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Ritter der Landstraße

 

 

Walther Kabel

 

Ritter der Landstraße.

 

Kriminal-Roman

 

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Berlin 26, Elisabeth-Ufer 44

 

Nachdruck verboten. – Alle Rechte, einschl. das Verfilmungsrecht, vorbehalten. – Copyright 1926 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin.
Druck: P. Lehmann G. m. b. H., Berlin.

 

Juninacht … Deutscher Wald brauste auf unter den fauchenden Stößen eines lauen Windes. … Uralte Buchen und Eichen ächzten und stöhnten. Hochragende Kiefern säuselten und schwangen mit ihren immergrünen Kronen taktmäßig hin und her.

Ein sandiger Feldweg zog sich am Waldessaum entlang und bog dann rechts zum fernen Gutshofe ab, dessen Garten und Baulichkeiten im flachen, mondhellen Landschaftsbilde wie eine dunkle Insel sich abhoben.

In einer Erdmulde unweit des Waldrandes, die von Haselnußbüschen, hohen Gräsern und jungen Buchenschößlingen eng umgeben war, brannte ein bescheidenes Feuer, über dem an einem Eisendraht, der oben im Geäst irgendwo befestigt war, ein Aluminiumtopf hing, dem freilich niemand mehr ansah, aus welcher Art Metall er bestand.

An dem Feuer saßen zwei stoppelbärtige, armselig gekleidete Männer, die mit Ungeduld auf ihre Nachtmahlzeit warteten. In dem Tiegel kochten ungeschälte Kartoffeln, die von einer mildherzigen Bäuerin stammten …

Sagte der kleinere der beiden Vagabunden jetzt zu seinem Gefährten:

„Wickele das Stückchen Speck aus, Otto … Die Kartoffeln sind gar …“

Und nochmals stach er mit der Spitze der Klinge seines Klappmessers in eine der Erdfrüchte hinein.

Otto entnahm einem Bündel ein Päckchen …

Der andere goß die Kartoffeln ab und schüttete sie in das grüne Moos.

Die beiden Stromer begannen schweigend zu tafeln.

Das Feuer brannte immer niedriger, war schon halb im Erlöschen, als die Büsche plötzlich stärker rauschten und durch den grünen Wall der Erdmulde sich ein Mensch hindurchdrängte …

Ein Mensch, – – ein Mädchen …

Gut gekleidet, ohne Hut, mit einem Gesicht, das bleich und wie erstarrt in jähem Entsetzen war …

„Gott sei Dank …!“ stieß sie keuchend hervor, und wollte den Abhang der Mulde mit raschem Schritt hinabeilen …

Stolperte, wäre gefallen, wenn der größere der Landstreicher sie nicht aufgefangen hätte.

Er stellte das Mädchen wieder auf die Füße und fragte verwundert und mit ebenso deutlichem Mitgefühl:

„Was gibt’s denn, Fräulein …? Was hat Sie so erschreckt?!“

Das junge Mädchen, dem Anzug nach den gebildeten[1] Ständen angehörend, flüsterte matt:

„Ich … möchte … mich setzen … Ich fürchte ohnmächtig zu werden …“

Im Nu hatte der kleinere Stromer aus Moos und Ästen einen niederen Sitz hergerichtet.

Das Mädchen nahm Platz …

Die keuchenden Atemzüge wurden ruhiger, und der Ausdruck des schmalen Gesichts änderte sich gleichfalls.

Ein paar Tränen rollten über die bleichen Wangen, und dann löste sich diese Nervenkrise in einem Strom von Tränen.

Das Mädchen hatte die Ellenbogen auf die Knie gestützt und die schlanken Hände vor das Gesicht gepreßt.

So weinte sie … weinte, daß den beiden Stromern ganz weh ums Herz wurde …

Sie blickten sich an, die beiden, und zuckten wie ratlos die Achseln …

Dann meinte der größere, und seine Stimme und seine Worte standen in einem merkwürdigen Gegensatz zu seinem verkommenen Äußeren:

„Fräulein, wenn wir Ihnen irgendwie helfen könnten … Vertrauen Sie sich uns beiden getrost an. Wenn wir auch nicht eben wie Kavaliere ausschauen, so sind wir doch Männer von Gemüt, ohne uns rühmen zu wollen …“

In diesen Sätzen, in der Art, wie er dies sagte, lag etwas außerordentlich Beruhigendes.

Das Mädchen ließ die Hände sinken, trocknete die Tränen und holte ein paarmal tief Atem …

Ihre Augen glitten dabei über die Gestalten und Gesichter der Vagabunden hin … prüfend, abschätzend.

Und wieder sagte der größere:

„Das Äußere eines Menschen täuscht zuweilen, Fräulein … Lassen Sie sich durch unsere klägliche Aufmachung nicht beirren. In der heutigen Zeit der Arbeitslosigkeit, der Massenkündigungen und des grauenvollen Elends in vielen Volksschichten, gerät so mancher auf die Landstraße, der es sich nie hat träumen lassen, daß er einmal im Freien nächtigen würde und in Bauernhäusern betteln müßte. Wir sind Stromer, Vagabunden, Fräulein, aber wir bilden uns ein, die Bezeichnung „Ritter der Landstraße“ mit recht zu verdienen … – Haben Sie wirklich Vertrauen zu uns … Es wird Sie nicht gereuen, uns beiden …“

Das Mädchen hatte eine unendlich müde Handbewegung gemacht …

Der Stromer schwieg und wartete …

Wieder verging eine geraume Weile. Die junge Unbekannte starrte regungslos in die erlöschende Glut, in der nur zuweilen noch ein größeres Flämmchen aufzuckte und dann rötlichen Schein auf das feine blasse Gesichtchen warf …

Das Mädchen schien zu überlegen …

Dann hob sie den gesenkten Kopf …

Meinte mit einem Lächeln, das kein Lächeln war:

„Ich danke Ihnen beiden … Ich habe Sie ganz unnötig erschreckt … Ich bin sehr nervös und leide an nervösen Angstanfällen … – Jetzt fühle ich mich wieder besser und kann den kurzen Weg schon allein zurücklegen. Ich bin die Tochter des Lehrers aus dem Dorfe Merkohmen …“

Sie deutete nach Süden … „Dort liegt Merkohmen … Es ist gar nicht weit …“

Der größere Stromer nickte. „Ich weiß, wir haben dort gebettelt …“

Das Mädchen stand auf …

Zögernd meinte sie: „Wenn ich Geld bei mir hätte, würde ich Ihnen …“

„Nicht doch!“ riefen die Vagabunden wie aus einem Munde. Und der kleinere fügte hinzu: „Sollen wir Sie nicht doch bis an das Dorf begleiten, Fräulein? Wir tun es gern, und …“

„Nein, nein … Sie sehen ja, ich bin wieder völlig bei Kräften … Gute Nacht … Und nochmals meinen Dank …“

Hastig stieg sie die Wand der Mulde hinan, drängte sich durch die Büsche und entschwand …

Sagte der lange Stromer leise zu seinem Freunde:

„Axel, die hat geschwindelt … Der Lehrer in Merkohmen ist ein ganz junger Mann … Ich war ja bei ihm … betteln – heute nachmittag … – Ich werde dem Mädchen nachschleichen … Ich behaupte, sie stammt anderswoher … Das war Rasse, Axel.“

Und gewandt schlüpfte er davon, hinaus auf den Feldweg …

Hatte gute Augen, der Mann …

Nützten ihm nichts, trotz der Mondhelle …

Das Mädchen war nirgends mehr zu erspähen, obwohl der Feldweg nach dem Dorfe zu eine weite Strecke zu überschauen war …

Der Stromer gab die Sache jedoch sobald nicht auf …

Lief den Weg entlang … Hielt von einem Hügel Ausschau …

Nichts … –

Nach zehn Minuten kehrte er in die Mulde zurück.

Meinte ärgerlich: „Wußte ich’s doch, Axel, daß sie log … Sie war nirgends mehr zu entdecken. Sie hat sich fraglos durch den Wald davongemacht …“

Er setzte sich …

Der kleinere sagte gleichgültig:

„Im Grunde geht sie uns nichts an, lieber Otto … Ihr Erscheinen hier an unserem Lagerplatz war eine kleine Abwechslung …“

Der andere stopfte sich seine billige kurze Tabakpfeife …

„Du bist stets für die Bequemlichkeit, mein Lieber,“ warf er etwas ironisch hin. „Wer im Leben nur die breite, bequeme Straße wandelt, wird es nie zu etwas bringen … Nur an den verborgenen, engen Nebenpfaden wächst die Pflanze des Glücks …“

Axel lachte da …

„Phantast!! Reimst dir wohl schon wieder einen ganzen Roman zusammen, was dieses Mädchen betrifft!!“

„… Ja – diese junge Dame, Axel … denn das war sie … Sahst du die schmalen Hände, die gewölbten, gepflegten Fingernägel?!“

„Phantast!!“

„Bitte – mein Beruf, Axel!! Vergiß das nicht … Und so wahr ich Otto Lenk heiße: dieses kleine Abenteuer soll aufgeklärt werden! Ich will wissen, wer das Mädchen war … Morgen früh werden wir im Dorfe Merkohmen Nachfrage halten … Und es müßte doch ein ganz besonderes Pech sein, wenn wir damit nicht Erfolg haben sollten … Das Mädchen wohnt bestimmt hier in der Nähe, und …“

Er brach jäh ab …

Beide horchten …

Da war irgendwo im Walde ein Schuß gefallen.

Otto Lenk sprang schon empor …

„Axel, von dort kam der Knall …“

Und er wies schräg in den Forst … „Dort ist die große Lichtung, auf der wir zuerst lagern wollten … – Komm, begleite mich … Aber lösche erst unser Feuer mit Sand …“

Er hob sein Bündel empor, dazu den derben Spazierstock …

Er ging voran … Ging mit weichen, lautlosen Schritten …

Dann der Rand der Lichtung …

Mondenschein beleuchtete viereckige Stöße gefällten Holzes …

Und neben dem nächsten dieser Stöße lag ein Mensch – ein Mann …

Gesicht nach oben …

Still – tot … –

Otto Lenk hatte sich über ihn gebeugt und trat nun wieder auf den Freund zu, der sich abseits gehalten hatte …

„Erschossen,“ sagte Lenk …

„Dann wollen wir schleunigst verduften, sonst sperrt man uns noch als verdächtig ein …!“

„Axel Germar, du warst nie für überflüssige Aufregungen, um nicht zu sagen, daß du die Vorsicht für den besseren Teil der Tapferkeit hältst …“ Lenks ironischer Ton prallte völlig an Germar ab …

Sie standen jetzt acht Schritt von dem Toten entfernt, der seinem Anzug nach ein Inspektor oder sonst ein Beamter eines Gutes sein konnte …

Mit einem Male schritt Otto Lenk abermals auf die Leiche zu, bückte sich und hob vom Boden etwas Weißes auf …

Es war ein tränenfeuchtes, zusammengeballtes Taschentuch, dem ein zarter Wohlgeruch entströmte.

Lenk steckte das feine Tüchlein zu sich und ging wieder zu Axel hin, sagte kurz:

„Wir werden dem Gemeindevorsteher in Merkohmen melden, was wir hier gesehen haben. Aber – von dem Mädchen kein Wort, Axel …! Keine Silbe!! Sie muß aus dem Spiel bleiben …“

„Blödsinn!!“ knurrte Axel Germar ärgerlich. „Du wirst uns da etwas Nettes einbrocken, du …!!“

„Gestatte: das habe ich noch nie getan!! Ich überlege mir schon, was ich unternehme! Du kennst mich.“

Sie machten kehrt, erreichten den Feldweg, und wanderten dem Dorfe zu.

* * *

Etwa um dieselbe Zeit saß der Rittergutsbesitzer v. Meldert in seinem Arbeitszimmer vor dem großen Diplomatenschreibtisch, der über und über mit Büchern, Zeitschriften und Zeitungsausschnitten, die auf Papierbogen geklebt waren, bedeckt war …

Herrn v. Melderts Gelehrtenkopf wurde vom Lichte der Arbeitslampe nur halb beschienen … Die mit einer Hornbrille bewaffneten Augen, die hohe Stirn und das leicht ergraute, schlicht zurückgestrichene Haar lagen im Schatten …

Meldert schrieb eifrig, schaute mitunter in eins der Bücher hinein und setzte seine Arbeit dann wieder fort.

Im Parke rauschten die Bäume, und noch weiter nach Norden zu rauschte die Brandung an der Samlandküste … Die Ostsee mischte ihr eintöniges Lied in die Stimmen der Parkbäume, so daß eine einzige einschläfernde Melodie die nächtliche Stille belebte …

Der Gutsherr hörte nichts davon. Seine Gedanken galten ausschließlich seinem wissenschaftlichen Werke. Er war Gelehrter, vielleicht zu sehr … zu begeistert. Er besaß nicht die Fähigkeit, gleichzeitig seine Tatkraft mehreren Dingen zu widmen. Um die Verwaltung und Bewirtschaftung seines ausgedehnten Besitzes mühten sich zartere Hände.

Herr v. Meldert war seit zehn Jahren Witwer. Nur ein einziges Kind war aus einer kurzen, überaus glücklichen Ehe hervorgegangen – eine Tochter, die von beiden Eltern die Charakterschwächen und Charaktervorzüge geerbt hatte.

Als die hohe Standuhr in der Ecke zehn schlug, wurde die Tür des Studierzimmers des Gutsherrn leise geöffnet, und Wera v. Meldert trat ein …

„Störe ich, Papa …?“

„Du störst nie, Kind … – Warst du noch in den Ställen?“

„Ja, auch dort, Papa …“

Sie ließ sich in einen Armsessel sinken, der ganz im Schatten unweit des Kaminofens stand …

„Kind, du scheinst müde zu sein … Deine Stimme klingt so matt,“ meinte Meldert zerstreut und blickte schon wieder auf seine Arbeit. Fügte sofort hinzu – lebhaft und angeregt:

„Ich bin jetzt mit dem fünften Kapitel fertig, Wera … Nun beginne ich den interessantesten Abschnitt der Geschichte unseres schönen Samlandes: das Eindringen des Deutschritterordens in Ostpreußen …“

Er sprach weiter … Er lebte nur noch für sein Werk … Seines Kindes müde, brüchige Stimme war vergessen.

Wera v. Meldert hörte die wohlgesetzten klugen Worte, ohne deren Sinn zu erfassen. Sie gab sich auch keine Mühe, diesem gelehrten Vortrag zu folgen …

Mit geschlossenen Augen saß sie in dem hochlehnigen Sessel, die Linke auf das Herz gepreßt, das so dumpf in ihrer Brust pochte …

Dann sagte der Gutsherr, indem er die längst erloschene Zigarre wieder anzündete:

„Ich will nun noch eine halbe Stunde arbeiten, Kind … – Hattest du eigentlich etwas mit mir zu besprechen …“

Wera öffnete die Augen …

Ein gramvoller Blick umfing die Gestalt und das Gesicht des Vaters …

„Nein,“ erklärte sie zögernd … „Ich will mich hier nur ein wenig ausruhen, Papa … Ich werde mich auch ganz still verhalten …“

Meldert nahm den Federhalter. Plötzlich fiel ihm etwas ein …

„Ist Gutzlow schon lange weg?“ fragte er, wobei er jedoch bereits die letzten Zeilen seines Manuskripts überflog …

„Vor einer Stunde ging er, Papa … Er läßt dich noch grüßen …“ Die Worte kamen seltsam schwer über Weras Lippen, aber ihr Vater achtete nicht darauf.

Er begann zu schreiben …

Und sein einziges Kind saß da und lauschte dem schweren, schweren Pochen des ruhelosen Herzens und der eintönigen Musik der Parkbäume und der fernen Brandung …

Unendliche Müdigkeit senkte sich allmählich über das junge Weib herab … Ihre Gedanken klärten sich, je mehr die körperliche Mattigkeit zunahm …

Sie wartete …

Wartete in trostlosem Hindämmern …

Wußte, was geschehen würde … –

Die Standuhr schlug halb elf …

Und fast gleichzeitig schrillte leise das Telephon …

Herr v. Meldert schrak leicht zusammen …

Rief ärgerlich: „Jetzt nachts! Wer mag mich um diese Stunde anläuten?!“

Wera hatte sich aufgerichtet …

Beugte sich vor und beobachtete den Vater …

Der Gutsherr meldete sich …

„Hier Meldert, Garningken … – Ah, Sie sind’s, Krüger … Was gibt’s denn? – – Wie?! – Langsam, Krüger … Sie sprechen so undeutlich … – Zwei Landstreicher … einen Toten gefunden … in meinem Walde? – Und ich soll jetzt als Amtsvorsteher in der Nacht dort mit hin …?! – – Ja, ja, Krüger, Sie haben recht … Es ist meine Pflicht … Gut, also wir treffen uns dann auf dem Feldweg … Landjäger Retzlaff soll ebenfalls mit, und natürlich auch die beiden Stromer … Schluß …“

Er hängte ab …

„Wera, Kind, – wieder eine Aufregung und Ablenkung,“ wandte er sich an seine Tochter. „Krüger aus Merkohmen meldet, daß in der großen Lichtung in Jagen 8 offenbar ein Mord verübt wurde … – Scheußliche Geschichte!“

Er stand auf, reckte sich …

„Du könntest mich eigentlich begleiten, Kind …,“ meinte er bittend … „Deine Nerven sind besser als die meinen … Und du …“

„Ich bin zu müde, Papa … Entschuldige schon, …“ – Kaum gesagt, reuten sie die Worte … „Aber – wenn du so großen Wert darauf legst, – – ich will nur noch schnell ein Glas Wein trinken … – Telephoniere doch inzwischen nach dem Stall, daß Johann den kleinen Jagdwagen anspannt. Er soll die Schweißfüchse nehmen … Denen schadet ein wenig Bewegung nichts … Außerdem soll er zwei von den neuen Karbidlaternen in den Wagen stellen … – Und Papier und Schreibzeug, auch eine Schreibunterlage, – – vergiß das nicht, Papa …“

Sie war schon an der Tür …

„Kind, wenn ich dich nicht hätte!“ meinte Herr v. Meldert zärtlich …

Wera ging in den Speisesaal hinüber, schaltete das Licht ein und stellte sich vor den Pfeilerspiegel …

Betrachtete ihr Gesicht …

Murmelte: „Zwei Gläser Portwein, und ich bekomme Farbe …“

Sie schritt zu der Anrichte …

Als sie das Glas zum ersten Male füllte, zitterte ihre Hand …

Beim zweiten Glase nicht mehr …

* * *

Der stille Zug von Menschen bewegte sich durch den Wald der Lichtung zu …

Voran ging der stramme Landjäger Retzlaff, neben ihm die beiden Vagabunden, deren Papiere er bereits geprüft hatte. An diesen Papieren war nichts auszusetzen gewesen. Nur sehr erstaunt war der Landjäger, daß zwei Leute derart sinken konnten, – sehr erstaunt. –

Dann beleuchteten die Laternen die im Grase der Lichtung liegende Gestalt …

„Herr Gott, – das ist ja Gutzlow!“ schrie Meldert entsetzt auf …

Und der Gemeindevorsteher Krüger bestätigte leise:

„Ja, da ist wirklich Herr Gutzlow …“

Meldert drehte sich nach Wera um …

„Kind, begreifst du das?! Er war doch noch abends bei uns … Und – was mag er hier gewollt haben?“

Wera hob nur die Schultern …

Ihre Augen glitten immer wieder zu den beiden Vagabunden hin …

Und sie sah, daß der größere ihr abermals verstohlen zunickte …

Sie wußte jetzt: die beiden würden nichts verraten! Die beiden waren in Wahrheit Ritter der Landstraße.

Eine große Freude erfüllte sie jetzt, eine große Ruhe kam über sie … –

Retzlaff, der den Toten besichtigt hatte, erklärte kurz:

„Kopfschuß – von der Seite … – Am besten wird es sein, Herr v. Meldert, wenn ich hier bis zum Morgen wache, damit uns die Fußspuren erhalten bleiben … Jetzt in der Nacht läßt sich doch nichts unternehmen.“

„Ich bin dann um sechs Uhr wieder hier … Inzwischen kann ich auch den Kreisarzt benachrichtigen … – Wera, wie denkst du darüber?“

„Herr Retzlaff hat ganz recht, Papa. Jetzt in der Dunkelheit würden die Spuren des Täters nur zu leicht durch andere verwischt werden, und mit Laternen den Erdboden abzusuchen, ist immer recht unsicher.“ –

Sie sprach ohne jede Erregung … Vielleicht zu gleichgültig. Jeder der hier anwesenden Männer, die Vagabunden ausgenommen, wußte, daß der Arzt Doktor Albert Gutzlow aus dem nahen Seebade Rauschen sich eifrig um Wera v. Meldert bewarb. Und diese kühle Sachlichkeit der jungen Dame stieß nun sowohl dem stämmigen Landjäger als auch dem dürren, knorrigen Gemeindevorsteher Krüger auf. Nur Herr v. Meldert fand an Weras Benehmen nichts auszusetzen, weil er sein Kind seit langem von dieser abgeklärten, nüchtern-zielbewußten Seite kennengelernt hatte.

Als Wera von dem Verwischen der Spuren sprach, waren ihre vorsichtigen Blicke abermals denen des größeren der Landstreicher begegnet …

Und wieder hatte Otto Lenk ihr ganz unauffällig zugenickt, indem er so das zwischen ihnen bereits angebahnte geheime Einverständnis noch verstärkte.

Bevor sich die Männer nun vom Tatort entfernten, sagte Otto Lenk ebenso bescheiden wie bestimmt:

„Mein Freund und ich wollen gern dem Herrn Landjäger hier Gesellschaft leisten. Wir sind es gewöhnt, im Freien zu nächtigen, und wir würden uns morgen früh ja doch als Zeugen hier wieder einfinden müssen.“

Herr v. Meldert wurde jetzt erst auf die beiden Stromer aufmerksam, da die Redeweise und Aussprache Lenks in so merklichem Gegensatz zu seiner äußeren Erscheinung stand. Er schaute schärfer zu den beiden hinüber, sagte sich jedoch sofort auch, daß es genügend gescheiterte bessere Existenzen gäbe, und daß dieser Mann ein weitergehendes Interesse wohl kaum wert sei.

So kam es denn, daß Lenk und Germar jetzt etwa zehn Minuten hier am Rande der Lichtung allein blieben, weil der Landjäger die übrigen noch bis zu dem Feldweg begleitete, was er lediglich aus Höflichkeit gegen Herrn v. Meldert tat. Eine der Karbidlaternen war auf dem Holzstoß unweit des Toten zurückgelassen worden, und ihr grelles weißes Licht ruhte in breiter Bahn auf der reglosen Gestalt.

Kaum waren die anderen zwischen den Bäumen verschwunden, als Otto Lenk hastig seine zerrissenen Schuhe abstreifte, seinem Bündel ein paar ebenso löcherige Schaftstiefel entnahm und in diese hineinschlüpfte.

Germar rief leise:

„Otto, was soll das …?! Willst du etwa …“

Lenk hatte bereits die Laterne ergriffen …

Plötzlich jedoch stellte er sie wieder auf den Holzstoß zurück …

„Der Himmel greift ein,“ sagte er ernst. „Da – es beginnt zu regnen …“

Er schaute zum Firmament empor …

Eine große schwarze Wolke hatte den größten Teil der bisher freundlich glitzernden Sterne verschluckt …

Die Tropfen fielen reichlicher, und in wenigen Minuten kam ein Platzregen hernieder, der das dunkle Geheimnis dieser Lichtung scheinbar für alle Zeiten in undurchdringliche Schleier hüllte.

Als der Landjäger Retzlaff hier wieder erschien, hatten die Vagabunden sich unter einer Eiche zusammengekauert.

„Der verdammte Regen!“ wetterte er ingrimmig … „Wir hätten doch lieber sofort mit Hilfe der Laternen die Umgebung absuchen sollen … Ich will sehen, was sich noch tun läßt …“

Er mühte sich umsonst. Die Tropfen klatschten so dicht herab, daß alles ringsum wie in Nebel gehüllt war. Und obwohl der Regen nur kurze Zeit anhielt, hatte er doch genügt, jede Fährte wegzuwaschen und die niedergetretenen Gräser wieder aufzurichten.

So konnte denn auch am Morgen nichts von Belang ermittelt werden.

Doktor Gutzlow war mit einem Revolver kleinen Kalibers aus nächster Nähe erschossen worden, – so stand es im Protokoll. – Das war aber auch alles.

Drei Tage später wurde der junge Arzt, der sich übrigens erst vor kurzem in Rauschen niedergelassen gehabt hatte, beerdigt. Wera und ihr Vater gaben ihm mit das letzte Geleit. Und das Fräulein v. Meldert stand am Grabe des Ermordeten mit demselben undurchdringlichen Gesichtsausdruck, der sich bei ihr seit jener Unglücksnacht eingefunden. Sie war der Gegenstand allgemeiner Neugier, denn es gab wohl keinen bei dieser Feier, der nicht genau gewußt hätte, daß Gutzlow sich ebenso hartnäckig wie fast aufdringlich um die Hand der reichen Erbin bemüht hatte.

* * *

Um dieselbe Mittagsstunde, als man Gutzlow zu Grabe trug, arbeiteten im großen Gemüsegarten des Gutes Garningken an einem Spargelbeet zwei Männer, die jetzt bei Herrn v. Meldert Arbeit und Unterkunft gefunden hatten. Daß dies geschehen, war ausschließlich Weras Werk. Immerhin war sie vorsichtig genug gewesen, für die beiden Vagabunden nicht allzu eifrig einzutreten. Scheinbar hatte es sich ganz von selbst ergeben, daß Lenk und Germar[2] als Arbeiter aushilfsweise in Garningken Beschäftigung fanden.

Die beiden Freunde, bis dahin in Wahrheit ein Herz und eine Seele, hatten sich durch die Ereignisse jener Nacht einander nicht wenig entfremdet. Axel Germar war niemals damit einverstanden gewesen, daß Otto Lenk ein Mädchen vor dem Strafrichter schützte, das seiner festen Überzeugung nach eine Mörderin war.

Auch jetzt, wo sie nebeneinander vor dem Spargelbeet knieten und sich bei dieser Arbeit nicht übermäßig anzustrengen brauchten, konnte der kleine Germar mit seinem Unwillen nicht zurückhalten …

„Wenn du mir wenigstens sagen wolltest, Otto, weshalb du Wera v. Meldert in dieser Weise beschirmt hast …!“ meinte er unvermittelt. „Aber du weichst mir beständig aus … Du verlangst, daß ich dieses Thema überhaupt nicht mehr berühren soll … Unsere alte Freundschaft geht darüber langsam in die Brüche … Selbst das ist dir gleichgültig … Ich begreife dich nicht!! Und – das Unbegreiflichste: weshalb sind wir hier in Garningken geblieben?! Weshalb lassen wir uns hier noch durchfüttern, obwohl wir doch alle Ursache hätten, diese Gegend zu meiden, wo wir uns … zu Mitwissern einer Mörderin gemacht haben!“

Noch nie war Axel Germar in den letzten Tagen so ohne jede Scheu gegen den Freund vorgegangen, vor dem er bisher stets einen gewissen Respekt gezeigt hatte.

„Rede endlich!!“ rief er wütend, als Lenk abermals durch Schweigen diesem Gesprächsstoff auszuweichen suchte. „Rede endlich – oder wir trennen uns! Gerade jetzt wird Doktor Gutzlow beerdigt … Gerade jetzt wirst du antworten – du wirst!“

Otto Lenk blickte den Erregten von der Seite an.

Und erwiderte: „Du bist ein Narr, Axel …! Wenn ich deine langatmigen, ungerechten Vorwürfe bisher ohne die gebührende Verteidigung hinnahm, so hatte das seinen Grund lediglich darin, daß ich hoffte, du würdest schließlich von selbst vernünftig werden. Glaubst du denn, daß ich Fräulein Wera derart gegen jeden Verdacht, der auf sie hätte fallen können, ohne Rücksicht auf uns gedeckt hätte, wenn ich nicht von vornherein meiner Sache vollkommen sicher gewesen wäre, – eben, daß sie … nicht die Täterin ist?!“

Germar war zunächst nur verblüfft, dann aber ebenso rasch wieder von allerlei Zweifeln beherrscht, ob der Freund hier nicht etwa gegen seine eigene Überzeugung spräche.

Er meinte daher auch mit leichtem Achselzucken:

„Nicht die Täterin?! Und – das Taschentuch, Otto?!“

„Will gar nichts besagen, das Tüchlein … gar nichts! Daß Fräulein Wera die Person, die den Schuß abfeuerte, kennt, daß sie also der Tat beiwohnte, ist sicher. Vor Schreck mag ihr das Taschentuch entfallen sein …“

„Hm – alles Behauptungen ohne Beweise …!“

„Gestatte: der beste Beweis, daß Wera v. Meldert den Schuß nicht abgegeben haben kann, ist wohl der, daß sie gar keine Waffe bei sich trug … – Besinne dich bitte, wie sie ohne Hut in dem schlichten, dunklen Hauskleid bei uns in der Mulde erschien … Das Kleid hatte keine Tasche … Denn das Taschentuch trug Fräulein Wera im Gürtel … Und weiter besinne dich: ich fing sie auf, als sie stolperte … Sie ruhte halb an meiner Brust … Unsere Körper berührten sich … Hätte sie im Kleiderrock eine Waffe, einen Revolver stecken gehabt, hätte ich dies unbedingt gefühlt …“

Germar nickte … „Na ja, – du magst recht haben … Diese modernen Damenkleider haben ja nie Taschen, und ein Revolver …“

„Oh – noch eins,“ unterbrach Lenk ihn eifrig. „Ich habe Fräulein Wera damals in der Nacht und dann auch hier auf dem Gute sehr scharf beobachtet … Ihr Benehmen ist das eines Menschen, der wohl ein Geheimnis, aber keine schwere Blutschuld mit sich herumträgt …“

„Das stimmt!“ erklärte der andere. „Es sei denn, dieses Mädchen müßte unglaublich … abgebrüht sein – hundeschnäuzig, ohne Gewissen …, was ich ihr nicht unterschieben möchte … – Wie denkst du dir die Vorgänge jener Nacht, Otto? Kannst du dir ein ungefähres Bild davon machen? Weshalb kam Fräulein Wera zunächst zu uns in die Waldmulde gestürmt?! Weshalb …“

„Bemühe dich nicht, Axel … Ich kann dir diese Fragen nicht beantworten … Ich bin zwar Zeitungsberichterstatter, sogenannter Redakteur gewesen, besitze auch etwas Phantasie, aber – ich bin kein Detektiv! Oft genug habe ich schon über diese Dinge nachgegrübelt. Ich finde keinen Reim, der zu alledem paßt. Und ich hoffe lediglich darauf, daß Fräulein Wera einmal aus Dankbarkeit mir gegenüber den Schleier dieses Geheimnisses etwas lüftet … etwas … Den Täter wird sie ja wohl niemals nennen. Sie muß einen sehr schwerwiegenden Grund haben, ihn zu schützen, genau wie wir sie geschützt haben … – Jetzt laß uns aber weiterarbeiten … Alles Herumraten, was den Kern des Rätsels betrifft, hat keinen Zweck … Freuen wir uns, daß wir hier in Garningken vorläufig versorgt sind, daß Herr v. Meldert und die Gutsbeamten uns als gebildete Menschen behandeln und daß schließlich ein Erlebnis hinter uns liegt, bei dem wir ein junges Mädchen vor sehr unangenehmen Weiterungen bewahrt haben …“

* * *

Nach dem Begräbnis fuhren Herr v. Meldert und Wera sofort wieder nach Garningken zurück. Wera war sehr einsilbig, und auch ihr Vater hing zumeist seinen Gedanken nach, die wenig erfreulicher Natur sein konnten, da der zumeist etwas versonnene Zug in dem klugen Gelehrtengesicht des Gutsherrn jetzt von einer fast düster-grüblerischen Miene verdrängt worden war.

Da der auf dem Bock sitzende alte Kutscher Johann bereits etwas schwerhörig war, konnte Herr v. Meldert es getrost wagen, auch ein kritischeres Gesprächsthema zu wählen, und das tat er, als man nun unweit des Waldstreifens vorüberkam, in dem der noch immer völlig unaufgeklärte Mord verübt worden war …

Der Gutsherr wandte sich zu seinem Kinde hin, musterte ihr reines, klassisches Profil, und sagte:

„Amtsrichter Güßstedt erzählte mir auf dem Kirchhof, daß morgen ein Kriminalbeamter aus Königsberg sich bei uns melden wird, der mit weiteren Nachforschungen betraut worden ist. Der Beamte tritt als Kunstmaler auf, und Güßstedt bat, wir sollten ihn doch als Gast im Gutshause aufnehmen. Wir werden wohl in diesen sauren Apfel beißen müssen, Kind … Es hilft nichts …“

Wera meinte gleichmütig, im Inspektorhause sei noch genügend Platz … „Der Herr wird uns so am wenigsten lästig fallen, Papa … Mir liegt daran, daß du wieder deine alte Ruhe und Behaglichkeit findest, Papa … Die letzten Tage waren nichts für dich … Du bist ganz verändert …“

Herr v. Meldert seufzte etwas …

„Ja … verändert … Keine Zeile habe ich mehr schreiben können … Mir … mir geht so mancherlei durch den Kopf … – Bist du eigentlich aus diesen beiden sogenannten Vagabunden schon etwas klug geworden, Kind?! Dieser Lenk und sein Freund wollen mir nicht recht behagen … Lenk, entlassener Redakteur, Germar, abgebauter Bankbeamter, – – und jetzt beide als Stromer auf der Landstraße …?! Ich weiß nicht, da stimmt etwas nicht …“

„Da stimmt alles, Papa … Und wenn du ihr kleines Geheimnis bewahren willst, das Lenk mir anvertraut hat: die beiden wollten den Sommer über als Vagabunden leben, weil Lenk nachher über diese Zeit eine Artikelserie zu schreiben gedachte. Das ist des Rätsels Lösung, Papa. Und Lenk und Germar sind nicht die ersten, die aus diesem Grunde so tief hinabgestiegen sind …“

Der Gutsherr blieb zunächst stumm. Dann meinte er: „Und doch wäre es mir lieb, wir würden die beiden recht bald los. Der Gedanke, gebildete Leute unter solchen Umständen bei mir zu beschäftigen, stört mich. Außerdem …“

Und aus dieses „Außerdem“ folgte wieder eine Pause … Es wurde Herrn Meldert nicht ganz leicht, seinem Kinde gegenüber Winkelzüge zu machen … Und offen heraus konnte er das, was er auf dem Herzen hatte, erst recht nicht vorbringen.

„… Außerdem, – – man spricht darüber, daß die beiden nun bei uns … durchgefüttert werden …,“ erklärte er schließlich immer noch zögernd …

„Wer spricht darüber, Papa?!“

„Nun – Güßstedt machte eine Bemerkung …“

„So, Güßstedt … Und diese Bemerkung lautete?!“

„Aber Kind, das habe ich mir doch nicht wörtlich gemerkt … Es genügt, daß die Leute dabei etwas Auffälliges finden … Bekanntlich wird solch ein Gerede regelmäßig noch weiter ausgesponnen, und schließlich wird es heißen, daß wir wohl irgendeinen Grund hätten, diese beiden Leute … zum Schweigen zu verpflichten.“

Nun war es heraus …

Und Herr v. Meldert atmete ordentlich erleichtert auf, als er das, was ihn gequält hatte, seinem Kinde nun doch in nicht mißzuverstehender Art mitgeteilt hatte.

Wera blickte starr geradeaus …

Überlegte … Sie fühlte, daß ihr Vater gegen sie einen unbestimmten Verdacht geschöpft hatte – – ohne Zweifel …! Er ahnte jetzt wohl, daß ihre Person bei dem blutigen Drama dort auf der Lichtung irgendwie mitbeteiligt gewesen sei – irgendwie …

In ihrem Herzen spürte sie sekundenlang eine unendliche Mutlosigkeit. Sie war nahe daran, dem Vater alles einzugestehen. Aber – sie blieb auch jetzt Wera v. Meldert, die Starke, Selbstbewußte … Sie dachte an die Folgen eines solchen Geständnisses … Nein –

Und so sagte sie denn ohne jede spürbare Erregung:

„Ich wundere mich, Papa, daß du dich um das Gerede der Leute kümmerst! Klatsch sollte doch wirklich nicht bis zu uns heranreichen …“

Vater und Tochter schauten sich an …

Weras Augen hatten einen hochmütig-geringschätzigen Ausdruck, der den geschwätzigen Lästerzungen galt …

Der Gutsherr drückte seinem Kinde die Hand …

„Hast recht, Wera … Klatsch reicht nicht bis Garningken … – hast recht!“ Er sagte es beinahe fröhlich … Ihm war eine schwere Last vom Herzen genommen … Wenn Wera ihn so offen und furchtlos anblicken konnte, dann waren seine ungewissen Befürchtungen gegenstandslos …

Und Hand in Hand fuhren nun Vater und Tochter weiter dem heimischen Dache zu …

Meldert sagte nach einer Weile:

„Mögen Lenk und Germar bleiben, so lange sie wollen … Ich würde niemandem raten, mir gegenüber nochmals ähnliche Bemerkungen zu machen, wie es heute Güßstedt getan hat …“

* * *

Und abermals waren drei Tage ins Land gegangen. In Garningken und Umgegend drückte sich jetzt der Kriminalassistent Röthel aus Königsberg herum, horchte die Leute aus und erschien überall da, wo man ihn nicht vermutete.

Auch mit Lenk und Germar hatte er sich anzubiedern versucht, aber die beiden seltsamen Stromer waren derart ablehnend gewesen, daß Röthel alle weiteren Bemühungen aufgab, bei den Rittern der Landstraße Anschluß zu finden.

Lenk und Germar hausten am Ostende des Gutsparkes in einem ehemaligen Geräteschuppen, den sie mit viel Geschick und mit gütiger Hilfe des Oberinspektors sich recht wohnlich hergerichtet hatten.

So kam denn der vierte Abend nach dem Begräbnis Doktor Gutzlows heran. Lenks Hoffnung, daß Wera einmal Gelegenheit nehmen würde, sich mit ihm auszusprechen, hatte bisher getrogen.

Die Freunde waren gegen neun Uhr abends noch ein Stück über die Felder hinausgegangen, hatten am Abhang der Steilküste eine Zigarre geraucht und den Anblick des weiten Meeres mit Andacht und Verständnis für die Schönheiten des Sonnenunterganges genossen.

Als sie nun ihrer Bretterhütte sich wieder näherten, sahen sie auf der Bank vor der Tür zwei Fremde sitzen …

Fremde – – und zwar echte Stromer. Das sah man auf den ersten Blick.

Lenk und Germar sahen im Vergleich zu diesen beiden Tippelbrüdern geradezu wie Kavaliere aus …

Diese zerlumpten Kerle, die es sich da auf der Bank bequem gemacht hatten und jeder an einem Kanten Brot und einem Ende Wurst kauten, grinsten unverschämt, als Lenk ihnen erklärte, diese Holzvilla sei leider schon belegt und sie müßten sich daher für die Nacht schon nach einem anderen Unterkommen umsehen …

Lenk hatte dies in halb scherzendem Tone gesagt, und er hatte wohl erwartet, daß diese beiden Herren Kollegen sich baldigst empfehlen würden.

Ein Irrtum …

Der eine meinte nur: „Ihr werdet uns doch nicht wejjagen … he?! Wir haben ja drüben im Dorfe gehört, daß ihr mit zur Gilde gehört … Also seid friedlich und jemütlich und jönnt einem ehrlichen Christenmenschen mal ein Nachtlager unter einem Dache …“

Lenk betrachtete die beiden genauer …

Es war noch hell genug, um die Gesichtszüge dieser Pennbrüder studieren zu können. Was Lenk sah, nahm ihn für die „Kollegen“ ein, und nachdem man sich noch eine halbe Stunde vor der Tür auf der Bank über alles Mögliche unterhalten hatte, daß die neuen „Kollegen“ gleichfalls einmal bessere Zeiten gekannt, siegte bei Lenk und Germar das Mitgefühl.

Die Stromer blieben die Nacht über in der Hütte, und auch am Morgen dachten sie nicht daran, sich nunmehr zu empfehlen, sondern baten Lenk, ihnen hier auf dem Gute doch gleichfalls Arbeit zu verschaffen.

Otto Lenk, der sich jetzt genau wie Axel Germar jeden Morgen rasierte und sein Habit nach Möglichkeit sauber hielt, – Otto Lenk glaubte nun eine Gelegenheit gefunden zu haben, Wera v. Meldert ansprechen zu können – eben dieser Kollegen wegen. Und dann würde sich ja wohl im Verlauf dieses Gespräches alles weitere ergeben …

Vormittags elf Uhr schritt Wera durch den Obstgarten.

Lenk arbeitete gerade in den Himbeersträuchern, wo er die toten und überflüssigen Stöcke ausmerzte. …

Wera blieb stehen und erwiderte Lenks Gruß …

Otto Lenk trat näher …

„Gnädiges Fräulein, dürfte ich für zwei Leute, die gern wieder einmal ehrlich arbeiten würden, ein gutes Wort einlegen?“ begann er in seiner bescheidenen, aber durchaus nicht unterwürfigen Art … Dann erzählte er Wera von den „Kollegen“, und er betonte besonders, daß diese waschechten Stromer ein paar sehr ulkige und witzige Käuze seien, dabei fraglos harmlos und ehrlich.

Wera entgegnete zerstreut, sie würde erst einmal mit dem Oberinspektor Rücksprache nehmen …

Dann – trat eine peinliche Pause ein. Wera suchte nach einem passenden Übergang zu dem anderen Thema. Dann faßte sie sich ein Herz und sagte ohne Scheu:

„Herr Lenk, mir droht aufs neue Gefahr … Der Kriminalassistent scheint jetzt herausgebracht zu haben, daß ich damals abends Doktor Gutzlow gefolgt bin und etwa eine Stunde vom Gute abwesend war …“

Lenk erwiderte leise: „Axel und ich werden unter keinen Umständen etwas verraten, gnädiges Fräulein … Wir haben Röthel schon gehörig abfallen lassen.“

„Und – wenn … wenn Sie unter Eid vernommen würden, Herr Lenk?! Dann müßten Sie doch die Wahrheit sagen … Dann dürften Sie mich nicht schonen … Das will ich nicht! Sie haben ohnedies schon in vollstem Sinne des Wortes als Ritter an mir gehandelt, obwohl Sie doch nicht einmal genau wußten, welche Rolle ich bei dem Drama gespielt habe …“

„Jedenfalls nicht die einer Schuldigen, gnädiges Fräulein …,“ meinte Otto Lenk warmen Tones …

Ihre Augen ruhten fest in den seinen …

„Nein, schuldig bin ich nicht,“ erklärte sie schlicht. „Ich konnte die Tat auch leider nicht verhindern. Aber – verhindern will ich jetzt, daß die Person, die den unseligen Schuß abgab, vor Gericht kommt … Und deshalb, Herr Lenk, hätte ich eine Bitte: verlassen Sie mit Ihrem Freunde diese Gegend! Setzen Sie Ihre Fußtour fort und – – verschwinden Sie irgendwohin, damit … Sie nicht als Zeugen vernommen werden können … Nehmen Sie in aller Stille Abschied von Garningken. Lassen Sie vielleicht für meinen Vater lediglich ein paar Zeilen zurück und … verwischen Sie jede Spur hinter sich …“

Otto Lenks Gesicht überflog ein Schatten tiefer Enttäuschung …

Erst in diesem Moment wurde er sich über seine Gefühle Wera gegenüber völlig klar. Unmerklich war in seinem Herzen für das junge Mädchen ein starkes Gefühl der Liebe aufgekeimt …, so unmerklich, daß er jetzt vor dieser inneren Offenbarung selbst erschrak.

Aber Enttäuschung und Schreck drängte er ebenso schnell wieder zurück …

„Gnädiges Fräulein, in dieser Nacht werden Axel und ich unsere Hütte verlassen,“ meinte er mit aller Bestimmtheit. „Sie gestatten daher auch, daß ich Ihnen jetzt sofort Lebewohl sage … Niemand wird uns finden … Durch uns werden Ihnen keinerlei Ungelegenheiten entstehen …“

Er verbeugte sich und wollte an seine Arbeit zurückkehren …

Wera jedoch streckte ihm mit einem herzlichen Lächeln die Hand hin …

„Ich danke Ihnen beiden, Herr Lenk, – Ihnen ganz besonders. Das Schicksal hat uns zu heimlichen Verbündeten gemacht … Vielleicht führt uns eine lichtere Zukunft wieder zusammen …“

Ihre Finger umschlossen die seinen mit kräftigem Druck …

Und im selben Augenblick gewahrte sie in seinem Gesicht ein fast schmerzliches Zucken …

Sie war Weib … Sie begann die Wahrheit zu ahnen. Verwirrt zog sie ihre Hand zurück und sagte nochmals:

„Meinen herzlichsten Dank – – und später vielleicht auf Wiedersehen …“

Dann schritt sie langsam davon … –

* * *

Diese Szene hier im Obstgarten hatte einen heimlichen Beobachter gehabt – einen der beiden „echten“ Stromer, den größeren, hageren, der mit seinem fuchsigen Vollbart, der kühnen Hakennase und den grauen, etwas stechenden Augen fast an einen der Wilderer der bekannten Defreggerschen[3] Gemälde erinnerte …

Dieser Vagabund lag drüben am Zaun hinter den Haselnußsträuchern und kroch nun vorsichtig rückwärts, erhob sich dann und betrat den eigentlichen Park, wo er die Richtung nach der Bretterhütte einschlug.

Als er die Hütte erreicht hatte, fand er seinen kleineren, weit korpulenteren Gefährten dort auf der Bank im Sonnenschein sitzen, nickte ihm zu und fragte mit gedämpfter Stimme:

„Nun – etwas gefunden?“

Der Kleinere hatte inzwischen die Hütte und die Bündel der beiden Pseudovagabunden durchsucht, erwiderte nun schmunzelnd:

„Und ob – und ob!! – Zunächst: es stimmt. Ich habe die Ausweispapiere der Kollegen durchgesehen. Der eine ist Journalist, der andere Bankbeamter, und Lenk hat schon einige achtzig Seiten in einem dicken Heft über seine Stromererlebnisse niedergeschrieben, auch etwas über die bewußte Angelegenheit … Nicht viel, sogar auffallend wenig eigentlich. Es macht den Eindruck, als ob er absichtlich bei diesen Notizen sehr vorsichtig gewesen ist … – In seinem Bündel fand ich aber auch dies hier …“

Und er holte aus der Hosentasche ein zusammengeknülltes Spitzentaschentuch hervor …

„Weg damit!“ meinte jedoch der Rotbart. „Weg damit …! Das beschaue ich mir nachher in Ruhe …“

„Und es lohnt, es lohnt …! Ist ein Monogramm drin: W. v. M. – Ist ein Damentüchlein, duftet … Und etwas Erde und zwei trockene Kiefernnadeln gehören mit dazu … haften an dem Tüchlein …“

„Schon gut, mein Alter … Sogar sehr gut …! Scheint also etwas Wahres daran zu sein, daß das Fräulein guten Grund hat, die Kollegen zu begünstigen … Soeben beobachtete ich Lenk und das Fräulein … War auch recht vielsagend … Ich denke, wir werden’s schaffen. Der Anfang macht sich. Wenn wir nur insofern Glück hätten, daß man uns erlaubt, hier zu bleiben. … Lenk und Germar wissen mehr, als sie je angegeben haben. Das wurde mir schon heute morgen klar, als wir über den Mord sprachen … Nur der Röthel ist unbequem … Diese offizielle Konkurrenz liebe ich nicht … Der Mann ist außerdem einer der besten aus Königsberg … – Still … Man kommt.“

Unter den Bäumen tauchte der Kriminalassistent auf …

Nun, wer nicht genau wußte, daß er Beamter war, der hätte es ihm nie angesehen …

Die Zigarre im Mundwinkel, ein Liedchen summend, – so schlenderte er näher … Die Zigarre wippte auf und ab … Spießbürgerliches Behagen lag über der ganzen Erscheinung … Dazu noch etwas Künstlerisch-Nachlässiges[4], betont durch den Schillerkragen, die Pumphosen und ein Paar braune Sandalen.

Kurz: dieser Herr „Kunstmaler“ Röthel wirkte außerordentlich ungefährlich … War es jedoch nicht. War vom Polizeipräsidium Königsberg der gewandteste Fahnder. Dazu noch jung, überaus ehrgeizig, energisch, rücksichtslos und seinen Beruf mit fanatischer Hingabe liebend … –

Herr Röthel ließ die Zigarre noch stärker wippen.

Daß die Bretterhütte, die Sommervilla der beiden unternehmungslustigen, erwerbstüchtigen Amateurvagabunden, seit dem vorigen Abend zwei neue Gäste erhalten, war ihm bekannt …

Einem Manne wie ihm entging nichts. Er hatte Ohren und Augen überall.

Grüßte jetzt die beiden neuen, ohne die qualmende Giftnudel den Lippen zu entziehen …

„Morjen …,“ sagte er gemütlich … „Schönes Wetter heute …“

Lächelte breit … „Oh, ihr beide würdet gute Modelle abgeben, Jenossen … Pennbrüder von eurer Aufmachung sind selten … – Zigarre gefällig?“

„Wenn’s sein muß,“ grinste der mit der Hakennase …

Herr Röthel hielt ihnen die gefüllte Tasche hin …

Seine Augen belauerten alles – auch die Hände der Stromer …

Na – die waren mit einer Schmutzpatina bedeckt, die von Seife und Wasser nicht viel wußte …

Trotzdem blieb Röthel mißtrauisch. Lenk und Germar hatten ja auch zunächst, wie der eingeweihte Landjäger Retzlaff betont hatte, ganz echt ausgesehen, und sich hinterher als etwas anderes entpuppt …

Er lehnte sich an den Türpfosten der Hütte und meinte wieder:

„Wirklich, ich möchte euch beide mal abkonterfeien … Bin Kunstmaler … Wie wär’s?“

„Wenn’s sein muß,“ nickte der Rotbärtige … „Wird für uns wohl noch dabei ’n Jroschen zu Schnaps abfallen, schätz’ ich …“

Röthels Polizeiaugen hatten jetzt eine wichtige Entdeckung gemacht. Er hätte darauf wetten mögen: der kleine Dicke trug eine Perücke!

Seine Blicke hingen einige Sekunden lang an dessen unbedecktem Haupt … einige Sekunden zu lang …

Der Hakennasige grinste … „Mein Freind is oben ’n bißken kahl, sehr kahl … Im Winter friert ihm die Billardkugel, und im Sommer braucht er keenen Hut, wenn er seinen Skalp aufhat … Maxe, lüfte den Skalp, erweise dem Herrn deine Referenz …“

Der kleine Dicke nahm mit großartiger Handbewegung die Perücke ab … Und zum Vorschein kam in der Tat ein haarloser Schädel, der im Sonnenlicht ordentlich glänzte …

Röthel schmunzelte … Er war beruhigt … Diese beiden Tippelbrüder mußten echt sein.

Der Kleine streifte den Skalp wieder über den Kopf und widmete sich dann seiner Zigarre.

Röthel begann von anderen Dingen zu sprechen, kam auf weiten Umwegen auf den Mord in der Lichtung und fragte so nebenbei, ob Lenk und Germar den „Kollegen“ hiervon schon erzählt hätten.

„Und ob!“ nickte der Hagere, Hakennasige … „Wo von soll man sonst mit den Herren sprechen?! Sind ja nicht von der Gilde, die beiden … Wollen ’n Buch darüber schreiben … Hat schon einer vor ihnen getan, ein Berliner … – Wer nu wohl so den Doktor umgebracht haben mag?!“ – und warf so seinerseits die erste Angel aus …

Röthel meinte geheimnisvoll:

„Vielleicht wissen’s der Lenk und der Germar – vielleicht … Die waren doch ganz in der Nähe … Ich denk immer, es wird wohl eine Frau gewesen sein … Der Doktor war jung und ein forscher Kerl …“

„Lenk und Germar wissen jar nischt … Und wenn sie was wüßten, weshalb sollten sie stille sein?! ’s is auch sogar ’ne hohe Belohnung von den reichen Eltern des Doktors ausjesetzt … Heitzutage sind fünftausend Märker ein Vermögen … – Nee, Herr, – die wissen nischt!“ betonte er nochmals. „Die haben uns ja alles haarklein erzählt. Und wenn sie dabei was unterschlagen hätten, – man merkt so was doch, ob eener nur die Hälfte vorbringt und die andere Hälfte im Maul behält …“

Röthel war enttäuscht … Er hatte hier aus diesen beiden Stromern vielleicht etwas herauszuholen gedacht, – – und wieder war es nichts damit! Dabei war er ja fest überzeugt, daß Wera v. Meldert damals abends zum mindesten mit in Jagen 8, in der Nähe der Lichtung also, gewesen sein müßte … Er hatte ja bereits drei Zeugen dafür, daß sie dem Doktor heimlich auf einem Seitenwege gefolgt war, als er damals abends Garningken verlassen hatte.

Aber – was nützte ihm diese Kenntnis?! Konnte er damit etwas ausrichten?! Denn bisher hatte er niemand gefunden, der auch hätte angeben können, das Fräulein sei dem Doktor dort bis zum Walde nachgegangen …

Röthel kaute ärgerlich an seiner Zigarre. Er kam mit seinen Nachforschungen nicht weiter … Und das durfte so nicht bleiben … Sollte er Garningken etwa wieder unverrichteter Sache verlassen müssen?!

Diese beiden Stromer hier waren ihm nun gleichgültig geworden. Es hatte keinen Zweck, sich mit den Kerlen noch länger aufzuhalten … Und so meinte er denn, er würde vielleicht nachmittags Zeit finden, sie zu malen – – vielleicht …

Nickte ihnen zu und entfernte sich … –

* * *

Die beiden Vagabunden saßen nun wieder rauchend auf der Bank im Sonnenschein … Schauten Röthel nach …

Dann warf die Hakennase die brennende Zigarre in die Büsche … Faßte in die Innentasche der zerlumpten Weste und brachte ein Päckchen Zigaretten zum Vorschein, zündete eine an und meinte:

„Er hegt Verdacht gegen Wera v. Meldert … Genau wie die Bauern gestern im Dorfkrug in Merkohmen[5] sich in allerlei Andeutungen ergingen … Und jetzt hast du noch das Taschentuch hier in Lenks Bündel gefunden – ihr Taschentuch, mein Alter … Wenn Lenk nur reden wollte …“

„Da können wir lange warten, fürcht’ ich …“

„Mag sein … – Glaubst du, daß Lenk und Germar eine Mörderin schützen würden?“

„Nein … Sie schützen meines Erachtens eine Mitwisserin …“

„Ja, so stelle ich mir das auch vor. Und deshalb müßte man’s mal mit einem etwas abgenutzten Trick versuchen …“

„Das wäre?“

„Das wäre vielleicht etwas umständlich für uns … Aber machen ließe es sich … Nur brauchten wir eine Schreibmaschine … Wir könnten einmal nach Rauschen hinüberwandern. Natürlich nicht so in diesem Kostüm … – Komm, wir werden dem Germar, der im Park die Wege harkt, Bescheid sagen, daß wir mal bis zur See hinabwollen …“ –

Eine halbe Stunde drauf standen die beiden Stromer halbwegs zwischen Garningken und Rauschen im Walde vor einer verlassenen, halb eingestürzten Blockhütte, einem früheren Jagdhäuschen des Herrn von Meldert.

In einem Winkel dieser Hütte hatten sie unter einem Haufen Laub ihre Handkoffer verborgen, sehr elegante lederne Handkoffer.

Und wieder eine halbe Stunde drauf verließen zwei gutgekleidete Herren die Blockhütte und wandten sich dem Badeorte Rauschen zu, wo der Hagere in einem Papiergeschäft Schreibpapier kaufte und die Besitzerin fragte, ob er nicht vielleicht ihre Schreibmaschine benutzen dürfe.

So kam denn ein Brief zustande, der nachher in Rauschen sofort in den Postkasten wanderte.

Die beiden Herren aber nahmen im Kurhause ein Mittagessen von vier Gängen ein, machten sich gegen drei auf den Heimweg und wechselten in der verfallenen Waldhütte abermals das Kostüm. Sie waren Ähnliches seit langem gewöhnt. Es gehörte mit zu ihrem Beruf.

Um fünf Uhr saßen sie wieder als waschechte Stromer vor Lenks und Germars Sommervilla … – –

* * *

Gegen sieben Uhr abends an diesem selben Tage erschien wie immer der Briefträger zum zweiten Male auf dem Gutshofe von Garningken.

Unter den Postsachen, die er dem Fräulein heute zufällig persönlich aushändigte, befand sich auch ein Brief an Wera, dessen Anschrift mit Schreibmaschine geschrieben war.

Wera öffnete den Brief mit leichter Unruhe, denn sie erhielt sehr selten Post, weil sie nur mit ganz wenigen entfernten Verwandten in lauem Briefwechsel stand. Und dieses Schreiben war dazu noch in Rauschen aufgegeben worden.

Als sie nun den Inhalt überflog, verfärbte sie sich etwas …

Der Brief lautete:

Rauschen, den 22. Juni 19…

Sehr geehrtes Fräulein v. Meldert, bitte finden Sie sich bestimmt morgen abend gegen halb zehn Uhr an der bewußten Stelle in 8 ein. Ich muß Sie unbedingt sprechen. Verbrennen Sie Briefbogen und Umschlag. – Wer ich bin, wissen Sie wohl.

Weras Hände zitterten leicht, als sie in ihrem Zimmer den Ofen öffnete und diesen Brief in Flammen aufgehen ließ.

Nachher beim Abendbrot war sie wieder recht einsilbig. Herr v. Meldert achtete kaum darauf. Er war bereits wieder völlig von seiner wissenschaftlichen Arbeit in Anspruch genommen und hatte sich auch mit der Anwesenheit des „Kunstmalers“ Röthel insofern vollkommen ausgesöhnt, als dieser ihm abends gern beim Zusammensuchen des Materials aus der Unmenge alter Folianten half.

Röthel saß auch jetzt mit bei Tisch, und ihm entging Weras nervöse Zerstreutheit keineswegs, genau so wie er auch vom Fenster seines Zimmers im Inspektorhause beobachtet hatte, daß Wera noch auf der Freitreppe stehend einen Brief geöffnet hatte, dessen Inhalt ihr offenbar recht unangenehm gewesen war. Ein mehr instinktmäßiges Empfinden sagte ihm, daß dieses Schreiben vielleicht irgendwie mit den Dingen zusammenhängen könnte, denen er hier nachspürte. Und so nahm er sich denn vor, Wera noch schärfer zu belauern, als es bisher geschehen. Am liebsten hätte er ihr Zimmer nach diesem Briefe durchsucht. Das wagte er aber doch nicht recht. Wurde er dabei überrascht, würde man ihm die Tür weisen, und dem durfte er sich nicht aussetzen.

Wera spürte die verstohlenen, schnell wieder von ihrem Antlitz abgleitenden Blicke dieses Menschen, der ihr unendlich gleichgültig gewesen wäre, wenn sie nicht in ihm den geheimen Gegner gewittert hätte.

Sie besann sich, daß sie sich im eigenen Interesse aufraffen müsse, denn dieser Röthel zog fraglos schon aus geringfügigen Kleinigkeiten seine Schlüsse.

So fragte sie denn den eintretenden alten Diener, der genau wie der Kutscher Johann bereits etwas an Gehörschwäche litt, in leichtem Tone, ob man auch den beiden Herren in der Gerätehütte (sie sprach von Lenk und Germar stets in dieser Weise) und den beiden Landstreichern rechtzeitig das Abendessen geschickt habe.

Der Diener bejahte …

Wera wurde jetzt lebhafter, flocht gelegentlich ein, daß der Nachmittagsritt durch die Felder sie recht müde gemacht habe …

Röthel war viel zu klug und erfahren, um nicht das Richtige hinsichtlich dieses Stimmungsumschwungs Weras zu vermuten. Er lächelte im stillen. Er war wieder hoffnungsfroher geworden. Er fühlte sich dem jungen Mädchen weit überlegen.

Nach Tisch nahm Herr v. Meldert den „Kunstmaler“ mit in sein Studierzimmer, wo Röthel jedoch nur kurze Zeit blieb. Er entschuldigte sich mit dringender Schreibarbeit: Bericht an seine Behörde nach Königsberg.

Meldert fragte zögernd:

„Haben Sie denn etwas zu berichten, Herr Röthel? – Entschuldigen Sie meine Neugier … Aber auch mir liegt sehr viel daran, daß dieses Verbrechen recht bald aufgeklärt wird.“

Röthel stand neben dem Schreibtisch. Sein Gesicht lag im Schatten, während das des Gutsherrn voll beleuchtet war. Und Herrn v. Melderts Züge verrieten jetzt mehr als Neugier. Unruhe und heimliche Sorge gruben ihre kennzeichnenden Linien in das kluge, vornehme Gesicht.

Der Kriminalbeamte beobachtete wie immer mit lauernder Schärfe.

„Entschuldigen Sie, Herr v. Meldert,“ erwiderte er gedämpften Tones, „ich möchte über diese Dinge vorläufig noch Schweigen bewahren, zumal das, was ich weiß, alles noch zu sehr in der Luft hängt und ich Ihnen nicht unnötig vielleicht Unruhe bereiten möchte.“

Diese Worte, schlau berechnet, verfehlten ihre Wirkung nicht. Der Gutsherr hob den Kopf höher, schien etwas sagen zu wollen, senkte den Kopf wieder und meinte dann sichtlich bedrückt:

„Ich … verstehe Sie, Herr Röthel … – Gute Nacht … Angenehme Ruhe …“

Als Röthel den Flur entlangschritt, dachte er: „Meldert verkniff sich alle weiteren Fragen, weil er fürchtete, der Name seiner Tochter könnte genannt werden! Auch er mißtraut ihr. Das ist nun gewiß.“

* * *

In der Sommervilla der beiden Amateurvagabunden brannte auf dem weiß gedeckten Tisch eine Petroleumlampe. Um den Tisch herum saßen die vier Bewohner der Hütte. Eine Magd aus dem Gutshause hatte vorhin das Abendbrotgeschirr geholt, und die vier Männer genossen jetzt in trägem Hindämmern das Wohlgefühl angenehmer Sättigung, während durch die weit offene Tür und die gleichfalls geöffneten kleinen Fenster der Zauber der Juninacht sich ihnen mitteilte.

Draußen im Grase zirpten zahllose Grillen, im Parke wurde das verschlafene Gurren von Wildtauben laut und von den Insthäusern her trug der Wind verschwommen Harmonikatöne herüber.

Der Park duftete kräftig nach dem heißen, wolkenlosen Tage, und man spürte auch hier noch den Salzhauch des fernen Meeres, dessen Brandungsmusik eine dumpfe Begleitung zu den Geräuschen der milden Sommernacht abgab.

Otto Lenk erhob sich, nahm sein Bündel, und suchte Papier und Füllfederhalter hervor …

Setzte sich wieder, sagte zu den Kollegen, die er noch immer für echt hielt:

„Damit Sie es wissen: Germar und ich brechen in einer halben Stunde auf. Wir verlassen Garningken. Ich will jetzt Herrn v. Meldert ein paar Dankeszeilen schreiben und uns auch dem Fräulein empfehlen. Den Brief können Sie dann morgen früh abgeben, Heinrich Harter …“

„Gern,“ nickte der Hakennasige. „Weshalb aber wollen Sie türmen, Herr Lenk?“

„Weil wir, wie Ihnen bekannt, noch mehr erleben müssen, sonst wird mein Buch nicht spannend genug.“

Der, der sich Heinrich Harter nannte, erwiderte:

„Ich denke, Sie haben hier genug erlebt, um ein halbes Buch zu füllen, Herr Lenk. Und wenn Sie bleiben, wird vielleicht auch noch die andere Hälfte voll werden.“

Lenk und Germar starrten den Stromer überrascht an.

Der hatte soeben in so ganz anderem Tone als bisher gesprochen. Das war nicht mehr die Sprache, Ausdrucksweise und der Tonfall eines Ritters der Landstraße. Das war nicht mehr Heinrich Harter, der verkommene Rotbart …

Lenk rief leise: „Mann, was reden Sie da?! Woher wissen Sie, daß …“

Harter winkte … „Noch leiser, Herr Lenk … denn wir könnten belauscht werden …“

„Wer sind Sie?!“ fragte Axel Germar jetzt atemlos …

„Einer, dem gegenüber Sie beide aufrichtig sein müssen …“

Und mit einem Male lag das zusammengeknüllte Taschentuch Weras vor ihm auf dem Tische …

„Herr Lenk, woher dieses Tüchlein?“ meinte er flüsternd …

Lenk duckte sich wie sprungbereit zusammen. Sein fahl gewordenes Gesicht sah derart bedrohlich aus, daß der Hakennasige, um unliebsamen Zwischenfällen vorzubeugen, hastig hinzufügte:

„Keine Torheiten: Herr Lenk …! Sie merken wohl, daß auch mein Freund und ich genau wie Sie beide als Stromer nicht ganz echt sind … Wir müssen uns im Guten einigen, Herr Lenk … Mein Name ist Harald Harst …“

Lenks regelmäßiges, männliches Gesicht ward jetzt zur Maske eines ungeheuren Schrecks …

„Harst … Harst …!!“ stammelte er. „Der Berliner Detektiv Harst …?! Dann – dann …“

Seine Zunge war wie gelähmt …

Harst flüsterte wieder: „Wir müssen gemeinsame Sache machen, um Fräulein v. Meldert nach Möglichkeit zu schützen, Herr Lenk … Ich halte das junge Mädchen für schuldlos … Und doch könnte sie mit in diese Dinge hineingezogen werden, wenn wir Röthel nicht zuvorkommen. Der Kriminalassistent hat gegen sie Verdacht geschöpft. Mir liegt lediglich daran, dieses Verbrechen aufzuklären, nicht aber daran, die junge Dame öffentlich bloßzustellen. Mein Freund Schraut und ich arbeiten hier im Auftrage der Eltern des erschossenen Gutzlow. Dieser Auftrag kann von mir jeden Augenblick wieder abgelehnt werden, falls ich dies für angemessen erachte. Ich habe dem Vater Gutzlows gegenüber betont, daß ich in allem freie Hand haben muß. Wie stets, habe ich auch eine vorherige Honorarzahlung abgelehnt. – Nun wissen Sie, Herr Lenk, wie Sie mit uns daran sind. Sprechen Sie … – und verhehlen Sie nichts …“

Lenk atmete erleichtert auf …

„Ich habe genug von Ihnen gehört, Herr Harst, um mich auf Sie verlassen zu können …,“ meinte er fast freudig. „Ja, Sie sollen alles erfahren. Und Sie werden aus dem, was Sie nun über die Vorgänge jenes Abends vernehmen, unschwer Ihre Schlüsse ziehen können …“

Und er begann seinen Bericht … Schilderte, wie er mit Axel Germar dort am Waldrande in der Mulde am Feuer gesessen hatte, wie ein junges Mädchen sinnlos vor Angst bei ihnen Schutz gesucht hatte, und wie nachher der Schuß in den Tiefen des Waldes gefallen war, nachdem das Mädchen sich wieder entfernt hatte.

Als er so weit gekommen, unterbrach Harst ihn … Meinte: „Ich halte es doch für besser, daß Ihr Freund draußen aufpaßt, damit wir nicht etwa belauscht werden … Umrunden Sie die Hütte, Herr Germar … Röthel ist ein Mann, der sein Handwerk versteht. Er soll ausgeschaltet bleiben. Als Beamter hätte er die Pflicht, niemanden zu schonen … Wir wollen ihn daher nicht in Gewissenskonflikte bringen …“

Axel Germar verließ die Hütte. Inzwischen war der Mond aufgegangen. Und kaum hatte Germar draußen einen Blick über die nahe dunkle Kulisse der Parkbäume geworfen, als er gerade noch eine Gestalt erspähte, die von einem der Wege rasch in den Schatten trat …

Germar tat, als hätte er nichts bemerkt, schlenderte hin und her und näherte sich erst allmählich der Stelle, wo die Gestalt so hastig verschwunden war, konnte jedoch nichts Verdächtiges mehr feststellen … War überzeugt, daß dieser Mann Röthel gewesen sein müsse, den er nun gerade noch rechtzeitig verscheucht hatte … Machte kehrt und setzte sich auf die Bank, pfiff harmlos einen Gassenhauer vor sich hin und behielt die Parkgrenze scharf im Auge.

Freilich – einem Röthel war er doch in keiner Weise gewachsen … So leicht ließ der Beamte sich denn doch nicht verjagen … War längst im Bogen bis zur Parkmauer gelangt und hinübergeklettert, schlich außen an der Mauer entlang und erkletterte hier einen uralten, rissigen Wildapfelbaum, der einen Teil seiner Äste über die Mauer hinwegschob …

Gerade weil Germar hier draußen offenbar den Wächter spielen sollte, hatte der Kriminalbeamte ein noch stärkeres Interesse für das, was im Innern der Hütte vorgehen mochte. Und sein Platz war gut gewählt. Er konnte durch das eine der kleinen offenen Fenster den Tisch und die drei Männer bequem überblicken …

Und doch war er sehr bald arg enttäuscht. Lenk und der größere der „echten“ Vagabunden sprachen sehr eifrig miteinander. Das war alles …

Was sie sprachen, war nicht zu verstehen … –

Harst sagte jetzt zu Otto Lenk:

„Ihre Schilderung hat mir nur das bestätigt, was ich eigentlich sofort vermutet hatte. Ich bin überzeugt, daß hier eine Tragödie der Eifersucht vorliegt, daß also Doktor Gutzlow von einer früheren Geliebten erschossen worden ist, die erfahren hatte, daß er sich um Fräulein v. Meldert bewarb. Bevor Schraut und ich hier nach Garningken kamen, haben wir in Königsberg, wo Albert Gutzlow jahrelang Assistent bei einem Universitätsprofessor war, Erkundigungen über ihn eingezogen. Er stand im Rufe eines rücksichtslosen und gewissenlosen Schürzenjägers, war wenig beliebt und ließ sich dann nur in Rauschen als Arzt nieder, weil er sich in Königsberg unmöglich gemacht hatte. Wera v. Meldert muß von alledem unterrichtet gewesen sein, denn sie hat ihn stets mit kühler Ablehnung behandelt, und lediglich Gutzlows Unverfrorenheit führte ihn stets von neuem nach dem Gutshause, wo er alles andere, nur kein gern gesehener Gast war. – Nehmen Sie nun an, Herr Lenk, daß damals abends, als Gutzlow zu Fuß nach Rauschen zurückkehren wollte, Wera v. Meldert vielleicht in der Nähe des Gutshauses eine Frau bemerkt hat, deren Verhalten ihr verriet, daß diese Fremde dem Doktor auflauerte. Nehmen Sie weiter an, daß Wera aus weiblicher Neugier gern feststellen wollte, ob ihre Vermutung zuträfe. Deshalb folgt sie Gutzlow heimlich. Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen, und die Dinge entwickelten sich ganz anders, als Wera es hatte voraussehen können. Ich glaube bestimmt, daß die fremde Frau das Fräulein plötzlich stellte, ihr heftige Vorwürfe machte, und daß Wera schließlich entsetzt über das, was die Fremde ihr über den Doktor mitteilte, vielleicht auch von der Fremden bedroht, blindlings dorthin flüchtete, wo sie zwischen den Bäumen Licht schimmern sah – und das war die Mulde am Waldrand, Ihr Lagerplatz, Herr Lenk. So lernten Sie Wera kennen … Und es ist durchaus verständlich, daß das junge Mädchen, nachdem es sich bei Ihnen etwas erholt hatte, nicht gern zwei Landstreichern ihren wahren Namen nennen wollte, daß sie auch verschwieg, wodurch sie so sehr in Angst versetzt worden war. – Was nun die Fremde und Gutzlow betrifft, so dürfte der Doktor vielleicht heimlich die Auseinandersetzung zwischen den beiden Frauen belauscht haben. Als Wera davongestürmt war, mag er die Fremde angesprochen haben. Beide betraten die Lichtung, – und was hier sich ereignete, kennen wir nur durch den blutigen Ausgang … Ob die Fremde mit voller Überlegung Gutzlow niederschoß, – – all das läßt sich im einzelnen nur dann feststellen, wenn man eben jene Frau gefunden haben wird …“

Lenk hatte still zugehört, hatte nur mehrmals zustimmend genickt und sagte jetzt erst, als der Detektiv schwieg:

„Sie werden wohl in allen Punkten recht haben, Herr Harst … Es kann ja kaum anders gewesen sein. In jedem Falle muß aber das, was die Fremde Wera gegenüber gegen Gutzlow vorbrachte, von so erschütternder Seelentragik gewesen sein, daß Fräulein v. Meldert die Frau aufrichtig bemitleidete und sie deshalb auch geschützt hat …“

„Gewiß, Herr Lenk … Erschütternd – das ist die richtige Bezeichnung. Anderseits aber müssen diese Angaben der Fremden über Gutzlow ein so schlechtes Licht auf dessen Charakter geworfen haben, daß Fräulein v. Meldert diesem Menschen gleichsam diese blutige Abrechnung gönnte … Zweierlei bewog sie also, die Täterin zu decken: einmal Mitleid mit einer fraglos schändlich Betrogenen, dann aber auch tiefste Verachtung für einen Mann, der es gewagt hatte, sich um sie selbst zu bewerben. Dieser Mann erschien ihr nicht wert, daß die Fremde seinetwegen vor Gericht gezogen würde.“

Im weiteren Verlauf der Unterredung zwischen Harst und Lenk wurde der Brief, den der Detektiv an Fräulein v. Meldert geschickt hatte, nicht erwähnt. Harst ließ sich nur ungern in die Karten schauen. Er wollte den Erfolg dieses Briefes allein und auf seine Art ausnutzen.

* * *

Kriminalassistent Röthel sollte für die Geduld, mit der er oben im Wildapfelbaume in so unbequemer Haltung verweilte, schließlich doch noch belohnt werden.

Zunächst beobachtete er jetzt, daß Lenk einen Brief schrieb, den der hakennasige Stromer dann an sich nahm.

Weiteres geschah …

Lenk und Germar, den man wieder in die Hütte gerufen hatte, rüsteten offenbar zum Aufbruch.

Derweilen suchte der Hakennasige draußen sehr sorgfältig die Umgebung der Hütte ab.

Röthel lächelte ironisch …

Mochte der nur suchen …!!

Dann wurde die Lampe ausgelöscht, und die vier bisherigen Bewohner des Holzhäuschens entfernten sich nach dem Hinterausgange des Parkes zu.

Röthel blickte ihnen nach, überlegte …

Sollte er ihnen folgen?! Würde es lohnen, vielleicht diese Nacht außerhalb des Bettes zuzubringen?!

Aber der Kriminalassistent zauderte auch nur Sekunden … Er mußte feststellen, wohin die vier sich wandten. War erfahren und gewandt im Nachschleichen, war zäh und ehrgeizig …

Nahm sich nach Kräften in acht, nicht bemerkt zu werden …

Hatte ein Fernglas mit … Ließ denen da vorn weiten Vorsprung.

Durch die nächtlichen Felder ging’s dem Walde zu.

Je näher der dunkle Strich des Forstes rückte, desto mehr beeilte Röthel sich, war bald links von den vier Männern, in einer Höhe mit ihnen …

Mischwald empfing mit feierlichem Rauschen den Verfolger und die Verfolgten …

Auf schmalem Pfade schritten die vier dahin – immer tiefer in den endlosen Forst hinein …

Bis unter Buchen auf kleiner mondheller Lichtung die verfallene Jagdhütte auftauchte …

„So, Herr Lenk,“ sagte Harst, „hier haben Sie Ihr neues Quartier. Zwei Tage werden Sie es hier schon aushalten. Dann hoffe ich, mit der Sache im Reinen zu sein …“

Durch die schief in den Angeln hängende morsche Tür traten sie ein …

Schrauts Taschenlampe flammte auf …

Und – ganz leise meinte Harst:

„Erschrecken Sie nicht: Röthel ist hinter uns her, hat sich recht geschickt benommen … Ich bemerkte ihn erst vor wenigen Minuten, als links von uns die Rehe flüchtig wurden … – Was tun wir mit ihm? Er hat uns einen bösen Strich durch die Rechnung gemacht. Ihr Versteck hier, Herr Lenk, sollte doch geheim bleiben … – Schraut, wie denkst du darüber …?“

„Hm – wir kennen Röthel nur als Kunstmaler … anscheinend … Macht er uns einen Strich durch unsere Rechnung, so machen wir ihm einen noch dickeren durch die seine. Das ist meine Meinung.“

„Und sie ist nicht schlecht,“ lachte Harst still in sich hinein … „List gegen List … – Bleiben Sie beide also getrost hier, Herr Lenk … Dort unter dem Laubhaufen liegen unsere Koffer, und hier haben Sie die Schlüssel … Und – wundern Sie sich über nichts, was sehr bald geschehen wird … Auf Wiedersehen …“

Die beiden Detektive traten wieder ins Freie. Schraut hatte seine Taschenlampe Lenk ausgehändigt, damit dieser und Germar nicht ohne Licht zurückblieben.

Harst verfolgte jetzt einen Waldweg, der nach Westen zu lief, nach dem Badeorte Rauschen.

„Wollen sehen, ob er hinter uns bleibt,“ flüsterte er dem Freunde zu. „Wenn nicht, fassen wir ihn bei der Jagdhütte ab … Also Achtung … Aber nicht rückwärtsschauen, mein Alter … Ich werde schon feststellen, wie der Hase läuft …“

Der Waldweg bog keine hundert Meter weiter in eine junge, sehr dichte Schonung ein … Und hier, wo Röthel unmöglich den Weg verlassen konnte, schlüpften die beiden Detektive hinter der ersten Biegung in das Dickicht …

Warteten …

Röthel kam nicht … Also war er bestimmt in der Nähe der Jagdhütte zu suchen, wie Harst jetzt dem Freunde gegenüber betonte … „Sein Interesse für Lenk und Germar überwiegt bei weitem seine Anteilnahme an unseren bescheidenen Persönlichkeiten,“ meinte der bekannte Detektiv mit feiner Ironie. „Schade, daß er sich jedoch die Unrechten erwählt hat, sehr zu seinem Schaden! Kehrt also!“ –

Röthel hatte sich derweil bis in ein Gebüsch hineingeschlängelt, das gerade an der eingesunkenen Hüttenwand wucherte. Ihm erschien es gewiß, daß er in dieser Nacht noch wichtige Entdeckungen machen würde. Lenk und Germar, sagte er sich, würden schon ihre schwerwiegenden Gründe für diesen Quartierwechsel haben, und über diese Gründe hoffte er sich durch Horchen jetzt Aufschluß zu verschaffen.

Die Hüttenwand hatte an dieser Stelle, wo die ganze eine Ecke in sich zusammengefallen war, breite Spalten, die lediglich durch Moos, Gräser und hineingewehte Blätter ein wenig ausgefüllt waren.

Als Röthel nun diese ihm hinderlichen Pflanzen und welken Blätter behutsam entfernen wollte, um freien Einblick in die kleine Ruine zu gewinnen, – als er die erste Hand voll Gras und Laub gerade beiseite tat, warf sich plötzlich ein schwerer Körper über ihn, seine Handgelenke wurden gepackt und nach hinten gerissen.

Bevor er noch recht wußte, wie ihm geschah, war sein Kopf mit einem schweren Stoff bedeckt, seine Hände auf dem Rücken gebunden und er selbst aus dem Gestrüpp ins Freie gezerrt, wo starke Fäuste ihn auf die Beine stellten …

Dann hörte er auch die tiefe, volle Stimme des hakennasigen Strolches, der ganz laut rief:

„Hallo, Herr Lenk, wir haben hier einen Spion erwischt … Mir scheint, es ist der Maler, der uns abkonterfeien wollte …“

Röthel fühlte sich vorwärtsgedrängt, vernahm murmelnde Stimmen, und merkte, daß man ihn in die Hütte führte. Über seinem Kopfe lag Schrauts löcherige Jacke als dichte Augenbinde.

Dann drückte man ihn auf eine primitive Bank, auf ein morsches Brett, das man über zwei Steine gelegt hatte.

Und abermals sagte der Hakennasige dicht vor ihm:

„Wahrhaftig, es ist der Maler …! Na, der Mensch ist mir gleich nicht so recht geheuer vorgekommen … Wissen Sie, Herr Lenk, was ich so in meinem Hirn mir zurechtkalkuliert habe: womöglich ist dieser Röthel gar der Mörder des Doktors! Was hat der Mensch, wenn er ein gutes Gewissen hätte, nachts sich im Freien herumzutreiben …!“

Röthel fand jetzt die Sprache wieder … Meldete sich, und seine Stimme zitterte vor Ingrimm, als er rief:

„Nehmen Sie mir sofort die Fesseln ab, Herr Lenk, … sofort! Es würde Ihnen teuer zu stehen kommen, wenn Sie …“

Aber der angebliche Heinrich Harter fuhr schon dazwischen:

„Herr Maler, riskieren Sie hier nicht so ’ne gewaltige Lippe …! Mir scheint, Sie sind ein weit schlimmerer Vogel, als wir’s uns gedacht haben … Offenbar kennen Sie diesen Schlupfwinkel besser wie wir … Wer weiß, ob Sie hier nicht manches versteckt haben, was niemand sehen soll, und deshalb draußen in den Büschen herumkrochen … Wollen doch mal suchen, ob wir nicht etwas finden …“

All das kam so natürlich heraus, daß Röthel noch immer nicht merkte, wie übel ihm hier mitgespielt wurde …

Jetzt war’s mit seiner Geduld zu Ende …

Er brüllte: „Herr Lenk, – damit Sie es wissen: ich bin Kriminalbeamter!! Und wenn Sie …“

Ein höllisches Gelächter übertönte seine weiteren Worte …

Dann wieder des Hakennasigen Stimme:

„Verdammt, – hier sind in diesem Laubhaufen zwei Koffer versteckt – elegante Koffer … Herr Lenk, – – was sagen Sie nun?! Habe ich recht oder nicht …?! Der Kerl ist ein Gauner …! Und die größte Frechheit ist, daß er sich jetzt hier noch als Beamter ausgibt …! – Männeken …“ – und er rüttelte leicht des Gefangenen Schulter, „Männeken, wir werden Sie jetzt nach Garningken zurückbringen, den Herrn Gutsbesitzer wecken, der ja auch nebenbei Amtsvorsteher ist, und ihm’s überlassen, was mit Ihnen geschehen soll …“

Während Harst dies sagte, zwinkerte er Otto Lenk listig zu …

Da begriff dieser, worauf es abgesehen war … Wußte nun, wie er und Germar sich bei dieser Komödie zu verhalten hätten[6], die ihm im ersten Augenblick doch recht gewagt und sogar gefährlich erschienen war.

„Sie haben ganz recht, Harter,“ meinte er … „Röthel kann es uns nicht verargen, daß wir mißtrauisch geworden sind … Der Fund dieser eleganten Koffer erscheint auch mir höchst verdächtig. – Äußern Sie sich dazu, Herr Röthel …“

Der Kriminalbeamte hatte inzwischen sehr wohl gemerkt, daß er hier mit Grobheit und Aufbrausen nichts erreichte. Er schlug einen anderen Ton an, zumal er um jeden Preis der Blamage entgehen wollte, als Gefangener nach Garningken eingebracht zu werden.

„Herr Lenk,“ rief er durchaus höflich, „geben Sie nur bitte den Kopf frei, damit wir uns in Ruhe aussprechen können …“

Harst nahm ihm denn auch wirklich die Jacke vom Kopfe, sagte dazu: „Wir sind keine Unmenschen, Herr Röthel … Wenn wir auch Ritter der Landstraße genannt werden, was ein zumeist mäßiger Ehrentitel ist, so lassen wir doch jedem Gerechtigkeit widerfahren … – So, nun möchte ich wissen, wo Sie Ihren Ausweis als Kriminalbeamter haben … Irgendwie werden Sie sich doch legitimieren können …“ Das letzte klang wieder äußerst ironisch.

Röthel erwiderte sanft: „Ausweisen kann ich mich natürlich, aber erst in Garningken. Im übrigen ist Herr v. Meldert über meine Beamteneigenschaft genau unterrichtet.“ Er wandte sich an Lenk. „Ich bitte Sie, mir Glauben zu schenken, Herr Lenk. Ich habe keine Ahnung, wie die beiden Koffer hier in die Hütte gelangt sind – mein Wort darauf! – Ich soll hier die Ermordung Doktor Gutzlows aufklären, und …“

„Aha!“ rief Harst dazwischen … „Also deshalb haben Sie uns heute vormittag aushorchen wollen!! Deshalb!! Mir scheint, Sie haben sogar das Fräulein v. Meldert im Verdacht! Geben Sie das nur ruhig zu … Mit Lügen und Ausflüchten kommen Sie hier nicht weiter, Herr Röthel … Und daß Sie Beamter sind, – das wollen wir erst Schwarz auf Weiß sehen.“

Der arme Röthel befand sich in einer üblen Klemme.

Je länger dieses ihn so stark herabwürdigende Verhör dauerte, desto auffälliger erschien ihm das Verhalten des hageren Stromers, der jetzt keineswegs mehr sich des Landstraßenjargons befleißigte, sondern klar zu erkennen gab, daß er genau wie Lenk und Germar einer besseren Gesellschaftsschicht angehört hatte. Dies beunruhigte Röthel noch mehr, denn in dem ganzen Benehmen des Vagabunden trat nebenbei auch eine gewisse kühle Überlegenheit so deutlich zutage, daß Röthel einsehen mußte, er würde hier tatsächlich Farbe bekennen müssen.

So entgegnete er denn etwas zögernd: „Gut, spielen wir mit offenen Karten … Ich bin Beamter, und ich weiß, daß Fräulein v. Meldert irgendwie an der Bluttat beteiligt sein dürfte – irgendwie …“

Der lange Strolch machte Röthel jetzt eine knappe Verbeugung …

„Ehrlichkeit gegen Ehrlichkeit, Herr Röthel … Wir beide jagen demselben Wilde nach: der Person, die den Doktor erschoß! Ich heiße nicht Harter, sondern Harst, Herr Röthel. Ich bin der Berliner Detektiv Harst … Entschuldigen Sie, daß wir Sie ein wenig grob angepackt haben …“

Und er bückte sich und nahm Röthel die Fesseln ab.

Der rührte sich nicht …

Der starrte nur den langen Strolch wie entgeistert an und blickte dann seitwärts auf den kleinen dicken Vagabunden mit der Perücke …

Und Schraut nickte ihm zu … „Stimmt, Herr Röthel, – – Max Schraut …!! Wenn Sie schon heute vormittag das Visir gelüftet hätten, wäre Ihnen diese peinliche halbe Stunde erspart geblieben …“

Harst streckte dem Beamten jetzt die Hand hin …

„Also vertragen wir uns wieder, Herr Röthel … Wir werden natürlich verschweigen, was hier vorgefallen ist, das ist selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich ist aber auch, daß Sie meinen Wünschen entgegenkommen, denn ich hoffe, das Verbrechen in kurzem aufklären zu können. Meine Bitte geht dahin, daß Sie sich in den nächsten drei Tagen völlig neutral verhalten und persönlich gar nichts unternehmen, wobei ich sofort bemerken möchte, daß Fräulein v. Meldert mit der Sache nichts zu tun hat.“

Röthel nickte zustimmend …

„Einverstanden, Herr Harst, – weil Sie es sind!“

So brachen denn die drei nach kurzem Abschied von Lenk und Germar auf und verschwanden im Dunkel des nächtlichen Waldes.

Lenk und Germar blickten ihnen nach … Lenk meinte leise:

„Es ist einfach unglaublich, wie Harst den Röthel eingewickelt hat … Aber ob Röthel schließlich nicht doch ein Licht aufgehen wird, – – wer weiß?!“ – –

Harst hatte das Gespräch mit einer Bemerkung über Doktor Gutzlows moralische Minderwertigkeit eingeleitet, und als er nun hierüber Einzelheiten vorbrachte, war Röthel durch diese Neuigkeiten (denn er hatte sich in dieser Richtung bisher nicht bemüht) so völlig gefangen genommen, daß er seine mißtrauische Regung völlig vergaß …

„Es liegt also sehr nahe, Herr Röthel,“ erklärte Harst weiter, „daß eines der vielen von Gutzlow betrogenen Mädchen ihm aufgelauert hat … Und es braucht kaum betont zu werden, daß anderseits für Fräulein v. Meldert nicht der geringste Grund vorlag, Gutzlow niederzuknallen. Er war ihr nicht nur gleichgültig, sondern sogar unsympathisch.“

Röthel meinte eifrig und ehrlich:

„Allerdings, Herr Harst, – jetzt, wo Sie mir Gutzlows Charakter so grell beleuchtet haben, muß ich mich Ihrer Ansicht anschließen: wahrscheinlich Eifersuchtsdrama! – Ich werde Fräulein Wera jedenfalls in keiner Weise mehr belästigen.“

„Wäre auch zwecklos, Herr Röthel. Spielen Sie die nächsten drei Tage hier den Nichtstuer und Sommergast, und ich will Ihnen das Rätsel dieser Bluttat lösen …“

Dann schlug er ein anderes Thema an … Und nachher vor der Parkpforte trennten sich die beiden Berliner und Röthel als die besten Freunde, zumal Harst noch beim Abschied betonte, daß er Röthel, sobald er die Persönlichkeit der Täterin festgestellt habe, alles weitere überlassen würde. – –

* * *

Die beiden Detektive hatten dann am Morgen Lenks Brief Herrn v. Meldert übergeben und gleichzeitig gebeten, ob sie nicht ein paar Tage die Gerätehütte bewohnen dürften. Sie verstünden etwas von Gartenarbeit und würden sich gern nützlich machen.

Der Gutsherr, der ebenso wenig wie Wera ahnte, daß auch diese beiden Vagabunden durchaus nicht echt waren, willfahrte der Bitte der beiden bescheidenen und in vielem recht ulkigen Stromer, die denn auch den Tag über fleißig im Gemüsegarten das Unkraut entfernten, das Spalierobst von Raupen säuberten und sich so Unterkunft und Verpflegung ehrlich verdienten. Röthel war schon vormittags nach Rauschen gewandert und wollte erst spät abends wiederkehren.

Auch dieser sonnige Junitag neigte sich nun seinem Ende entgegen. Je mehr die Zeit vorschritt und der Abend nahte, desto unruhiger und nervöser wurde Wera v. Meldert, die immer noch im Zweifel war, ob sie sich zu dem Stelldichein auf der Lichtung in Jagen 8 einfinden solle. Bis zum letzten Moment zögerte sie. Dann kam sie doch zu einem Entschluß, weil sie sich mit Recht sagte, daß die Ungewißheit, was die Briefschreiberin von ihr gewollt haben möge, sie nur ärger peinigen würde.

Herr v. Meldert saß längst wieder über seiner wissenschaftlichen Arbeit. Wera nahm den Jagdhund Tell mit und schritt in die Felder hinaus …

Ging zunächst noch langsam und in anderer Richtung … Bis sie vom Gute aus nicht mehr gesehen werden konnte … Schlug nun ein lebhafteres Tempo an und war knapp zwanzig Minuten am Rande des Waldes – etwa an derselben Stelle, wo damals Lenk und Germar gelagert hatten. …

Hier zauderte sie abermals …

Ein Blick auf ihre Armbanduhr zeigte ihr, daß es bereits über halb zehn war…

Die ersten Schatten der Nacht lagerten mit geheimnisvollem Dunkel in den Tiefen des Forstes …

Tell, der Hühnerhund, war plötzlich verschwunden.

Wera hörte ihn in der Ferne anschlagen – dort, wo die große Lichtung sich ausdehnte … Vielleicht verbellte Tell gar die Fremde … Und dieser Gedanke trieb Wera nun wieder vorwärts …

Sie begann zu laufen …

Dann rauschte es in den Büschen … Tell sprang japsend an ihr empor. Sie faßte ihn beim Halsband … War froh, ihn wieder neben sich zu haben, denn der dunkle Wald war ihr heute unheimlich – zum ersten Male …!

Wera v. Meldert erreichte die Lichtung … Zuletzt war sie ganz leise aufgetreten, hatte nur die Fußspitzen aufgesetzt, jedes Geräusch vermieden …

Hinter derselben dicken Buche, die damals nachts Lenk und Germar Schutz vor dem Platzregen geboten hatte, stand sie nun und spähte umher.

Auf der Lichtung war es noch dämmerig … Wera erkannte drüben auf der anderen Seite ein Rudel Rehe, mindestens acht Tiere … die Rehe ästen friedlich.

Dann hatte Wera auch die Frau entdeckt … Dort links saß sie auf einem Baumstumpf, vornübergebeugt, das Gesicht in die Hände vergraben … Ein großer, weicher Filzhut und der hochgeschlagene Kragen des seidenen Mantels verhüllten den Kopf des Weibes noch mehr. …

Wera schritt vorwärts. Die Gräser, die hier auf der Lichtung üppig wucherten, dämpften jedes Geräusch der noch immer zögernden Füße …

Das Weib regte sich …

Im Halblicht der hereinbrechenden Sommernacht saß sie da wie eine Statue …

Wera schoß ein flüchtiger Gedanke durch den Kopf: „Wie die verkörperte schmerzliche Schuld sitzt sie da!“

Dann rief sie die Reglose leise an …

„Fräulein Günter …!!“

Unter der Krempe des weichen Filzhutes und hinter den das Antlitz bedeckenden Händen kam ein Schluchzen hervor … ein wimmerndes Weinen …

„Fräulein Günter …!!“ wiederholte Wera etwas lauter … „Ich bin’s – Wera v. Meldert … – Weshalb haben Sie mich hierher bestellt?“

Tell hatte sich bisher ruhig verhalten … Jetzt knurrte er dumpf, äugte seitwärts …

Wera erschrak …

Ein Mann trat dort drüben hinter einem Gebüsch hervor …

Undeutlich die Umrisse der Gestalt … Und doch – ein gefährlicher Zeuge …

Wera sagte hastig:

„Fräulein Günter, es kommt jemand … Ich will hier nicht erkannt werden … Schreiben Sie mir nochmals …“

Und wie gehetzt flüchtete sie in den Wald zurück … flüchtete weiter – in die Felder, an einem Feldrain entlang …

Erst als eine lange Strecke Buschwerk sie verbarg, blieb sie mit jagendem Herzen stehen …

Und – schämte sich ihrer Feigheit, ihrer Selbstsucht … Wurde sich bewußt, daß gerade diese Flucht den Fremden stutzig gemacht haben mußte … War’s ein Mann aus der hiesigen Gegend, so würde er sie doch erkannt haben …

In tiefer Unzufriedenheit mit sich selbst setzte sie bedrückt ihren Weg fort …

In dieser Nacht tat Wera v. Meldert kein Auge zu … Sah den Morgen heraufziehen, sah die Vierecke der Fenster ihres Zimmers heller und heller werden … Quälte sich mit Selbstvorwürfen und erhob sich schließlich müde und zerschlagen von ihrem Lager. – –

* * *

Und die Frau auf der Lichtung?!

Die hatte deutlich gehört, wie Wera so eilendst flüchtete …

Die hatte die Hände sinken lassen, und … so kam das schmale bartlose Gesicht Harald Harsts zum Vorschein …

Aber auch der Mann, der Wera verscheucht hatte, näherte sich jetzt. Es war Harsts Freund, es war Schraut ohne jede Verkleidung – mit der Hornbrille auf der Stupsnase, in einem leichten Sommeranzug …

Harst schaute ihm entgegen …

„Es hat geklappt, mein Alter …,“ sagte er einfach. „Günter heißt sie … Nun wissen wir es. Nun werden wir sie in Königsberg wohl finden …“

Und nebeneinander verließen sie die Lichtung, wanderten der verfallenen Jagdhütte zu. – –

* * *

Lenk und Germar saßen vor der Jagdhütte auf einer Bank, die sie sich aus Kiefernästen zusammengezimmert hatten. Sie warteten auf die Rückkehr der beiden Berliner, und Otto Lenks Ungeduld wuchs mit jeder entrinnenden Minute … Immer wieder sprang er auf, ging im bläulichen Mondschein hin und her und blieb ebenso oft stehen, um mit fiebernden Nerven in das Waldesdunkel hineinzuhorchen.

Axel Germar, weit phlegmatischer als der Freund, außerdem auch nicht wie Lenk mit dem Herzen an diesem Versuch der Detektive, den Namen der Täterin durch eine kühne und schlaue List zu erfahren, mit beteiligt, hatte soeben zum zweiten Male ärgerlich erklärt: „Das kann ja gar nicht gelingen …! Fräulein v. Meldert wird den Betrug rechtzeitig bemerken,“ hatte hierbei fast genau dieselben Worte gebraucht wie das erstemal, und wollte noch eine ironische Bemerkung hinzufügen, als sich aus den Schatten des schmalen Pfades zwei Gestalten herauslösten. Es waren die Erwarteten.

Lenk eilte ihnen entgegen … Insgeheim hoffte er, daß dieser Versuch fehlgeschlagen sein möchte, denn er konnte es sich nicht vorstellen, wie Harst Wera noch weiter schonen wollte, sobald er die Täterin wirklich ermittelt hatte. Und ihm lag lediglich das eine am Herzen: daß Wera nach wie vor unbehelligt bliebe!

Harst sagte zu Lenk:

„Sie heißt Günter … Es ist geglückt“

Lenk erschrak … Er wußte nicht, ob er den beiden Detektiven ein Wort der Anerkennung zollen sollte. Er mochte nicht heucheln und meinte nur verwirrt: „So – – Günter … Ein Allerweltsname …“

Germar trat hinzu und wollte Einzelheiten wissen. Harst berichtete in aller Kürze und schloß seine Angaben mit der ebenso knappen Äußerung:

„Schraut und ich werden sofort mit unseren Koffern nach Rauschen wandern und mit dem ersten Zuge nach Königsberg fahren …“

Dann nahm er Lenk beiseite …

„Einen Augenblick, Herr Lenk. Ich hätte etwas mit Ihnen zu besprechen …“

Sie gingen bis zum Rande der kleinen Lichtung …

Hier sagte der Detektiv vertraulich:

„Lieber Herr Lenk, Sie können sich fest darauf verlassen, daß Weras Name im Zusammenhang mit dieser Eifersuchtstragödie nicht genannt werden wird. – Ich habe einen Blick für den Seelenzustand anderer, Herr Lenk … Ich begreife Ihre Befürchtungen …“

Er gab ihm die Hand … „Sie können jetzt mit Germar getrost nach Garningken zurückkehren … Morgen abend, hoffe ich, sind Schraut und ich wieder dort … Es wird alles gut werden. Diese Günter hat, davon bin ich überzeugt, niemals einen überlegten Mord begangen … Denn – niemals hätte Fräulein v. Meldert es dann gewagt, sie zu schützen. Sie werden sehen, daß ich recht behalte, Herr Lenk …“ – –

Um halb acht morgens lief der Zug von Rauschen in den Samland-Bahnhof in Königsberg ein … – Harst und Schraut ließen ihre Koffer auf dem Bahnhof und begaben sich zu der Witwe, bei der Doktor Gutzlow die letzten zwei Jahre hier als Assistenzarzt auf dem Steindamm gewohnt hatte.

Die Zimmervermieterin versuchte zunächst Ausflüchte zu machen. Daß ihr der Name Günter bekannt war, merkten die beiden Detektive sehr wohl an ihrer Verlegenheit. Schließlich bequemte sie sich dann doch zu einer unumwundenen Aussage: Fräulein Anna Günter – mit h – sei Musiklehrerin, Waise, und habe längere Zeit mit Gutzlow verkehrt, ihn auch hier in seiner Wohnung besucht … – Auch die Adresse des jungen Mädchens wußte sie: Lange Reihe Nr. 9.

Durch winklige Gassen, die dann wieder von einer modernen Wohnstraße abgelöst wurden, über stille Plätze mit stillen Kirchen und düsteren Amtsgebäuden, – – so fragten die beiden Detektive sich bis zur Langen Reihe durch, lernten so einen neuen Teil der Pregelstadt kennen.

In Nr. 9, einem engbrüstigen, uralten Hause, dessen kleine unmoderne Fenster aber seltsam fröhlich im Morgensonnenschein blinkten, zwei steile Treppen hinan … So dunkel im Treppenhaus, daß vor den Türen der Stockwerke winzige, sparsame Petroleumlämpchen brannten, die ihre Dünste mit dem mürben, faden Eigengeruch dieses alten Gebäudes vermischten. – Doch hier vor Anna Günthers Flurtür war noch ein anderer diesem Geruch beigemengt. Harst sagte leise, als er die Hand nach dem Glockenzug ausstreckte: „Sie ist krank … Es riecht hier nach Krankheit – – Lysol, Lysoform …“ Dann läutete er sehr bescheiden … Und im Flur bimmelte dumpf eine Glocke, die offenbar mit Leinwand umhüllt war.

Ein älteres, verblühtes Mädchen öffnete …

Anna Günthers Schwester … Meinte traurig: „Nein, Anna können die Herren weder sehen noch sprechen … Haben Sie etwas zu bestellen?“

„Nur … einen Gruß von Fräulein v. Meldert auszurichten,“ erfand Harst eine zweckmäßige Antwort. „Es geht Fräulein Wera gut, und es ist alles in Ordnung, was in Ordnung sein sollte …“

Die Verblühte schüttelte den Kopf …

„Fräulein v. Meldert? Wer ist das? – Ich bin allerdings nur zur[7] Pflege meiner Schwester aus Berlin hierher gekommen und kenne Annas Bekannte kaum … – Gut, ich werde es ihr bestellen …“

„Vielleicht möchte Ihre Schwester uns doch sehen,“ meinte Harst höflich. „Wir werden warten … Aber bitte betonen Sie, daß alles in Ordnung ist … Ihre Schwester soll sich nicht aufregen. Dazu liegt kein Grund vor …“

Die Schwester kehrte sofort zurück und führte die Herren in das kleine Vorderzimmer …

Blaß, abgezehrt, mit hektischen Flecken auf den Wangen lag hier die Kranke auf einem Diwan am offenen Fenster. Sonnenschein umspielte das reiche aschblonde Haar und enthüllte eines zarten Mädchenantlitzes zerstörte Schönheit.

„Laß mich mit den Herren allein, Elise,“ bat die Kranke und hüstelte trocken …

Harst und Schraut setzten sich dicht an das Kopfende des Diwans …

Die übergroßen Augen der Kranken prüften still die Gesichter der beiden Fremden … Und ebenso still flüsterte sie: „Sie sind … von der Polizei, meine Herren …“

Harst begann zu sprechen … Seine Stimme war Güte und Mitgefühl.

Anna Günther nickte zuweilen schwach …

Dann erwiderte sie: „Ja, Herr Harst, – es hat sich alles so zugetragen, wie Sie vermuten … Und die letzten Vorgänge auf der Lichtung, die Ihnen noch verborgen, will ich Ihnen wahrheitsgemäß schildern … – Ich wollte mich erschießen, vor Gutzkows Augen … Er hatte mein Leben zerstört … – Fräulein v. Meldert, mit der ich vorher in meiner sinnlosen Erregung eine heftige Auseinandersetzung gehabt hatte, ohne auf die Gegenrede der jungen Dame zu hören, hatte sich hinter den Holzstoß geschlichen, sprang zu, wollte mir die Waffe aus der Hand schlagen … Ich drückte ab, – und die Kugel traf jenen Elenden. Fräulein v. Meldert zog mich dann mit sich fort, als sie gesehen hatte, daß Gutzlow tot war … Sie war sehr, sehr lieb zu mir … Und sie versprach mir, nichts verraten zu wollen. Ich kehrte nach Rauschen zurück, dann hier in meine Wohnung, wo die Aufregung einen Blutsturz zur Folge hatte …“

Ein wehes Lächeln umspielte den welken Mund …

„Ich … werde Wera die Treue halten, Herr Harst … Meine Tage sind gezählt … Ich habe auch bereits ein schriftliches Geständnis abgelegt … Dort im Schreibtisch liegt es … Nehmen Sie es bitte an sich, Herr Harst … Es enthält nur eine Entstellung … Ich habe angegeben, daß Gutzlow selbst mir in den Arm fiel, als ich die Waffe gegen meine Schläfe richtete … Und – bei dieser Angabe werde ich bleiben, Herr Harst …“

„Und wir desgleichen, Fräulein Günther … – Verlassen Sie sich auch darauf, daß Sie durch die Polizei kaum belästigt werden sollen. Ich habe so einigen Einfluß auf die Maßnahmen der Behörden …“

Gleich darauf verabschiedeten sich die beiden Detektive. – –

* * *

Am Nachmittag dieses selben Tages saß Otto Lenk im Arbeitszimmer Herrn v. Melderts und sah das Manuskript durch. Der Gutsherr hatte jetzt mit den beiden „Rittern der Landstraße“ eine Vereinbarung getroffen, die ihrer Vagabundenfahrt für immer ein Ziel setzte. Lenk als Journalist sollte ihm bei der Abfassung des wissenschaftlichen Werkes als Privatsekretär behilflich sein, und Axel Germar wieder war mit der Führung der Bücher des ausgedehnten Grundbesitzes betraut worden.

Lenk hatte an dem Stil des Gutsherrn so manches auszusetzen, hatte sich derart in die Arbeit vertieft, daß er ordentlich zusammenschrak, als draußen vor den offenen Fenstern sein Name gerufen wurde.

Es war Kriminalassistent Röthel, und wie Lenk sich nun zum Fenster hinausbeugte, winkte Röthel eifrig und geheimnisvoll …

„Harst und Schraut sind wieder da, Herr Lenk … Sie sollen nach der Parkhütte kommen …“

Indessen hatte Harst Fräulein V. Meldert bei den Ställen angesprochen und sich ihr ebenfalls zu erkennen gegeben, hatte ihr alles Nötige mitgeteilt und ihr auch Anna Günthers schriftliches Geständnis gezeigt.

„Ich werde jetzt mit Röthel sprechen, gnädiges Fräulein,“ schloß er seine ernsten Erklärungen. „Ihr Name bleibt nach wie vor ausgeschaltet … Röthel wird auf Fräulein Günthers Zustand Rücksicht nehmen. Dafür werde ich sorgen …“

Weras Augen standen voll Tränen …

„Herr Harst,“ meinte sie erschüttert, „ist es nicht doch von mir … feige Selbstsucht, wenn ich gleichsam einer Verantwortung aus dem Wege gehe, die …“

Der Detektiv unterbrach sie …

„Sehr ehrenwert von Ihnen, gnädiges Fräulein,“ widersprach er sehr bestimmt. „Nur dürfen Sie nicht vergessen, daß Sie entgegen dem ausdrücklichen Wunsch einer Sterbenden handeln, wenn Sie jetzt etwa zugeben wollten, bei diesem Drama, das schließlich einem Gottesurteil gleichkommt, beteiligt gewesen zu sein. – Nein, gnädiges Fräulein, – Sie dürfen Anna Günthers Geständnis nicht umstoßen. Man wird der Kranken ohne weiteres Glauben schenken, denn Gutzlows Vergangenheit, seine Liebesabenteuer und seine ganze moralische Minderwertigkeit werden auf die Polizei den gewünschten Eindruck machen. Beruhigen Sie Ihr Gewissen in dem Gedanken, daß Sie sich durch Preisgabe der vollen Wahrheit weit größere Ungelegenheiten bereiten würden als sie je für die Kranke entstehen können …“

Wera gab ihm die Hand …

„Herr Harst, wenn ein Mann wie Sie mir einen Rat erteilt, muß ich diesen Rat wohl befolgen. Und – jetzt freue ich mich, daß es Ihnen gestern abend gelungen ist, mich zu überlisten, denn jetzt erst werde ich meines Lebens wieder froh werden, besonders dann, wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben, daß ich[8] für Anna Günther so ein wenig sorge, die doch wahrscheinlich nicht in glänzenden Verhältnissen lebt. Am liebsten würde ich die Kranke hier bei uns als Gast aufnehmen. Unsere reine Wald- und Seeluft tut vielleicht noch ein Wunder …“

Harst nickte ihr freundlich zu … „Vielleicht käme dieser Luftwechsel wirklich noch nicht zu spät, gnädiges Fräulein … Warten Sie ein paar Tage, bis die Polizei den Fall Gutzlow endgültig bereite legt. Und dann …“

„… dann fahre ich persönlich zu Anna Günther, Herr Harst … Und auch Sie und Ihr Freund müssen noch einige Zeit unsere Gäste bleiben … Es wäre doch schade, wenn die vier Ritter der Landstraße sich so schnell wieder trennen wollten …“ – –

Röthel fuhr am Abend mit Anna Günthers Geständnis nach Königsberg zurück. Er war zufrieden mit dem Erfolg seines Aufenthaltes in Garningken, wenn er auch nicht recht wußte, wie Harst den Namen der Günther herausgebracht hatte.

Der Fall Gutzlow war jetzt tatsächlich erledigt. Die Zeitungen teilten der Öffentlichkeit nur in dürren Sätzen mit, daß Gutzlows Tod lediglich auf einen unglücklichen Zufall zurückzuführen sei und daß die einstige Geliebte des Erschossenen ehrliches Mitleid verdiene. –

* * *

An einem windstillen, warmen Herbsttage desselben Jahres standen vier Menschen hoch oben am Rande der steilen Samlandküste und blickten auf das weite, gleißende Meer hinaus …

Vier Menschen, zwei Liebespaare …

Und Otto Lenk, der den Arm leicht um Weras Schultern gelegt hatte, sagte jetzt zu Axel Germar, der Anna Günthers Hand zärtlich drückte:

„Ich denke, wir schicken eine Depesche an Harst und Schraut … Die werden sich aufrichtig mit uns freuen … Wir depeschieren nur: Als Verlobte empfehlen sich Otto und Wera, Axel und Anna … Das genügt …“

Das Telegramm ging ab. Aber Harald Harst und Max Schraut, als Detektive in Wahrheit ruhelose Ritter der Landstraße, erhielten die Depesche erst viele Wochen später, da ihr Beruf sie gerade wieder nach Indien geführt hatte.

 

 

Anmerkungen:

  1. In der Vorlage steht: „gebilbildeten“.
  2. In der Vorlage steht: „Garmer“.
  3. Franz Defregger (1835–1921), österreichisch-bayerischer Genre- und Historienmaler und Vertreter der Münchner Schule (diese ist gekennzeichnet durch Genauigkeit und Naturalismus der Darstellung; typische Genres waren Landschafts-, Historien- und Porträtmalerei; in der Historienmalerei wurde Versachlichung gepflegt); Defregger malte mit Vorliebe Porträts, Motive aus dem bäuerlichen Alltagsleben sowie dramatische Szenen aus dem Tiroler Volksaufstand von 1809.
  4. In der Vorlage steht: „künstlerisch-Nachlässiges“.
  5. In der Vorlage steht: „Merkehmen“.
  6. In der Vorlage steht: „hätte“.
  7. In der Vorlage steht: „zer“.
  8. Doppeltes Wort „ich“ entfernt.