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Unter der Glutsonne Arabiens

 

 

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Bibliothek der besten Romane

 

Band 261

 

Unter der Glutsonne Arabiens.

 

Roman von

W. Kabel.

 

Verlag moderner Lektüre, G. m. b. H., Berlin S. 14,
Dresdenerstraße 88–89.

 

Nachdruck verboten. – Alle Rechte vorbehalten.
Copyright by Verlag mod. Lektüre G. m. b. H., Berlin.

 

1. Kapitel.

Millionen auf dem Meeresgrunde.

Die Station für drahtlose Telegraphie der englischen Felsenfestung Aden schmiegt sich in die tiefste Felsspalte des höchsten der wildzerklüfteten Berge ein, die den Hintergrund des gleichnamigen Hafens wie drohende Riesen, gespickt mit unzähligen modernen Panzerturm-Batterien, bilden. Nur die hohen Masten mit dem Netzwerk von Drähten verraten die Lage des wichtigen Häuschens, in dem zu jeder Stunde stets ein Funkentelegraphist auf Nachrichten harrt, die die elektrischen Wellen von einer anderen Station zutragen sollen.

Am 12. August 1914 gegen zwei Uhr nachmittags rekelte sich der junge Henderson, der gerade Funkendienst hatte, müde und schläfrig auf dem Stuhl vor dem kleinen Tischchen, auf dem die Apparate aufgebaut waren. In den letzten Tagen hatte es hier mehr als genug Arbeit gegeben. England hatte Deutschland ebenfalls den Krieg erklärt, nachdem Rußland und Frankreich mobil gemacht hatten. Die Folge dieser welterschütternden Ereignisse war eine Unzahl von Funksprüchen gewesen, die über das Mittelmeer hin weiter nach Indien geleitet werden mußten. Jetzt war etwas Ruhe eingetreten. Die erste Aufregung hatte sich gelegt. Die Kolonien des britischen Weltreiches waren mit genauen Anweisungen versehen, und das gewaltige Völkerringen konnte beginnen.

Henderson gähnte. Sein krankhaft gelbes Gesicht, – eine Folge der ungesunden Glutofenhitze Adens, sah heute noch verfallener als sonst aus. Er fühlte sich wie zerschlagen. Und halb wie im Traum überdachte er nochmals die Ereignisse der letzten Wochen.

Ein triumphierendes Grinsen legte jetzt seine großen Vorderzähne frei: Gestern hatte ein Kreuzer die ersten drei deutschen Dampfer, die im Arabischen Meere abgefaßt worden waren, eingebracht. Die verd… Deutschen! Wenn man sie nur erst sämtlich beseitigt hätte …! Sie waren eine so lästige Konkurrenz auf dem Weltmarkt …! –

In den Apparaten begann es zu knattern und zu knistern.

Henderson fuhr auf. Ein paar Griffe, und der Papierstreifen rollte ab, – immer weiter. Es war eine Depesche von gehöriger Länge. Sie kam aus Bombay in Vorderindien[1] vom dortigen Gouverneur.

Der Telegraphist las die Worte mit, die der Apparat wie mit Menschenhand zusammenfügte.

„Deutsche Brigg „Elisabeth“ seit fünf Tagen flüchtig aus Roxara mit dem indischen Fürsten Samataviri an Bord nebst einigen seiner Anhänger. Er dürfte versuchen, einen arabischen Hafen zu erreichen, um mit seinen Schätzen weiter nach Deutschland zu entkommen. Alle an Bord befindlichen Personen sind zu verhaften und getrennt in Gewahrsam zu setzen. Größte Achtsamkeit geboten gegenüber einem gewissen Felix Manhard, da wahrscheinlich deutscher Seeoffizier. Alle verfügbaren Schiffe sofort Patrouillendienst aufnehmen längs der arabischen Südküste. Rajah Samataviri war politischer Gefangener von großer Bedeutung. Funkennachricht nach hier, falls Brigg eingebracht wird.“

Henderson gab jetzt das Zeichen: „richtig verstanden!“ und griff dann zu dem Telephonhörer, um die Depesche auf diesem Wege an General Hamilton, den Kommandanten von Aden, weiterzubefördern.

General Hamilton arbeitete gerade mit seinem Ersten Adjutanten in seinem Bureau, als der Telegraphist Henderson von der Funkspruchstation die Kommandantur anrief.

Hamilton, ein graubärtiger, kleiner Herr mit einer Gesichtsfarbe wie ein Mulatte, nahm selbst den Hörer zur Hand und diktierte dann seinem Adjutanten Hauptmann Beresley die Depesche. Als dieser mit der Niederschrift fertig war, fragte der General kurz:

„Wieviel Schiffe haben wir für den befohlenen Patrouillendienst noch zur Verfügung, Beresley?“

„Nur noch die fünf veralteten Torpedoboote, die als Depeschenboote zur Verfügung gestellt worden sind“, erwiderte der Hauptmann, der ebenso wie sein Vorgesetzter einen bastseidenen Waffenrock trug.

„Macht nichts!“ meinte Hamilton, seine kurze Holzpfeife wieder in Brand setzend. „Vierzehn Knoten laufen die alten Kähne doch. Und das genügt. Geben Sie also die entsprechenden Befehle an das Hafenamt weiter. In drei Stunden laufen die Boote aus – spätestens!“

Der Hauptmann verneigte sich und eilte davon.

* * *

Es war an demselben Tage bei einbrechender Dunkelheit.

Ein niedriges, graugestrichenes Kriegsfahrzeug mit einem schräg stehenden Schornstein pflügte in rascher Fahrt durch die bleifarbigen Wellen des Arabischen Meeres. Am Bug trug es mit schwarzer Farbe nichts als die Bezeichnung „Aden 4“. Auf der kleinen Kommandobrücke stand neben dem wachthabenden Matrosen der Führer dieses unscheinbaren Schiffes, der Kapitänleutnant in der englischen Marine Howard Mouston.

Mouston ließ das Fernglas kaum von den Augen. Bereits drei Segler hatte er angehalten. Aber es waren nur harmlose Neutrale, die man weiterziehen lassen mußte. Er suchte nach deutscher Beute, nach der Brigg „Elisabeth“ und den Millionen des verräterischen Rajahs Samataviri, der seine Schätze irgendwo in Sicherheit zu bringen trachtete.

Die Dunkelheit nahm zu. Mouston machte eine halbe Drehung nach links und suchte nun mit dem Glase auch die Küste Arabiens ab, die mit ihrer tosenden Brandung keine vier Seemeilen auf Backbordseite lag.

Der Oberbootsmann betrat jetzt die Kommandobrücke und meldete, daß das Torpedoboot wenden müsse, da man die vorgeschriebene Strecke der Küste, die man abpatrouillieren solle, hinter sich habe.

Mouston machte eine ungeduldige Bewegung mit der Hand, ohne das Fernglas von den Augen zu nehmen. Nach einer Weile reichte er es dem Oberbootsmann und sagte hastig:

„Da, Traylor, versuchen Sie mal Ihr Heil. Mir ist’s, als ob auf den Riffen mitten in der Brandung ein Wrack festliegt: – Mehr nach Süd, Traylor, mehr nach Süd.“

Der Oberbootsmann, der stets wie ein Spiritusfaß roch, wischte sich nochmals die verdächtig wässerigen Augen, schaute lange durch das Glas und rief dann:

„Stimmt, – ’s ist ein Wrack. Ich sehe deutlich die breiten Maststümpfe.“

Mouston nickte befriedigt und erteilte einige Befehle, worauf „Aden 4“ sofort den Kurs änderte und auf die Küste zuhielt.

Zehn Minuten später befand sich das Torpedoboot keine hundert Meter vor dem Brandungsstreifen mit rückwärts schlagenden Schrauben, um von den Wogen nicht gegen die Riffe getrieben zu werden.

Der Kapitänleutnant konnte jetzt die Lage des gescheiterten Fahrzeuges mit bloßem Auge trotz der starken Dämmerung deutlich erkennen. Der Segler war mit dem Heck nach vorn auf eine Klippe geworfen worden und saß nun festgekeilt inmitten des weißen Wellengischtes, der das tief im Wasser liegende Vorschiff dauernd überflutete. Auf dem Hinterdeck war eine Gruppe von Menschen sichtbar, die sich anscheinend bemühte, ein Boot herabzulassen.

Die beiden Maststümpfe und die Größe des Segelschiffes ließen die Vermutung zu, daß es sich um eine Brigg handelte. Und sofort war bei dem englischen Seeoffizier der Verdacht aufgetaucht, daß man es hier vielleicht mit der gesuchten, aus Roxara geflüchteten „Elisabeth“ zu tun habe.

Mouston ließ das Torpedoboot noch näher auf das Wrack zutreiben und rief dann durch das Sprachrohr hinüber:

„Welches Schiff? – Zeigt die Flagge!“

Erst nach einer geraumen Weile entfaltete sich drüben die deutsche Handelsflagge. Und gleichzeitig bemerkte der Führer des Torpedobootes, daß das inzwischen von dem Wrack glücklich zu Wasser gelassene Boot, in dem fünf Männer saßen und mehrere Kisten und Ballen lagen, trotz der gefährlichen Brandung die Küste zu erreichen suchte. Inzwischen hatte sich auch Moustons Überzeugung, die Brigg „Elisabeth“ vor sich zu haben, noch verstärkt, da er unter den Schiffbrüchigen auf dem Hinterdeck einige Farbige in indischer Tracht erkannt hatte.

Wenige Minuten später blitzte daher eines der Revolvergeschütze des Torpedobootes auf und die Granate schlug keine zwanzig Meter vor dem auf den Wellen hin und her tanzenden Boote als deutliche Mahnung zur Umkehr in das Wasser ein.

Doch die Insassen mochten einsehen, daß ein Wiederanlegen an dem Wrack beim besten Willen unmöglich sei, und trotzten deshalb keck der Gefahr, von einem der Geschosse getroffen zu werden. Mit aller Kraft legten sie sich in die Riemen. Der Mann am Steuer richtete sich sogar zu seiner vollen Größe auf, um die Wogen besser übersehen zu können. Bisweilen verschwand das Boot vollständig hinter den Schaumschleiern der Brandung, erschien abermals, um untertauchen. –

Mouston stieß eine Verwünschung aus, als er bemerkte, daß die Flüchtlinge von dem Kanonenschuß keinerlei Notiz nahmen. Wieder ließ er Feuer geben, jetzt gleichzeitig auch aus dem zweiten Revolvergeschütz. Die Geschosse schlugen nun, deutlich sichtbare Fontänen aufwerfend, in nächster Nähe des Bootes ein.

Und dann flammte plötzlich in dem kleinen Fahrzeug ein greller Blitz auf: eine der Granaten hatte in die Backbordwand eingeschlagen und war krepiert. Im Augenblick sank das Boot weg, und auch von den Insassen war nichts mehr zu erblicken.

Mittlerweile war ein zweites der von Aden ausgeschickten Patrouillenboote durch den Donner der Geschütze herbeigelockt worden, dessen Führer nun eine nahe, bald entdeckte Durchfahrt durch die Riffreihe dazu benutzte, um zwischen der Brandung und der Küste entlangzusteuern und den Überlebenden des Wracks auf diese Weise die Flucht nach dem Lande unmöglich zu machen.

Bei Scheinwerferbeleuchtung wurden dann die Schiffbrüchigen nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten mittels einer Stahltrosse an Bord von „Aden 4“ übergeholt. Unter ihnen befand sich auch ein junges Mädchen, die als erste geborgen wurde. Ihre nassen Kleider klebten ihr am Körper, und die englischen Matrosen ließen es nicht an halblauten, von rohem Gelächter begleiteten Anzüglichkeiten fehlen, die die deutlich hervortretenden Formen des schlanken Weibes zum Gegenstand hatten.

Kapitänleutnant Mouston wehrte diesem Treiben nicht, sondern fixierte erst eine Weile eingehend die seltsame Beute und faßte dann lässig an die Mütze.

„Ihr Name?“ fragte er kurz.

„Senta Kruse. Ich bin die Tochter des Kapitäns jener Brigg“, erwiderte das junge Mädchen in deutscher Sprache, sich hoch aufrichtend.

„Der Brigg „Elisabeth“, nicht wahr?“ forschte Mouston lauernd.

Auf die bejahende Antwort flog ein triumphierendes Lächeln über sein Gesicht.

„Sie sind vor einigen Tagen aus der Bucht von Roxara geflüchtet“, meinte er schnell. „Befindet sich der Rajah Samataviri noch an Bord des Wracks? Und wo steckt der Deutsche Felix Manhard?“

Mouston hoffte, aus dem jungen Weibe alles das herauslocken zu können, was er gern wissen wollte. Aber Senta Kruse war vorsichtig.

„Über diese Dinge mag Ihnen mein Vater Aufschluß geben, mein Herr“, antwortete sie ablehnend. „Im übrigen habe ich gedacht, daß auch ein englischer Offizier ein Gentleman sei. Leider scheine ich mich getäuscht zu haben. Denn ein Gentleman hätte nie zugelassen, daß ich hier in diesem Anzug als Dame länger wie nötig dem Gespött der Matrosen ausgesetzt worden wäre.“

Der Engländer biß sich auf die Lippen. Und dann gab er ärgerlich dem Oberbootsmann den Befehl, das junge Mädchen in seine Kabine zu führen, die er ihr bis auf weiteres hiermit einräume. –

Als letzter verließ der Kapitän und Besitzer der Brigg „Elisabeth “ sein wrackes, dem Untergange geweihtes Fahrzeug.

Kruse war eine stämmige, verwitterte Seemannsfigur mit hellen, durchdringenden Augen in einem von[2] tiefen Falten durchzogenen Gesicht. Als er jetzt dem englischen Offizier gegenüberstand, beleuchtet von einem grauen Bart umrahmten, tiefgebräunten und dem unsicheren Schein einiger Bordlaternen, reckte er sich unwillkürlich höher. Er dachte an den Krieg, der vor kurzem zwischen seinem Vaterlande und dem Britenreich ausgebrochen war, und nahm sich vor, diesem Vertreter Englands gegenüber keinesfalls den Demütigen zu spielen.

„Kapitän Kruse?“ fragte Mouston jetzt barschen Tones.

„Allerdings“, erwiderte der alte Seebär. Und fügte mit grimmigem Humor hinzu: „Es wäre mir lieber gewesen, ich hätte Ihre Bekanntschaft nicht gemacht und brauchte mich nicht dafür zu bedanken, daß Sie uns von dem Wrack gerettet haben. Wir sind Feinde – das sagt alles!“

Mouston lächelte ironisch. „Ich glaube Ihnen gern, daß Sie sich weit weg wünschen. Sie haben einem indischen verräterischen Fürsten zur Flucht verholfen, ebenso einem deutschen Spion. Das Kriegsgericht in Aden wird Ihnen beweisen, wie man derartiges im Kriege bestraft. – Wo befinden sich die eben genannten beiden Leute, und – sind die Schätze des Rajahs noch an Bord des Wracks?“

Kruse schüttelte den Kopf. In seinen Zügen malte sich deutlich ein tiefer Schmerz, als er entgegnete:

„Die Millionen des Fürsten ruhen jetzt dort auf dem Meeresgrunde, wo das Boot durch den Granatschuß versenkt wurde. Und auch der Rajah selbst, mein Landsmann Manhard und drei brave Inder dürften dabei ertrunken sein.“

Der Engländer stieß einen unterdrückten Fluch aus. Dann forschte er mißtrauisch:

„Vielleicht belügen Sie mich auch nur, wie?! – Nun, ich werde sicher gehen. Wir bleiben bis Tagesanbruch hier. Dann dürfte sich die von den letzten Stürmen aufgeregte See so weit beruhigt haben, daß wir an Bord des Wracks gehen können.“

Und nach kurzem Nachdenken setzte er hinzu:

„Wann ist die Brigg auf die Klippen aufgelaufen? Und – hatte sie schon vorher die Masten verloren?“

Kruse witterte hinter dieser Frage etwas Besonderes und antwortete daher wortkarg:

„Heute gegen Mittag trieben wir auf die Riffe, nachdem uns gestern der Orkan um Mitternacht die ganze Takelage über Bord gefegt hatte.“

Mouston schaute den Alten prüfend an. Er merkte die geheime Widersetzlichkeit, die der deutsche Kapitän nur schwer verbergen konnte.

„Ich warne Sie mich zu belügen …!“ rief er gereizt. „Mir scheint, daß Sie ein recht gefährlicher Bursche sind. Nun – in den Gefängnissen Adens werden Sie schon die nötige Bescheidenheit lernen!“

Der Alte zuckte die Achseln. „Glaube es kaum“, meinte er trotzig. „Aden ist englischer Boden, und ich habe noch nie gehört, daß irgendwo in England das Pflänzlein Bescheidenheit sonderlich gedeiht!“

Der Offizier hob drohend den Arm.

„Unverschämter Bursche!“ brüllte er. „Weg mit ihm, Leute! Werft ihn zu dem farbigen Pack in den Verschlag. Halunke zu Halunken!“

Damit stieß er den Deutschen derart vor die Brust, daß dieser einigen Matrosen in die Arme taumelte.

Ohne Sträuben ließ der Alte sich hinwegführen. Aber aus seinen blitzenden Augen warf er dem Engländer noch einen Blick zu, der ebenso haßerfüllt wie verächtlich war.

Als der Morgen graute, hatte sich die See tatsächlich soweit beruhigt, daß man hätte auf das Wrack gelangen können. Aber in all den Stunden war dieses von den Wellen bereits zum größten Teil auseinandergeschlagen worden, und die Reste des einstigen Seglers mußten offenbar schon nach kurzer Zeit völlig von dem gierigen Element zerstört wenden.

Nachdem es dann heller Tag geworden war und von den englischen Torpedobooten nun auch die nahe Küste mit Gläsern nach angetriebenen Leichen abgesucht werden konnte, wurde am Strande der Körper eines Mannes bemerkt, den die See ausgeworfen hatte.

Mouston, der bereits bei einbrechender Dämmerung durch die Einfahrt zwischen den Klippen hindurchgesteuert war und seine „Aden 4“ neben dem Schwesterschiff verankert hatte, ließ sofort das kleine Boot aussetzen und fuhr selbst nach der Stelle hin, wo die Leiche zwischen Haufen von Seetang auf dem felsigen Ufer lag.

Der Tote war ein riesiger Inder mit glänzend schwarzem Barte. – Mouston, der längere Zeit in Indien auf einem Kreuzer Dienst getan hatte, wandte sich jetzt an Traylor, der das Boot gesteuert hatte.

„Der Kerl gehört zum Volksstamme der Pathanes, die da oben an der afghanischen Grenze beheimatet sind“, sagte er erklärend. „Es sind heimtückische Burschen und erbitterte Feinde Englands. Sicher gehörte dieser Riese zu den Anhängern des Fürsten.“

Traylor, der auch heute bereits seine Morgendosis Alkohol im Leibe hatte, grunzte etwas Unverständliches vor sich hin und zeigte dann seitwärts auf eine breite, sandige Stelle des Strandes, die sich wie eine Zunge weit in die Uferfelsen hineinzog.

„Wichtiger wie dieser tote braune Schuft dürfte die Spur sein, die sich da im Sande so deutlich abzeichnet“, meinte er. „Ich will ’ne Woche nüchtern bleiben, wenn hier nicht einer der Insassen des zusammengeschossenen Bootes sich davongemacht hat. Es wäre gut, dieser Fährte mal so ein wenig nachzugehen.“

 

2. Kapitel.

Der persische Teppichhändler.

Einige hundert Meter landeinwärts, dort, wo die felsigen Ufererhebungen bereits ihre letzten Ausläufer in das endlose Sandmeer der arabischen Wüste hinausschicken, lagen an demselben Morgen im Schutze eines dichten, stachligen Gebüsches zwei Männer, ein samtgebräunter, schlanker Europäer und ein Inder mit auffallend heller Hautfarbe und edlen, feinen Zügen, die jetzt nur durch furchtbare körperliche Schmerzen zeitweise bis zur Unkenntlichkeit verzerrt wurden.

Der Inder war kein anderer als der Rajah Samataviri, der vor seinen Todfeinden, den Engländern, mit Hilfe Kapitän Kruses aus seinem Vaterlande geflohen war. Der Europäer aber nannte Deutschland seine Heimat und hatte die Bekanntschaft des Fürsten in der durch ihre Perlenfischerei berühmten Bucht von Roxara an der Westküste von Vorderindien gemacht, wo er als Detektiv einem raffinierten Spitzbuben eine seltene Perle glücklich wieder abgejagt hatte.

Der Rajah, dem ein Granatsplitter den rechten Oberarm zerfetzt und den der deutsche Detektiv dann mit höchster eigener Lebensgefahr an das Ufer gebracht hatte, stöhnte leise. Sein Gefährte und Retter hatte ihm zwar die Wunde verbunden und den Verband mit Hilfe von Seewasser während der Nach feucht erhalten, aber das Wundfieber stieg jetzt trotzdem mit rasender Schnelligkeit, so daß die Zähne des Verletzten immer häufiger im Schüttelfrost zusammenschlugen.

„Fliehen Sie, Manhard“, flüsterte der junge Fürst leise, indem er seine fieberglänzenden Augen auf den neben ihm hockenden Deutschen richtete. „Die Engländer werden sicher den Strand absuchen, und vielleicht entdecken sie uns hier. Wozu sollen wir beide ihnen in die Hände fallen?!“

„Ich verlasse Sie nicht, mein Fürst. Sie würden hier elend verschmachten. Es ist auch kaum anzunehmen, daß die Matrosen der beiden Torpedoboote bis an diese Stelle kommen. Man wird denken, daß sämtliche Insassen des Bootes ertrunken sind.“

Der Rajah schloß die Augen. Ein neuer Anfall der fürchterlichen Schmerzen ließ ihn die Zähne knirschend aneinander reiben. Unruhig warf er sich auf seinem Lager von ausgerauftem Grase hin und her. Und der Deutsche saß dabei und vermochte in keiner Weise die Qualen des Leidenden zu mildern. Trostlosen Blickes starrte er vor sich hin. Nicht nur das Mitleid mit dem unglücklichen Verwundeten folterte sein Herz, sondern auch die Ungewißheit über das Schicksal des Kapitäns Kruse und dessen Tochter, die auf dem Wrack zurückgeblieben waren, da das Boot, das noch die schweren Kisten zu tragen gehabt hatte, nicht mehr Personen zu fassen vermochte.

Nachdem der Anfall vorüber war, erneuerte der Rajah seine eindringlichen Bitten. Schließlich gab Manhard denn auch insoweit nach, als er den Verwundeten[3] für kurze Zeit allein lassen wollte, um sich nach dem Strande zu schleichen und zuzusehen, ob die englischen Schiffe noch in der Nähe seien und wie es um das Wrack der „Elisabeth“ stehe. –

Mit aller Vorsicht schlug der Deutsche den Weg nach der Meeresküste hin ein, stets sorgfältig Umschau haltend und jeden Felsen als Deckung benutzend. Trotzdem wäre er wohl von Mouston und Traylor, die mit dem Revolver in der Hand die Klippen absuchten, bemerkt worden, wenn der Bootsmann nicht durch seine laute Stimme ihr Nahen vorher angezeigt hätte. So aber gelang es Manhard noch im letzten Moment, sich hinter einem großen Felsbrocken niederzuwerfen. Erst nachdem er die Stimmen sich entfernen hörte, wagte er sich aufzurichten. Ein heißer Schreck durchzuckte ihn, als er jetzt sah, daß die beiden Verfolger offenbar der Spur folgten, die er zurückgelassen hatte, als er heute bei Tagesanbruch den verwundeten Fürsten weiter vom Strande fortgetragen hatte. Und bald mußte er einsehen, daß der Rajah unfehlbar in die Gewalt seiner Feinde geraten mußte. Klopfenden Herzens beobachtete er, wie die beiden sich immer mehr dem Gebüsch näherten, das den jungen Inder verbarg. Jetzt hörte er ihre lauten Rufe und den gellenden Hilfeschrei Samataviris. Da gab es für ihn kein Halten mehr. Waffenlos wie er war stürmte er über die zackigen Felsschroffen dahin. Der Fürst durfte nicht in Gefangenschaft geraten. Der Tod war ihm gewiß. Hatte er doch, kurz bevor er Indien verließ, sich an seinen schlimmsten Feinden, zu denen auch der englische Gouverneur von Roxara gehörte, aufs furchtbarste gerächt, – auf eine Weise, wie dies nur das Hirn eines unter der glühenden Sonne der Tropen Geborenen auszuklügeln vermag.

Aber plötzlich im wildesten Vorwärtsstürzen blieb der Detektiv wie gebannt stehen. Ein anderer Gedanke war in ihm aufgeblitzt.

Sollte er sich wirklich von den beiden Briten einfach über den Haufen knallen lassen …? Hatte dieser Rettungsversuch denn auch nur die geringste Aussicht auf Erfolg? Und – konnte er seinen Freunden nicht vielleicht weit mehr nützen, wenn er jetzt entfloh und später zusah, ob er sie nicht irgendwie befreien könnte …?

Im Augenblick änderte er seinen Entschluß. Und als der Oberbootsmann dann allein zum Strande zurückeilte und wahrscheinlich Leute herbeiholte, um den Fürsten nach der Küste tragen zu lassen, schlich er in weitem Bogen nach dem Gebüsch hin, wo er den Rajah zurückgelassen hatte. Es glückte ihm auch, auf steinigem Boden, der keine Spuren annahm, so nahe an den jetzigen Gefangenen und seinen Wächter heranzukommen, daß er einiges von dem verstand, was der englische Offizier mit dem Rajah sprach. Aus dem Erlauschten ging hervor, daß alle Insassen der gescheiterten Brigg zunächst nach Aden geschafft und dort interniert werden sollten, – eine Nachricht, die für Manhard äußerst wichtig war.

Gleich darauf, nachdem er sich überzeugt hatte, daß der Engländer den Fürsten, der offenbar Widerstand zu leisten versucht hatte, zwar schroff, aber doch nicht brutal behandelte, eilte er, eine Bodensenkung als Deckung benutzend, nach Westen zu davon. Ohne Waffen, ohne Nahrungsmittel, nur versehen mit einigen englischen Gold- und Silbermünzen und bekleidet mit einem leichten, vielfach durch die Felszacken der Brandung zerrissenen Anzug, begann er seine Flucht. Die Sonne stieg höher und höher, brannte ihm mit betäubender Kraft auf den unbedeckten Kopf. Es war eine trostlose Einöde, durch die er, gequält von Durst und Hunger, dahinzog. Nichts als Sand, Felsen und hier und da einen verkrüppelten Baum, ein paar Distelsträucher und gelbes, trockenes Gras gab es hier. Zu seiner Linken zogen sich die Anhöhen der Küste hin, und fortwährend hörte er als einzigen Laut in dieser Einsamkeit das eintönig Rauschen des Meeres.

* * *

Vierzehn Tage nach der Gefangennahme der Passagiere der Brigg „Elisabeth“ näherte sich von Norden her eine kleine Karawane der Felsenfeste Aden. Hochbepackte Esel und Kamele, die eins an das andere gebunden waren, wurden von etwa einem Dutzend Arabern begleitet, welche zum Teil auf Pferden, zum Teil auf Reitdromedaren saßen und sämtlich mit langen Flinten, Pistolen und Dolchen bewaffnet waren.

Als die Karawane sich den Uferbergen näherte, wurde sie von einem englischen Militärposten angehalten. Die vorsichtigen Briten hatten Aden des Krieges wegen jetzt auch von der Landseite her mit einer engen Postenkette umgeben, und der Unteroffizier, der nun den Führer der Karawane nach dem Woher und Wohin eingehend ausfragte, ging hierbei äußerst sorgfältig zu Werke und musterte jeden einzelnen der Araber aufs sorgfältigste, bevor er die Erlaubnis zur Fortsetzung des Weges gab, freilich mit der Einschränkung, daß die Leute ihre sämtlichen Schußwaffen bei dem Posten zurücklassen mußten, wo sich schon eine ganze Flinten- und Pistolensammlung, jedes Stück genau numeriert und mit dem Namen des Besitzers in eine Liste eingetragen, befand. Jeder der Araber erhielt für sein hier in Verwahrung genommenes Eigentum eine Quittung, so daß bei der späteren Rückgabe ein Vertauschen unmöglich war.

Drei Stunden nachher erreichte die Karawane die ersten Zelte der Araberstadt von Aden und zerstreute sich hier, da die einzelnen Mitglieder bei Bekannten und Verwandten Unterkunft nehmen wollten. Nur der Besitzer eines schon recht alten, mageren Esels schien ein anderes Quartier zu suchen, das er dann auch in einer einem Chinesen gehörigen Kneipe in nächster Nähe des Europäerviertels gegen mäßige Bezahlung fand.

Der Chinese, ein kleines, dürres Männchen mit verschlagenem Gesicht, hatte mit dem Araber hinsichtlich der Verständigung seine liebe Not, da dieser ihm durch Zeichen klarmachte, daß er taubstumm sei und auch die arabische Schrift nicht lesen könne. Kuong-Li, so hieß der Besitzer des bescheidenen Gasthauses, das mit einem Ausschank verbunden war, wies dem Wüstensohne eine kleine Kammer über dem Stalle an, in der außerdem noch ein zweiter Gast, ein persischer Teppichhändler, untergebracht war.

Nachdem der Araber, ein noch junger Mann mit spärlichem Vollbart, sein Grautier versorgt und dessen Last, zwei Ballen mit getrockneten Datteln, in die Kammer getragen hatte, ließ er sich in dem Schankraum ein Gericht gekochten Reises vorsetzen, das er langsam und würdig verzehrte. Außer ihm waren zur Zeit keine anderen Gäste anwesend, und selbst der Wirt verschwand des öfteren in die hinteren Räumlichkeiten, da es hier vorn jetzt nichts zu tun gab.

Eine solche Gelegenheit benutzte der in einen hellen Burnus gekleidete Beduine dazu, mit schnellem Griff ein paar Zeitungsblätter, die neben ihm auf dem Tische lagen und die er bisher scheinbar gar nicht beachtet hatte, unter seinem weiten, umhangähnlichen Gewande verschwinden zu lassen. Darauf setzte er gleichmütig seine bescheidene Mahlzeit fort.

Wenige Minuten später trat der persische Teppichhändler, den der Araber vorhin in der gemeinsamen Wohnkammer nur durch ein stolzes Neigen des Kopfes begrüßt hatte, durch die vom Flur in den Schankraum mündende Tür ein und nahm am Nebentische Platz.

Als der Beduine sein Essen nun verzehrt hatte, erhob er sich und verließ das Gasthaus. Langsam und würdevoll wanderte er dahin, bis er in einer engen Nebengasse des Europäerviertels offenbar erst nach längerem Suchen einen Kramladen entdeckte, der für seine Kaufabsichten geeignet schien. Der Inhaber, ein buckliger levantinischer Jude, wurde schnell darüber klar, daß der braune Wüstensohn eine Schußwaffe zu erwerben wünsche. Er führte den Beduinen in ein kleines, dunkles Hinterzimmer und legte ihm eine kleine Mehrladepistole belgischen Fabrikates mit einem Rahmen für sieben Patronen vor. Erst jetzt schien der wählerische braune Mann befriedigt zu sein, verlangte noch siebzig Patronen durch Zeichensprache und ging ohne Gruß von dannen, seine drei Goldstücke als überreichlichen Kaufpreis zurücklassend.

Als er auf die Straße hinaustrat, sah er sich dem persischen Teppichhändler gegenüber. Ein schneller, mißtrauischer Blick des Beduinen streifte dessen Gestalt. Und auch der Perser musterte seinen Schlafgenossen auffällig durchdringend, winkte ihm dann fast gebieterisch zu und schritt die Gasse weiter hinab, die auf ein Gelände mündete, wo größere Handelsfirmen ihre Lagerspeicher errichtet hatten.

Unwillkürlich zögerte der Araber zuerst, dem ihm fremden Manne, mit dem ihn erst heute der Zufall flüchtig zusammengeführt hatte, zu folgen. Dann aber besann er sich eines besseren und ging in einiger Entfernung hinter dem Perser her, bis dieser in einer schmalen, von zwei hohen Holzzäunen gebildeten, völlig einsamen Gasse halt machte und den Beduinen herankommen ließ.

Nun standen die beiden Männer dicht bei einander und musterten sich nochmals mit einem Interesse, das mehr als bloße Neugier bedeutete. Sehr bald flog es wie ein leichtes Lächeln über des Teppichhändlers frisches, gesundes Gesicht.

„Wenn Sie hier den Araber spielen wollen“, begann er in fließendem Englisch, „so dürfen Sie nicht vergessen, das vorgeschriebene Abendgebet abzuhalten. Kein strenggläubiger Mohammedaner vergißt das.“

Der andere spielte jedoch weiter den Taubstummen, deutete mit dem Finger auf Mund und Ohr.

Wieder lächelte der Perser.

„Mir machen Sie nichts vor!“ meinte er belustigt. „Die Flurtür in unserem Gasthause hat einen breiten Spalt, und so sah ich denn, wie Sie die Zeitungen zu sich steckten, wobei Sie sich sehr geschickt die neuesten Nummern auswählten und die älteren liegen ließen. Dies brachte mich auf die Vermutung, daß Ihr Äußeres nur eine Verkleidung ist. Hatten Sie doch unserem Wirt durch Zeichen zu verstehen gegeben, daß Sie nicht einmal die arabische Schrift lesen können. Was wollten Sie also mit den Zeitungen?! Und weiter: wenn Sie hier keinerlei Gefahr zu fürchten hätten, so wären Sie beim Einstecken der Blätter, die Sie heimlich lesen wollen, nicht mit so großer Vorsicht vorgegangen. Kurz und gut: ich halte Sie für einen Europäer, und zwar für den Angehörigen einer der beiden Zentralmächte, die sich jetzt mit dem Vierverbande im Kriege befinden.“

Aber des Arabers braunes Gesicht blieb starr und unbeweglich.

Da wurde der Perser ungeduldig.

„Wenn Sie nicht ehrlich sind, muß ich Sie der hiesigen Polizei übergeben. – Gehen Sie voran! Und – keinen Widerstand! Ich bin gut bewaffnet.

Er begleitete seine Worte mit einer Handbewegung, die auch ein Taubstummer als Aufforderung zur Rückkehr in das Europäerviertel verstehen mußte.

Doch der angebliche Beduine rührte sich nicht.

Dann fragte er plötzlich in deutscher Sprache, wobei er ganz dicht an den Teppichhändler herantrat:

„Und wer sind Sie eigentlich, mein Herr?“

Helle Freude leuchtete in den Augen des Persers auf, und fröhlich erwiderte er:

„Endlich fällt die Maske – endlich! Ich bin ein Deutscher, den die verd… Engländer acht Tage lang auf der Insel Perim eingesperrt hatten. – Ahnte ich doch, daß ich in Ihnen einen Landsmann vor mir hätte.“

„Ihre Vermutung trifft zu“, meinte der Araber, dem anderen kräftig die Hand schüttelnd. „Ich heiße Manhard, Felix Manhard. Ein bestimmter Zweck führt mich hier nach Aden in die Höhle des Löwen.“

„Albert Menke, Ingenieur“, stellte sich der jetzige Teppichhändler mit leichter Verbeugung vor, um sofort hinzuzufügen: „Jetzt wollen wir uns aber trennen. In unserer gemeinsamen Kammer können wir abends uns aussprechen. Die Engländer sind hier verdammt scharf hinter verkleideten feindlichen Staatsangehörigen her. Also ist Vorsicht geboten. Auf Wiedersehen!“

Der Perser eilte dem Europäerviertel wieder zu, und nach einiger Zeit folgte ihm auch der angebliche Beduine.

 

3. Kapitel.

Ein verhängnisvolles Wiedersehen.

In der kleinen Kammer über dem Stalle, deren ganze Einrichtung aus zwei höchst primitiven Lagerstätten bestand, tauschten die beiden Landsleute dann am Abend beim Scheine einer Laterne flüsternd ihre Erlebnisse aus.

Menke hatte bis zum Kriegsausbruch als Vertreter einer deutschen Firma in Assab (Assab ist eine Stadt in der italienischen Kolonie Erythrea am Roten Meere) den Bau einer elektrischen Kraftanlage geleitet und war dann bei dem Versuche, auf einem Küstenfahrzeuge nach der arabischen Seite des Roten Meeres überzusetzen, von einem englischen Kreuzer aufgegriffen worden, der ihn nach der Insel Perim brachte, wo man die wenigen, bisher dort internierten Deutschen und Österreicher nicht allzu scharf bewachte, so daß es ihm gelang, in einem kleinen Segelboote nach der arabischen Halbinsel überzusetzen, ohne daß diese Flucht besondere Aufregungen bot. In dem kleinen Hafen von Bekkela verschaffte er sich heimlich mit Hilfe einiger Türken, die dort als Kaufleute ansässig waren und sich des Flüchtlings in freundlichster Weise annahmen, den persischen Anzug sowie einige Ausweispapiere und schloß sich dann, versehen mit einigen Teppichen und persischen Stickereien, einer nach Aden ziehenden Karawane an, nachdem er sich seinen Vollbart abrasiert und sein Gesicht durch allerlei Pflanzensäfte noch dunkler gefärbt hatte, als dies schon von der tropischen Sonne geschehen war. Hoffte er doch, von Aden aus am leichtesten einen persischen Küstenort erreichen zu können und von da weiter über die Türkei nach Deutschland zu gelangen.

Manhard, der keinen Grund hatte, dem angeblichen Teppichhändler irgendwie zu mißtrauen, erzählte diesem ganz eingehend seine Erlebnisse.

„Bereits am zweiten Tage“, fuhr er mit der Schilderung dieses Teiles seiner Abenteuer fort, „war ich jedoch derart von Hunger und Durst entkräftet, daß ich im Schatten eines dichten Maulbeerbaumes ohnmächtig zusammenbrach. Als ich wieder zu mir kam, lag ich in dem Zelte eines kleinen Beduinenlagers, dessen Männer mich bei einer Streife nach am Strande geschwemmten Wracktrümmern zufällig gefunden und mit sich genommen hatten. Die Araber, die mich gut behandelten und sorgfältig pflegten, gehörten nicht zu einem bestimmten Stamme, sondern waren Ausgestoßene verschiedener Stämme, die in ängstlicher Abgeschiedenheit ganz für sich lebten und von einem uralten Scheich befehligt wurden, der einige Brocken Englisch verstand. Diese harmlosen, vom Schicksal tief gedemütigten Leute, die in einer Oase nicht weit von der Küste hausten, haben mich dann auf meine Bitte hin mit allem Nötigen ausgestattet, um als Araber hier auftreten zu können.

Menke, ein offenbar sehr energischer, dabei aber stets heiterer Mensch, lachte leise vor sich hin.

„Nun – Sie haben eben Glück gehabt – genau so wie ich! Zum echten Araber fehlt Ihnen doch noch verschiedenes, obwohl Ihre würdevolle Ruhe und Ihre abgemessenen Bewegungen recht gut nachgeahmt waren. Ein Glück, daß ich Ihnen bei unserer Begegnung zwischen den Handelsspeichern mit der Polizei drohte. Sonst hätten Sie wohl nicht so leicht Farbe bekannt und wir wären vielleicht noch aus gegenseitigem Mißtrauen einander an die Kehle gefahren.“

„Stimmt – ich jedenfalls!“ meinte Manhard ernst. „Als ich die ersten Worte in deutscher Sprache an Sie richtete, hielt ich mich bereit Sie niederzuschlagen, falls Sie ein englischer Polizeispitzel gewesen wären. Hierüber wollte ich Gewißheit haben. Es war ein gewagtes Spiel. Aber – hätte ich Sie als Feind erkannt, so würden Sie jetzt gebunden mit einem Knebel im Munde irgendwo an einer versteckten Stelle zwischen den Speichern liegen und ich wäre längst aus Aden heraus, – freilich nur, um in einer anderen Verkleidung bei guter Gelegenheit zurückzukehren, denn meine Freunde lasse ich nicht im Stich. Daß die Engländer nicht nur dem Fürsten und seinen Getreuen, sondern auch dem Kapitän Kruse den Prozeß machen werden, ist sicher. Vielleicht gelingt es mir, die Gefangenen irgendwie zu befreien. Sagen Sie nicht, daß dies ein unmögliches Unterfangen ist. Ich habe bereits einen bestimmten Plan. Jetzt bin ich nur hier, um zu rekognoszieren. Ich muß wissen, ob meine Freunde hier oder anderswo abgeurteilt werden sollen. Deshalb nahm ich auch die Zeitungen an mich. Ich denke, irgend etwas wird über diese Dinge darin zu finden sein. – Haben Sie vielleicht englische Blätter in den letzten Tagen gelesen?“

„Nein. Ich wagte es nicht, da ich mich dadurch zu verraten fürchtete. Ein armer persischer Händler liest keine Zeitungen.“

„Sehr richtig. – Lassen Sie uns jetzt also beim Scheine unserer Laterne die Blätter durchsehen, die ich Kuong-Li gestohlen habe.“

Der Ingenieur war es, der in der „Kalkutta-Temps“ vom 29. August, die durch irgend einen Zufall in das Gasthaus nach Aden verschlagen war, eine lange Notiz über die von dem deutschen Kapitän Kruse begünstigte Flucht des englandfeindlichen Rajahs Samataviri und seiner Anhänger aus Roxara entdeckte, in der auch das Scheitern der Brigg und die Gefangennahme der ganzen Besatzung mit Ausnahme eines Spions namens Manhard erwähnt war und wo es dann weiter hieß:

„Den Indern, besonders dem früheren Fürsten von Roxara, der drei Menschen, darunter den Gouverneur Eduard Farladay, auf grauenvolle Weise hat ermorden lassen, wird aufs strengste der Prozeß gemacht werden, ebenso dem deutschen Kapitän und seiner Tochter, die das Entkommen unserer Feinde begünstigt haben. Nachdem die notwendigen Zeugen hier eidlich vernommen sind, wird das Gericht in Aden zusammentreten. Von einer Überführung der Angeklagten von hier nach Indien nimmt man Abstand, da der deutsche Kreuzer „Emden“ die indischen Gewässer noch immer unsicher macht und man die Gefahr vermeiden will, daß das genannte deutsche Kriegsschiff die wichtigen Gefangenen womöglich befreit.“ –

Menke, der diesen Bericht seinem Gefährten vorgelesen hatte, lachte jetzt in seiner lautlosen Art vor sich hin.

„Von den Schätzen des Rajahs, die in der Nähe der Stelle auf dem Meeresgrunde ruhen, wo die „Elisabeth“ scheiterte, steht hier kein Wort“, meinte er ironisch. „Die englische Regierung ist vorsichtig. Natürlich gedenkt sie die Schätze heben zu lassen, die ihrer Ansicht nach dort liegen müssen, wo das Boot durch den Granatschuß versenkt wurde. Mögen sie nur suchen! Es war ein überaus glücklicher Gedanke von Ihnen, Herr Manhard, daß Sie dem Fürsten sehr bald, nachdem die Brigg auf die Riffe geworfen war, den Vorschlag gemacht hatten, die Kisten und Ballen mit seinen Reichtümern mit Hilfe eines Floßes[4], das mit der „Elisabeth“ durch Taue verbunden blieb und daher trotz des hohen Seeganges gelenkt werden konnte, an einer weiter nördlich gelegenen Stelle zwischen der Brandung und dem Strande der See vorläufig zu übergeben und daß dieses Geschäft längst erledigt war, als das englische Torpedoboot auftauchte. Die Herren Briten werden schön enttäuscht sein, wenn sie in den anderen Kisten, die mit dem Boot zugleich untergingen, nur wertlosen Ballastsand vorfinden.“

Manhard schwieg eine Weile und sagte dann leise:

„Ja, es ist wirklich ein Glück, daß wir die Möglichkeit haben, einen Teil der Kostbarkeiten, das heißt so viel wie nötig ist, zum Nutzen des Rajahs zu verwenden. Hierauf ist ja auch mein Plan aufgebaut. Gold und Edelsteine sind Schlüssel, die die festesten Gefängnisse öffnen.“

In noch vorsichtigerem Flüstertone sprach er weiter auf seinen Landsmann ein und entwickelte ihm alle Einzelheiten seines Vorhabens, wie er seine Freunde zu retten hoffte.

Lange noch saßen sie dann dicht nebeneinander und erwogen die ferneren Schritte, die ihr gefährliches Unternehmen nötig machte. – –

Am nächsten Morgen beglichen die beiden Deutschen bei dem Wirte ihre bescheidene Rechnung, nachdem der „taubstumme Araber“ noch seine beiden Ballen mit Datteln an einen Kaufmann losgeschlagen hatte. Dann nahm der Beduine sein Grautier am Zügel und verließ das Gasthaus des Chinesen, während der Ingenieur ihm, um jeden Verdacht der Zusammengehörigkeit zu vermeiden, erst in einer Stunde folgen sollte. Als Treffpunkt hatten sie die Stelle vereinbart, wo die nach der offenen Wüste führende Straße aus den Uferbergen heraustrat.

Manhard wanderte gemächlich durch die breite Gasse des Araberviertels. Hinter ihm trottete der magere Esel her, der jetzt nur einen gefüllten Wasserschlauch und ein kleines Bündel trug. Niemand beachtete den verkleideten Deutschen. So gelangte er unangefochten bis zu den letzten Zelten der Araberstadt.

Inzwischen war es doch bereits neun Uhr vormittags geworden. Die Straße zeigte sich äußerst belebt, da morgen in Aden großer Markt stattfand, zu dem aus den Nachbardörfern allerlei Volk schon jetzt zusammenströmte. Aber auch Soldatenabteilungen, die vom Exerzieren heimkehrten, kamen in Menge an dem Deutschen vorüber, so daß der Weg dauernd in eine graue Staubwolke eingehüllt war.

Wieder tauchte eine Infanteriekolonne indischer Kolonialtruppen auf, vor denen das Musikkorps mit seinen seltsamen Instrumenten, zumeist Flöten und Pfeifen, einhermarschierte. Unwillkürlich blieb Manhard stehen, um das Militär an sich vorüberziehen zu lassen. Die Musik spielte gerade einen bekannten amerikanischen Marsch, – „Unter dem Sternenbanner“. Liebe Erinnerungen tauchten da in dem Deutschen auf. Wie oft hatte er nicht Unter den Linden in Berlin gestanden und auf das Anrücken der Schloßhauptwache gewartet. Auch hier in Aden zog vor der Kapelle eine dichte Schar von Kindern und Erwachsenen einher. Aber – hier waren die musikbegeisterten Buben und Mädelchen sämtlich kaffeebraun und zumeist nackt, und die Erwachsenen waren Farbige, – Neger, Malaien, Araber und Vertreter anderer dunkler Völkerrassen. Dazu das Militär selbst …?! Welch’ ein Unterschied zu der strammen preußischen Garde! Von Gleichschritt, von aufrechter Haltung keine Spur. Alles machte einen bummligen, spielerischen Eindruck. – Heller leuchteten Manhards Augen im Gedanken an sein Vaterland und dessen Militärmacht auf. –

Da … wie ein Ruck ging es durch seinen Körper. Soeben waren die letzten Soldaten vorübermarschiert, und ihnen folgte eine Kavalkade berittener Offiziere. Unter diesen befand sich in der vordersten Reihe auch eine junge Dame im knapp anliegenden, hellgrauen Reitkleid.

Hochmütig hatte die blonde Engländerin bisher über die die Straßenränder umsäumenden Eingeborenen hinweggesehen. Jetzt glitten ihre Augen auch über den schlanken Araber hin, der neben seinem Grautier stand und sie neugierig zu betrachten schien. Daß Manhard bei ihrem Anblick leicht zusammenfuhr, entging ihr zum Glück. Aber sein Gesicht mußte ihr doch bekannt vorgekommen sein. Sie musterte ihn auffällig durchdringend und wandte sogar noch halb den Kopf nach ihm um.

Dem Deutschen stockte für einen Moment der Herzschlag. Würde sie ihn erkennen …?! Dann war er verloren.

Aber die Gefahr war schon vorüber. Die Reiterschar setzte, ohne anzuhalten, ihren Weg fort und war bald in den grauen Staubmassen untergetaucht.

Manhard schwang sich jetzt, indem er schnell die Erstarrung, in die ihn diese Begegnung versetzt hatte, abzuschütteln suchte, auf sein kleines Reittier und hieb ihm die Hacken in die Weichen, worauf der ob solcher groben Behandlung tief empörte Esel wie besessen davonschoß, so daß der Deutsche alle Mühe hatte, nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Eine Stunde später stieß dann der Ingenieur zu Manhard, und mit einer gewissen Besorgnis berichtete dieser nun seinem Gefährten von dem Zusammentreffen mit der jungen Engländerin, die niemand anders war als die Tochter jenes Gouverneurs Eduard Farladay, an dem der Rajah Samataviri sich wegen allerlei Schandtaten so furchtbar gerächt hatte.

„Ich habe Ihnen von dieser Ethel Farladay bisher nichts erzählt, lieber Menke“, erklärte Manhard, „da sie bei den Vorgängen in der Roxara-Bucht nur eine ganz nebensächliche Rolle spielte. Jedenfalls haßt sie mich aber glühend, und dies nicht nur, weil ich die Betrügereien ihres Vaters aufdecken half, sondern weil ihr widerspruchsvolles Herz mir in Liebe entgegenschlug und ich diese Liebe verschmähte.“

„Verflixt – dann nehmen Sie sich vor dem Weibe in acht, Landsmann!“ meinte der Ingenieur ernst. „Wenn wir nur erst außerhalb der Militärposten wären …! Vielleicht hat die blonde Schlange Sie doch erkannt.“

Menke, der ein mindestens ebenso altersschwaches Maultier ritt, wie Manhards Esel es war, schlug jetzt einen leichten Trab an.

„Ich glaube dies nicht“, erwiderte der Detektiv, indem er seinem Grautier einen Hieb mit einer vorhin von einem Strauche abgerissenen Gerte versetzte. „Trotzdem wollen wir uns möglichst beeilen. Ausgeschlossen ist es ja nicht, daß Ethel Farladay sich bald darauf besinnt, mit wem der bärtige Beduine eine entfernte Ähnlichkeit hatte und daß sie sich aus der Tatsache meiner geglückten Flucht das Richtige zusammenreimt – eben daß ich nach Aden gekommen bin, um nach meinen Freunden Ausschau zu halten.“

Eine halbe Stunde später erreichten sie den Militärposten, bei dem auch Manhard am Tage vorher seine Waffen, die ihm der Scheich der Ausgestoßenen gleichfalls zur Verfügung gestellt hatte, abgeliefert hatte. Die Rückgabe der langen Flinte und zweier Pistolen erfolgte ohne weitere Scherereien gegen Aushändigung des Quittungszettels. Menke, der ohne Waffen nach Aden gekommen war, erklärte noch dem Unteroffizier, daß sie nach Hais zu reisen beabsichtigten, wobei er das Englische absichtlich so komisch radebrechte, daß die Soldaten belustigt ihre Späße mit den beiden Händlern trieben und sie ahnungslos, welch’ seltene Vögel sie vor sich hatten, ziehen ließen.

Um die Posten zu täuschen, schlugen die Deutschen tatsächlich zuerst den Weg nach Nordwesten ein und änderten erst gegen Mittag die Marschrichtung, indem sie umkehrten und in weitem Bogen nach Osten ritten, und ein steiniges, ausgetrocknetes Flußbett dazu benutzten, um ihre Fährten nach Möglichkeit zu verbergen. Bald gönnten sie sich und den Tieren dann auch eine Ruhepause. Im Schatten einer abfallenden Geröllwand lagerten sie sich, nachdem sie nochmals von einem erhöhten Punkte aus die Wüste argwöhnisch überblickt hatten. Aber das Sandmeer lag tot und einsam da.

Erst nach mehreren Stunden rüsteten sie sich wieder zum Aufbruch, als die größte Hitze vorüber war. Wieder erstieg Manhard, nachdem den Tieren ihre Lasten aufgeschnallt waren, dieselbe Kuppe, um Ausschau nach Verfolgern zu halten, mit deren Erscheinen sie immerhin rechnen mußten. Vorsichtig schob der Detektiv nur seinen Kopf über die höchsten Geröllstücke hinaus. Schon im nächsten Augenblick prallte er erschreckt zurück. Er hatte drei Kavalleristen bemerkt, die in vollem Galopp von Nordwest, offenbar den Spuren der Flüchtlinge folgend, auf das Flußbett zugesprengt kamen.

Mit hastigen Sätzen eilte er wieder zu seinem Gefährten zurück.

„Menke – wir sind verloren! Wir werden verfolgt“, rief er ihm schon von weitem entgegen.

„Nette Geschichte!“ brummte der Ingenieur kaltblütig. „Hm – aber verloren …?! So schnell werfe ich die Flinte nicht ins Korn.“

Manhard, den weniger die Sorge um die eigene Sicherheit als vielmehr der Gedanke, daß er nach seiner Gefangennahme seinen Freunden nicht mehr helfen könne, im ersten Augenblick mutlos gemacht hatte, streckte dem Landsmann dankbar die Hand entgegen.

„Sie haben Recht! Vielleicht gibt es doch noch Mittel und Wege, um uns aus dieser Patsche zu ziehen. Lassen Sie uns zunächst unsere Tiere irgendwo verstecken. Das weitere wird sich finden. Zum Glück macht dies Flußbett ja soviel Biegungen, daß die Kavalleristen uns so bald nicht zu Gesicht bekommen werden, zumal sie in diesem Steingeröll kaum Schritt reiten können.“

 

4. Kapitel.

Im Lager der Ausgestoßenen.

Ethel Farladay, die zusammen mit ihrem Vetter, dem Hauptmann Percy Farladay, von Bombay nach Aden gekommen war, um hier persönlich als Zeugin gegen die Angeklagten auftreten zu können, hatte bei General Hamilton, einem alten Bekannten ihres der Rache des indischen Fürsten zum Opfer gefallenen Vaters, Unterkunft gefunden.

Tatsächlich war ihr in dem Gesicht des braunen Arabers, den sie am Rande des Weges bemerkt hatte, irgend eine Ähnlichkeit aufgefallen. Nur konnte sie sich im Augenblick nicht darauf besinnen, wem der bärtige Beduine glich. Nachdenklich ritt sie weiter neben Hauptmann Beresley, dem Adjutanten des Generals, her, so daß diesem bald ihre veränderte Stimmung auffiel. Auf seine besorgte Frage hin erwiderte sie ausweichend, daß ein Mensch, der soviel Furchtbares erlebt habe wie sie in der letzten Zeit, notwendig trüben Stimmungen unterworfen sei.

In ihrem luxuriös ausgestatteten Gastzimmer angekommen, ließ sie sich von ihrer Jungfer beim Umkleiden helfen und begab sich dann hinab in das Speisezimmer zum Frühstück.

Dort traf sie mit dem General und dessen Gattin zusammen, und nach der ersten Begrüßung begann Hamilton ihr sofort zu erzählen, daß die beiden Torpedoboote, die man, ausgerüstet mit Taucherapparaten, zum Heben der Schätze des Rajahs ausgeschickt hätte, heute morgen unverrichteter Sache zurückgekehrt seien.

„Mithin ist klar, daß die Kleinodien dieses indischen Halunken anderswo versenkt worden sind, um sie uns zu entziehen“, fuhr er erregt fort. „Leider besteht auch wenig Hoffnung, daß wir je in ihren Besitz gelangen werden, da die Gefangenen sich die Wahrheit nie erpressen lassen werden. Immerhin habe ich nunmehr jede Rücksicht gegen diese Leute fallen lassen und Befehl gegeben, sie in jenes kleine Gefängnis zu überführen, das östlich der Araberstadt auf einem kahlen Felsen liegt und dem wir hier den Namen die „Bleikammern von Venedig“ gegeben haben, weil in dem langgestreckten Holzgebäude ständig eine wahre Siedehitze herrscht, die schon manchen hartnäckigen Sünder zu einem Geständnis veranlaßt hat, falls er nicht eben schon vorher am Hitzschlag einging oder den Verstand verlor.“

Ethel Farladay lächelte grausam.

„Für diese Mörder ist keine Strafe hart genug“, sagte sie schneidend, um nach einer Weile hinzuzufügen: „Vielleicht läßt sich aber auch mit List etwas erreichen, falls auch dieses „warme“ Mittel nichts verschlagen sollte.“

Nachdenklich blickte sie vor sich hin, während in ihren Augen das Feuer des Hasses wie eine verzehrende Flamme aufglomm. Ihre Gedanken beschäftigten sich mit jenen Tagen, als sie noch gehofft hatte, den schlanken Deutschen, dessen äußere Erscheinung ihr Gefallen ebenso sehr erregt hatte, wie seine selbstbewußte energische Art, für immer an sich zu fesseln. Felix Manhards Liebe zu erringen war ihr heißes Bestreben gewesen. Als sie dann aber erkennen mußte, daß er sie verschmähte, und weiter der Verdacht in ihr auftauchte, seine Neigung könne der blonden Tochter des Kapitäns Kruse sich zugewandt haben, da gab sie sich willig dazu her, den angeblichen deutschen Spion überführen zu helfen.

Diese unwillkürliche, so rege Beschäftigung mit der Person des Mannes, dem ihr eitles Herz einst in Sehnsucht entgegengeschlagen hatte, rief ihr auch notwendig seine Gestalt und seine Gesichtszüge mit aller Deutlichkeit ins Gedächtnis zurück. Plötzlich durchzuckte es sie wie eine Erleuchtung. Sie sprang auf und rief unvermittelt, ihren Gedanken laut Ausdruck gebend:

„Der Araber am Straßenrande war Manhard!“

General Hamilton hatte ebenso wie seine Gattin zunächst überrascht aufgeschaut. Dann aber erinnerte er sich schnell daran, daß ja jener bei der Strandung der Brigg entwichene Deutsche Manhard hieß. Und mit regem Interesse fragte er hastig:

„Ein Araber – und Manhard? Was meinen Sie damit, liebe Ethel.“

Die Tochter Eduard Farladays stand jetzt wie eine Rachegöttin mitten im Zimmer. Ihre Augen flackerten triumphierend, als sie nun in sich überstürzenden Worten ihr Erlebnis bei der Heimkehr von dem Reitausflug schilderte und dann die feste Überzeugung aussprach, daß jener Deutsche sich in der Verkleidung eines Beduinen nach Aden eingeschlichen habe.

Hamilton erhob sich erregt.

„Also ein Araber mit einem bepackten Esel“, sagte er hastig. „Er soll uns nicht entgehen. – Die Damen entschuldigen mich. Ich werde sofort die Polizei verständigen lassen und auch telephonisch bei allen Außen- und Innenwachen anfragen. Auf jede Minute kommt es an. Den Kerl müssen wir haben!“

Fünf Minuten später meldete der Posten an der Wüstenstraße, daß ein Araber, auf den die Beschreibung passe, in Begleitung eines Persers vor etwa zwei Stunden den Weg nach Hais eingeschlagen habe. Und wieder eine Viertelstunde später sprengten schon zahlreiche Kavalleriepatrouillen nach allen Seiten in das Sandmeer der Wüste hinaus.

* * *

Manhard und sein Gefährte hatten beim Suchen nach einem Versteck für ihre Tiere Glück gehabt. Von dem steinigen, ausgetrockneten Flußbett zweigte sich nach Norden hin eine von dichtem Gestrüpp bestandene Schlucht ab, in der die beiden Deutschen bald eine ziemlich unzugängliche Stelle fanden, die sich für ihre Zwecke sehr gut eignete.

Nachdem sie so für die Sicherheit ihrer vierbeinigen Begleiter gesorgt hatten, schlichen sie, stets auf dem Boden entlang kriechend, über den zwischen der Schlucht und dem diesseitigen Rande des Flußbettes liegenden Sandstreifen der Wüste hinweg und hielten dann von oben Umschau nach ihren Verfolgern.

Diese hatten sich, wie sie zu ihrer Freude sofort bemerkten, geteilt. Zwei Mann kamen soeben, die Karabiner schußfertig in den Händen, in der Geröllrinne unten entlang. Offenbar hatten sie ihren dritten Kameraden mit den drei Pferden mehr oberhalb in dem Flußbett zurückgelassen, da dieses infolge der den Boden bedeckenden Felstrümmer für Reiter kaum passierbar war.

Manhard war es, der dem Ingenieur nun sofort einen Vorschlag machte, wie man sich der Pferde bemächtigen könne, die ihnen dann die Möglichkeit für eine aussichtsreiche weitere Flucht geben würden.

Menke hatte gegen den waghalsigen Plan nichts einzuwenden, bei dessen Durchführung der im Anschleichen geübtere Detektiv die Hauptrolle übernahm.

Vorsichtig und doch so schnell als es nur anging bewegten sie sich jetzt am Rande des ziemlich schroff abfallenden, talähnlichen Flußbettes entlang, bis sie den Soldaten bemerkten, der sich unten im Grunde auf einen Felsblock gesetzt hatte, den Karabiner schußfertig über die Knie hielt und aufmerksam nach der Richtung hin beobachtete, in der seine Kameraden verschwunden waren. Die drei Pferde hatte er etwa zehn Schritte seitwärts mit zusammengebundenen Zügeln im Schatten der Talwand aufgestellt, wo sie jetzt mit hängenden Köpfen teilnahmslos dastanden. –

Eine geraume Weile verstrich. Dann erhob der Soldat sich plötzlich und schaute mißtrauisch nach vorwärts, wo Menke soeben aufgetaucht war und nun langsam und scheinbar völlig ermattet auf den Kavalleristen zuschritt, dessen Aufmerksamkeit durch diese an sich recht plumpe List völlig von dem hinter ihm liegenden Teile des Flußbettes abgelenkt war.

Gleichzeitig mit Menke schob sich der Detektiv, der in weitem Bogen in den Rücken des Soldaten gelangt war, immer näher heran. Die letzten Schritte legte er in aufrechter Stellung zurück, um jeden Moment zuspringen zu können, falls der Posten sich wider Erwarten umdrehen sollte.

Dann ein Satz, und zwei Hände legten sich wie eiserne Klammer um den Hals des völlig Überrumpelten, dem im ersten Schreck auch der Karabiner entglitt. Im Nu war er mit den Lederzügeln, die Menke von dem Sattelzeuge des einen Pferdes abschnitt, gebunden, und ein Tuchfetzen als Knebel hinderte ihn auch daran, seine Kameraden zur Hilfe herbeizurufen. Wie ein Bündel wurde der Soldat dann abseits in den Schatten getragen und dort niedergelegt.

Hoch zu Roß entfernten die beiden Deutschen sich dann nach Westen zu, indem sie auch das dritte Pferd und sämtliche Waffen des Gefesselten mit sich nahmen. Und keine zehn Minuten nachher hatten sie glücklich die Wasserschläuche ihrer bisherigen Reittiere an sich gebracht und den Esel und das Maultier aus dem Versteck herausgejagt, um sie ihrem weiteren Schicksale zu überlassen. Die beiden Soldaten sahen sie nicht. Offenbar hatten diese inzwischen bereits die Schlucht abgesucht und verfolgten jetzt weiter das Flußbett nach Osten zu.

Menke, der hier in dem Südwestzipfel der arabischen Halbinsel ganz gut Bescheid wußte, machte jetzt den Führer. Die Flüchtlinge schlugen zunächst eine fast nördliche Richtung ein und bogen erst gegen Abend wieder scharf nach Osten ab. Erst gegen zehn Uhr, als schon die Sterne am nächtlichen Firmament erschienen waren, schlugen sie ihr Lager am Rande eines kleinen, salzigen Wasserbeckens auf, tränkten die Pferde aus den Schläuchen, reichten ihnen Datteln und unterwegs gesammeltes Gras als Futter und hielten selbst eine recht bescheidene Mahlzeit ab, die aus Hirsekuchen und Datteln bestand.

Erst nach zwei weiteren Tagesritten wagten sie es, sich der Meeresküste wieder zu nähern. Das Städtchen Haura, welches zahlreiche englische Handelsniederlassungen besitzt, umgingen sie im großen Bogen. Und wieder einen Tag später betraten sie das Gebiet des Sultanates Hadramaut, das zu den fruchtbarsten Teilen Südarabiens gehört.

Für den Detektiv war es nachher, als man die dichter besiedelten Teile des Sultanats hinter sich hatte, keine leichte Aufgabe, sich nach der kleinen Oase hinzufinden, in der der Stamm der Angestoßenen hauste. Aber er hatte sich kluger Weise bei seiner vor zwei Wochen unternommenen Wanderung nach Aden gewisse auffällige Kennzeichen gemerkt, so daß die beiden Deutschen am zehnten Tage wohlbehalten, wenn auch nach einigem zunächst ergebnislosen Umherirren, das Zeltdorf der Beduinen erreichten, wo deren ehrwürdiger Scheich, der mit seinem wallenden weißen Barte und dem hellen Burnus wie ein biblischer Prophet aussah, sie freundlich willkommen hieß und ihnen ein leeres Zelt neben dem seinigen als Wohnung anwies.

Gleich am ersten Abend rückte Manhard dem Scheich gegenüber mit seinem Vorhaben heraus, indem er diesen bat, ihm bei der Bergung der Schätze des Rajahs mit allen Männern des Stammes zu helfen und die Kleinodien selbst vorläufig in Verwahrung zu nehmen.

Der Scheich, dem Manhard eine hohe Belohnung versprach, war sofort einverstanden. In feierlicher Weise wurde dann der Vertrag durch einen Eid und Abschluß der Blutsbrüderschaft zwischen den beiden Deutschen und sämtlichen erwachsenen Männern der Ausgestoßenen besiegelt.

Sofort begann man nun mit den Vorbereitungen zu der Reise nach dem einsamen Küstenstrich, in dessen Nähe die Brigg zugrunde gegangen war. Der Stamm verfügte über einige fünfzig Kamele, die sämtlich mit Proviant, Wasserschläuchen und langen, festen Stricken, die zum Teil erst aus dem Baste der Dattelpalme geflochten werden mußten, beladen wurden. Außerdem fertigten die Araber auf Manhards Geheiß scharfe, starke eiserne Doppelhaken an, die mit einer Öffnung zum Befestigen der Stricke versehen waren.

Immerhin konnte man, obwohl die Deutschen sehr zur Eile mahnten, erst am dritten Tage aufbrechen. Aber nachher bei der Ankunft an dem Punkte der Küste, der der Strandungsstelle der „Elisabeth“ am nächsten lag, war ihnen das Glück insofern hold, als das Meer seit Tagen völlig ruhig dalag, so daß die Bergungsarbeiten unverzüglich begonnen werden konnten.

Aus den inzwischen angeschwemmten Holzteilen der Brigg wurden mehrere Flöße zurechtgezimmert, die Manhard dann nach der Stelle zwischen dem Strande und der Riffreihe hindirigierte, wo die Kisten und Ballen damals versenkt worden waren. Einige der Ausgestoßenen, die sich früher zeitweise ihren Lebensunterhalt als Perlenfischer verdient hatten und daher ausdauernde Taucher waren, mußten die Haken an den Kisten und Ballen befestigen, so daß deren Herausholen aus dem Wasser weiter keine Schwierigkeiten bereitete. Im Laufe eines Tages gelang es so, die fünf Kisten und die sieben in Leder eingenähten Ballen zu bergen. Und schon eine Stunde nach Herausschaffen der letzten Kiste verließ die Karawane bei einbrechender Dunkelheit wieder die Küste und wandte sich dem Binnenlande zu, nachdem sorgfältig am Strande und in der nächsten Umgebung alle Spuren der Anwesenheit einer größeren Anzahl von Leuten und Tieren an dieser Stelle verwischt worden waren.

Unangefochten langten die Schar der Beduinen und ihre weißen Freunde mit den wertvollen Kamelladungen wieder in der Oase an, wo dann die Kisten und Ballen geöffnet wurden und Manhard ein genaues Verzeichnis der vorhandenen Kostbarkeiten aufstellte. Der Scheich erhielt als Belohnung für sich und die Seinen hundert indische Goldmünzen, die einen Wert von etwa zehntausend Mark darstellten und den bisher armen Stamm plötzlich mächtig machten, da die Ausgestoßenen nun in der Lage waren, sich moderne Feuerwaffen anzuschaffen, deren Wert sie sehr wohl zu schätzen wußten und mit deren Hilfe sie jeden Feind von sich abzuwehren vermochten.

Die sorgfältig wieder verschlossenen Kisten und Ballen, denen Manhard nur noch eine größere Anzahl loser, aber sehr kostbarer Edelsteine entnommen hatte, wurden dann in der Nacht an einer nur dem Scheich und den beiden Deutschen bekannten Stelle eines nahen Felsentales in einer Höhle versteckt, von deren Vorhandensein nur Omar ben Salek etwas wußte. – –

Soweit hatten sich also Manhards Pläne ohne Mühe ausführen lassen. Nun begannen aber die größeren Schwierigkeiten, die darin bestanden, daß Mittel und Wege gefunden werden mußten, um die beiden Deutschen unerkannt wieder nach Aden hineinzuschmuggeln.

Da war es des Scheichs jüngster Sohn, ein Mann von einigen dreißig Jahren und ein recht verschlagener Kopf, der die einzige Möglichkeit fand, wie das gefährliche Unternehmen glücken könne.

Manhard und der Ingenieur waren sich schnell darüber klar, daß Ibrahim ben Saleks[5] Vorschlag tatsächlich Aussicht auf einen vollen Erfolg bot. So verließen denn an einem Morgen vier Araber, unter ihnen auch der Sohn des Scheichs, mit sieben Last- und vier Reitkamelen die Oase und schlugen den Weg nach Westen ein. Das stärkste der Lastkamele trug einen sog. Tachtirwan, eine Art Laube mit Vorhängen aus Leder, in dem die Beduinen auf längeren Reisen nach den Städten ihre Frauen mit sich zu nehmen pflegen.

 

5. Kapitel.

Haß und Liebe.

Eine Woche nach dem glücklichen Entweichen Manhards und seines Gefährten aus Aden suchte Ethel Farladay[6] den General in dessen Arbeitszimmer auf, um ihm ihre Hilfe zur Entdeckung des Ortes, wo die Schätze des Rajahs versteckt worden sein mußten, anzubieten.

Hamilton, der das Interesse des jungen Mädchens für diese Angelegenheit darauf zurückführte, daß diese in dem Fürsten den Mörder ihres Vaters mit glühender Seele haßte, hörte ihr gespannt zu, wie sie ihm nun einen Plan entwickelte, der unschwer durchzuführen war und auch, richtig eingeleitet, guten Erfolg versprach.

Der General, bei Erreichung seiner Ziele stets gewissenlos wie ein echter englischer Diplomat, drückte Ethel anerkennend die Hand und sagte mit Eifer:

„Sie haben Recht, Ethel. Wir müssen zu diesem Mittel greifen, um die Millionen des Rajahs für England zu erringen. Ist doch der zweite Versuch, die Schätze an der Strandungsstelle zu finden, ebenso ergebnislos wie der erste verlaufen.“

* * *

Senta Kruse hatte in dem gefürchteten Gefängnis Adens, das, wie schon erwähnt, mit grausamem Spott „die Bleikammern Venedigs“ genannt wurde, eine Zelle neben der ihres Vaters zugewiesen erhalten.

In dem aus Holz errichteten Gebäude, dessen Dach aus Wellblech bestand und das mit einem hohen Zaun umschlossen war, herrschte Tag und Nacht in den engen Zellen, deren Wände mit starken Eisenplatten benagelt waren, eine beinahe zum Wahnsinn treibende Hitze. Die junge Deutsche war daher auch sehr bald, obgleich ihr Körper ziemliche Widerstandskraft besaß, in einen Zustand völliger Mattigkeit und gänzlicher Teilnahmlosigkeit verfallen. Hätte nicht die Frau des Gefangenaufsehers, eines rothaarigen, kräftigen Irländers, ihr durch heimliches Zureichen kühler Getränke einige Linderung verschafft, so wäre sie wohl sehr bald ein Opfer dieses Schreckenshauses geworden.

Jetzt lag das junge Mädchen mit halb geschlossenen Augen auf der hölzernen Pritsche und dämmerte in einer Art Halbschlaf dahin. Halb träumend, halb wachend zeigte ihr Geist ihr die verschiedensten Bilder, die sich mit unauslöschlicher Deutlichkeit in ihre Seele eingeprägt hatten. Erinnerungen an einzelne besonders glückliche Stunden in der Bucht von Roxara waren es zumeist, die sie umgaukelten und bei denen stets Felix Manhard die Hauptrolle spielte.

Daß sie den Landsmann, der damals unter so merkwürdigen Umständen auf die Brigg ihres Vaters gekommen war, innig liebte, wußte sie längst. Und täglich beschäftigte sie sich seit ihrer Gefangennahme mit der Frage, wo der heimlich Geliebte jetzt wohl weilen möge. Daß er damals am Strande den Verfolgern entkommen war, hatte sie ja von der gutmütigen, mitleidigen Frau des Gefangenaufsehers erfahren, die häufiger zu ihr in die Zelle kam, um mit der einzigen weiblichen Insassin dieses furchtbaren Hauses zu plaudern. –

Senta schreckte auf. Die Riegel an der Tür waren zurückgeschoben worden, und Frau Holliday trat ein.

Sie nickte ihrem Günstling freundlich zu und reichte ihr eine geschälte Orange, indem sie ärgerlich sagte:

„Doktor Walltroop ist ein Menschenschinder. Ich sagte ihm, daß er die Verantwortlichkeit für den Gesundheitszustand der Gefangenen trüge und wie schlecht es Ihnen gehe, armes Kind. Er zuckte die Achseln und erklärte, er wolle nächste Woche wiederkommen. Diese Engländer sind alle gleich, alle. Wir Irländer lieben sie nicht. Im Gegenteil, viele unter uns wünschen, daß Deutschland in diesem Kampf siegen möge, damit unsere schöne Insel wieder ein selbständiger Staat werde. – Aber essen Sie doch die Orange, arme Kleine. Sie haben eine Erfrischung wirklich nötig.“

Senta zerteilte langsam die Frucht und schob die Stücke mit sichtlichem Behagen in den Mund.

Frau Holliday plauderte indessen weiter.

„Mein Mann und ich haben uns schon überlegt, wie wir Ihnen wenigstens für die Nacht eine bessere Unterkunft besorgen können. Wie Sie wissen, liegen unsere Wohnräume im Keller und sind hübsch trocken und kühl. Sie sollen also fortan nachts in der kleinen Stube neben unserer Küche schlafen. Eine Revision des Gefängnisses durch einen der Offiziere der Besatzung findet ja nur höchst selten statt. Werden wir wirklich einmal überrascht, so sage ich einfach, Sie hätten soeben einen Ohnmachtsanfall gehabt und ich mich daher verpflichtet gefühlt, Sie aus der stickigen Zelle zu entfernen. Die beiden Unteraufseher haben auf diesem Flur ja nichts zu suchen und werden daher kaum etwas merken. Außerdem drücken sie einer Dame gegenüber schon ein Auge zu, besonders wenn sie noch zuweilen eine Kleinigkeit zu einem kräftigen Trunk erhalten.“

Frau Holliday schaute dabei auf des jungen Mädchens linke Hand, an der zwei Ringe mit wunderschönen Perlen matt glänzten.

Senta verstand den Wink. Daß man ihr den Schmuck belassen hatte, war sicher nur aus Versehen geschehen und nicht etwa aus Ritterlichkeit. Sofort streifte sie einen der Ringe vom Finger und reichte ihn Frau Holliday hin.

„Nehmen Sie ihn und verkaufen Sie ihn für mich“, sagte sie schnell. „Das Geld behalten Sie bitte und teilen Sie es mit den Unteraufsehern. In anderer Weise kann ich Ihnen ja leider meine Dankbarkeit nicht ausdrücken.“

Die Frau ließ den Ring in ihrer Tasche verschwinden.

„Vielleicht läßt es sich einrichten, daß Sie auch am Tage zuweilen sich unten bei uns aufhalten“, sagte sie nachdenklich. „Ich muß doch nochmals mit meinem Manne sprechen.“

Dann fiel ihr etwas Anderes ein.

„Denken Sie, Miß Kruse, gestern erzählte mir einer der Schreiber aus dem Bureau des Generals Hamilton, daß man hier in der Stadt Ihren Bekannten, den Master Manhard, gefangen genommen hat. Er war als Araber verkleidet und soll nun als deutscher Spion schon morgen vor ein Kriegsgericht gestellt werden.“

Senta entfielen die Reste der Orange. Leichenblaß starrte sie Frau Holliday aus weiten, entsetzen Augen an.

„Manhard … gefangen?“ stotterte sie.

„Ja. Aber niemand darf etwas davon wissen, eben weil es sich um einen Spion handelt. – Aber wie sehen Sie nur aus, arme Kleine? Hat die Nachricht Sie so sehr erschreckt?“

Das junge Mädchen nahm sich zusammen und blickte die Frau des Aufsehers, scheinbar schon wieder ganz gefaßt, mit gut gespielter Gleichgültigkeit an.

„Sie dürfen nicht vergessen“, meinte sie tapfer, „daß die letzten Wochen meiner Gesundheit einen bösen Stoß versetzt haben. Nie habe ich gewußt, was Nerven sind. Jetzt schrecke ich bei dem geringsten Geräusch zusammen. – Aber – erzählen Sie mir doch Näheres über Manhards Verhaftung.“

Frau Holliday, die nicht ahnte, daß sie nur ein Werkzeug Ethel Farladays war, berichtete ganz eingehend, was ihr der listige Schreiber unter dem Siegel tiefster Verschwiegenheit nur zu dem Zweck erzählt hatte, damit es durch sie an die junge Deutsche weitergelange. Es war ein ganzes Märchen mit allerlei Einzelheiten, und Senta zweifelte keinen Augenblick an dessen Wahrheit.

Draußen im Gange wurden schwere Schritte vernehmbar, und die Irländerin eilte mit einem halb ängstlichen: „Es ist mein Mann“ zur Zelle hinaus. –

Holliday, ein untersetzter, stiernackiger Bursche von einigen vierzig Jahren, winkte seiner Ehehälfte zu und sagte dann leise, als sie dicht vor ihm stand:

„Sei vorsichtig, Bessie! Der alte Schnüffler, der Roswell, ist schon wieder da und sitzt unten in unserer Wohnstube bei einem Glase Gin, das ich ihm einschenken mußte. Wenn er merkt, daß Du so viel mit der Deutschen zusammensteckst, kriegen wir sicher Scherereien.“ –

Als Frau Holliday dann den Schreiber begrüßte, war sie doch etwas befangen. Um dies zu verbergen, begann sie sofort von allem möglichen zu plaudern, und Roswell ließ sie auch eine Weile ruhig schwatzen. Dann aber brachte er sie sehr geschickt auf das Thema, das ihm ausschließlich wichtig war. Und ohne daß die Irländerin es merkte, hatte er ihr in kurzer Zeit herausgelockt, was er wissen wollte.

So konnte er denn General Hamilton eine halbe Stunde später melden, daß Senta Kruse zur Zeit fest davon überzeugt sei, Felix Manhard weile als Gefangener in den Kasematten des Hafenforts von Aden.

Und schmunzelnd gab der Befehlshaber der Felsenfeste diese Nachricht gleich darauf an Ethel Farladay weiter. Diese meinte darauf mit einem Lächeln des Hasses, das ihr Antlitz zu einer häßlichen Fratze verzerrte:

„Dann werde ich mich morgen zu der Deutschen begeben. Jetzt wird sie dem, was ich ihr mitzuteilen habe, eher Glauben schenken, als wenn ich es gewesen wäre, die ihr die Kunde von der Gefangennahme des gefährlichen Spions überbracht hätte. Nunmehr kann kaum der Verdacht in ihr entstehen, ich wolle sie hintergehen, um sie meinem Vorschlage gefügiger zu machen.“

Der General blickte die Tochter seines verstorbenen Freundes mit einer gewissen Hochachtung an. Wie unweiblich ihre Handlungsweise war und welch’ schlechtes Licht diese Geschehnisse auf ihren Charakter warfen, kam ihm gar nicht zum Bewußtsein.

* * *

Ethel Farladay und Senta Kruse standen sich in der engen, stickend heißen Zelle gegenüber. Aber während die Deutsche die Besucherin mit feindseligen Blicken maß, lag in den Augen der Tochter des einstigen Gouverneurs des Roxara-Distriktes ein Ausdruck von warmem Mitleid und herzlicher Anteilnahme.

„Schauen Sie mich nicht so an, als sei ich Ihre erbitterte Gegnerin“, begann Ethel dann mit anscheinend bewegter Stimme. „Ich komme nicht zu Ihnen, um mich an Ihrem Unglück zu weiden, Miß Kruse, wirklich nicht!“

Sie streckte der Gefangenen die feinbehandschuhte Rechte freundlich entgegen, und das harmlose Kind des von England so oft hintergangenen Deutschlands legte zögernd ihre zarten Finger in die der Verräterin.

„Was führt Sie zu mir?“ fragte Senta dann, mühsam ihre Tränen zurückdrängend, da gerade die junge, vornehme Engländerin in ihr die Erinnerung an die glücklichen Tage in der Perlen-Bucht wachgerufen hatte.

„Die Sorge um das Leben Felix Manhards“, erwiderte Ethel leise. „Denn er ist in erster Linie gefährdet. Man hält ihn für einen Spion, und seine Richter wollen sich dies nicht ausreden lassen.“

Sie machte eine kleine Pause und fuhr dann fort, indem sie der verhaßten Feindin fast zärtlich die Hand leicht auf die Schulter legte:

„Erschrecken Sie nicht, Miß Kruse. Ich bringe eine traurige Nachricht: Manhard ist hier in Aden in der Verkleidung eines Arabers entdeckt und gefangengenommen worden. Heute früh fand die Sitzung des Kriegsgerichtes statt. Man hat ihn als Spion zum Tode verurteilt.“

Senta taumelte nach rückwärts gegen die Wand. Und sicher wäre sie zu Boden gesunken, wenn nicht Ethel Farladay sie gestützt und dann zu dem Schemel geführt hätte, auf den das arme junge Weib kraftlos niederfiel.

Lange dauerte es, bis sie sich unter Ethels heuchlerisch liebevollem Zuspruch soweit erholt hatte, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Aber dieser erste Gedanke war leider auch die Erkenntnis, daß die Urteile an Spionen stets sehr schnell vollstreckt zu werden pflegten. Und daher formten auch ihre blassen Lippen als erste Worte nach der schweren, seelischen Erschütterung die Frage:

„Ich flehe Sie an – sagen Sie mir die Wahrheit, Miß Farladay: wie lange hat Manhard noch zu leben?“

Ethel merkte, daß sie siegen würde. Dieses von Liebe erfüllte Mädchenherz würde alles tun, um den Mann ihrer Wahl zu retten. – In gutgespieltem Mitleid beugte sie sich über die junge Deutsche und streichelte ihr begütigend das volle, blonde Haar.

„Noch ist nicht alles verloren, armes Kind“, sagte sie leise. „Wenn Sie sich entschließen könnten dem Kommandanten von Aden, General Hamilton, den Ort zu nennen, wo die Schätze des Rajahs Samataviri versenkt worden sind, so ist Manhards Leben gerettet, ebenso auch das des Fürsten. Desgleichen wird auch die Strafe für Ihren Vater bedeutend milder ausfallen. Weigern Sie sich aber, so kann auch mein Einfluß auf den General, der ein alter Freund meines Vaters ist, Manhards und des Rajahs Schicksal nicht mehr ändern, und ersterer wird morgen früh erschossen werden.“

Senta schluchzte verzweifelt auf.

„Und wenn ich die Stelle angebe“, sagte sie mit halb erstickter Stimme, „– wer bürgt mir dafür, daß man meinen Landsmann schont?! Und – wie kommen gerade Sie dazu, Miß Farladay, für einen Deutschen die Fürsprecherin zu machen?!“

Ethel merkte, daß ein unbestimmtes Mißtrauen in ihrer Feindin wach geworden war. Es galt also, diese Regung schnell zu zerstreuen. So nahe am Ziel durfte ihr ganzer Plan nicht in Scherben gehen. Nur ein Mittel gab es, Senta von der Aufrichtigkeit ihrer Absichten zu überzeugen: Sie mußte der jungen Deutschen Beweggründe für ihr Verhalten nennen, die gerade dieses harmlose Kind als wahr hinnehmen würde, weil es selbst die Allgewalt der Liebe jetzt kennengelernt hatte.

Und so sagte sie denn, indem sie Sentas Hände zwischen die ihren nahm und leise drückte:

„Ich will Ihnen einen Einblick in mein Innerstes gönnen, Sie liebes Kind. Hören Sie denn: Ich habe Manhard einst geliebt, habe gehofft, daß ich Gegenliebe finden würde. Aber ich täuschte mich. Es kam zwischen mir und Manhard zu einer langen, gründlichen Aussprache in jener Nacht, als ich die Schrecken der Tropfstein-Höhlen von Roxara kennen lernte und mein Vater vor der giftigen Kobra des Fakirs ein halb erzwungenes Bekenntnis seiner Schuld ablegte. Jene Aussprache zeigte mir erst, welch vortrefflicher Charakter Manhard war. Er schied von mir als mein Feind. Vergebens suchte ich ihn davon zu überzeugen, daß ich stets nur sein Bestes gewollt hatte. Der Schein war gegen mich. Aber ich denke noch heute an ihn als an einen Menschen, dem ich ohne Zögern die Hand zum Lebensbunde gereicht haben würde. Freilich – die Liebe habe ich mir aus dem Herzen gerissen. In meinen Gedanken lebt er weiter als mein Freund, dem ich jetzt dadurch, daß ich mithelfe sein Leben zu retten, den Beweis erbringen möchte, wie Unrecht er mir einst getan hat. Deshalb habe ich so lange den General, der mir ein zweiter Vater geworden ist, mit Bitten bestürmt, bis er Manhards Leben zu schonen versprach, falls Sie eben die eine Bedingung erfüllen.“

Senta erhob sich rasch.

„Gut – ich will! Mag der General mir sein Ehrenwort geben, daß Manhard nicht erschossen wird, so nenne ich ihm den Ort, wo die Schätze des Fürsten liegen.“

Ethel Farladay schlang die Arme um ihre Feindin und flüsterte scheinbar in tiefer Rührung:

„Wie soll ich Ihnen danken, Senta?! Jetzt endlich wird Manhard einsehen, daß ich wirklich seine Freundin bin.“

Eine halbe Stunde später betrat General Hamilton die Zelle der jungen Deutschen. Seinen Adjutanten ließ er draußen im Gange warten.

Nach wenigen aufklärenden Worten sagte er, indem er sich vor der Gefangenen leicht verbeugte:

„Mein Ehrenwort, Miß Kruse, daß dieses Todesurteil an Manhard nicht vollstreckt werden und daß Ihr Vater und der Fürst sehr milde Richter finden wird! – Genügt Ihnen diese Art der Versicherung?“

„Von einem Offizier – ja!“ erklärte Senta vertrauensvoll.

„Und die Schätze des Rajahs?“ fragte Hamilton schnell.

„Sie liegen etwa zweihundert Meter nördlich der Strandungsstelle der Brigg am Innenrande der Riffreihe. Dorthin wurde das schnell zusammengezimmerte Floß dirigiert, auf dem die Ballen und Kisten festgebunden waren und das durch mehrere aneinandergebundene Taue mit dem Wrack in Verbindung blieb, um die drei auf dem Floß befindlichen Inder, die die kostbare Ladung versenken sollten, wieder an Bord zurückbringen zu können.“

„Da hätten wir allerdings lange suchen müssen!“ dachte Hamilton froh. – Laut aber sagte er:

„Ich habe die Ehre mich Ihnen zu empfehlen, Miß Kruse.“

Dann schlug die Zellentür hinter ihm zu.

 

6. Kapitel.

Suleimah.

Frau Holliday rüstete sich zum Gange nach dem Araberviertel, um dort Geflügel und Hülsenfrüchte für die Küche einzukaufen.

Der hohe Zaun, der oben noch eine Reihe starker Stacheldrähte trug, hatte nur eine Ausgangstür, neben der ein kleines Wachthaus stand, in dem der Posten untergebracht war, dem die Überwachung des Gefängnishofes oblag. Er zählte einen Unteroffizier und sechs Mann, von denen einer den Schließerdienst an der Eingangspforte zu versehen hatte, während zwei Leute ständig um das langgestreckte Gebäude innerhalb des Zaunes die Runde machten.

Frau Holliday sprach noch mit dem Unteroffizier ein paar Worte und trat dann auf die einsame Straße hinaus, die von dem gefürchteten Gefängnis nach der Stadt führte.

Kaum hatte sie dann die breite Gasse des Araberviertels betreten, als ihr schon eine Eingeborene begegnete, die auf dem Rücken einen großen, weitmaschigen Geflügelkorb trug und in gebrochenem Englisch durch den Ruf: „Hühner, junge Hühner, und Eier von heute!“ Käufer anzulocken suchte.

Die Beduinin gehörte offenbar einem jener Stämme an, die die strengen Gebote des Islam noch aufs genaueste befolgen. Sie trug ein weißes, mantelähnliches Gewand mit einer breiten, roten Kante, das ihre Gestalt völlig verhüllte und nur die Ledersandalen sehen ließ, in denen die nackten, braunen Füße steckten. Der untere Teil des Gesichtes war bis zu den Augen durch ein schleierähnliches Tuch bedeckt, welches auch den Kopf, turbanartig geschlungen, vor den Sonnenstrahlen schützte. Die Augenbrauen waren ausgerissen, und dafür zwei dicke rote Striche hingemalt; ähnliche drei Längsstriche waren auch auf der Stirn zu sehen. – Frau Holliday lebte bereits lange genug in Arabien um zu wissen, daß diese merkwürdige Art der Verschönerung bei einigen Araberstämmen des Sultanates Hadramaut für alle verheirateten Frauen Vorschrift ist. Als sie nun die Beduinin nach dem Preise des Geflügels fragte, war sie freudig überrascht über die geringe Forderung, die die Araberin stellte. Trotzdem feilschte sie nach alter Gewohnheit noch so lange um den Preis, bis die Verkäuferin beinahe bis auf die Hälfte des wirklichen Wertes der Hühner hinunterging. Unter diesen Umständen entschloß Frau Holliday sich, der Beduinin sämtliche Waren, auch die Eier, abzunehmen. Sie hieß die Händlerin ihr zu folgen, erledigte noch schnell ihre anderen Besorgungen und nahm die Araberin dann mit nach dem Gefängnis, da sie allein das Geflügel nicht zu tragen vermochte.

Der Posten ließ die beiden Frauen ungehindert durch, und so gelangte denn die Beduinin, die sich Suleimah nannte und die Frau eines Arabers vom Stamme der Bir-Kassar zu sein vorgab, in die Küche der Aufsehersgattin[7], wo sich bald auch Senta Kruse einfand.

Frau Holliday, froh über den guten Kauf, der sie für längere Zeit mit billigem Fleisch und frischen Eiern versorgte, setzte der Beduinin noch eine Erfrischung vor, so daß diese Gelegenheit fand, längere Zeit in der Wohnung des Gefängnisaufsehers zu verweilen.

Senta Kruse nahm von der Araberin wenig Notiz. Dann aber verschwand Frau Holliday, um die Hühner im Stalle, einem entfernten Kellerraum, unterzubringen.

Sofort änderte sich das Benehmen der Beduinin, die bis dahin bescheiden in einer Ecke gestanden hatte. Sie trat schnell auf die junge Deutsche zu und flüsterte ihr einige Worte ins Ohr, die auf Senta eine merkwürdige Wirkung hervorbrachten.

Aus weiten, ungläubigen Augen starrte die Gefangene erst eine Weile die Araberin an. Dann flog ein glückliches Lächeln über ihre Züge.

„So sind Sie aus den Kasematten entwichen?“ fragte sie, der angeblichen Suleimah freudig die Hand hinstreckend.

„Vorsicht!“ meinte Felix Manhard leise. „Wir müssen aufpassen, wann die Frau zurückkehrt. – Wie kommen Sie auf die Kasematten, Fräulein Senta? Bisher haben die Engländer mich noch nicht erwischt.“

Mit einem Schlage durchschaute das junge Mädchen das ganze Gewebe von Trug und Hinterlist, dem sie zum Opfer gefallen war, und in fliegender Hast berichtete sie nun dem Landsmann, auf welche schändliche Weise man ihr jenes Geheimnis entlockt habe.

Aber Manhard lachte nur lautlos in sich hinein.

„Die Betrüger werden eine böse Enttäuschung erleben“, sagte er ironisch. „Die Schätze sind längst an eine andere Stelle gebracht worden. Aber lassen Sie sich ja nicht anmerken, Fräulein Senta, daß Sie das Spiel dieser Engländer nun durchschaut haben. – Jetzt noch schnell ein paar Fragen. – Ist der Aufseher Holliday der Bestechung zugänglich? Und wie steht’s in dieser Beziehung mit den beiden Unteraufsehern?“

Senta schaute unsicher drein. „Ich weiß nicht, ob man dies wagen dürfte. Ihren Plan durchschaue ich. Möglich, daß er Erfolg hat. Hollidays sind jedenfalls Irländer von Geburt und lieben England nicht allzusehr.“

Manhard machte jetzt ein warnendes Zeichen, da die Schritte der zurückkehrenden Aufsehersgattin hörbar wurden.

Frau Holliday strahlte ordentlich, als sie wieder die Küche betrat.

„Jetzt habe ich erst gesehen, wie jung und gut gefüttert die Hübner sind“, sagte sie zu der Beduinin. „Falls Du noch einige vorrätig hast, bringe sie mir morgen vormittag. Und auch Eier nehme ich Dir ab, soviel Du liefern kannst.“

Sie war nämlich inzwischen auf den Gedanken gekommen, Hühner und Eier mit einigem Aufschlag an ihre Bekannten weiter zu verkaufen.

„Suleimah noch zehn Hühner und viel Eier haben“, radebrechte die Beduinin. „Morgen kommen, wie eben sagen. Gute Hühner, frische Eier alle.“

Frau Holliday strahlte noch mehr und entließ die Araberin nun mit der Versicherung, sie würde ihr zu morgen auch noch ein schönes seidenes Tuch heraussuchen.

Aber Suleimah blieb noch zögernd stehen und zog aus ihrem Gewande ein Leinensäckchen hervor, aus dem sie dann drei geschliffene, glänzende Steine von Erbsengröße in ihre braune Hand schüttete.

„Kaufen wollen?“ fragte sie bescheiden, Frau Holliday anblickend.

Diese griff schnell nach den Steinen und trat damit an das kleine, hochgelegene Fenster. Ohne Frage waren es Diamanten. Das sah sie auf den ersten Blick. Die Habsucht erwachte in ihr. – Gleichmütig wandte sie sich wieder der Araberin zu und sagte:

„Ich werde erst einen Bekannten fragen, was die Dinger wert sind. Laß sie mir bis morgen hier, Suleimah.“

Die Beduinin nickte, nahm ihre Körbe auf den Rücken und schritt, begleitet von Frau Holliday, über den Hof der Pforte zu, wo der Posten sie auf Geheiß der Aufseherin ins Freie ließ. –

Gleich darauf eilte auch die Irländerin nochmals zur Stadt und zwar zu demselben levantinischen Juden, bei dem Manhard sich vor einigen Wochen die Pistole gekauft hatte, um nicht länger ohne Waffe zu sein.

Der Kaufmann bot ihr für die Steine zwanzig Pfund Sterling und erhöhte nachher das Angebot noch um weitere drei Pfund.

„Ich werde mir’s überlegen“, erklärte die Aufsehersgattin und verließ den Laden.

Daheim wieder angelangt, nahm sie ihren Mann bei Seite und erzählte ihm von der Araberin, die offenbar keine Ahnung hatte, wieviel die Steine wert waren.

„Ich werde der Suleimah ein Pfund geben. Damit [ist][8] sie sicher mehr als zufrieden“, meinte sie eifrig. „Mann – denk’ Dir, dann können wir 22 Pfund unseren Ersparnissen hinzufügen und uns vielleicht in einigen Jahren irgendwo eine Farm kaufen, wie wir’s uns schon lange wünschen.“

Holliday schmunzelte.

„Bist doch ein kluges Weib, Bessie! An dem Ring der Miß Kruse hast Du auch Deine fünf Pfund erübrigt.“

Der verkleidete Detektiv, dessen Maske als Beduinin bis ins Kleinste so echt wie möglich hergestellt war, hatte inzwischen das am äußersten nördlichen Ende der Araberstadt gelegene Zeltlager des Scheichsohnes Ibrahim ben Salek erreicht und war hier in das größte der Lederzelte eingetreten, in dem Ibrahim mit seinen beiden angeblichen Frauen hauste.

Durch einen Vorhang war es in zwei Räume geteilt, in deren größerem des Scheichsohnes etwas merkwürdiger Harem untergebracht war. Hier saß auf einem Teppich eine zweite Araberin, die ebenfalls statt der Augenbrauen rote Striche im Gesicht und auch an der Stirn dieselben auffallenden Verschönerungen trug wie „Suleimah“.

Seltsamerweise reichten die beiden Frauen sich auf gut europäische Art zur Begrüßung die Hand, und Manhard sagte dann leise, indem er sich gleichfalls niedersetzte:

„Wissen Sie, Menke, ich habe heute geradezu unverschämtes Glück gehabt.“

Darauf zündete er sich eine Zigarette an und blies mit Wohlbehagen den Rauch von sich.

Der Ingenieur schüttelte den Kopf.

„Wer zuviel Glück hat, fürchte den Neid der Götter“, meinte er warnend. „Sie tun ja überhaupt so, als ob wir uns hier auf dem harmlosesten Maskenfest befinden, verehrter Landsmann. Ich besitze ja wahrlich schon eine gehörige Portion Gemütsruhe. Aber im Vergleich zu Ihnen bin ich doch beinahe ein echtes nervöses Frauenzimmer. Offen gestanden – mir ist in diesem Kostüm gar nicht recht wohl. Der Gedanke, daß uns ein halbes Dutzend Kugeln als deutsche Spione gewiß ist, wenn wir entdeckt werden, erhöht meine Behaglichkeit keineswegs.“

Manhard lächelte sorglos, indem er abermals den Schleier vom Munde fortschob und die Zigarette zwischen die glatt rasierten Lippen nahm.

„Derartige Maskenscherze sind ja mein Beruf, bester Menke“, sagte er dann gelassen. „Nun will ich Ihnen aber mal meine Erlebnisse berichten. Sie werden staunen. Drei Tage habe ich mit meinen billigen Hühnern und Eiern auf die brave Frau Holliday gewartet. Heute lief sie mir endlich in die Hände.“

Nachdem er Menke alles haarklein erzählt hatte, was sich zwischen Suleimah, der Aufseherfrau und Senta Kruse abgespielt hatte, fuhr er fast heiter fort:

„Morgen brauche ich also wieder billige Hühner und deren Legeprodukte. Und morgen werde ich dann versuchen, ob das Ehepaar Holliday der Lockung ungeahnter Reichtümer widerstehen kann.“

„So schnell wollen Sie den Verführer spielen?!“ warf der Ingenieur nachdenklich ein. „Wäre es nicht besser, Sie kundschafteten das Terrain erst etwas sorgfältiger aus?“

Aber der Detektiv schien seiner Sache ganz sicher zu sein.

„Ich bin ein guter Menschenkenner, Freund Menke! Auch diese Fähigkeit, Charaktere schnell und richtig zu beurteilen, gehört zu meinem Beruf. Diese Frau Holliday wird, nachdem ich ihre Habgier erst geweckt habe, ohne weiteres auf meine Pläne eingehen und auch ihren Mann so lange bearbeiten, bis er ebenfalls einverstanden ist. Außerdem – es sind geborene Irländer, und diese sind bekanntlich nur Muß-Briten.“

„Sehr richtig. – Na, wir werden ja sehen“, meinte der Ingenieur schon etwas zuversichtlicher. Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu:

„Übrigens ist auch Ibrahim ben Salek, unser gestrenger Eheherr und Freund, heute vom Glücke begünstigt gewesen: Er hat zehn tadellose Reitkamele nebst Sattelzeug von einer Karawane gekauft, die heute in Aden eingetroffen ist. Zwar mußte er ein Sündengeld bezahlen, – aber was macht das aus! Die Hauptsache bleibt, daß wir die Tiere haben.“

„Wo steckt unser treuer Bundesgenosse denn jetzt?“ fragte Manhard. „Drüben in seiner Zeltabteilung ist er sicher nicht, sonst hätte er uns längst aufgesucht.“

„Er befindet sich auf der Suche nach Wasserschläuchen. Da wir, falls uns die Befreiung der Gefangenen gelingt und wir glücklich aus Aden herauskommen, mit einer scharfen Verfolgung rechnen müssen, will er auf der Flucht ausschließlich ganz wasserarme Landstriche passieren, wie er mir vorhin erklärte. Deshalb müssen wir für Mensch und Tier sehr reichliche Wasservorräte mit uns nehmen.“

Gleich darauf wurde der Türvorhang zur Seite geschlagen und die hohe Gestalt des Scheichsohnes trat ein.

Ibrahim ben Salek war ein auffallend schöner Araber mit feinem edelgeschnittenen Gesicht, dem glänzend schwarzen Bart und den lebhaften dunklen Augen, die mit ihrer Lebendigkeit in so seltsamem Gegensatz zu seinen gemessenen, fast feierlichen Bewegungen standen.

Auch er sprach wie sein Vater ein wenig Englisch, das jedenfalls genügte, um sich mit den beiden Deutschen leidlich verständigen zu können.

Nachdem Manhard ihm die Erlebnisse des heutigen Vormittags mitgeteilt hatte, nickte Ibrahim ben Salek sehr befriedigt.

„Erst mit Frau verhandeln. Das gut“, gab er sein Urteil über Manhards Tätigkeit ab. „Weißer Frau noch mehr glänzende Steine zeigen. Dann immer mehr haben will. Dann Geld aus Papier zeigen.“

„Werde ich schon besorgen!“ meinte der Detektiv. „Ich werde die Aufsehersgattin so allgemach „einwickeln“, daß sie gar nicht merkt, daß sie vom Wege der Redlichkeit abweicht. Sehr anständig ist das ja nicht von mir. Aber – Not kennt kein Gebot!“ –

 

7. Kapitel.

Die Macht des Geldes.

Frau Holliday erwartete am folgenden Vormittag das Erscheinen der Araberin mindestens ebenso sehnsüchtig wie Senta Kruse. Gegen zehn Uhr kam dann wirklich einer der Soldaten der Wache zu der Aufseherin und meldete, daß draußen an der Zaunpforte eine Beduinin stehe, die zu Frau Holliday bestellt zu sein vorgebe. Sie habe einen Geflügelkäfig bei sich und einen Korb mit Eiern.

„Hoffentlich sind auch Hühner in dem Käfig“, meinte die Irländerin gutgelaunt und begleitete den Soldaten nach dem Wachthäuschen, um von dem Unteroffizier für die Besucherin die Erlaubnis zum Betreten des Gefängnisses zu erwirken, was weiter auf keine Schwierigkeiten stieß.

In der Küche war auch Senta anwesend, die sich jetzt fast ständig in der Wohnung der Aufsehersleute aufhielt. Nachdem hier der Handel über das Geflügel und die Eier schnell abgeschlossen war, brachte Frau Holliday die neuerworbenen Hühner in den Stall zu den übrigen.

Wieder benutzten Manhard und Senta dieses kurze Alleinsein zu einer schnellen Verständigung über die wichtigsten Punkte.

„Lassen Sie mich nachher mit der Frau allein“, sagte der Detektiv mit einem bedeutungsvollen Lächeln. „In Ihrer Gegenwart kann ich der Irländerin unmöglich die gefährlichen Vorschläge machen. Sie würde sich vor Ihnen schämen, auf meine Bestechungsversuche einzugehen. – So, und hier habe ich hundert Pfund Sterling in gutem Golde. Geben Sie davon heimlich jedem der Unteraufseher die Hälfte, – angeblich als Dank dafür, daß sie die jetzige Erleichterung Ihrer Gefangenschaft dulden. Alles weitere erfahren Sie rechtzeitig. Vielleicht können Sie auch Ihren Vater und den Fürsten davon verständigen, daß die Rettung nahe ist. Ich habe gestern nachmittag[9] erfahren, daß die Verhandlung gegen den Rajah und unsere übrigen Freunde Anfang nächster Woche stattfindet und daß alle Angeklagten vorher in der neben dem Hause des Kommandanten liegenden Kaserne untergebracht werden sollen, da dort auch das Gericht zusammentritt. – So, und nun gehen Sie, Fräulein Senta. Auf Wiedersehen – hoffentlich recht bald!“

Sie drückten sich kräftig die Hand, und [sofort begab][10] das junge Mädchen sich in das Wohnzimmer zurück. –

Frau Holliday kam mit dem leeren Geflügelkäfig wieder in die Küche, stellte ihn auf den Boden hin und übergab dann der Araberin das Seidentuch, das sie ihr versprochen hatte.

Suleimah dankte wortreich und fügte hinzu:

„Will gute weiße Frau die Steine auch kaufen?“

„Ja, wenn sie nicht allzu teuer sind“, erwiderte die Irländerin gleichgültig. „Ich habe die drei Steine einem Bekannten gezeigt, der etwas davon versteht. Er meinte, ein Pfund seien sie wert.“

„Oh – gut so – sehr viel!“ erklärte Suleimah, scheinbar aufs freudigste überrascht.

Und Frau Holliday ärgerte sich, daß sie nicht weniger geboten habe. Trotzdem bezahlte sie die verlangte Summe, und die Araberin steckte strahlend das große Geldstück weg.

Dann fragte sie schüchtern:

„Noch mehr Steine haben wollen?“

Bessie Hollidays Augen weiteten sich vor Überraschung.

„Besitzest Du denn noch viele Steine?“ fragte sie lauernd.

Suleimah nickte.

„In Wüste toter Mann lag. Hatte Beutel mit Steinen. Viel Steine darin.“

„Hast Du sie noch alle?“ meinte die Aufseherfrau klopfenden Herzens. Sie hoffte, daß der Traum von einer eigenen Farm vielleicht sehr bald zur Wirklichkeit werden könne, wenn es ihr gelang, die Diamanten sämtlich so billig zu erwerben.

„Viel Steine verkauft schon“, erwiderte Suleimah. „Nur noch fünf haben. Hier sie sein.“

Bessie Holliday war bitter enttäuscht. So hatte also bereits ein anderer dieses glänzende Geschäft gemacht. Schade!

Die fünf Diamanten waren kleiner als die ersten, und Frau Hollidays Enttäuschung verwandelte sich daher in stille Wut. Die Farm rückte wieder in nebelhafte Ferne. Bei diesen Steinen waren keine fünfzehn Pfund zu erübrigen.

Sie bot Suleimah daher ein halbes Pfund, und diese war sofort einverstanden. Als die Aufsehersgattin ihr das Geld gab, fragte sie in ihrer unterwürfigen Weise:

„Will gute weiße Frau reich werden?“

Bessie Holliday lachte etwas bitter auf. Der Schmerz über das entgangene gute Geschäft nagte noch an ihr.

„Natürlich, Suleimah! Das möchte wohl jeder!“ meinte sie, die Araberin prüfend ansehend. – Wollte diese ihr vielleicht noch einen anderen gewinnbringenden Handel vorschlagen? Na – dann würde sie sich sicher nicht lange mit der Zustimmung besinnen. Ewig wollte sie doch nicht in diesem Backofen Aden bleiben, in dem jedem Weißen langsam das Gehirn verdorrte trotz aller Gewöhnung an die ständige Siedeglut.

„5000 Pfund verdienen – sehr schnell!“ sagte die Beduinin wieder.

Der Aufseherfrau sperrte sich der Mund vor Staunen.

Suleimah nickte.

„So sein. – Fremde Mann mich herschicken. Ihn nicht kennen.“

„Und die Gegenleistung?“ fragte Frau Holliday mißtrauisch.

Die Araberin schüttelte den Kopf.

„Erst sagen, wenn gute Frau mit Mann gesprochen haben, ob auch verdienen will“, meinte sie.

„Ob er will!! Wenn’s uns dafür nicht gerade an den Kragen geht!“ lachte Bessie Holliday. „Gut – ich werde mit meinem Manne reden.“

Sie eilte davon, kehrte aber schon nach wenigen Minuten in Begleitung des Aufsehers zurück, der Suleimah erst eine Weile kopfschüttelnd betrachtete und dann brummte:

„Tolle Geschichte das! Manches hat meiner Mutter Sohn schon erlebt, – aber so was! – Also nun raus mit der Sprache. Dem Scheitan (Teufel) brauche ich mich für die 5000 Pfund hoffentlich nicht zu verschreiben.“

„Suleimah nicht wissen dies?“ erwiderte die Beduinin. „Fremder Mann mir Papier mitgeben, wo alles darauf stehen.“

„Höchst geheimnisvoll“, knurrte Holliday. „Aber her mit dem Papier.“

Dann las er den in englischer Sprache abgefaßten, sehr eingehenden Plan zur Befreiung der Gefangenen langsam durch. Darin war besonderer Wert auf die Angabe all der Vorsichtsmaßregeln gelegt, die getroffen werden sollten, damit keinerlei Verdacht auf den Aufseher fallen könne.

Holliday gefiel die Geschichte keineswegs, obwohl er zugeben mußte, daß die Sache tadellos ausgeklügelt war und er dabei, falls er sich nicht gerade mordsdumm anstellte, keinerlei Gefahr lief. Er kratzte sich bedenklich hinterm Ohr und fragte Suleimah argwöhnisch:

„Wer schickt Dich eigentlich? Und wann hat man Dir diesen Auftrag gegeben?“

„Fremder Mann heute morgen Suleimah nachgehen und halbes Pfund geben. Mann nicht kennen. Kann Chinese sein“, erwiderte die Beduinin ruhig.

Frau Holliday hatte inzwischen ihrem Gatten das Papier fast aus der Hand gerissen und überflog es eilig. Auch ihr Gesicht wurde sichtlich länger, als sie merkte, welcher Art der Gegendienst sein sollte. Aber die einmal in ihr geweckte Habgier siegte.

„Komm wir wollen die Sache mal durchsprechen“, sagte sie kurz zu ihrem Ehegemahl, auf den die gebotenen 5000 Pfund ebenfalls recht gewissenbetäubend wirkten. –

Frau Bessie siegte, wie Manhard vorausgesehen hatte. Als das Ehepaar wieder die Küche betrat, nahm die Irländerin die weiteren Verhandlungen in die Hand.

„Hast Du die 2000 Pfund, die angezahlt werden sollen, wirklich mit?“ forschte sie gespannt.

Suleimah nickte gelassen, als gehe sie die ganze Sache nicht das Geringste an.

„Zeige das Geld!“ verlangte die Aufseherfrau mit zitternder Stimme.

Die Beduinin holte zwei Päckchen Banknoten hervor, die aus 100-Pfundnoten bestanden. Sorgfältig prüfte das Ehepaar jede einzelne. Dann erklärte Bessie Holliday kurz:

„Wir sind einverstanden! Also weitere 1000 Pfund erhalten wir, wenn Du heute abend[11] zu uns kommst und angeblich wieder Hühner bringst, den Rest aber, sobald die Gefangenen frei sind.“

„So sagen der fremde Mann. – Suleimah jetzt gehen. Müssen kochen für Männer aus Lager.“ –

Das Ehepaar war allein.

„Ich weiß schon ein Versteck für das Geld“, meinte Bessie ganz heiter und siegesgewiß. „Wir vergraben es im Hühnerstall dort, wo der Schmutzhaufen liegt. Wenn wir dann nach der Flucht der Gefangenen noch ein Vierteljahr hierbleiben, so wird es niemandem auffallen, wenn wir Aden verlassen und nach unserer grünen Insel, unserm Vaterlande zurückkehren.“

Der Aufseher hatte nun auch die allerletzten Bedenken überwunden.

„Bessie, wie die Fürsten werden wir nachher leben. Und Tabak rauche ich dann, drei Mal so teuer wie meinen jetzigen. – Hm – wenn nur der Klaps, den ich auf den Schädel erhalten soll, nicht zu böse ausfällt“, fügte er etwas ängstlich hinzu.

„Die Sache soll eben möglichst echt erscheinen, – und bei Deinem harten Kopf wird Dir ein Puff nichts schaden“, meinte seine bessere Hälfte gleichgültig, da es bei ihr ja mit binden und knebeln abgehen sollte.

* * *

Manhard hatte durch heimliches Beobachten des Gefängnisses festgestellt, daß die Posten an der Pforte und im Hofe alle zwei Stunden abgelöst wurden, ebenso, daß jede Nacht sämtliche Wachen in Aden von zwei Offizieren zu verschiedenen Stunden revidiert wurden. Der letztere Umstand konnte leicht verderblich werden, falls man nicht auf jede Überraschung vorbereitet war und danach auch die notwendigen Maßnahmen traf. Aber der Plan des Detektivs berücksichtigte alle, auch die entferntesten Möglichkeiten, um dem gewagten Unternehmen einen vollen Erfolg zu sichern. –

Gegen acht Uhr abends erschien die Beduinin an der Außenpforte und verlangte zu Frau Holliday geführt zu werden, die bei ihr allerlei Waren bestellt habe.

Der Posten wies sie in die Wachtstube an den Unteroffizier, wie dies seiner Instruktion entsprach. Immerhin gelangte Suleimah, wenn auch auf etwas umständliche Art, auch jetzt wieder in die Wohnung der Aufseherfrau.

Das weitere spielte sich genau so ab, wie es in dem Schreiben gestanden hatte, welches die Araberin vormittags dem Irländer vorgelegt hatte. Nur in einem Punkte schien der Urheber dieses Befreiungsversuches von seinen ursprünglichen Entschlüssen abgewichen zu sein, was Holliday sofort auffiel, als er die Beduinin etwas wortkarg, da er seine innere Unruhe kaum bemeistern konnte, begrüßte. Daher fragte er auch, indem er seine Stimme vorsichtig dämpfte:

„Mit Dir zugleich sollte doch ein Mann uns einen Besuch abstatten, der, um nicht aufzufallen, Deine Körbe zu tragen hatte?“

Die Beduinin lächelte.

„Er wird rechtzeitig erscheinen. Ohne Sorge sein. Alles gut. Nicht viel fragen.“

„Und die tausend Pfund?“ warf Frau Holliday ein.

„Hier sein. Da – nehmen und zählen“, erwiderte die Araberin mit derselben sicheren Ruhe.

Das Ehepaar war zufrieden, und die Irländerin setzte Suleimah nun verabredungsgemäß ein paar Erfrischungen vor, während ihr Mann nach dem Wachthäuschen schlenderte und dem Unteroffizier im Laufe eines belanglosen Gespräches erzählte, welch’ billige Hühnerlieferantin seine Frau in der Person der Araberin gefunden habe.

Der Unteroffizier, der verheiratet war, bat sofort um Überlassung eines der billigen Sonntagsbraten, was ihm auch zugesagt wurde, und kam dann mit Holliday in die Küche, um die Hühner in Augenschein zu nehmen. Hier saß die Beduinin bescheiden in einer Ecke und verzehrte gerade die Reste eines Fischgerichtes, die die Irländerin ihr vorgesetzt hatte. Dieses Bild war recht unverfänglich, und nachher sagte der Unteroffizier dann auch aus, daß die Araberin einen völlig harmlosen Eindruck gemacht habe und die Hollidays nicht hätten ahnen können, welch’ gefährlichem Gaste sie aus Gutmütigkeit noch ein Abendessen gespendet hatten.

Der Unteroffizier mußte auch noch den gefüllten Hühnerstall in Augenschein nehmen, den Frau Bessie ihm stolz zeigte, kaufte von dieser nach einigem Feilschen noch ein Dutzend Eier und kehrte in das Wachthäuschen am Zauntore zurück.

Inzwischen war die Dunkelheit mit der in den Tropen eigenen Schnelle hereingebrochen. Nun flammten auf dem Gefängnishof die vier elektrischen Bogenlampen auf, die das große, langgestreckte Viereck mit dem gefürchteten Holzgebäude in der Mitte taghell erleuchteten.

Die Posten waren um 8 Uhr abends, kurz vor dem Erscheinen der Araberin, abgelöst worden. Um einviertel 9 erhob sich Suleimah aus ihrer Ecke und sagte zu dem Ehepaar, das nebeneinander auf einer Holzbank unter dem Fenster saß und mit bänglichem Herzklopfen die weitere Entwicklung der Dinge abwartete:

„Der Mann jetzt hier sein, der kommen soll.“

„Nanu?! Wo denn?!“ platzte Holliday heraus.

„Ich selbst es sein. Ich alles tun, was soll Mann auf dem Papier tun“, erwiderte die Beduinin gelassen.

„Was – Du willst die beiden Unteraufseher … – lächerlich!“ fuhr der Irländer auf. „Dann ist der ganze Plan schon mißglückt! Hätte ich mich nur nie auf diese oberfaule Geschichte eingelassen!“

Holliday war erregt aufgestanden. Aber eine energische Handbewegung Suleimahs drückte ihn wieder auf den Sitz zurück.

„Ihr tun, wie verabredet“, sagte sie befehlend. „Frau jetzt den Unteraufsehern Abendessen bringen. Sofort!“

Frau Bessie gehorchte schweigend. Und ihr Gatte zündete sich, um die wachsende Erregung zu bemänteln, seine Pfeife an.

In der Küche brannte keine Lampe. Nur durch das Fenster fiel ein breiter Strom des weißen Bogenlichtes vom Hofe aus herein.

Kaum hatte die Aufseherfrau den kleinen Raum verlassen, als die Beduinin auf Holliday zutrat. Ehe er sich’s versah, hatte sie ihm mit einem mit Sand gefüllten Lederschlauche einen Hieb über den Kopf versetzt, der ihn augenblicklich ohnmächtig zu Boden streckte. Dann schleppte Suleimah, oder besser der verkleidete Detektiv Felix Manhard, den Bewußtlosen in das Schlafzimmer des Ehepaares und warf ihn dort auf eines der Betten. Im Nu hatte er ihn gefesselt und ihm auch einen Knebel in den Mund geschoben.

Als Frau Bessie zurückkehrte, war schon alles vorüber.

Mit ihr verfuhr der Detektiv glimpflicher, nur brachte er ihr absichtlich ein paar Kratzwunden am Halse und im Gesicht bei. Dann lag auch sie gefesselt und geknebelt in dem zweiten Bett.

Hierauf schloß Manhard die Aufseherwohnung hinter sich ab und begab sich in das Gefängnis hinauf, dessen feste Gittertür er mit dem der Aufseherin abgenommenen Schlüssel öffnete.

Einer der Unteraufseher hatte jetzt nach Einbruch der Dunkelheit ständig die oberen und unteren Flure abzupatrouillieren, während sein Kollege gewöhnlich in der gemeinsamen Wohnstube saß, deren Lage Manhard sich schon am Vormittag hatte beschreiben lassen.

Die Überrumpelung der beiden Leute gelang dem geschickten Detektiv ganz ohne Zwischenfälle, obwohl er es hierbei insofern ziemlich schwer hatte, als die Unteraufseher sich beide in der Stube befanden, deren Tür weit offenstand. Sie hörten die Schritte eines Menschen, dachten aber wohl, es sei Frau Holliday. Erst als in der Tür die Araberin auftauchte, traten sie überrascht vor. Ehe jedoch nur einer den Mund öffnen konnte, hatte der Sandschlauch sie schon durch zwei Hiebe erledigt, und bald waren auch sie eng gefesselt und geknebelt, so daß Manhard jetzt mit Hilfe der Schlüssel, die der eine am Gürtel trug, die Zellen der Gefangenen öffnen konnte.

So spielte sich auf dem Flur denn eine freudige Szene des Wiedersehens ab, der Manhard jedoch durch den Hinweis auf das, was noch zu erledigen sei, ein Ende machte.

Der alte Kapitän Kruse war durch den Aufenthalt in den „Bleikammern“ am meisten körperlich mitgenommen. Er mußte die Treppen zu der Wohnung der Hollidays von zweien der Inder herabgeführt werden, erholte sich dann aber durch einen Schluck Branntwein einigermaßen.

Nun erteilte Manhard die weiteren Befehle, händigte dem Fürsten und vier Indern geladene Revolver und dieselben sandgefüllten Lederschläuche aus, wie er einen davon schon mit so gutem Erfolge benutzt hatte, und begab sich dann hinaus auf den Hof, um zunächst allein die beiden Posten unschädlich zu machen.

Der erste der Soldaten bemerkte den verkleideten Detektiv schon von weitem und rief ihn an, indem er sein Gewehr schußfertig machte, wodurch sich die Beduinin aber keineswegs stören ließ, sondern näherkommend antwortete:

„Du sollen zu Aufseher Holliday an Küchenfenster kommen. Er haben etwas für Dich.“

Der Posten, der wohl auf eine kleine Herzstärkung hoffte, ging richtig in die Falle. Da er die Araberin schon bei ihrem Erscheinen auf dem Gefängnishof in Begleitung der Irländerin gesehen hatte, schöpfte er keinerlei Argwohn. Kaum war er dicht an dem Fenster angelangt, als er einen Hieb von hinten erhielt, lautlos zusammensank und schnell durch das Fenster in die Küche gezerrt wurde, wo es ihm ebenso erging wie den beiden Unteraufsehern und dem Ehepaare. Stricke und ein Knebel machten ihn für längere Zeit unschädlich.

In gleicher Weise gelang nachher die Überrumpelung des zweiten Postens.

Alles weitere spielte sich ebenfalls ganz programmäßig[12] ab.

Außerhalb des hohen Zaunes wartete Ibrahim ben Salek, der Scheichsohn, mit zwei Leitern, von denen die eine nun auf ein leises Signal Manhards hin in den Hof hinabgelassen wurde, nachdem mit einer scharfen Zange die Stacheldrähte von ihm durchschnitten worden waren. Da diese Stelle des Zaunes durch das lange Gebäude den Soldaten im Wachthäuschen völlig verdeckt wurde, konnten die Gefangenen unangefochten ins Freie kommen und sofort auf Umwegen und gehüllt in Araberburnusse, die ein Stammesgenosse Ibrahims bereithielt, die Flucht nach dem kleinen Zeltlager fortsetzen. Nur „Suleimah“ blieb noch zurück, legte den Rest der Bestechungssumme in ein mit Frau Holliday vorher vereinbartes Versteck, ein angeschnittenes, zum Teil ausgeschnittenes Brot, bei dem die Öffnung durch ein Stück Kruste wieder verschlossen werden konnte, und begab sich dann, nachdem sie etwa eine halbe Stunde allein in der Küche gewartet hatte, mit ihren leeren Körben nach der Wache, wo sie den Unteroffizier bat, sie hinauszulassen, was auch geschah. Und schnellfüßig eilte die angebliche Beduinin nun ihren Freunden nach.

 

8. Kapitel.

Aufopferung.

Alles kam jetzt darauf an, daß die Flucht der Gefangenen nicht allzu früh bemerkt wurde. Die größte Gefahr hierbei war die Möglichkeit, daß einer der Soldaten der Wache zufällig den Hof betrat und ihm dann das Fehlen der beiden Posten auffiel. Aber dies hatte sich nicht ändern lassen. Es war der einzige schwache Punkt des ganzen Planes, den auch Manhards Scharfsinn nicht hatte beseitigen können. Allerdings suchte er auch dessen Bedenklichkeit dadurch abzuschwächen, daß er Ibrahim ben Salek Anweisung gegeben hatte, die Telegraphen- und Telephondrähte, die längs der Straße auch bis zu den Wachen am Wüstenrande hinliefen, zu durchschneiden, sobald die Karawane Aden hinter sich hatte.

Auch Manhards Verbleiben im Gefängnis und sein nachheriges Verlassen dieses durch die Pforte vor den Augen der Wache war nichts als schlaue Berechnung gewesen. Der Detektiv hatte sich eben sehr richtig gesagt, daß es dem Wachthabenden vielleicht auffallen würde, wenn die arabische Händlerin stundenlang zu dieser späten Tageszeit in der Wohnung der Hollidays bliebe. Weiter aber hatte Manhard auch daran gedacht, daß womöglich, kurz nachdem die Flüchtlinge die Mauer überstiegen hatten, sich unvorhergesehene andere Zwischenfälle ereignen konnten, deren unheilvolle Wirkung er dann durch sein persönliches Eingreifen vielleicht zu verhindern in der Lage war. Von dieser Selbstaufopferung hatte Albert Menke zunächst durchaus nichts wissen wollen. Aber der Detektiv bestand darauf, daß er sozusagen den Rückzug der Gefährten decken und ihnen erst folgen wolle, nachdem sie einen Vorsprung von mindestens einer halben Stunde hatten. – –

Als Manhard das Gefängnis verließ, schlug gerade in der Ferne die Uhr von dem niedrigen Turme des Kommandanturgebäudes neun. Nach etwa fünfhundert Metern, die der Detektiv auf dem nach der Stadt führenden Wege zurückgelegt hatte, da er damit rechnen mußte, daß der Posten vor der Eingangspforte ihm vielleicht nachschauen würde, wollte er gerade in einen Seitenpfad abbiegen, auf dem er schneller nach dem Lagerplatz seiner braunen Verbündeten gelangte, als er in der Ferne die Lichter eines Autos aufblitzen sah, die sich mit großer Geschwindigkeit näherten.

Sofort kam ihm der Gedanke, die Insassen des Autos könnten ja nur als Ziel ihrer Fahrt das Gefängnis ins Auge gefaßt haben, das abseits von den bebauten Teilen der Stadt ganz einsam dalag. Und ebenso schnell stieg auch die Gewißheit in ihm auf, daß sich hier ein gefahrdrohender Zwischenfall vorbereitete, der den Erfolg des ganzen Planes in Frage stellen konnte. Der Zeit nach konnten die Flüchtlinge jetzt eben erst Aden verlassen haben. Kam es daher schon in der nächsten Viertelstunde zu einer Entdeckung des Vorgefallenen, so wurden sicherlich unverzüglich trotz der durchschnittenen Drähte durch Reiter oder vielleicht gar durch Signale die Posten am Wüstenrande alarmiert, und damit wäre der Karawane Ibrahim ben Saleks unter Umständen das Entweichen in das Sandmeer Südarabiens unmöglich gemacht worden.

Immer näher kam der Kraftwagen. Manhard hörte schon das gleichmäßige Knattern des Motors und bemerkte auch, daß es ein Personen- und kein Lastauto sei.

Hier gab es nur ein Mittel, um das drohende Verhängnis abzuwenden: er mußte den Kraftwagen aufhalten, mußte festzustellen suchen, was die Insassen beabsichtigten, und dementsprechend sein weiteres Verhalten einrichten.

Kurz entschlossen warf er sich daher, die Körbe fallen lassend, quer über den Weg. Die helle Farbe des Weibergewandes mußte sich im Lichte der Scheinwerfer deutlich von der Straße abheben, so daß er nicht zu fürchten brauchte, überfahren zu werden. Der Kraftwagen würde vielleicht erst ganz kurz vor ihm zum Stehen gebracht werden, – aber was machte das unter diesen Umständen aus …! –

Es kam, wie der Detektiv vermutet hatte. Das Auto hielt keine drei Meter von ihm entfernt, und sofort hörte er eine Stimme, eine weibliche Stimme, bei deren Klang ihn ein banger Schreck durchzuckte.

„Ah – da liegt wirklich ein Mensch – ein Eingeborener!“

Und eine Männerstimme erwiderte:

„Steigen wir aus, Ethel, um zu sehen, was dem Menschen fehlt. Oder besser: bleiben Sie sitzen! Womöglich ist’s ein Toter. Und Leichen sind nichts für junge Damen.“

Ethel Farladay lachte ironisch auf.

„Vetter Percy, – ich empfinde keinerlei Grauen vor Toten, wirklich nicht! Da kennen Sie mich schlecht.“

Sie sprang leichtfüßig auf die Straße hinab und eilte zu der regungslos daliegenden Gestalt hin, beugte sich herab und musterte das von den Scheinwerfern grell beleuchtete, aber halb verschleierte Gesicht mit einer Neugierde, der jedes Mitgefühl fehlte.

„Es ist eine Araberin“, rief sie dann nach dem Auto hin, wo Hauptmann Percy Farladay eben dem General Hamilton beim Aussteigen behilflich war.

Die beiden Herren traten jetzt gleichfalls neben die Beduinin, und Percy Farladay bückte sich und fühlte nach dem Puls der mit geschlossenen Augen daliegenden Araberin.

„Sie ist nur ohnmächtig“, meinte er gleichgültig. „Der Chauffeur mag sie etwas abseits schleppen. Sie wird schon wieder zu sich kommen.“

Aber der General widersprach dem.

„Ich darf mir diese Gelegenheit, mich bei unseren farbigen Untertanen populär zu machen, nicht entgehen lassen“, erklärte er kurz. „Tragen wir die Frau in den Wagen. Wir nehmen sie bis zum Gefängnis mit und sehen dort zu, ob wir sie nicht ins Leben zurückrufen können. Morgen spricht das ganze Araberviertel dann von der Herzensgüte des gestrengen Herrn Kommandanten.“

Hamilton wollte nun dem Chauffeur zuwinken, als die Beduinin einen leisen Seufzer ausstieß und sich, die Augen plötzlich weit aufreißend, etwas aufrichtete.

Wild umsichblickend stieß sie dann die Worte hervor:

„Wo weiße Männer sein, schlechte Männer? Haben Suleimah geschlagen und gestoßen.“

Das kam ganz schwach und mehr geflüstert heraus, so daß auch Ethel die wohlbekannte Stimme nicht erkennen konnte.

„Scheinbar ein Überfall“, meinte der General zu Hauptmann Farladay.

Darauf wandte er sich an die Beduinin.

„Haben die Männer Dich beraubt, armes Weib?“

„Nicht beraubt. Suleimah Männer sprechen hören da neben Straße. Sprachen von viel Gold in Wasser, und Gold holen wollen von Schiff. Sahen Suleimah, sehr böse wurden und schlagen.“

Der General schaute, offenbar durch diese seltsamen Angaben aufs höchste überrascht, Ethel und den Hauptmann vielsagend an und flüsterte ihnen schnell zu:

„Gold im Wasser? Und weiße Männer?! Sollte es sich hier etwa um die Schätze des Rajahs handeln? – Forschen wir die Frau mal weiter aus.“

Die Beduinin hatte sich zu sitzender Stellung aufgerichtet und starrte scheinbar ängstlich auf den Kraftwagen, dessen Motor inzwischen ausgeschaltet worden war.

„Sage mal, weißt Du denn noch mehr von dem Golde, das im Wasser liegen soll und das die Männer holen wollen?“ fragte Hamilton jetzt eindringlich.

„Suleimah sich fürchten“, flüsterte die angebliche Beduinin, indem sie mit der Hand auf das Auto deutete und näher nach dem Straßenrande zu rutschen suchte.

„Dummes Volk!“ brummte der Hauptmann.

Und der General sagte beruhigend:

„Hab’ keine Angst. Das Ding da tut Dir nichts. Also – wie ist’s mit dem Golde im Wasser?“

„Suleimah alles wissen. Aber noch ganz krank im Kopf. Suleimah Zeit lassen“, erwiderte sie kläglich.

Hamilton schaute Ethel fragend an.

„Dann könnten wir wohl vorläufig die Fahrt nach dem Gefängnis und das Verhör der Senta Kruse aufschieben“, meinte er.

Ethel machte ihm ein Zeichen mit der Hand und bückte sich zu der Araberin herab.

„Die Männer sprachen von einem Schiff, nicht wahr? Nannten sie denn dessen Namen?“ forschte sie gespannt.

Suleimah nickte matt.

„Namen fremd, ganz fremd“, erklärte sie leise. „War wie Eli Zabet.“

Die junge Engländerin warf Hamilton einen triumphierenden Blick zu.

„Natürlich zerlegt sie als Beduinin das Wort Elisabeth in zwei Teile, die ihr bekannt klingen“, flüsterte sie hastig. „Kein Zweifel – es handelt sich um die Schätze des Fürsten. Nehmen wir die Frau also mit nach Hause. Dort wird sie sich bald erholen und uns sicher wertvolle Aufschlüsse geben. Nun brauchen wir Senta Kruse nicht mehr mit der Nachricht einzuschüchtern, daß sie und ihre Mitgefangenen der morgen früh stattfindenden Hinrichtung Manhards beiwohnen sollen. Wir erreichen eben einfacher unser Ziel.“

„Hoffentlich“, meinte der General. „Ihr neuer Plan war jedenfalls auch sehr gut, liebe Ethel. Die Deutsche hätte im Gedanken an die Szene, die sie miterleben sollte, dieses Mal wohl sicher die Wahrheit gesagt.“ –

Die Beduinin weigerte sich zunächst mit lautem Jammern, in dem Kraftwagen mit Platz zu nehmen, und erst auf das freundliche Zureden des Generals wagte sie es widerstrebend, das Auto zu besteigen, das dann sofort nach dem Hause der Kommandantur zurückfuhr.

Hier angelangt wurde Suleimah in das Arbeitszimmer Hamiltons geführt, wo sie in einem Sessel Platz nehmen mußte und ein Glas Limonade mit einer Kleinigkeit Alkohol darin vorgesetzt erhielt.

Nach einer Weile hatte sie sich dann anscheinend soweit erholt, daß der General das Verhör beginnen zu können glaubte.

Aber Suleimah, die ihren Gesichtsschleier jetzt bis dicht unter die Augen gezogen hatte, stellte sich mit großem Geschick so an, als ob sie vor den beiden Offizieren Furcht empfinde und erwiderte auf alle Fragen des Generals scheu und ängstlich mit Worten, aus denen niemand klug wurde.

Daß dies alles von dem gewiegten, verkleideten Detektiv lediglich kluge Berechnung war, ahnte niemand von den drei Engländern. Ein Blick auf die auf dem Schreibtisch stehende Uhr hatte ihm nämlich gezeigt, daß es ihm jetzt schon geglückt war, beinahe eine Stunde Zeit für die Flüchtlinge zu gewinnen. Und daher sann er jetzt auf Flucht. Diese zu bewerkstelligen, wäre jedem anderen einfach unmöglich erschienen. Aber für Felix Manhard schien es dieses Wort überhaupt nicht zu geben. Blitzschnell hatte er seinen Plan entworfen und richtete nun sein ganzes Verhalten danach ein.

Schon beim Betreten des Hauses hatte er genau achtgegeben, in welchem Stock das Zimmer lag, in das man ihn brachte, und nach welcher Seite hin die Fenster desselben gelegen waren, ferner, ob der Posten vor dem Hause gerade unter diesen Fenstern auf und ab ging.

Alle Umstände erwiesen sich als günstig für sein Vorhaben, nur mußte er zusehen, ob es ihm nicht gelingen könnte, mit Ethel Farladay eine Weile allein zu bleiben. Freilich – nötigenfalls hätte er die geplante Flucht auch in Gegenwart der beiden Offiziere gewagt. Aber besser war es jedenfalls, wenn er einen noch so geringen Vorsprung gewann. –

Die junge Engländerin war es, die Hamilton schließlich darauf aufmerksam machte, daß Suleimah vielleicht mitteilsamer sein würde, wenn man sie mit dieser allein ließe.

„Offenbar fürchtet sie sich vor so hochgestellten Herren“, meinte sie achselzuckend. „Ich werde schon die richtige Art finden, sie zum Reden zu bringen. Was ich aus ihr herausholen soll, weiß ich ja.“

Daraufhin verließen die beiden Offiziere das Dienstzimmer und begaben sich in die Privatwohnung des Generals hinauf, wohin Ethel ihnen dann Nachricht durch das Haustelephon geben wollte, das aus dem Schreibtisch Hamiltons seinen Platz hatte und dessen Anschlußapparat oben im Flur hing.

„So, Suleimah, nun sei mal recht verständig. Vor mir brauchst Du doch keine Angst zu haben. – Wie sahen denn die Männer aus, die Du belauscht hast? Hatten sie Bärte, und wie waren sie angezogen?“

Die Araberin blickte die vor ihr stehende junge Dame mit einem merkwürdigen Blick an, so daß Ethel Farladay nicht recht einig mit sich war, ob aus diesem Blick nur scheue Unterwürfigkeit oder überlegener Spott sprach.

Urplötzlich schnellte dann die bescheidene Suleimah von dem Sessel empor, und zwei Eisenklammern von Händen spannten sich fest um der völlig überraschten Engländerin zarten Hals.

„Keinen Laut!“ zischte eine völlig veränderte Stimme ihr ins Ohr. „Ich würde mich sonst genötigt sehen, auch einer jungen Dame gegenüber brutal zu werden.“

Ethel Farladay hatte ihr erblaßtes Gesicht jäh nach oben gerichtet, um der angeblichen Beduinin in die Augen sehen zu können. Diese Augen, in denen jetzt ein Ausdruck unbeugsamer Energie flammte, erkannte sie mit einem Mal wieder.

„Manhard …!“ kam es wie ein Hauch von ihren Lippen.

Er achtete nicht darauf.

„Wollen Sie sich gutwillig fesseln und knebeln lassen?“ fragte er kalt. „Wenn nicht, so muß ich …“

Sie nickte matt, aber eifrig.

Argwöhnisch schaute er ihr in das regelmäßige Antlitz, das unbedingt schön zu nennen gewesen wäre, wenn es nicht einen so scharf ausgeprägten hochmütigen Zug gehabt hätte.

„Nein, – Sie sind mir doch zu gewissenlos, um Ihnen vertrauen zu können“, flüsterte er dann. Und mit blitzschneller Bewegung preßte er ihr nun, als sie zu einer Erwiderung halb den Mund öffnete, ein bereitgehaltenes Tuch in den Mund. Ein zweiter Griff vereinigte ihre Hände auf dem Rücken, die er ihr mit ihrem eigenen seidenen Autoschal zusammenband.

„So – das dürfte vorläufig genügen“, meinte er, sie freigebend und sich schnell im Zimmer umschauend.

Dann ein paar Schritte, und er riß von dem einen Fenster eine rote Gardinenschnur ab.

„Setzen Sie sich dorthin!“ befahl er kurz. „Kein Sträuben! Rücksichtnahme Ihnen gegenüber wäre wenig angebracht.“

Er hatte auf den schweren Schreibtischsessel gedeutet, der vor dem Arbeitstisch des Generals stand.

Willenlos gehorchte sie. Ihr Herz zitterte nicht etwa vor Empörung über die Gewalttätigkeit ihres verhaßten Feindes, nein, lediglich Bewunderung empfand sie für seine Verwegenheit und seine kraftvolle Männlichkeit.

Im Nu hatte er ihr die Füße mit der festen Schnur umschlungen und auch an die Beine des Sessels gebunden. Dann legte er ihr ein kleines gesticktes Deckchen von einem Ziertische über den Mund und knüpfte es am Hinterkopf zusammen, so daß sie den Knebel nicht mit der Zunge aus dem Munde entfernen konnte.

Jetzt war er fertig.

„Leben Sie wohl, Miß Farladay“, sagte er gleichmütig. „Ich hoffe, daß unsere Wege sich nie wieder kreuzen werden.“

Dann eilte er an das Fenster und beugte sich hinaus. Unten auf der Straße standen ein paar Soldaten, die mit der Zigarette im Munde und die Hände in den Taschen miteinander plauderten.

Dieser Weg war ihm versperrt. So mußte er es denn wagen, durch den Haupteingang an dem Posten vorbei das Gebäude zu verlassen. Vorher aber schloß er die Tür nach dem Nebenzimmer ab und steckte den Schlüssel zu sich. Dasselbe tat er mit der zweiten Tür nach dem Flur hin, nachdem er sich überzeugt hatte, daß dieser völlig leer war. –

Ruhig durchschritt die Beduinin dann die Vorhalle und trat auf die Straße hinaus. Der Posten, der sie zusammen mit dem Herrn Kommandanten vor einer guten halben Stunde mit dem Auto hatte ankommen sehen, ließ sie ungehindert vorbei.

Erst als die Araberin sich ein gutes Stück von dem großen Gebäude entfernt hatte, beschleunigte sie ihre Gangart.

Eine Viertelstunde später befand sie sich am äußersten Ende des Araberviertels. Hier hatte der Scheichsohn Ibrahim ben Salek verabredungsgemäß für Manhard das schnellfüßigste der Reitkamele bei einem Beduinen zurückgelassen. Dieser, durch gute Bezahlung für diese Gefälligkeit gewonnen, hielt das Tier gesattelt für die Frau Ibrahims, die angeblich noch Einkäufe hatte erledigen wollen, bereit, so daß sie sofort aufsteigen und der Karawane folgen konnte, zu der erst eine Strecke hinter der Stadt die befreiten Gefangenen gestoßen waren, um jedes Aufsehen zu vermeiden, da es ja aufgefallen wäre, wenn der kleine Trupp sich so plötzlich um mehrere Köpfe vergrößert hätte.

Der Detektiv machte jedoch, nachdem er kaum fünf Minuten geritten war, halt und bog von der Straße in ein Seitental ab. Hier hatte er vor zwei Tagen eine heimlich bei einem Händler erworbene Uniform eines Kavallerieunteroffiziers sowie eine Lanze, einen Säbel und einen Karabiner unter Felsgeröll versteckt. In wenigen Minuten verwandelte sich die Beduinin in einen englischen Soldaten. Die roten Augenbrauen und die gleichfarbigen Stirnstriche waren verschwunden, und der, der jetzt in Windeseile auf dem vortrefflichen Reittier der offenen Wüste zustrebte, hatte mit der früheren Suleimah auch nicht die geringste Ähnlichkeit mehr.

Flacher wurden die Berge, sandiger der Boden zu beiden Seiten des Weges. Bald konnte Manhard diesen ganz verlassen und in die Wüste einbiegen, wobei er die Richtung nach Norden nahm. Vielleicht fünfhundert Meter vor ihm lag an der Straße eine Wache, wie er nur zu gut wußte. Dieser wich er aus. Freilich hatte er immer noch die Patrouillen zu fürchten, die ständig zwischen den einzelnen in die Wüste vorgeschobenen Posten verkehrten. Aber seine neue Verkleidung würde ihn schon, wie er hoffte, vor unangenehmen Zwischenfällen schützen.

Plötzlich vernahm er zu seiner Linken, dort, wo die Wache lag und der Schein eines kleinen Feuers wie ein Fünkchen durch die Nacht glühte, ein schmetterndes Hornsignal, das sehr bald aus der Ferne beantwortet wurde.

Das konnte nur ein Alarmieren der Postenkette bedeuten. Rücksichtslos trieb er nun sein Tier zu noch größerer Eile an, und aufmerksam spähte er vor sich in das endlose Sandmeer hinaus, über dem das bleiche Licht des inzwischen aufgegangenen Vollmondes lag.

Dann tauchten rechts von ihm zwei Reiter auf. Sie trabten in einem Abstande von dreißig Schritt dahin, und der eine schwenkte sofort, als er den Detektiv erblickte, im Bogen ab, um ihm den Rückweg abzuschneiden.

Manhard war es dann, der den Kavalleristen, der sich vor ihm befand, mit lauter Stimme in tadellosem Englisch anrief.

„Ein deutscher Spion ist entflohen. Die Posten sind alarmiert. Gebt gut acht also! – Habt ihr etwas Verdächtiges bemerkt?“

Der Soldat erkannte die Uniform und ließ sich durch die Sicherheit im Auftreten völlig täuschen.

„Nichts bemerkt“, erwiderte er beruhigt, winkte seinem Kameraden zu und trabte weiter.

Manhard atmete auf. Und wieder jagte er gen Norden davon, daß der Sand unter den Hufen des flüchtigen Tieres nur so hinterherstob.

 

9. Kapitel.

Die Verfolgung.

Ethel Farladay hatte noch eine Weile, nachdem Manhard das Dienstzimmer des Kommandanten verlassen hatte, in halber Betäubung regungslos auf dem Sessel verharrt. Erst allmählich trat in die Kette ihrer Gedanken, die sich nur mit den seltenen Fähigkeiten dieses Mannes beschäftigten, der für sie für immer verloren war, ein neues Glied: das Bewußtsein, daß die abermalige Anwesenheit des Deutschen in Aden etwas Besonderes zu bedeuten haben müsse.

Kaum begann sie sich mit dieser Tatsache näher zu beschäftigen, als ihr auch sofort der Umstand, daß man diesen gefährlichen und doch so bewundernswerten Menschen in der Nähe des Gefängnisses von der Straße aufgelesen hatte, auffiel und in ihr den Argwohn weckte, Manhard könne vielleicht irgend etwas zur Befreiung der Gefangenen unternommen haben.

Sofort erwachte wieder mit ganzer Kraft der Haß gegen Senta Kruse in ihr, deren Person allein vielleicht den Deutschen nach Aden gelockt hatte, – eine Vermutung, die sie fast augenblicklich ihre ganze Energie zurückfinden ließ.

Da sie sich nur wenig auf dem schweren Sessel bewegen konnte, rückte sie jetzt Zentimeter für Zentimeter, sich lediglich mit den Fußspitzen vorwärtsschiebend, nach der in das Nebengemach führenden Tür hin, neben der auf einer Säule eine hohe, altertümliche Lampe mit bunter Glasglocke stand.

Endlich war sie dicht neben der Säule. Dann ein Stoß mit dem einen Ellbogen, und diese fiel um. Mit lautem Klirren und dumpfem Krach schlugen Säule und Lampe auf den Fußboden auf.

Dieses Mittel, irgend jemanden herbeizurufen, hatte tatsächlich Erfolg. Gleich darauf hörte sie Schritte auf dem Flur. Man rüttelte auch an der verschlossenen Tür, und Stimmen wurden laut, unter denen Ethel deutlich die des Generals heraus erkannte.

„Aufbrechen! Los!“ vernahm sie jetzt Hamilton rufen, und mit einem Knall sprang die Tür wenige Sekunden später auf. –

Der General ließ sich von Ethel das Geschehene kurz berichten, nachdem man sie von den Fesseln und dem Knebel befreit hatte.

Dann bediente er selbst das Telephon und ließ sich zunächst mit der Wache des Gefängnisses verbinden. Dort hatte der Unteroffizier soeben das Fehlen der beiden Posten auf dem Hofe bemerkt und konnte bald dem Kommandanten mitteilen, daß die wichtigen Gefangenen entflohen seien und die Aufseher, Frau Holliday und die beiden Posten gefesselt in der Wohnung des Oberaufsehers lägen.

Daraufhin verlangte Hamilton sofort Anschluß mit der Wache am Rande der Wüste. Aber die Leitung war gestört. Niemand meldete sich dort.

„Ein neuer Streich dieses Deutschen!“ knirschte der General. „Aber ich muß ihn haben – muß! Das Auto soll vorfahren!“ –

Wieder sauste der Kraftwagen, besetzt mit denselben Personen wie vorhin, in die Nacht hinaus. – Ethel Farladay fieberte vor Aufregung.

„Werden wir auch noch rechtzeitig die Außenwachen alarmieren können?“ fragte sie nun schon zum zweiten Mal.

„Hoffentlich!“ knurrte Hamilton. „Außerdem ist in wenigen Minuten die ganze Garnison auf den Beinen. Ich lasse jedes Haus, jedes Zelt durchsuchen und schicke Streifpatrouillen in die ganze Umgegend.“

Das Auto raste wie ein unheimliches Gespenst dahin, Benzingestank und wallende Staubwolken hinter sich herziehend, vorbei an scheu zur Seite weichenden Wanderern, vorbei an dem Flüchtling, den es verfolgte und der in dem Seitentale sich verborgen hielt, um die wilde Jagd an sich vorüber zu lassen.

Bei der Wüstenwache angelangt, sprangen Hamilton und Hauptmann Farladay eilends aus dem Kraftwagen, und der General befahl dem sich bei ihm vorschriftsmäßig meldenden Unteroffizier, sofort das Alarmsignal für die Nebenwachen geben zu lassen, das diesen erhöhte Achtsamkeit und regsten Patrouillengang zur Pflicht machte.

Das Hornsignal klang durch die stille Nacht, weckte in der Ferne wie ein Echo die gleichen Töne, die sich von Wache zu Wache fortpflanzten.

Wenige Minuten später tauchten zwei Reiter auf, die, den Karabiner schußbereit über dem Sattel, der Wache im Trabe sich näherten. Beim Anblick des Generals, der neben dem flackernden Feuer stand, ruckten die Kavalleristen zusammen, und der eine, sein Pferd kurz parierend, meldete:

„Patrouille Nummer Eins der Außenwache Zwei. Nichts Besonderes bemerkt.“

„Habt Ihr auch gut aufgepaßt?“ fragte Hamilton scharf. „Ein weißer Gefangener ist entwichen, der Beduinenkleidung trägt.“

„Zu Befehl, Herr General! – Von der Flucht des Gefangenen machte uns ein Unteroffizier vom Kamelreiterkorps aufmerksam dem wir soeben begegneten.“

Hamiltons Kopf schnellte empor.

„Unteroffizier – Kamelreiterkorps?!“ meinte er argwöhnisch. „War der Mann allein?“

„Jawohl – allein!“

„Und ritt in welcher Richtung?“

„Nach Norden, Herr General.“

Hamilton wandte sich jetzt an Hauptmann Farladay, zu dem sich inzwischen auch Ethel gesellt hatte.

„Die Kamelreiter sind sämtlich heute mittag in drei Dampfern nach Suez abgegangen. Sie sind für Ägypten bestimmt“, sagte er leise. „Ich möchte beinahe annehmen, daß der angebliche Unteroffizier dieser verd… Manhard gewesen ist.“

Dann forschte er die beiden Leute der Patrouille weiter aus. Und hierbei wurde festgestellt, daß der Kamelreiter selbst zwar die vorschriftsmäßige Uniform, sein Reittier aber, wie der eine der Kavalleristen sich genau besann, Sattel und Zaumzeug nach Beduinenart getragen habe.

„Das gibt den Ausschlag!“ rief Hamilton erregt. „Ohne Frage haben wir diesen Deutschen vor uns, der seinen schon früher geflohenen Gefährten folgt. – Vorwärts – keine Minute ist zu verlieren. Ich selbst werde die Verfolgung leiten.“

Kurz und bestimmt klangen seine Befehle.

Da trat Ethel Farladay auf ihn zu:

„Nehmen Sie mich mit, bitte! Sie wissen, ich bin vorzügliche Reiterin, halte Strapazen aus und kann mich vielleicht nützlich machen.“

Hamilton zauderte etwas, seine Einwilligung zu geben.

„Bedenken Sie, Ethel, daß wir vielleicht eine ganze Woche fortbleiben. Nachts in der Wüste in einem Zelt zu liegen, gehört nicht gerade zu den großen Genüssen.“

„Ich bitte nochmals um die Erlaubnis.“

„Gut denn. Es sei. – Und nun los, Chauffeur! In zwei Stunden müssen wir wieder hier sein “ –

Hamilton hatte sich nicht verrechnet. Gegen ein Uhr nachts setzte sich der Trupp der Verfolger, vierundzwanzig tadellos berittene Kavalleristen unter Führung eines wüstenkundigen jungen Leutnants sowie der General, Hauptmann Farladay, Ethel und zwölf Packpferde in Bewegung.

Voran ritten zwei Leute mit Magnesiumfackeln, deren man eine ganze Menge mitgenommen hatte. Die Spur des einzelnen Kamelreiters war bald gefunden, sie im Auge zu behalten, war anfänglich jedoch nicht ganz leicht, da hier in der Nähe Adens noch zahlreiche Fährten den Sandboden durchkreuzten.

Erst eine halbe Stunde später kam man in eine Gegend, die nur selten der Fuß eines Menschen betrat. Es war dies das Gebiet zwischen dem Städtchen Taez und dem Dorfe Haissa, wo es nur Steingeröll, phantastische Felsaufhäufungen und einige ausgetrocknete Salzseen gab, deren weiße, eisähnliche Oberfläche im Mondlicht flimmerte wie ein zugefrorenes Gewässer.

Der Leutnant, der mit an der Spitze ritt, machte dem General eine kurze Meldung, worauf dieser zustimmend nickte. Daraufhin trennten sich vier Reiter von dem Haupttrupp, um das endlose Geröllfeld nach Westen zu umreiten, während die übrigen nach Osten zu dem gleichen Zweck abbogen.

Ethel Farladay, die nicht sofort begriff[13], was diese Teilung der Verfolger bezweckte, wandte sich an Hamilton um Aufschluß.

„Leutnant Belcherstone erklärte mir“, erwiderte der General bereitwillig, „daß auf dem steinigen Boden vor uns das Verbleiben auf der Fährte Manhards uns viele Stunden kosten würde und daß es daher praktischer sei, dieses Gebiet nach beiden Seiten hin zu umreiten. Der bisher eingeschlagenen Richtung nach dürften die Entflohenen die Stadt Sana zu erreichen suchen, von wo aus eine Bahn nach Hodeidah am Roten Meer führt.“

Weiter trabte die gut bewaffnete und mit allem Nötigen reichlich versehene Schar. Leutnant Belcherstone war jetzt mit den Fackelträgern weit voraus, hielt aber auch des öfteren an um Spuren, die ihm verdächtig vorkamen, zu untersuchen. Er war ein leidenschaftlicher Jäger, kannte die arabische Wüste in ihrem Südwestgipfel wirklich wie seine Tasche und verstand sich vorzüglich aufs Fährtenlesen. So hatte er auch sehr bald bemerkt, daß Manhards Reittier mit den Klauen aller vier Füße das Gras ausrupfte, sobald es in schneller Gangart war, eine Eigentümlichkeit, die nur wenige Kamele besitzen, bei denen die Klauen sehr beweglich sind, so daß diese sich beim Auftreten auf dem Boden auseinanderspreizen und die zwischen sie geratenen Grashalme beim Heben der Füße infolge des nunmehr wieder erfolgenden Zusammenpressens der Klauen ausreißen. Dies bildete für ihn ein vorzügliches Kennzeichen, die Spur des Deutschen nicht mit anderen zu verwechseln. Kommt es doch höchst selten vor, daß Kamele auf allen vier Füßen sog. Rupfer sind. –

Nach einer Stunde machte der Leutnant plötzlich abermals halt. Man war während dieser Zeit so geritten, daß man sich stets auf sandigem Boden befand, während das steinige Gebiet zur Linken liegen blieb.

Als der Haupttrupp herangekommen war, zeigte Belcherstone dem General die Spur eines einzelnen Kameles, die aus dem Geröll heraus und direkt nach Osten führte.

„Der Flüchtling hat also nur seine Verfolger aufhalten wollen, indem er diesen harten Boden einige Zeit benutzte“, meinte der Leutnant. „Wir werden ihm jetzt in schnellerem Tempo nachsetzen können.“

Hamilton wollte jedoch Mensch und Tier nicht gleich zu Anfang überanstrengen und ordnete daher eine kurze Rast an. Dann ging es weiter. Die vier Mann, die nach Westen zu das Geröllfeld umritten, mußten zusehen, wie sie wieder Anschluß an die Hauptabteilung fanden. Man konnte unmöglich auf sie warten. Für alle Fälle ließ man ihnen ein deutlich sichtbares Zeichen im Sande und einen Zettel zurück, der sie anwies, schnellstens den anderen nach Osten zu verfolgen. –

Als der Morgen zu grauen begann, hatte man die Grenze des zu Aden gehörenden, unter englischer Oberhoheit stehenden Gebietes erreicht. Bisher war Manhard ohne Ruhepause, wie die Fährte zeigte, nunmehr in gerader Linie nach Osten geritten, eine Tatsache, die Hamilton nicht recht begreifen konnte, da die weitere Flucht von einer der südarabischen Küstenstädte, wie sie der Deutsche und mit ihm wahrscheinlich seine Gefährten jetzt zu beabsichtigen schienen, wegen ihrer Gefährlichkeit mit der Verschlagenheit Manhards schwer in Einklang zu bringen war. –

Bei Sonnenaufgang wurde dann in einer kleinen, unbewohnten Oase das Lager aufgeschlagen, um einige Stunden zu ruhen. Schnell waren die leichten Zelte errichtet, von denen eins Ethel Farladay allein zur Verfügung stand.

Tee und Konserven bildeten den Imbiß, den der Trupp hastig einnahm, um dann mit Ausnahme der aufgestellten Posten sofort nachher im Schlaf die nötige Erquickung zu suchen. Leutnant Belcherstone, der die Spur Manhards nochmals gründlich besichtigt hatte, erklärte bei der Mahlzeit, der Deutsche habe jetzt etwa einen Vorsprung von drei Stunden, und wenn man um die Mittagszeit trotz der Hitze weiterreite, so sei es sehr gut möglich ihn im Schlaf zu überraschen, da er unbedingt demnächst gleichfalls eine längere Rast machen müsse.

Es wurde dann gegen elf Uhr vormittags wieder aufgebrochen. Bald aber zeigte es sich, daß man es mit einem Flüchtling zu tun hatte, der jede Möglichkeit wahrnahm, um seine Fährte unsichtbar zu machen und die Verfolger irre zu führen. Zwei Mal stieß man auf ein ausgetrocknetes, steiniges Flußbett, in dem Manhard stets über Stellen mit glattem Felsboden hingeritten war, so daß es stets längere Zeit dauerte, bevor der Leutnant die Fortsetzung der Spur wiederfand, die auf dem harten Gestein so gut wie unsichtbar blieb. Dann wieder hatte der Deutsche beim Verlassen eines dieser Geröllfelder eine mit Sand beschwerte Decke hinter sich hergeschleift, um dadurch die Fährte zu verwischen. Wäre nicht Belcherstone bei dem Trupp gewesen, so hätte dieser bald die Verfolgung aufgeben müssen. Nur seine geübten Augen entdeckten stets wieder die gesuchten Spuren.

So wurde es drei Uhr nachmittags, und noch immer fanden sich keine Anzeichen dafür, daß der Deutsche irgendwo gelagert hatte. Nur einmal hatte er sein Tier getränkt, war aber sofort wieder aufgestiegen.

Jetzt passierte man die von Sawa, der zweitgrößten Stadt des Sultanates Hadhramaut, nach Aden führende Karawanenstraße[14]. Manhards Fährte schnitt diese in spitzem Winkel, und der Kompaß belehrte seine Verfolger, daß er jetzt etwa die Richtung nach der Küstenstadt Haura am Golf von Aden einhielt.

Eine Stunde später bemerkte der Leutnant dann eine breite, von gut einem Dutzend von Kamelen herrührende ziemlich frische Fährte, die von Südwesten, also von Aden her, über die Wüste dahinlief und, sich mit des Deutschen Spur vereinigend, nach Nordosten führte.

Die Schar der Engländer, der sich inzwischen auch die vier in der vergangenen Nacht abgeschickten Leute wieder zugesellt hatten, hielt auf einen Wink Belcherstones, und dieser erklärte dem General, daß an dieser Stelle Manhard mit seinen Gefährten zusammengetroffen sei.

Der Gedanke, alle Entflohenen jetzt vor sich zu haben, ließ den General jede Rücksicht auf die bereits ziemlich abgetriebenen Pferde vergessen, zumal der Leutnant ihm versicherte, die Kamele der Verfolgten seien wahrscheinlich infolge Übermüdung nur noch im Schritt gegangen und nur kurze Strecken hin und wieder getrabt.

So erhielten die Pferde denn abermals Wasser gereicht, und nach zehn Minuten schon folgten die Engländer der tief aufgewühlten Fährte, die jetzt nach vorwärts auf weite Entfernung schon zu bemerken war, so daß der schlaue Leutnant mehr als einmal größere Strecken, wo die Verfolgten Umwege gemacht hatten, abschneiden konnte. –

Man näherte sich gegen fünf Uhr nachmittags gerade einem zerklüfteten Felskegel, wie diese im Südteile Arabiens häufig aus dem Sandmeer in einsamer Größe herauswachsen, als Belcherstone den General auf eine Stelle aufmerksam machte, wo der Boden etwas abseits der Kamelfährten von zahlreichen menschlichen Füßen zertreten war.

Plötzlich sprang der Leutnant sogar vom Pferde und zerkrümelte etwas Sand zwischen den Fingern, der brauner gefärbt war.

„Hier ist einer der Flüchtlinge entweder von starkem Nasenbluten oder einem Blutsturz befallen worden“, erklärte er mit größter Bestimmtheit. „Die anderen haben sich um den Erkrankten bemüht; und hier sehe ich auch ein paar Leinwandfäden, – mithin hat man Leinwand zerrissen, wahrscheinlich, um das Blut zu stillen oder fortzuwischen. Jedenfalls besteht die größte Hoffnung, daß wir die Verfolgten bald einholen. Der Kranke zwingt sie unbedingt zu einer längeren Rast.“

Hamilton nickte befriedigt und ließ sein Pferd wieder in Trab fallen. –

Ethel Farladay, deren hochbeiniger Fuchs bei seiner leichten Last noch mit am frischesten von allen Pferden war, hielt sich zumeist neben Belcherstone an der Spitze des Zuges. Sie trug ein praktisches Sportkostüm aus grauem Lodenstoff, welches einen geteilten Rock besaß sowie gleichfarbige Kniehosen, so daß sie im Herrensattel reiten konnte.

Inzwischen war man dem Felskegel bis auf zweihundert Meter nahe gekommen.

Da zügelte plötzlich Leutnant Belcherstone sein Pferd und wies mit der Hand auf das Felsgewirr des einzelnen Berges, der vielleicht eine Höhe von achtzig Meter besaß und nach Norden und Süden zu in unregelmäßigen Terrassen in die Ebene überging.

„Manhard – kein Zweifel!“ rief er gellend und gab seinem Pferde die Sporen.

Auch Ethel hatte jetzt am Fuße des Berges ein kniendes Kamel bemerkt und daneben einen Menschen in Uniform, der eine weiße Binde um den Kopf geschlungen hatte. Wenn sie auch das Gesicht auf diese Entfernung nicht erkennen konnte, so zweifelte sie doch keinen Augenblick daran, daß es der als Kamelreiter-Unteroffizier verkleidete Deutsche sei, den vielleicht eine Kopfverletzung gezwungen hatte, zurückzubleiben.

Ein aufmunternder Zuruf, und ihr ehrgeiziger Fuchs schoß hinter Belcherstones Braunen her, als gelte es ein Wettrennen.

 

10. Kapitel.

Ibrahim ben Saleks List.

Der Leutnant hatte mit seiner Vermutung, daß einem der Flüchtlinge etwas zugestoßen sei, nur allzu sehr das Richtige getroffen.

Kapitän Kruse, den bei seinem Alter die Haft in den glutheißen Zellen des kleinen Gefängnisses von Aden doch weit mehr entkräftet hatte, als es anfänglich schien, war plötzlich ohnmächtig geworden, während sich gleichzeitig ein starkes Nasenbluten infolge übergroßer Schwäche einstellte.

Dieser Zwischenfall verursachte einen längeren Aufenthalt. So sehr Ibrahim ben Salek auch zur Fortsetzung der Flucht drängte, – man mußte warten, bis der Kapitän sich etwas erholt hatte.

Außerdem zeigte auch Senta Kruse, die in dem Tachtirwan untergebracht worden war, deutliche Anzeichen völliger Erschöpfung, so daß Manhard, Menke und der Scheichsohn einen kurzen Kriegsrat abhielten, bei dem beschlossen wurde, am nächsten günstigen Orte bis Mitternacht ein Lager aufzuschlagen und dann erst die Flucht fortzusetzen.

Die Freude über die glückliche Wiedervereinigung des Detektivs mit den übrigen Gefährten wurde durch das schlechte Befinden der beiden Kruses stark getrübt. Immerhin hoffte Ibrahim, daß die Verfolger noch zu weit zurück wären, um eine Überraschung durch diese fürchten zu müssen. Trotzdem war er jedoch vorsichtig genug, den bestberittenen seiner Leute auf der Fährte eine Strecke zurückzuschicken, wo dieser bis zum Abend warten sollte, um gegebenenfalls rechtzeitig das Nahen der Feinde melden zu können, über deren Zahl man ja bisher völlig im Unklaren war, mit denen man aber rechnen zu müssen glaubte.

Derselbe zerklüftete Felsenberg, den auch die Engländer schon von weitem bemerkt hatten, wurde von Ibrahim als Lagerplatz bestimmt, da man dort eine natürliche Grotte entdeckte, die den Menschen genügend Raum bot, während die Kamele in einer dicht daneben liegenden Schlucht untergebracht werden konnten. Außerdem gewährte dieser Ort den Vorteil, daß man von der Spitze des Berges die Wüste weithin überblicken und im Falle eines Angriffs sich sehr leicht auch gegen eine Übermacht verteidigen konnte, und dies mit umso größerer Aussicht auf Erfolg, als Manhard durch den Scheichsohn auf der Hinreise nach Aden für teures Geld in Haura eine genügende Anzahl von Winchesterbüchsen und Patronen hatte einkaufen lassen, die dann erst im Angesicht der Uferberge Adens in der Wüste sorgfältig vergraben wurden, damit man sie erst nach geglückter Flucht wieder an sich nehmen könne.

Eine Stunde, nachdem das Lager bezogen worden war, hatten Ibrahim ben Salek und Manhard sich auf den Gipfel des Kegels begeben, um Ausschau zu halten. Da sahen sie denn sofort, daß der zurückgeschickte Beduine in rasender Eile dahergesprengt kam und schon aus der Ferne allerhand warnende Zeichen machte. Als sie nun aufmerksamer den Horizont mit den Augen absuchten, bemerkten sie auch eine Anzahl dunkler Punkte, die sich offenbar vorwärts bewegten.

Stumm sahen die beiden Männer, die das Schicksal zu Verbündeten gemacht hatte, sich an.

Und dann sagte Ibrahim kurz, indem er eilends den Rückweg nach der Grotte antrat:

„Ohne Kampf wird es nicht abgehen. Ich habe 28 Feinde gezählt. Meine Augen sind zuverlässig.“

Manhard erschrak. Aber der Beduine ließ ihm jetzt keine Zeit zu weiteren Erörterungen.

Unten angelangt, – die Grotte lag etwa zwanzig Meter über dem Sandboden der Wüste und zwar auf der Nordseite des Berges, also der den Verfolgern abgewandten, rief der Detektiv sofort die Männer mit Ausnahme des alten Kruse zusammen und teilte ihnen das Beobachtete mit.

„An einen sofortigen Aufbruch ist nicht zu denken“, erklärte er dann. „Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als unsere Freiheit uns zu erkämpfen. Ich jedenfalls ergebe mich nicht, ohne wenigstens den Versuch gemacht zu haben, dem doppelt so starken Gegner die Stirn zu bieten.“

Ringsum erklangen nur Rufe der Zustimmung.

„Richten wir uns hier also zur Verteidigung ein“, fuhr der Detektiv fort. „Einige von uns aber, und zwar die besten Schützen, verbergen sich auf der anderen Seite des Berges hinter Felsstücken und versuchen, den Engländern möglichst viele Pferde niederzuschießen.“

Inzwischen war nämlich der ausgesandte Späher wieder angelangt und hatte gemeldet, daß die Verfolger tatsächlich aus 28 Personen beständen und zu Pferde säßen. –

Ibrahim ben Salek aber hatte an Manhards Kriegsplan noch einiges auszusetzen.

„Pferde erschießen ist ein sehr guter Gedanke“, meinte er. „Aber noch besser, wenn wir die Feinde zunächst teilen. Ich werde die Kleider des Mannes aus Deutschland“ – damit zeigte er auf den uniformierten Detektiv – „anziehen, mir ein weißes Tuch um den Kopf wickeln und den Kranken spielen. Den Engländern sind die Blutspuren im Sande sicherlich nicht entgangen. Also werden sie denken, ich habe zurückbleiben müssen, wenn sie mich drüben am Fuße des Berges sehen. Meine Kamelstute ist noch völlig frisch und kann von keinem Pferde eingeholt werden. So will ich einen Teil der Soldaten hinter mir her weit nach Norden locken, bis die Dunkelheit, die bald kommen muß, tief genug ist, um wieder zu Euch zurückzukehren.“ –

Die List des Arabers fand den allgemeinen Beifall. Und so erwartete er denn das Nahen der Verfolger auf der Südwestseite des Felskegels mit größter Kaltblütigkeit. – –

Kaum hatte Leutnant Belcherstone sein Pferd in Galopp gesetzt, als auch der Scheichsohn sich in den Sattel schwang und zunächst nicht allzu schnell die Richtung nach Norden einschlug.

Das Erwartete geschah: Aus dem Trupp der Verfolger lösten sich zehn der am besten berittenen Soldaten heraus und jagten ebenfalls hinter dem Manne her, den alle für den verkleideten Deutschen hielten und der scheinbar auf einem bereits recht matten Kamele saß. Ethel Farladay hätte diese Hetze zwar sehr gerne mitgemacht, aber ein energischer Zuruf Hamiltons ließ sie sofort wieder ihren Fuchs zügeln und im Trab zu dem Rest der Schar hinreiten.

Von hier aus wurde zunächst die Jagd auf den falschen Unteroffizier mit gespanntester Aufmerksamkeit beobachtet. Dann aber entfernten sich Verfolger und Flüchtling immer mehr. Offenbar hatte das Kamel Manhards doch noch einen größeren Kräfteüberschuß besessen, als es anfänglich schien. Und schließlich entschwanden die Reiter völlig den Zurückbleibenden aus dem Gesichtskreis, so daß Hamilton ärgerlich ausrief:

„Wir wollen uns dort zwischen den Felsen lagern. Bis Belcherstone mit den zehn Mann wiederkommt, können noch Stunden vergehen. Hoffentlich erwischen sie wenigstens den weißen Schuft!“

Im Schritt ritt der Trupp nun dem Berge zu. Es war eine unverantwortliche Leichtfertigkeit von den Engländern, sich dem Felskegel, der soviel Verstecke bieten mußte, ohne jede Vorsichtsmaßregel zu nähern. Aber sowohl Hamilton als auch Hauptmann Farladay waren fest davon überzeugt, daß die übrigen Flüchtlinge ihren Weg fortgesetzt und nur den Verwundeten, der sich vielleicht erst erholen wollte, zurückgelassen hätten.

Vorn ritten nebeneinander der General, Ethel und deren Vetter, wenige Meter dahinter die vierzehn Kavalleristen, die schon ziemlich erschöpft auf ihren abgetriebenen Gäulen hingen und von denen die meisten noch ein Packpferd zu führen hatten.

Sechzig Meter war die Schar nun etwa noch von dem Felskegel entfernt, als plötzlich acht Schüsse erklangen, denen gleich darauf ein unregelmäßiges Schnellfeuer aus den vielschüssigen Winchesterbüchsen folgte.

Die Wirkung war eine erschreckende. Die getroffenen Pferde brachen zumeist schon nach einigen wilden Sprüngen zusammen oder warfen ihre Reiter ab. Nur vier Kavalleristen blieben im Sattel und sprengten in wilder Flucht davon.

Dem General, Ethel Farladay, dem Hauptmann und fünf der Soldaten waren ihre Tiere unter dem Leibe erschossen worden so daß sie, als jetzt Manhard mit sieben seiner Gefährten auf sie losstürmte, sich notwendig ergeben mußten, da sie noch von dem Sturz mit ihren Tieren halb betäubt waren.

Die Gefangenen wurden schnell entwaffnet und mußten dann den Weg nach dem Felsenkegel einschlagen, wo man sie in die Grotte brachte, die eilig für diesen Zweck freigemacht wurde. Hier übernahmen Menke und zwei von den Anhängern des Rajahs ihre Bewachung, während der Detektiv auf den schnell gesattelten Kamelen mit den Arabern in die Wüste hinausritt, um die Packpferde der Engländer, die man geschont hatte und die sich überallhin zerstreut hatten, wiedereinzufangen, was auch in einer knappen halben Stunde gelang, ohne daß die noch berittenen Kavalleristen, die sich mit ihren ihrer Tiere beraubten Kameraden vereinigt hatten, es wagten, angriffsweise gegen die Kamelreiter vorzugehen.

Bald darauf brach die Dämmerung herein. Es wurde nun zusehends dunkler und dunkler, und der vorsichtige Detektiv stellte daher einige Wachen aus, um vor jeder Überrumpelung sicher zu sein.

Als gerade die ersten Sterne am nächtlichen Himmel zu blinken begannen, fand sich auch Ibrahim ben Salek wieder ein.

Ruhig berichtete er, daß es ihm gelungen sei, seine Verfolger so abzuhetzen, daß diese mit ihren völlig ermüdeten Pferden viele Stunden gebrauchen würden, um nach dem Felskegel zurückzukehren.

Daß Manhard sämtliche Packpferde mit den Lebensmitteln, Wasserschläuchen und Zelten der Engländer sowie zahlreiche Waffen erbeutet hatte, gab dem verschlagenen Beduinen einen neuen, sehr glücklichen Gedanken ein.

Nach kurzer Rücksprache mit dem Detektiv begaben sich beide in die Grotte, wo die englischen Gefangenen beim trüben Lichte einer nach außen abgeblendeten Zeltlaterne, die man in ihrem Gepäck gefunden hatte, auf dem harten Steinboden saßen.

Manhard trug jetzt Beduinenkleidung, die ihm vortrefflich stand. Ohne jeden Gruß blieb er vor dem General stehen, der sofort in derselben anmaßenden Weise wie bei seiner Gefangennahme die lächerlichsten Drohungen ausstieß und „dem braunen und weißen Räubergesindel“ sofortiges Erschießen als die gelindeste Strafe zusagte.

Kalt erwiderte der Detektiv, indem er an den Kolben seiner Büchse mit dem Zeigefinger klopfte:

„Wir befinden uns hier außerhalb des englischen Bodens, – vergessen Sie das nicht! Hier gilt das Gesetz der Wüste, also das Recht des Stärkeren! Und das sind wir!“

Hamilton wollte aufbegehren, aber Manhard blickte ihn mit so ironischer Überlegenheit an, daß der Engländer auf jedes weitere Wort verzichtete.

„Ich komme, um Ihnen mitzuteilen, daß wir sofort diesen Platz verlassen werden“, fuhr der Detektiv dann fort. „Wir werden hier soviel Wasserschläuche zurücklassen, daß die Kavalleristen ohne zu verdursten die nächste Oase erreichen können. Sie selbst, Hauptmann Farladay und … jene Dame da“ – er wies auf Ethel – „nehmen wir mit, bis wir sicher sind, daß jede Verfolgung aufgehört hat. Geben Sie also diesen Soldaten die nötigen Befehle. Je eher wir merken, daß niemand uns weiter nachsetzt, desto schneller erhalten Sie drei die Freiheit wieder.“

„Das tue ich nicht!“ brauste Hamilton auf. „Diese Maßregel, uns mitzuschleppen, ist eine ganz zwecklose Quälerei. Ohne Proviant und ohne das Gepäck darf Leutnant Belcherstone mit dem Rest seiner zum Teil jetzt noch unberittenen Leute sich keinen Schritt in die Wüste weiter hineinwagen, muß vielmehr schleunigst nach der Küste zurückkehren.“

„Sehr richtig!“ meinte Manhard kühl. „Aber der Leutnant kann zufällig irgend einer stärkeren englischen Patrouille oder einer Karawane begegnen, die ihm mit dem Notwendigsten aushilft, und die Jagd nach uns dann fortsetzen. Ich gehe stets sicher – bei allen Angelegenheiten! Und so lange ich Sie drei als Geiseln bei mir habe, brauche ich für mich und meine Gefährten nicht zu fürchten.“

Der General merkte, daß der Deutsche sich nicht umstimmen ließ und wandte sich mit einem verächtlichen Auflachen bei Seite.

Eine Viertelstunde später setzte sich die Karawane in Bewegung. Die beiden englischen Militärs und Ethel hatten sich, da jeder Widerstand nutzlos gewesen wäre, freiwillig in ihr Schicksal ergeben. Die Packpferde wurden in die Mitte des Zuges genommen, und die Reittiere der drei Gefangenen, die man auf Lastkamele gesetzt hatte, durch Leinen mit den Sätteln der Packpferde verbunden, so daß ein plötzliches Entweichen unmöglich war.

Ibrahim und Menke ritten als Kundschafter etwa zweihundert Meter voraus, während zu beiden Seiten gleichfalls je ein Beduine die Schar vor einem überraschenden Angriff von der Flanke her sichern sollte. Mußte man doch immerhin mit einem Überfall durch die Kavalleristen rechnen, die nach der Erschießung der Pferde entkommen waren. Weniger zu fürchten war der Leutnant mit seiner Abteilung, da dieser nach der vergeblichen Jagd auf den verkleideten Scheichsohn kaum wieder in der Nähe des zerklüfteten Berges angelangt sein konnte.

Etwa fünf Minuten nach dem Aufbruch kam der eine der als Seitendeckung ausgeschickten Araber auf die Karawane zugesprengt und meldete, daß er die Soldaten bemerkt habe, die in einer nahen Talsenkung gelagert hätten. Es seien im ganzen neun gewesen, und vier Pferde hätte er gleichfalls zählen können. Mithin handelte es sich nur um die versprengten, zum Teil reiterlosen Kavalleristen. –

Inzwischen war der Mond aufgegangen, so daß man auf einige hundert Meter, wenn auch sehr undeutlich, die Dinge ringsum unterscheiden konnte. Als Manhard nach der angedeuteten Richtung hinblickte, sah er auch wirklich einen dunkleren, großen Fleck, der sich hin und her bewegte. Sofort gab er den Befehl, die Gangart der Tiere zu beschleunigen, um aus der Nähe der Soldaten fortzukommen.

Zu spät! Die Kavalleristen, die nicht ahnten, daß ihre Offiziere und die junge Engländerin sich bei dem Trupp befanden, eröffneten plötzlich auf die Karawane trotz der weiten Entfernung ein unregelmäßiges Schnellfeuer, dem leider ein blühendes Menschenleben zum Opfer fallen sollte, – Ethel Farladay, der eine Kugel von seitwärts die Brust durchschlug, so daß sie sofort vornüber auf den Hals des Kameles sank. Vor einem Fall auf den Erdboden bewahrte sie Manhard, der augenblicklich aus dem Sattel glitt, sie mit den Armen auffing und sie dann behutsam auf den weichen Sand legte.

Auf den Knall der Schüsse hatte Rajah Samataviri kurz entschlossen sein Reittier herumgerissen, den Indern ein paar Worte zugerufen und, von diesen begleitet, die Soldaten furchtlos angegriffen, von denen die vier Berittenen schleunigst davonsprengten, während die anderen unter den Kugeln der rachgierigen Anhänger des Fürsten ein schnelles Ende fanden.

Inzwischen war Ethel Farladay aus der anfänglichen Ohnmacht erwacht. Man hatte ihr eine Decke unter den Kopf geschoben und das blutgetränkte Gewand geöffnet. Daß es hier keine Rettung gab, hatte Manhard schon nach kurzer Untersuchung der Wunde erkannt. So breitete er denn eine zweite Decke über seine Feindin aus, die auf dem vom Silberlicht des Mondes beschienenen kahlen Sande lag und deren Brust sich pfeifende Atemzüge mühsam entrangen.

Ethel schlug die Lider auf und schaute mit seltsam großen Augen auf den Kreis von Menschen, der um sie herumstand.

Hamilton kniete jetzt neben ihr nieder und griff tröstend nach ihrer Hand.

„Wir werden Sie mit aller Vorsicht nach Aden transportieren, armes Kind“, meinte er, noch ganz verstört durch diesen furchtbaren Erfolg des Überfalles seiner Soldaten. „Dort werden unsere Ärzte Sie schon wieder gesund machen. – Wollen Sie vielleicht etwas trinken, Ethel? Kann ich Ihnen irgendwie Erleichterung schaffen.“

Sie bewegte matt den Kopf und winkte mit der Hand.

„Ich sterbe – ich fühle es“, flüsterte sie röchelnd. „Lassen Sie mich mit Manhard allein, – bitte – tun Sie es!“

Der General richtete sich auf. In seinen Augen schimmerte es feucht. Und mit leise zitternder Stimme sagte er weich:

„Kommen Sie …! Miß Farladay hat mit dem deutschen Herrn etwas zu reden.“

Schweigend gehorchten alle der Aufforderung. – Manhard und Ethel Farladay waren allein.

Er setzte sich neben sie in den Sand und beugte sich über sie. Aus seinem Herzen war aller Groll gegen dieses junge, von ungezügelten Leidenschaften beherrschte Weib geschwunden. Nur unendliches Mitleid empfand er mit ihr, mit ihrem tragischen Geschick, das ihr den Tod durch einen ihrer eigenen Landsleute zugesandt hatte.

Die Sterbende suchte nach seiner Hand. Und dann lagen ihre kalten Finger in den seinen.

„Ich war schlecht, Manhard, – sehr schlecht“, flüsterte sie kaum vernehmlich. „Aber ich liebte Sie, und … die Eifersucht weckte alles Häßliche in mir … Ich liebe Sie noch … Verzeihen Sie mir, und … werden Sie glücklich mit der anderen …“

Mühsam richtete sie sich etwas auf.

„Eine Bitte, Manhard … Küssen Sie mich, – – nur ein einziges Mal … der Tod wird mir dann leichter werden.“

Da legte er den Arm um sie, stützte sie, und ihre Lippen fanden sich für einen kurzen Augenblick. Und so, den Kopf an seine Brust gelehnt, starb sie gleich darauf.

* * *

Der General und Hauptmann Farladay wurden infolge dieses Ereignisses, das alle aufs tiefste erschüttert hatte, sofort freigelassen. Man hinterließ ihnen vier Packpferde, damit sie die Leiche Ethels schleunigst nach dem nächsten Araberdorfe bringen könnten, wo sie vor ihrer Überführung nach Aden eingesargt werden mußte.

Kühl, wenn auch nicht unfreundlich, trennte sich Manhard von den beiden Engländern, die mit der Toten allein in der weiten Wüste bleiben mußten, bis Leutnant Belcherstone wieder zu ihnen stieß. – –

Acht Tage später traf die Karawane, die sorgfältig alle menschlichen Behausungen vermieden hatte, in dem versteckten Lager der Ausgestoßenen ohne weitere Zwischenfälle ein. Da inzwischen zwei Mal heftige Gewitterregen niedergegangen waren, die alle Spuren ausgelöscht hatten, brauchte man nicht zu fürchten, daß die Flüchtlinge in ihrem Schlupfwinkel aufgefunden werden könnten, und dies umso weniger, als sich ja Ibrahim mit seinen Leuten in Aden als Angehörige des Stammes der Bir-Kassar ausgegeben hatte, die in Wirklichkeit weit westlicher wohnten.

Trotzdem gebrauchten sämtliche Entflohenen die Vorsicht, ständig Beduinenkleider zu tragen, um bei zufälligen Besuchen von Fremden im Lager nicht aufzufallen. –

Einen Monat später hatte Kapitän Kruse sich soweit erholt, daß man daran denken konnte, die Flucht auf dem Landwege fortzusetzen, um zunächst nach Bagdad zu gelangen. Der Plan, ein Schiff zu benutzen, war als zu gefährlich ganz aufgegeben worden. Aber auch dem neuen Vorhaben türmten sich Hindernisse in den Weg, die lange Zeit den Aufbruch zu der weiten Reise nach der altberühmten Stadt am Tigris verzögerten. Englische Agenten hatten die Araberhäuptlinge, deren Gebiet man passieren mußte, durch reiche Geschenke für die Sache des Vierverbandes gewonnen, so daß Manhard sich entschloß, bis auf weiteres im Lager der Ausgestoßenen zu bleiben.

Endlich – es war im September 1915, nachdem man beinahe ein Jahr bei dem ehrwürdigen Scheich des kleinen Stammes als Gäste gelebt hatte, brachte Ibrahim die Nachricht, daß die Araber anderen Sinnes geworden seien und den heiligen Krieg gegen die Mächte des Vierverbandes begonnen hätten. Jetzt riet er selbst zu dem Versuch, sich nach Bagdad durchzuschlagen und bot sich als Führer an.

Das Wagnis glückte. Nach einer Reise von sechs Wochen langte die Karawane, die auch die Schätze des Rajahs mit sich führte, in der uralten Stadt am Tigris an. Reich beschenkt wurde Ibrahim jetzt entlassen. Die Freigebigkeit Samataviris hatte den ganzen Stamm der Ausgestoßenen mehr als wohlhabend gemacht. –

Und wieder einen Monat später trafen die den englischen Nachstellungen so glücklich Entronnenen wohlbehalten in Berlin ein, und hier wurde aus Senta Kruse und Manhard, deren Herzen sich längst gefunden hatten, ein seliges Pärchen.

 

Ende.

 

Druck: P. Lehmann G. m. b. H., Berlin.

 

 

Anmerkungen:

  1. „Vorder-Indien“ / „Vorderindien“ – Beide Schreibweisen vorhanden. Einheitlich auf „Vorderindien“ geändert.
  2. Doppeltes Wort „von“ entfernt.
  3. In der Vorlage steht: „Verwunteten“.
  4. In der Vorlage steht: „Flosses“. Sowohl der Brockhaus von 1911 als auch die Regeln der Deutschen Rechtschreibung von 1938 geben „das Floß / die Flöße“ als korrekte Schreibweise an. Daher geändert auf „Floßes“.
  5. „Saleks“ / „Salek’s“ – Beide Schreibweisen vorhanden. Einheitlich auf „Saleks“ geändert.
  6. In der Vorlage steht: „Farladey“.
  7. „Aufsehersgattin“ / „Aufsehergattin“ – Beide Schreibweisen vorhanden. Einheitlich auf „Aufsehersgattin“ geändert.
  8. Fehlendes Wort „ist“ ergänzt.
  9. In der Vorlage steht: „Nachmittag“.
  10. Hier fehlt ein Stückchen Text in der Zeile. Text sinngemäß ergänzt.
  11. In der Vorlage steht: „Abend“.
  12. In der Vorlage steht: „programmmäßig“.
  13. In der Vorlage steht: „egriff“.
  14. In der Vorlage steht: „aKrawanenstraße“.