnte. Dann entsann ich mich, daß der Radscha Singabra verschiedentlich an Tennispartien teilgenommen und Gina hierbei geradezu ausgezeichnet hatte. Mir fiel auch ein, daß der Fürst mit mir häufiger über Gina gesprochen hatte … So entstand bei mir der erste ungewisse Verdacht, zumal der Fürst mit seiner Gattin sehr unglücklich lebt – oder besser: das Ehepaar lebt nebeneinander her. Auch die Fürstin Nadija, eine intelligente, gebildete Frau, hat den Radscha ja nur heiraten müssen, Konvenienzehe! Sie soll eine heimliche Liebe haben – soll … Es wird viel geredet. Bestimmt ist das eine wahr: der Fürst behandelt seine Gemahlin gut, aber – sie ist ihm gute Freundin, nichts weiter …“
Harst schüttelte den Kopf …
„Alles nur Widersprüche …! Die Fürstin liebt ihren Gatten. Dafür haben wir Beweise … – doch, davon später. – Erzählen Sie weiter, Landsmann Fink …“
„Gern … Ich werde nichts mehr verheimlichen … – Am Tage nach unserer traurigen Segelfahrt begegnete ich abends einem der Diener des Radschas hier in der Stadt, einem Manne, dem ich unlängst dadurch einen Dienst erwies, daß ich für ihn eintrat, als der Radscha ihn einer kleinen Ungehörigkeit wegen in meiner Gegenwart kurzerhand entlassen wollte. Dieser Diener erzählte mir, daß der Fürst mit seiner Jacht am Tage vorher unterwegs gewesen sei … Der Mann teilte mir das so ganz nebenbei mit … In demselben Augenblick kam mir der erste Argwohn. Ich erinnerte den Inder eindringlich an das, was ich für ihn getan hätte, und bat ihn, im Palast vorsichtig nachzuforschen, ob er vielleicht irgendwelche Anzeichen dafür entdecken könne, daß der Radscha Gina Galden entführt habe. – Der Diener, vielleicht der einzige von allen Leuten des Fürsten, der seinem Herrn nicht mehr blindlings ergeben war, versprach mir alles zu versuchen, was er irgend vermöchte. Da er gleichzeitig des öfteren den Radscha auf Seereisen begleitet hatte und mit der Jachtbesatzung gut bekannt war, vereinbarten wir, daß er die Schiffsglocke mehrmals leise anschlagen sollte, wenn er die Niobe nachts in der Bucht bemerkte und ich ihm ein paar Lichtzeichen gegeben haben würde … Das Anschlagen der Schiffsglocke sollte mir bestätigen, daß der Radscha offenbar der Entführer sei …“
Harst schüttelte abermals den Kopf …
„Landsmann Fink, gesprochen haben Sie den Mann nicht wieder?“ fragte er dann.
„Nein …“
„Und Sie glauben nun, daß Fräulein Galden ein Opfer des Fürsten geworden ist?“
„Opfer?! Ich glaube, daß er sie geraubt hat und verborgen hält … – Er wird ihr niemals Gewalt antun, Herr Harst. Er ist eine vornehme Natur, und diesen Streich hätte ich ihm niemals zugetraut – niemals!“
Harst meinte nachdenklich: „Der Diener hat fraglos sehr schwache Beweise für die Schuld seines Herrn … Denn Schraut und ich sind im Palast des Fürsten gewesen, haben den Radscha und die Fürstin kennengelernt … Der Radscha hat uns sein Ehrenwort gegeben, daß er Gina nicht geraubt hat, und ich habe keinen Grund mehr, ihm zu mißtrauen, obwohl diese Fülle von Widersprüchen mich sehr sonderbar berührt …“
Er schilderte Fink und Blume nun die Abenteuer der verflossenen Nacht …
Hatte kaum geendet, als Doktor Blume rief:
„Der Radscha hat ein falsches Ehrenwort abgegeben …! Was gilt diesen Asiaten das Ehrenwort?! Lächerlich!! – Herr Harst, wir wollen zu Inspektor Brandon fahren … Die Polizei muß eingreifen … Ich …“
„Stopp, stopp, Doktor …!! Nichts überhasten …! Wollen Sie mir zum Beispiel mal sagen, auf welche Verdachtsgründe hin Brandon den Radscha belästigen sollte?!“
„Allerdings …,“ murmelte Blume ärgerlich … „Allerdings, eine Haussuchung hätte natürlich keinen Zweck, und des Fürsten Leute ließen sich wohl eher köpfen, als daß sie ihren Herrn verrieten – bis auf den einen eben … Wie heißt der Mann übrigens, Fink?“
„Er hat den Allerweltsnamen Abdullah.“
„Wenn wir ihn nur sprechen könnten,“ meldete sich Harst wieder. „Und – wir müssen ihn sprechen. Erst dann läßt sich beurteilen, was man von den Nachforschungen und Beobachtungen dieses Dieners zu halten hat, der doch offenbar jetzt gegen seinen Herrn voreingenommen ist.“
Werner Fink, der froh war, daß man ihm seine bisherige Geheimniskrämerei nicht mehr nachtrug, erklärte fast freudig, daß er eine solche Unterredung unschwer herbeiführen könne … „Wenn wir in der kommenden Nacht abermals die Bucht mit der Jacht besuchen, wird Abdullah, wie ich mit ihm vereinbart habe, sich bei den Klippen am Buchtausgang einfinden, falls er sich eben unbemerkt davonstehlen kann … Gestern war ihm dies offenbar nicht möglich, und daher begnügte er sich mit dem Glockenzeichen …“
„Also fahren wir!“ nickte Harst. „Der Versuch muß unternommen werden …“
Auch Blume war eifrig dafür.
Man beschloß, gegen elf Uhr mit der Niobe aufzubrechen. – Fink war jetzt wieder wie ausgewechselt. Man speiste bei Blume gemeinsam zu Abend, und die Stunden eilten rascher dahin, als die ungeduldigen Herren dies gehofft hatten. – –
Kurz nach Mitternacht hatte die Jacht die Buchteinfahrt erreicht …
Das Wetter war unfreundlich, der Himmel bewölkt, und vor der Einfahrt stand heute eine gefährliche Brandung.
Selim Bakra aber brachte die Jacht unversehrt in ruhiges Wasser hinein, und kaum hatte man die dunkle Südküste der Bucht vor Augen, als auch schon an einer Stelle des Buschwerks dicht am Strande ein mattes Licht mehrmals auftauchte und wieder verschwand.
Die Niobe lag gleich darauf an einer der ins Wasser hineinragenden Felspartien vertäut, und eine hagere Gestalt glitt nun von den Steinen lautlos an Deck.
Es war Abdullah …
In der Jachtkajüte, deren Fenster abgeblendet waren, genau wie man die Positionslaternen gelöscht hatte, saßen die vier Deutschen und der engbrüstige, wortkarge Inder.
Der Mann beherrschte das Englische nur sehr mäßig, außerdem schien ihm die Gegenwart der beiden Detektive und Blumes recht unangenehm zu sein. Fink mußte ihm erst lange zureden, bevor er sich zu einer offenen Aussage bequemte.
Was er zu sagen wußte, war sehr dürftig und widerspruchsvoll. Er behauptete, daß zwar aus der Besatzung der Jacht des Fürsten nichts herauszulocken gewesen wäre, daß aber seit vorgestern früh nach Rückkehr der Jacht von der Kreuzfahrt der eine Flügel des Palastes durch Wachen völlig abgesperrt sei, und zwar das erste Stockwerk, in dem das Bildhaueratelier des Fürsten und dessen Privaträume lägen. Weiter betonte er, daß die übrige Dienerschaft sich über diese Absperrung insgeheim in allerlei Mutmaßungen ergehe, daß jedoch niemand den Namen der geraubten jungen Deutschen auszusprechen wage.
Das war alles.
Abdullah wurde mit einem Geldgeschenk wieder entlassen. Er sollte, sobald er etwas Neues erführe, Fink irgendwie Nachricht zukommen lassen.
Die Niobe trat die Rückfahrt an. Harst hatte erklärt, daß es wohl völlig ausgeschlossen sei, daß diese Absperrung des einen Flügels des Palastes mit Gina Galden etwas zu tun habe. Blume war zwar zunächst anderer Ansicht, ließ sich dann aber unschwer davon überzeugen, daß der Fürst die geraubte Gina auf keinen Fall im Palast untergebracht haben würde.
Kurz: die Sache blieb dunkel wie zuvor.
Immerhin beschlossen die Herren, daß Fink am Tage den Radscha besuchen und dabei womöglich feststellen solle, was es mit dieser Absperrung auf sich habe. –
Harst und Schraut hatten jetzt auf Blumes Einladung hin bei ihm Wohnung genommen.
Morgens neun Uhr frühstückten die drei Deutschen auf der Veranda und ergingen sich dabei abermals in allerlei Vermutungen über Gina Galdens Schicksal.
Der Detektiv Harst war recht einsilbig. Sein Freund Schraut merkte genau, daß Harst irgendeinen Punkt in den bisherigen Vorgängen gefunden haben müsse, der nun sein ganzes Denken in Anspruch nahm.
Um zehn Uhr begab sich Blume zum Dienst in das Generalkonsulat.
Die Freunde blieben sich selbst überlassen und schlenderten zunächst im Garten auf und ab.
Schraut, der sich nicht gern insofern einer Zurückweisung aussetzte, als Harst nur zu oft seine Fragen entweder gar nicht oder doch nur ausweichend beantwortete, fiel es diesmal besonders schwer, seine Neugier oder besser sein Interesse zu unterdrücken, denn sein Freund zeigte noch immer dieselbe in sich gekehrte Miene und dieselben verträumten, gleichsam nach innen schauenden Augen.
Im rückwärtigen Teile des terrassenförmig ansteigenden Gartens befand sich[9] nun ein Springbrunnen, dessen Wasserspeier eine Marmorfigur, ein kniendes Hindumädchen darstellte.
Vor dieser Fontäne blieb Harst stehen, und meinte, auf die sauber und zierlich ausgeführte Marmorstatue deutend: „Daß ein indischer Fürst gerade die Bildhauerei liebt und in dieser Kunst, wie Fink versicherte, sowohl eigene Wege geht als auch mehr als lediglich Amateurmäßiges leistet, bleibt eine Seltenheit.“
Schraut kannte den Freund viel zu gut, als daß er diese Bemerkung nicht besonders bewertet hätte. Er entsann sich sofort eines früheren Abenteuers, das in einem ganz einsamen Schlosse auf den Westabhängen des Sinai-Gebirges sich abgespielt hatte, wo ein englischer Lord von seinem Bruder beseitigt und die Leiche in einem Gipsmodell verborgen worden war. Der Mörder war ebenfalls Bildhauer gewesen.
Er schaute daher Harst auch etwas erschrocken an und meinte unsicher:
„Denkst du etwa an das Schloß in Sinai, Harald?! Fürchtest du, daß …“
„Nein, nein, mein Alter … Da bist du auf dem Holzwege,“ benahm ihm Harst diesen abscheulichen Verdacht. „Du schießt weit über das Ziel hinaus … Du solltest an etwas anderes dich erinnern, was mir vorhin wie ein Lichtblitz durch das Hirn schoß, – an Finks Behauptung, daß der Fürst noch vor einer Woche hier auf den Tennisplätzen des Royal-Klubs Fräulein Galden …“
Er beendete den Satz nicht, sondern lachte still in sich hinein … fügte hinzu:
„Nur – nur so unwahrscheinlich ist’s …! Und für Gina Galden eigentlich eine …“
Abermals dasselbe: er brach ab, sagte mit jener Entschiedenheit, die stets das Resultat einer vorsichtig alle Einzelheiten abwägenden Gedankenreihe war:
„Wir werden sofort nach Maturpan fahren … Ohne Zweifel ist dem Fürsten der Name des Schweizer Bildhauers Rümlin bekannt … Ich werde Jaques Rümlin spielen und du Frau Rümlin. Rümlins Maske werde ich unschwer derart herzustellen wissen, daß der Radscha getäuscht wird … – Vorwärts, ich freue mich auf diesen Besuch … Die Intelligenz Singabra Sing Dschamars soll spüren, daß es noch eine größere gibt … Du, mein Alter, hast dich ja so oft in der Rolle bejahrter Damen versucht, daß du nichts verderben wirst. Also – auf mit unseren Requisitenkoffern!“
Um elf Uhr mietete ein älteres Ehepaar einen Motorkutter zu einer Fahrt nach Maturpan.
Seine Hoheit Singabra Sing Dschamar saß in seinem völlig europäisch eingerichteten Herrenzimmer am Schreibtisch und hatte soeben mit seinem Haushofmeister etwas zu verhandeln gehabt.
Der alte Inder, eine jener würdigen patriarchalischen Gestalten, zählte dem Fürsten jetzt eine größere Geldsumme in englischen Banknoten vor und zog sich mit einer tiefen Verbeugung wieder zurück.
Kaum hatte sich die Tür hinter dem Getreuen geschlossen, als das Telephon leise anschlug.
Hoheit nahm den Hörer und meldete sich …
„Ah – Buwar … Etwas Neues?“
Eine tiefe Stimme kam aus dem Mikrophon …: „Aus jenem Hause, das wir noch immer im Auge behalten, o Fürst, sind vorhin ein Herr und eine Dame nach dem Hafen gefahren, haben einen Kutter gemietet und wollen offenbar zu dir. Es sind die, denen wir wie die Schatten folgen sollen. Sie fürchteten offenbar nicht mehr, daß das Haus beobachtet würde …“
Hoheits volle Lippen umspielte ein Lächeln …
„Gut, Buwar … sehr gut … Ich weiß nun Bescheid … – Im übrigen bleibt es bei meinen Befehlen …“
Der Radscha erhob sich aus dem Schreibsessel. Jetzt bei Tage konnte man seinen Gesichtszügen ganz deutlich anmerken, daß europäisches Blut in seinen Adern floß.
Er trat an das eine Bogenfenster und blickte über die Baumwipfel des Parkes hinweg auf die runde, grün umsäumte Bucht, auf der die Segel zahlreicher Fischerbarken im frischen Winde sich blähten …
Das Lächeln um seine Lippen erstarb … Eine tiefe Falte zeigte sich über der Nasenwurzel.
„Dieser Harst ist überaus hartnäckig und unbequem,“ dachte er. „Er stört den glatten Verlauf …!“
Die Stirnfalte wurde noch tiefer …
„Ich könnte die beiden unterwegs auf See abfangen lassen … Das würde jedoch selbst bei größter Vorsicht Weiterungen ergeben … Es ist besser, ich lasse die Gefahr an mich herankommen …“
Er wandte sich jäh um und schritt rasch zur Tür, drückte auf den Knopf des Haustelegraphen – viermal. Wenige Minuten später stand einer der drei Leibdiener[10] vor seinem Herrn, – einer jener Inder, die nachts die Fürstin Nadija von der Seeterrasse in die Grotte zurückgeführt hatten …
Der Inder wartete …
Der Fürst überlegte noch, erteilte dem Manne dann halblaut einige Befehle …
Mittags gegen zwölf legte ein Motorkutter neben der Jacht an der langen Holzbrücke an.
Ein älterer Europäer mit rotblondem Vollbart und einer wahren Künstlermähne, und eine unscheinbare, etwas korpulente Dame stiegen aus und sahen sich einem Inder gegenüber, der die schlichte Tracht der Diener des Radschas trug.
Der Herr erklärte in englischer Sprache, er sei der Schweizer Bildhauer Professor Rümlin und bäte, dem Fürsten, von dessen bildhauerischen Arbeiten er gehört habe, seine Aufwartung machen zu dürfen.
Der Diener führte das Ehepaar durch den Park, die Treppen der Terrassen hinan und bis vor ein großes Nebengebäude mit Glasdach … Bat, der Sahib und die Dame möchten vielleicht hier im kühlen Aquarium warten, bis er den Fürsten benachrichtigt habe … Öffnete die Eingangstür und geleitete die Besucher an den hohen Glasbassins vorüber bis zu einer künstlichen Felsgruppe, neben der ein paar Korbsessel standen.
Die Besucher nahmen Platz, und der Diener entfernte sich. –
Harst und Schraut betrachteten interessiert die Insassen der mit klarem Seewasser gefüllten Bassins …
„Um dieses Aquarium könnte jede größere Stadt den Fürsten beneiden,“ meinte Harst halblaut. „Sieh nur, das dort sind die gefürchteten indischen Wasserschlangen, überaus giftiges Gewürm … Und dort das Riesenexemplar von Tintenschnecke hat Fangarme von gut drei Meter Länge, ein wahres Ungeheuer …“
Sie standen auf und näherten sich dem Bassin des greulichen Oktopus, dessen schleimiger Leib mit den Telleraugen und dem hornigen Schnabel auf einem Felsstück ruhte …
„Wirklich eine Seltenheit,“ wiederholte Harst nochmals …
Von oben her rieselte aus einer Röhre beständig frisches Wasser in den gut sechs Meter breiten Glasbottich, in dem eine Anzahl ahnungsloser Fische als Nahrung für das Ungetüm umherschwammen …
Schraut meinte mit leisem Schauer:
„Von diesen Bestien soll es Exemplare mit zehn Meter langen Fangarmen geben, Harald …“
Vielleicht wäre ihm, der hier die Frau Professor zu spielen hatte, diese Entgleisung nicht unterlaufen, den Freund mit „Harald“ anzureden, wenn ihn nicht der Anblick der riesigen Tintenschnecke so vollständig abgelenkt hätte.
Aus der künstlichen Felsgruppe hinter den beiden Detektiven hatte sich ein zackiges Stück, eine kunstvolle Tür, lautlos nach außen gedreht …
Der Fürst stand dicht hinter den Freunden …
Lächelte höflich-ironisch …
„Ich heiße Sie bei mir willkommen, meine Herren,“ sagte er nur …
Schraut fuhr erschrocken herum. Harst hatte bereits im Glase des Bassins, das als schlechter Spiegel wirkte, den Radscha bemerkt … Seine Kehrtwendung erfolgte weit langsamer …
Der Fürst streckte Harst die Hand hin …
„Nochmals – seien Sie mir willkommen, meine Herren, obwohl ich nur annehmen kann, daß der Professor Rümlin nebst Gattin abermals Fräulein Galdens wegen hierhergekommen sind …“
Der Detektiv Harst fühlte sich ungeheuer blamiert, vielleicht zum ersten Male in seinem erfolgreichen Leben. Aber sein schmales Antlitz mit der scharfen Hakennase, jetzt durch den rotblonden Rümlin-Vollbart halb verdeckt, verriet durch nichts die Gedanken, die hinter seiner Stirn aufwallten wie die glatte Meeresoberfläche unter einem plötzlichen Windstoß.
Er drückte die Hand des Fürsten, und erwiderte mit verblüffender Ehrlichkeit:
„Gewiß kommen wir Gina Galdens wegen … Weshalb das leugnen?!“
„Also zweifeln Sie an meinem Wort,“ meinte der Radscha, indem er einen Schritt zurücktrat und seine Mienen förmlich erstarrten. „Ich habe Ihnen gegenüber die Versicherung abgegeben, daß ich die junge Dame nicht geraubt habe. Ich …“
Hier trat eine unvermutete Störung ein.
Die Tür des Aquariums wurde aufgerissen … Inspektor Brandon, hinter ihm mehrere Polizeibeamte und ein englischer Offizier, wurden sichtbar.
Brandon und der Offizier eilten auf die drei Herren zu …
Der Inspektor stutzte, als er „das Ehepaar“ gewahrte … Er erkannte die Detektive nicht, obwohl ihm weder Harst noch Schraut fremd waren.
Um die Lage sofort zu klären, sagte Harst zu Brandon:
„Tag, Inspektor … Ich bin Harst … Wir haben uns lange nicht gesehen. – Was führt Sie her? Ich fürchte fast, Doktor Blume hat mit dem Generalkonsul über diese Geschehnisse gesprochen, die besser noch geheim geblieben wären, und nun hat der Generalkonsul Sie mit Ihren Leuten hierhergehetzt …“
Brandon wandte sich dem Offizier zu. Es war ein Major, Adjutant des Gouverneurs von Bombay.
„Major, bitte, Sie haben hier zu befehlen …,“ meinte er …
Der Offizier stellte sich den beiden Deutschen vor.
„Douglas,“ sagte er kurz … „Seine Exzellenz der Gouverneur hat mir befohlen, der Durchsuchung des Palastes und des Parkes beizuwohnen …“
Dann zu dem Radscha:
„Hoheit werden diese Durchsuchung gestatten …“
„Gern,“ erwiderte der Fürst kühl … „Bitte – die Herren können sofort beginnen …“
„Und Sie bleiben bei uns, Hoheit,“ befahl der Major dienstlich. „Sie zu befragen, ob Fräulein Galden Ihre Gefangene ist, hätte keinen Zweck. Wir haben bereits die Leute Ihrer Jacht verhört. Die blieben stumm.“
„Fräulein Galden ist nicht meine Gefangene,“ erklärte der Fürst mit hochmütiger Kälte. „Handeln Sie nach Belieben, Major Douglas …“
Die Durchsuchung, die sich volle drei Stunden hinzog und der auch Harst und Schraut als Zuschauer beiwohnten, blieb ergebnislos. Man ließ keinen Winkel undurchforscht. Selbst die Gemächer der Fürstin wurden nicht verschont. Lediglich der Salon, in dem die Fürstin lesend auf einem Diwan lag, ward nur flüchtig besichtigt, nur von der Tür aus …
Gina Galden war nicht zu finden.
Nach Verlauf dieser drei Stunden fuhren die beiden deutschen Detektive mit dem Polizeidampfer mit nach Bombay zurück, der die Beamten nach Maturpan gebracht hatte.
Man saß in der geräumigen Kajüte um den Tisch herum. Harst sog nachdenklich an einer Zigarette, und Douglas und Brandon zeigten enttäuschte Gesichter. Schraut in seiner Damenmaske beobachtete still seinen schweigsamen Freund.
„Herr Harst,“ sagte Brandon dann mit geradezu grimmer Miene, „der Radscha führt uns alle an der Nase herum … Davon bin ich überzeugt. Aber – – wie soll man ihm beikommen?! Selbst Sie haben ja hier eine zweifache Schlappe erlitten …“
Harst erwiderte: „Sie irren, Branden. Ich habe keine Schlappe erlitten … Und Sie brauchen sich nicht weiter aufzuregen. Durch polizeiliche Mittel ist hier nichts auszurichten. Ich rate Ihnen und auch dem Major, geduldig ein paar Tage zu warten … Ich werde Ihnen Fräulein Galden dann vielleicht als zurückgekehrt melden können.“
Der Inspektor kniff die Augen klein …
„Drücken Sie sich doch deutlicher aus, Herr Harst … Was wissen Sie?!“
„Ich weiß das, was ich heute gesehen habe … Aber ich werde dies unbedingt für mich behalten.“
Brandon brummte irgendetwas ärgerlich vor sich hin …
Der Major warf dem deutschen Detektiv einen unfreundlichen Blick zu.
Nach der Ankunft in Bombay trennten sich die Herren mit einer kühlen Verbeugung. Harst und Schraut fuhren nach Blumes reizendem Häuschen hinaus, wo sie den Doktor in Gesellschaft Finks auf der vorderen Veranda antrafen.
Harst begrüßte die beiden Landsleute harmlos und freundlich …
„Lassen Sie uns erst unsere Verkleidungen ablegen,“ sagte er, nachdem er über den Mißerfolg der polizeilichen Aktion ganz kurz berichtet hatte. „Ich möchte Sie beide nachher noch um Auskunft über Gina Galdens Familienverhältnisse bitten … – Auf Wiedersehen also …“
Zehn Minuten später betraten die Detektive wieder die Veranda und nahmen mit am Tische Platz.
Ali, Blumes Diener, trug das Abendessen auf.
Die ersten Schatten der Nacht senkten sich über die Hafenstadt herab …
Leichte Dunstschleier umhüllten die Hafengegend. Gedämpft nur klang das Brausen des nie ersterbenden Lärms der Weltstadt hier bis zu den Abhängen des Höhenzuges empor. Der Garten hauchte seine köstlichen Düfte aus, und die schlanken Bäume und Büsche erzitterten unter dem ersten kräftigeren Odem des Abendwindes, begannen zu raunen und zu wispern und gaben eine zarte, feine Musik ab für die schweigsame Tafel der vier Deutschen.
„Nach Tisch wollen wir’s besprechen,“ hatte Harst gesagt.
So ging denn die Mahlzeit schweigsam und unlustig vorüber.
Ali räumte ab, brachte Zigarren, Zigaretten, Aschenschalen, das Spirituslämpchen und allerlei Getränke.
Die Dunkelheit war da …
Blume wollte das Licht einschalten, aber Harst meinte, die Beleuchtung zöge nur die schwirrenden Nachtinsekten herbei … So sei es behaglicher.
Und dann redete er …
Zunächst zu Blume …
„Es schadete nichts, daß Sie Ihrem bedrückten Herzen gegenüber Ihrem Vorgesetzten, dem Generalkonsul, Luft gemacht haben, lieber Doktor. Die Polizei wird den Fürsten nun ungeschoren lassen, und das ist gut …“
Werner Fink, bis oben gleichsam mit Fragen geladen, rief ungestüm:
„Man wird über alledem verrückt …! Man hat das ganz bestimmte Empfinden, Herr Harst, daß Sie in der Lage wären, uns …“
Aus dem Dunkel die sonore Stimme Harsts …
„Verzeihen Sie, Landsmann, – selbst Schraut muß sich gedulden … – Lieber Doktor, kennen Sie Gina Galdens Familienverhältnisse genauer?“
„Ja …“
„Dann erzählen Sie …“
„Nun, Gina ist Waise, hat aber noch drei unversorgte Geschwister, für die sie sorgt. Denn sie ist arm, ohne Vermögen. Die Geschwister leben in Berlin bei einer entfernten Verwandten. Ginas ältester Bruder hat im vergangenen Oktober das Gymnasium verlassen und hätte gern studiert, ist dann aber bei einer Bank eingetreten …“
„Das genügt mir schon,“ erklärte Harst. „Ich habe mir schon gedacht, daß Fräulein Gina sehr selbstlos und opferfreudig ist …“
„Ob sie das ist!“ meinte Fink. „Jeden Pfennig schickt sie heim … Und verdient noch ein wenig nebenbei durch etwas Schriftstellern …“
Blume hüstelte … „Ja – aber sie ist auch sehr stolz … Ich wollte ihr das Geld für das Studium ihres äußerst begabten Bruders vorstrecken. Sie lehnte ab, und … beinahe hätten wir uns entzweit, weil ich so energisch in sie drang, das Darlehen anzunehmen …“
Eine längere Gesprächspause trat ein …
Und wieder dann der temperamentvolle Fink, jetzt merklich gereizt:
„Herr Harst, – – wo … wo … steckt Gina denn eigentlich?! Ich wette, Sie wissen es … Sie wissen es bestimmt, und …“
Harst – unerschütterlich ruhig:
„Ich ändere meine Entschlüsse selten, Herr Fink … Vielleicht weiß ich, was Gina Galden …“
Ali war aufgetaucht …
„Sahib, das Telephon,“ meldete er seinem Herrn.
Blume eilte ins Haus, in sein Arbeitszimmer …
Der Generalkonsul war’s … Blume horchte …
Rief: „Wie – – Gina Galden soeben wieder eingetroffen …?!“
„Ja … Und wohl und munter, Doktor … Leider kann Sie über ihr Abenteuer sehr wenig angeben … Sie ist die ganze Zeit über in einer Schiffskabine gefangengehalten worden, wurde sehr gut behandelt, von einer uralten Inderin bedient und dann vor einer Stunde mit verbundenen Augen am Viktoriadock an Land gebracht. Sie hat keine Ahnung, wer der Schuldige an dieser merkwürdigen Entführung ist … Sie hat nur die alte Inderin zu Gesicht bekommen, und die Jacht hat dauernd auf offener See gekreuzt. – Ich habe bereits Inspektor Brandon verständigt, dem es jetzt äußerst peinlich ist, daß Radscha Singabra zu unrecht belästigt wurde … – Warten Sie, Doktor, Gina will Ihnen noch selbst danken, weil Sie eifrig sich um ihre Auffindung bemüht haben …“
Dann kam Ginas helle Stimme durch das Mikrophon …
„Lieber Herr Doktor, da bin ich wieder … Und – ganz vergnügt und frisch, wie Sie wohl hören … Mein Abenteuer war eigentlich überaus langweilig … Die alte Inderin versicherte mir immer wieder, daß ich mich nicht ängstigen solle, mir würde nichts geschehen … Und man hat mich auch ganz als Dame behandelt. Natürlich würde ich sehr gern wissen, weshalb man mich entführt hat und wer als Urheber dahinter steckt … Doch – das wird wohl nie aufgeklärt werden, weil ich ja so gar nichts angeben kann – gar nichts … – Ihnen aber danke ich von Herzen, lieber Doktor … Auch den anderen Herren, besonders Herrn Harst noch … Vielleicht lerne ich die beiden Detektive morgen kennen … Ich würde mich freuen … – Schluß jetzt … Inspektor Brandon ist gekommen … Er wird sehr enttäuscht sein, denn, wie gesagt, es war ein ganz harmloses Abenteuer … – Auf Wiedersehen … Es war sehr, sehr lieb von Ihnen, daß Sie sich so um mich gesorgt haben …“
Blume errötete – vor innerem Jubel …
Denn so herzlich, fast zärtlich, hatte Gina noch nie zu ihm gesprochen …
Ein Glücksgefühl ohnegleichen erfüllte seine treue Seele … Er blieb noch eine Weile vor dem Telephon stehen und starrte wie verzückt in die Gitteröffnung des Hörers …
Dann eilte er auf die Veranda zurück …
Rief: „Gina ist da!! Gina ist da!! Und – ganz – ganz vergnügt und frisch, wie sie betonte …“
Fink sprang empor, warf beinahe den Tisch um …
„Gina … im Hause des Generalkonsuls?“ – Er konnte kaum sprechen …
„Ja, – erst meldete sich unser Chef, lieber Fink, dann Gina selbst …“
Und völlig außer Atem, vor Erregung erzählte Blume … daß Gina betont habe, wie gut sie behandelt worden sei und daß ihr Abenteuer leider wohl für alle Zeit ein Rätsel bleiben würde …
Der Detektiv Harst lächelte nur unmerklich …
Es war dunkel, und niemand sah dieses Lächeln …
Schraut allein … ahnte es, wenn er es auch nicht sah …
Und als um elf Uhr die beiden Freunde in ihrem Fremdenzimmer allein waren, als sie sich auszukleiden begannen, fragte Schraut:
„Harald, wo war Gina? – Du weißt es besser.“
„Ich weiß es besser, und ich werde es ihr morgen sagen – in deiner Gegenwart, mein Alter …“
„Harald, wo war sie?“
„Bei Radscha Singabra …“
„Also doch …!! – Und – weshalb lügt sie jetzt und behauptet, sie sei die ganze Zeit über auf einer Jacht gewesen?!“
„Weil sie die Wahrheit nicht gut eingestehen kann … Denn für ihre Handlungsweise hätten nur wenige Menschen Verständnis … Im übrigen würdest du ebenfalls schon Bescheid wissen, wenn du dich in des Fürsten Bildhaueratelier heute bei der Durchsuchung des Palastes mehr um die mit nassen Tüchern verhüllten angefangenen Arbeiten des Radschas interessiert hättest … – Gute Nacht … Morgen vormittag werden wir Gina Galden im Garten des Generalkonsuls ohne Zeugen sprechen …“
Gina Galden wandelte zwischen Harst und Schraut durch die schattigen Gartenwege … Sie war frisch wie eine Rose am Morgen, heiter, wie es ihrer Jugend geziemte, und in ihren schönen Augen lag ein Glanz wie der Spiegel einer zufriedenen, starken Seele …
Die drei kamen zu einem Glashäuschen, das, von Fächerpalmen überschattet, auf einem Hügel am Ostende des Gartens sich erhob.
Eine Holztreppe führte zu der Flügeltür empor, und auf der untersten Stufe hatte sich im Sonnenschein eine hellgrüne armlange Schlange zusammengeringelt, eine harmlose Masik, die jeder Gartenbesitzer gerne duldet, da sie die schädlichen indischen Wühlmäuse vertreibt.
Die Masik hob beim Nahen der Menschen den Kopf und ließ das gespaltene Zünglein spielen.
Harst blieb stehen und sagte, indem er das nützliche Reptil anblickte:
„Fräulein Galden, mir gegenüber werden Sie hoffentlich nicht ebenfalls mit … gespaltener Zunge reden wollen … Sie verstehen mich … Es handelt sich um Ihre Entführung.“
Mit einem Schlage hatte er so das bisher völlig unverfängliche Gespräch in eine Bahn gelenkt, die für Gina Galden einen Pfad voller Dornen und Hindernisse darstellte.
Sie schaute den berühmten Detektiv voll an. Sie war nur ganz wenig verwirrt …
Harst erleichterte ihr das Geständnis …
„Fräulein Galden, was wir jetzt hier sprechen, bleibt unter uns. Vielleicht, daß Sie die Wahrheit nur dem Manne noch eingestehen, der … Sie liebt und der Ihre Gegenliebe verdient. – Sie wurden von Radscha Singabra nach dem Palast an der Bucht von Maturpan gebracht. In dem Palast blieben Sie freiwillig bis gestern abend. Ihre Entführung geschah mit Ihrem Einverständnis …“
Gina Galden senkte die ehrlichen Augen und blieb stumm. Nur das helle Rot stieg ihr bis in die Schläfen, und ihre Lippen preßten sich ein wenig fester zusammen.
Der Detektiv Harst sprach in demselben freundlichen Tone weiter …
„Fräulein Galden, Doktor Blume wußte mir mitzuteilen, daß der Fürst einmal auf dem Tennisplatz Ihre Kopfform und Ihre Nackenlinie bewundert und nebenbei geäußert hätte, er würde Sie so sehr gern modellieren. Und Herr Fink wieder berichtete, Sie hätten mit dem Radscha einmal eine geraume Weile abseits gestanden, und der Fürst habe dabei auf Sie sehr eifrig eingeredet, so, als ob er Sie um etwas gebeten habe. – Wurde damals diese Entführung vereinbart?“
Gina nickte …
Die grüne Schlange glitt von der Treppenstufe ins Gebüsch.
„Es war nicht ganz leicht, die Wahrheit zu ergründen,“ fuhr Harst etwas lebhafter fort. „Der Fürst gab sein Wort, daß er Sie nicht geraubt habe … Das stimmte ja auch. – Erst als ich hörte, daß der Radscha Sie gern als Modell benutzt hätte, kam Licht in die Angelegenheit. Er hat Ihnen eine hohe Summe geboten, wenn Sie ihm als Bildhauer ein paar Sitzungen ermöglichen würden. Sie selbst scheuten sich, diese Art Gelderwerb bekannt werden zu lassen. Anderseits brauchten Sie das Geld für Ihre Geschwister. So kam denn … Ihr Abenteuer zustande … Und daß diese meine Vermutungen richtig waren, sah ich gestern in des Fürsten Atelier. Ich hob die feuchte Leinwand von einem Tonmodell … Es war Ihre Büste.“
Gina Galden hob langsam den Kopf …
„Es ist so, Herr Harst …,“ sagte sie schlicht. „Ich wäre töricht gewesen, wenn ich die Bitte des Fürsten abgelehnt hätte, denn die Summe, die er mir bot, bedeutete für meinen Bruder die Ermöglichung des heiß ersehnten medizinischen Studiums … An mich selbst habe ich bei … diesem Geschäft keinen Augenblick gedacht … Und ich bereue mein Tun ebensowenig, denn …“
„… denn es ist Ihnen geglückt, die Ehe des Fürsten günstig zu beeinflussen,“ ergänzte Harst mit einem gütigen Lächeln. „Sie haben dort im Palast so ein wenig Glücksstifterin gespielt, und die Fürstin Nadija ist Ihnen Freundin und Vertraute geworden, in ihrem Gemach waren Sie verborgen, als der Palast durchsucht wurde …“
„Ja, Herr Harst … Auch das ist richtig … Der Radscha hatte in einem Anfall despotischer Rücksichtslosigkeit seine Gattin in die Grotte eingesperrt, um während meiner Anwesenheit vor der Eifersucht seiner Gemahlin sicher zu sein …“
„Und – man hat Schraut und mir vorgestern nacht eine feine Komödie vorgespielt, als die Fürstin scheinbar gewaltsam in die Grotte zurückgebracht wurde, – man wollte eben uns Gelegenheit geben, den Radscha unter besonderen Umständen kennenzulernen, damit er ganz unverfänglich uns versichern konnte, er habe Sie nicht entführt … Oh, es war das ein sehr feines Spiel, das fraglos nur Frauenherzen entworfen haben können: Sie und die Fürstin!“
„Ja, Herr Harst … – Sie werden nun auch begreifen, daß ich das, was geschehen, nicht bereuen kann. Ich habe ein Ehepaar wieder zusammengeführt, habe dem Radscha gezeigt, welch köstliche Perle er in seiner Gemahlin besitzt … Ich habe ihm das Verständnis für die Eigenart Nadijas beigebracht, und dies um so leichter, als Singabra ein wahrhaft guter Mensch ist. Kaum hatte ich nach meiner Ankunft im Palast erfahren, wie hart er gegen seine Gattin war, als ich sofort verlangte, daß Nadija augenblicklich freigelassen würde … So lernte ich sie kennen, so gelang mir denn auch die völlige Aussöhnung der beiden. – Ich habe in meinem bisherigen Dasein, Herr Harst, noch nicht allzu viel geleistet, jedenfalls kann ich mich keiner Tat rühmen, die …“
„Halt, Fräulein Galden … Sie vergessen etwas, das stets eine Tat ist: Ihre selbstlose Liebe zu ihren unversorgten Geschwistern! Das ist eine Tat, die Sie der, von der Sie soeben sprechen, mindestens an die Seite stellen können.“
Und er streckte ihr die Hand hin … Sein hageres Gesicht war nun gleichfalls wie eitel Sonnenschein …
„Vielleicht darf ich mich fernerhin Ihr Freund nennen, Fräulein Galden … Und vielleicht nehmen Sie auch hier meinen Max Schraut mit in diesen stillen Bund freundschaftlichen Eingeweihtseins auf … – Schließlich – ein drittes noch: darf ich für einen braven, lieben Menschen hier den Freiwerber spielen, – für einen Mann, der in diesen Tagen seine Seele öffnete und mir bewies, daß er einer Gina Galden wert ist? Darf ich?“
Er hielt jetzt ihre beiden Hände in den seinen … Er ließ diese Hände nicht los, obwohl das junge Mädchen sich in heißem Erröten abgewandt hatte und sich freizumachen suchte …
Ihre holde Verschämtheit gemahnte den feinen Menschenkenner, diese Szene besser zu beenden …
„Ich werde Doktor Blume herschicken, kleine Freundin,“ flüsterte er. „Und Sie, die es verstanden haben, zwei Menschen zu beglücken, – – machen Sie es Gisbert Blume leicht …“
Damit entfernten sich die beiden Herren eiligst …
Sahen das Konsulatsgebäude durch die Büsche schimmern, sahen auf der Treppe zur Veranda den Doktor stehen …
Harst winkte …
„Hallo, Freund Blume, – vielleicht gehen Sie mal Fräulein Gina holen. Sie ist bei der Glaslaube zurückgeblieben … Und seien Sie nicht allzu schüchtern … Ich habe vorgearbeitet …“
Blume stürmte schon in den Garten hinein …
Gina stand noch am selben Platze …
Und genau wie vorhin blickte sie auch diesen Mann mit den klaren Augen in stiller Ehrlichkeit fest an … Sie war’s, die als erste sprach …
„Herr Doktor, ich muß Ihnen etwas eingestehen, was vielleicht von manchem etwas abfällig beurteilt werden könnte … Ich … war im Palast des Fürsten … Ich …“
Gisbert Blume trat ganz dicht an sie heran …
„Gina … – dies Geständnis ist nicht mehr nötig … Harst hat mir heute morgen bereits angedeutet, daß …“
Er hatte den Arm um sie gelegt …
Er brauchte nichts mehr zu sagen …
Gina Galden lehnte sich zärtlich an seine Brust …
Und als er sie geküßt hatte, so und so oft geküßt, was immerhin einige Zeit in Anspruch nahm, da erst meinte er:
„Gina, weshalb nur bist du meinen bisherigen Bewerbungen so scheu ausgewichen …?! Gina, ich bin doch vermögend, und … und diese Angst um dich hättest du mir ersparen können …“
„Nein,“ erwiderte sie, „nein, Lieber, – es ist besser, daß alles so gekommen ist wie jetzt … Denn jetzt bin ich kein armes Kirchenmäuschen mehr, das deine Güte für die Geschwister in Anspruch nehmen müßte … Jetzt auch weiß ich, was Liebe wert ist – durch ein zweites glückliches Paar im Radschapalast von Maturpan …!“ – –
Werner Fink hat sich damals mit der Tatsache, Gina verloren zu haben, in recht vornehmer Art abgefunden. Ginas Hochzeit fand im Palast an der Bucht von Maturpan statt, und an diesem Tage erfuhr dann auch die Öffentlichkeit durch das junge Ehepaar die wahre Bedeutung … von Ginas Abenteuer …
Verlagswerbung:
Bisher sind folgende Bände erschienen:
1. Ming Tschuan. – 2. Thomas Bruck, der Sträfling. – 3. Die rote Rose. – 4. Das Atlantikgespenst. – 5. Die Schildkröte. – 6. Die grüne Schlange. – 7. Das Teekästchen. – 8. Die Todgeweihten. – 9. Der Krokodillederkoffer. – 10. Treff-Ass. – 11. Der Wilddieb. – 12. Die leere Villa. – 13. Der Klub der Toten. – 14. Der Mann mit der Narbe. – 15. Die silberne Scheibe. – 16. Die Billionenbeute. – 17. Die Tigerinsel. – 18. John Goodsteaks Hochzeitsreise. – 19. Die roten Briefe. – 20. Das Radiogespenst. – 21. Die Rattenfalle. – 22. Die eiserne Frau. – 23. Das Teufelsriff. – 24. Der Zauberblick. – 25. Die Ladygaunerin. – 26. Der Saal ohne Fenster. – 27. Als Harst verschwand. – 28. Die Hand aus Holz. – 29. Der Geistersucher. – 30. Schraut gegen Harst. – 31. Die Jacht mit den drei Mumien. – 32. Die Antenne im fünften Stock. – 33. Das Gespenst von Kap Tschi-Lao. – 34. Der weiße Tiger. – 35. Fünf Finger am Fenster. – 36. Das Rätsel der Heufuder-Baude. – 37. Das Haus auf Abbruch. – 38. Die Kiste des Kapitäns. – 39. Der Kirchhof von Lanken.
Preis pro Band 40 Pf.
Anmerkungen: