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Das Perlenhalsband

 

Das Perlenhalsband

von W. v. Neuhof

 

Das Auto des Kommerzienrats Siedner hatte seine Insassen vor dem großen, vornehmen Mietpalast am Kurfürstendamm abgesetzt und glitt nun durch die tunnelähnliche Einfahrt bis in den Hof des zweiten Hintergebäudes, dessen rechte Seite acht Garagen enthielt. Der Chauffeur Fritz Galtwa, ein noch junger Mann von sympathischem Äußeren, schloß die Garagentür hastig auf, brachte den eleganten Kraftwagen in den kahlen, nach Benzin duftenden Raum hinein und verließ ihn ebenso hastig. Er wollte nach seinen beiden Schützlingen sehen, um die er sich seit heute morgen nicht hatte kümmern können, da der Kommerzienrat dauernd unterwegs war.

Es dunkelte bereits. Der feine Sprühregen dieses unfreundlichen Herbsttages, der hohle Wind, der um die Giebel fauchte, und die schwere, feuchtkalte Luft beeinträchtigten Fritz Galtwas Stimmung so sehr, daß er nur zögernd die zementierte Kellertreppe hinabstieg und nur langsam die schwere Tür aufschob, deren pneumatischer Schließer dabei seltsame pfeifende Töne von sich gab. –

Der Kellergang war durch zwei verstaubte Glühbirnen erleuchtet. Eine unangenehme, trockene Wärme herrschte hier. Der Chauffeur hüstelte, brummte etwas vor sich hin. Es klang wie eine Verwünschung, die nur denen gelten konnte, die in den behaglichen Wohnungen dieses Mietpalastes nicht ahnten, wie es bei dem alten Heizer Elimar Gutzki ausschaute, dessen Pflicht es war, den Herrschaften von Berlin-Kurfürstendamm 91a die nötige Wohnungswärme zu verschaffen.

An den Wänden dieses muffigen, überheizten Kellerganges zeichneten sich drei Türen ab. Die erste linker Hand trug ein Pappschild mit der zierlichen Aufschrift:

Elimar Gutzki, Heizer

Valeska Gutzki, Schneiderin

Die zweite Tür links zeigte ein Messingschild mit dem eingravierten Namen Fritz Galtwa und führte in des Chauffeurs Kellerbehausung. Die dritte rechter Hand warnte durch weiße Ölfarbenschrift jeden Unbefugten:

Verbotener Eingang!!!

Heizraum!!!

Galtwa lauschte … Ja – er hatte sich nicht verhört … Er vernahm durch die Tür des Heizraums das Geräusch einer Kohlenschippe, die den Koks in den glühenden Rachen des Kessels beförderte.

Er legte die Hand auf den Türdrücker und riß die Tür auf. Erst ein kleinerer Vorraum mit Bergen von Koks. Dann der eigentliche Heizungskeller …

Vor dem mächtigen Kessel arbeitete ein schlankes, ärmlich gekleidetes Mädchen, das noch eine blaue, große Schürze vorgebunden hatte.

Galtwa trat näher, nahm dem Mädchen ohne weiteres die Schippe aus den schmalen Händen und meinte ärgerlich:

„Das hätte doch auch noch eine halbe Stunde Zeit gehabt, Fräulein Valeska … Sie wußten doch, daß ich allerspätestens fünf zurück sein würde …“

Das Mädchen hatte sich ein wenig gesträubt, als er nach der Schaufel gegriffen hatte und stieß jetzt atemlos hervor: „Das geht doch aber nicht, Herr Galtwa, daß Sie hier auch für uns die Arbeit tun …“

Galtwa erwiderte nichts. Der gierige Rachen des Heizkessels war bald gefüllt, und dann kam der andere an die Reihe, die Warmwasserversorgung.

Valeska Gutzki hatte sich derweil auf eine Kiste gesetzt, in der Ersatzteile für die Kessel lagen. Ihr von Koksstaub leicht geschwärztes Gesicht war dem emsig arbeitenden Chauffeur zugekehrt. Von der hohen klugen Stirn des Mädchens rannen Schweißperlen die Wangen hinab und zogen helle Furchen durch die Mulattenfarbe des schmalen Antlitzes.

Fritz Galtwa war fertig, lehnte die Schaufel gegen die Bretterstützen eines Koksberges und wandte sich Valeska zu.

„Wie geht es Ihrem Vater, Fräulein Gutzki?“

Valeska erwiderte, indem sie dem treuen Freunde die Hand hinstreckte:

„So schlecht, daß ich gezwungen bin, Sie um einen besonderen Dienst zu bitten, Herr Galtwa …“

Diese beiden jungen Menschen, die sich vor einem Vierteljahr hier in der „Hölle“, anders bezeichnete der Chauffeur diese Kellerräume nicht, kennengelernt hatten, tauschten einen kameradschaftlich kräftigen Händedruck. Dann zog Valeska ihre Hand wieder zurück und fuhr fort: „Bevor ich Ihnen diese Bitte jedoch nenne, Herr Galtwa, möchte ich Ihnen einen Beweis meines Vertrauens dadurch geben, daß ich Ihnen über meinen Vater und mich …“

Fritz Galtwa fiel ihr ins Wort … „Sie können sich ganz kurz fassen, Fräulein Valeska … Daß Sie und Ihr Vater nicht Gutzki heißen, daß Ihr Vater ein deutschrussischer Flüchtling ist und durch frühere Bekannte hier diesen Unterschlupf als Heizer unter anderem Namen gefunden hat – all das habe ich mir längst zusammengereimt. Wem der Sturmwind dieses wechselvollen Lebens so von allen Seiten um die Ohren gesaust ist wie mir, Fräulein Valeska – wer wie ich das Auf und Ab der erbarmungslosen Schicksalsschaukel so am eigenen Leibe gespürt hat, der lernt wenigstens eins hinzu: Menschenkenntnis! – Sie und Ihr siecher Vater sind einst fraglos auf den Höhen des Lebens gewandelt. Und wenn Sie beide sich auch noch so viel Mühe gegeben haben, den zu Ihrer jetzigen erbärmlichen Stellung und Ihren jetzigen Daseinsverhältnissen passenden Ton zu finden: nicht jeder ist ein vollendeter Schauspieler, und sowohl Ihr Vater als auch Sie selbst haben sich so und so oft durch Kleinigkeiten verraten. – Ich will mich nicht eindrängen in Ihre Geheimnisse. Ich will Ihr guter Freund bleiben auch ohne einen sogenannten Beweis Ihres Vertrauens. Sie beide und ich sind längst beste Kameraden hier in der Hölle geworden, wenn wir uns auch erst drei Monate kennen, so lange ich eben Chauffeur bin. Deshalb: ich werde tun, worum Sie mich bitten. Sprechen Sie … lassen Sie den Kranken nicht unnötig lange allein.“

Das junge Mädchen erhob sich. Ihre schlanke Hand, jetzt so schmutzig und so verarbeitet, glitt in die Tasche der blauen Schürze hinein und holte ein schmieriges, prall gefülltes Lederbeutelchen hervor.

„Ich danke Ihnen für Ihre gütigen Worte, Herr Galtwa,“ sagte sie schlicht. „Hier – diese Perlenkette ist das letzte, was wir aus dem Zusammenbruch gerettet haben. Verkaufen Sie sie für mich. Sie hat einst ungefähr zehntausend Mark gekostet, und die Hälfte können Sie noch heute dafür verlangen, denn die Perlen sind noch tadellos. Mein Vater muß operiert werden, sagte heute früh der Kassenarzt. In ein Krankenhaus gebe ich den Vater nicht. Er soll in eine Klinik, soll …“

„Ich verstehe Sie, Fräulein Valeska … – gut, ich ziehe mich nur um. In einer Stunde hoffe ich wieder zurück zu sein. – Bitte, keinen Dank …“

Sie drückte ihm nur die Hand. Dann verließen sie den Heizkeller. Der Chauffeur nickte ihr im Kellergang noch aufmunternd zu … „Es wird auch wieder eine bessere Zeit für Sie kommen, Fräulein Valeska … Grüßen Sie Ihren Vater recht herzlich von mir.“

Er schloß die Tür seines Kellerstübchens auf, das ihm auf seinen eigenen Wunsch hin eingeräumt worden war, schaltete das Licht ein und vertauschte die Chauffeurtracht schnell gegen einen dunklen, etwas fadenscheinigen Anzug, schlüpfte in einen braunen Ulster und steckte ein paar Ausweispapiere zu sich, die er einem Versteck hinter dem Heizkörper entnommen hatte. Fritz Galtwa mit seinem frischen, energischen Gesicht und den dunklen lebhaften Augen, war jetzt kaum wiederzuerkennen. Die Chauffeurlivree hatte das durchgeistigte seines kühnen Antlitzes gleichsam verschleiert gehabt. Der immerhin recht elegant gekleidete Herr, der nun den Kurfürstendamm betrat und mit der Straßenbahn in die Innenstadt fuhr, war nicht mehr der bescheidene, höfliche, pünktliche und zuverlässige Chauffeur Fritz Galtwa, den der Kommerzienrat Siedner scherzend die Krone aller Chauffeure zu nennen pflegte. –

Fünf Minuten früher hatte es in der feudalen Wohnung des bekannten Großindustriellen im Vorderhause für die Kommerzienrätin und deren Tochter Mia ein aufregendes Erlebnis gegeben, wie dies nur in der heutigen Zeit möglich war, wo freche Fassadenkletterer sich die Arbeit des Eindringens in fremde Behausungen leicht machten. Mia Siedner war in das nach dem Hofgarten zu gelegene Schlafzimmer ihrer Mutter hinübergegangen, um hier aus dem geheimen Wandtresor ihre Schmucksachen zu holen, die sie heute für den Nachmittagstee bei dem holländischen Gesandten der neidischen Mitwelt wieder einmal vorführen wollte. Kaum hatte sie die Flurtür geöffnet, als sie auch schon in dem halbdunklen Fenster einen Schatten blitzschnell nach dem offenen Fenster gleiten und hinausklettern sah – einen Mann mit einer schwarzen Halbmaske vor dem Gesicht, wie sie noch im letzten Moment erkannte, da sie sehr geistesgegenwärtig das Deckenlicht eingeschaltet hatte. Auf ihre lauten Rufe hin eilten sowohl die Kommerzienrätin, der Diener als auch der soeben erst heimgekehrte Großindustrielle und sein Privatsekretär herbei.

Mia hatte noch ein weiteres getan, hatte sich, rasch den ersten Schreck überwindend, zum Fenster hinausgelehnt und ebenso auch die Nachbarn, die Über- und Unterbewohner auf den frechen Dieb aufmerksam gemacht, der jedoch mit geradezu verblüffender Geschwindigkeit in den Hof hinabturnte und nach den Garagen zu verschwand, bevor noch jemand erschienen war, um ihm jeden Fluchtweg abzuschneiden.

Es stellte sich heraus, daß der Fassadenkletterer, von dessen Anzug Mia Siedner eine recht genaue Beschreibung geben konnte, das Geheimfach völlig ausgeplündert und überaus reiche Beute gemacht hatte. –

Der Kommerzienrat verständigte sofort telephonisch die Kriminalpolizei, während die überschlanke Mia alle Mühe hatte, die einem Weinkrampf nahe Mutter zu beruhigen. Der Kommerzienrätin ging der Verlust der Schmuckstücke deshalb so sehr nahe, weil sich darunter auch ein Teil der Familienjuwelen derer von Krantz befunden hatte und Frau Siedner, geborene von Krantz, auf diese Kleinodien ebenso stolz war wie auf ihre adlige Abstammung.

Die Erregung in der Wohnung des Kommerzienrats legte sich allmählich. Dieser, ein Mann von eisernen Nerven und erhabenem Gleichmut, nahm die fatale Geschichte mehr von der humoristischen Seite, vertraute auf die Findigkeit der Berliner Kriminalpolizei und empfing den sehr bald eintreffenden Kriminalassistent Waiger, einen noch sehr jugendlichen, aber äußerst schlauen Beamten, mit jovialer Freundlichkeit …

„Die Beute mag alles in allem hundertfünfzigtausend Mark wert sein, Herr Waiger … Also ein ganz lohnender Fischzug … Hier haben wir Ihnen bereits eine Liste der … geklauten Juwelen zusammengestellt mit genauer Beschreibung jedes einzelnen Stückes …“

Mia Siedner war gleichfalls im Arbeitszimmer ihres Vaters anwesend und beschrieb den Dieb nun wie folgt: Etwas über Mittelgröße, sehr schlank, kurzer dunkler Ulster, dunkler brauner rauher breitrandiger Filzhut, dunkle scharf gebügelte Beinkleider, Halblackschuhe, Strümpfe mit helleren Tupfen und graue Handschuhe, offenbar Wildleder.

Der Assistent, nicht unempfänglich für rassige weibliche Schönheit, beäugte heimlich die Tochter des Großindustriellen immer wieder mit Kennerblicken. Das blasse, scheinbar so müde blasierte Gesicht Mias und die halb verschleierten Augen, die müde Sprache und die lässigen und doch abgerundeten Bewegungen des gertenschlanken Körpers verrieten ihm einen ungezügelten, aber stets klug verschleierten Charakter. –

Er fragte Mia dies und das, kam allmählich zu dem Kern der Sache: daß der Dieb das Wandfach nicht nur gekannt, sondern sogar einen Nachschlüssel zu dem komplizierten Schloß besessen haben müsse … „Mit einem Wort, gnädiges Fräulein …“ er dämpfte seine Stimme merklich, „der Dieb hat zweifellos einen Verbündeten hier in Ihrer Wohnung gehabt.“

Mia zuckte leicht die Achseln … „Wohl kaum …!“

Und der Kommerzienrat seinerseits erklärte: „Unser Personal ist absolut zuverlässig … Die Leute sind sämtlich schon viele Jahre bei uns und …“ – Er stutzte, hüstelte … „Hm – doch nicht alle. Ich habe vor drei Monaten mit dem Chauffeur gewechselt, um Ihnen auch dies nicht vorzuenthalten, betone jedoch gleichzeitig, daß mein neuer Chauffeur Fritz Galtwa gleichfalls über jeden Verdacht erhaben ist.“

„Allerdings,“ bekräftigte Mia sehr lebhaft.

Herr Waiger lächelte diskret. „Ihr warmes Eintreten für den neuen Chauffeur macht es mir trotzdem zur Pflicht, mir diesen Mann genauer anzusehen. Es ist nicht alles Gold, was glänzt, und gerade in den Chauffeurberuf haben sich in letzter Zeit zahlreiche gestrandete Existenzen hineingedränkt. Der Arbeitsmangel, die Verarmung gewisser Mittelschichten …“

Mia unterbrach ihn von oben herab: „All das ist uns nicht fremd. Herr Fritz Galtwa, unser Chauffeur, hat nie ein Hehl daraus gemacht, daß er Ingenieur ist und daß auch ihn nur die Not dazu gezwungen hat, diese für seine Bildung fast entwürdigende Stellung anzunehmen.“

Worauf der Beamte mit leichter Verbeugung und demselben unmerklich überlegenen Lächeln meinte: „Zurzeit haben wir im Präsidium fünf Ingenieure in Haft, die zweifellos ihre technischen Kenntnisse an Einbrecher verkauft haben – an Geldschrankspezialisten. Unser Beruf, gnädiges Fräulein, macht uns zu Zweiflern. – Herr Kommerzienrat, vielleicht beordern Sie den Mann einmal hierher …“

„Den … Herrn!“ sagte Mia ungewöhnlich scharf.

Ihr Vater warf ihr einen erstaunten Blick zu. Dann nahm er den Hörer des Fernsprechapparates von der Gabel, nachdem er auf Hausanruf umgestöpselt hatte.

Eine Weile Schweigen …

„Hm – Galtwa scheint nicht daheim zu sein,“ meinte der Kommerzienrat gleichmütig. „Ich hatte ihm vorhin erklärt, daß ich ihn vor acht Uhr abends nicht brauche …“

Er legte den Hörer auf die Stützen zurück … „Es hat ja auch wirklich keinen Sinn, Herr Waiger,“ fügte er recht energisch hinzu, „Galtwa irgendwie zu belästigen – wirklich nicht. Ich traue mir doch auch einige Menschenkenntnis zu. Galtwa ist ein Gentleman.“

„Vorläufig,“ beharrte der Beamte auf seinem abwartendem Standpunkt. „Hat er Ihnen, Herr Kommerzienrat, sofort bei seinem Engagement mitgeteilt, daß er Ingenieur sei?“

Siedner machte eine unwillige Handbewegung. „Natürlich nicht …! Er war selbst klug genug, sich zu sagen, daß ich ihn abgelehnt hätte, wenn ich von seiner gesellschaftlichen Gleichberechtigung Kenntnis gehabt haben würde. Es bleibt ja stets peinlich, einen Herrn, der Diplomingenieur und Doktor-Ingenieur ist, als Bedienten behandeln zu müssen. Meine Tochter war’s, die Galtwas Vergangenheit aufdeckte. Als ich ihm dann – das ist sechs Wochen her – einen seinen Kenntnissen entsprechenden Posten in einer meiner Fabriken anbot, dankte er … Er könne nicht gut in einem Betriebe Ingenieur spielen, in dem ihn die Arbeiter und Angestellten bisher als Chauffeur gesehen hätten, womit er nicht so ganz unrecht hatte, wenn mich diese Ablehnung auch so ein wenig verschnupfte.“

Waiger hatte auch jetzt Mia Siedner heimlich beobachtet. Sie war fraglos ein wenig verlegen geworden, was sie allzu übertrieben durch einen hochmütigen Gesichtsausdruck zu verbergen suchte. Der vielerfahrene Assistent dachte sich sein Teil, sagte aber nun ganz dienstlich:

„Ich möchte nun sofort von hier aus die Beschreibung der einzelnen gestohlenen Stücke an das Präsidium telephonisch weitergeben, Herr Kommerzienrat, damit die Juweliere verständigt und unsere Hehler-Patrouillen instruiert werden können. – Sie sind gegen Diebstahl versichert, nicht wahr?“

Der Kommerzienrat schnitt ein tristes Gesicht. „Leider nein, Herr Waiger … Das Wandfach schien mir zu genügen. Sie haben es ja selbst gesehen. Ich hätte nie geglaubt, daß es mit einem Nachschlüssel geöffnet werden könnte.“

Der Beamte begann zu telephonieren. Mia erhob sich.

„Falls du mich brauchst, Papa – ich bin in meinem Zimmer.“ – Waiger war Luft für sie. Was ihm jedoch nicht weiter nahe ging. Er kannte diese Damen der Geldaristokratie.

Als Mia den breiten Flur betrat, begegnete sie dem Stubenmädchen Margot, einem feschen, zierlichen Geschöpf mit etwas flackernden Augen. – „Was tun Sie hier?“ fragte sie ziemlich scharf, da Margot dieses Zusammentreffen sehr ungelegen zu sein schien.

„Ich wollte dem Herrn Kommerzienrat etwas melden, gnädiges Fräulein,“ erklärte das Mädchen schnell gefaßt …

„Was denn?“

„Daß der Chauffeur soeben über den Hof nach seiner Stube gegangen ist …“

Mias nachgetuschte Brauen zogen sich zusammen. „Weshalb wollten Sie dies melden? Reden Sie …! Haben sie etwa hier an der Tür gehorcht …? – Woher konnten Sie wissen, daß der Chauffeur heraufkommen sollte?!“

Der kecke Bubikopf des Zöfleins senkte sich. Das Gesicht war überrot geworden.

„Also doch gehorcht, Margot! Schämen Sie sich! – Laufen Sie und holen Sie Galtwa hierher. Dieser lächerliche Verdacht des Beamten muß zerstreut werden. Galtwa soll sofort kommen. Beeilen Sie sich …“ –

Als Margot über den Hof flizte, lag ein hämisches Lächeln um ihren vollen Puppenmund.

Fritz Galtwa wollte gerade bei Gutzkis anklopfen, als die Tür des Kellerganges aufgedrückt wurde.

„Sie sollen sofort in des Herrn Kommerzienrats Arbeitszimmer kommen,“ rief Margot ihm zu. „Sofort … Ein Kriminalbeamter ist da …“

Galtwa musterte die Zofe kühl. Dieses aufdringliche Geschöpf, das stets schon in so unzweideutiger Weise sich ihm angeboten hatte, war ihm in diesem Augenblick noch widerwertiger, zumal er genau fühlte, daß in ihren Worten eine starke Schadenfreude mitklang.

„Ich komme,“ sagte er kurz. Und ohne Kopfbedeckung folgte er der Vorauseilenden in das Vorderhaus.

Mia schritt im Flur des Seitenflügels wartend auf und ab. Als Galtwa nun erschien, blieb sie stehen.

„Der Kriminalassistent möchte Sie sprechen,“ erklärte sie mit ihrer verschleierten Stimme. „Sie wissen wohl schon, daß hier bei uns eingebrochen worden ist – ein Fassadenkletterer, vor kaum einer Stunde.“

Ich weiß nichts, gnädiges Fräulein … Ich war in der Stadt und bin soeben erst zurückgekehrt.“

Mia betrachtete ihn von oben bis unten – wenig taktvoll, und doch unbewußt. Es war das erste Mal, daß sie Galtwa nicht in Chauffeurdreß sah. Seine elegante Erscheinung überraschte sie in gewissem Grade, wenn sie auch längst geahnt hatte, daß er in einem knappen Jackenanzug tadellos Figur machen müsse.

„Ich darf dann wohl anklopfen,“ sagte Galtwa durchaus respektvoll, indem er auf die Tür des Herrenzimmers deutete. Er war ja nicht blind. Er kannte die Weiber aller Erdteile, aller Farben, aller Gesellschaftsklassen. Dieser übermoderne, angekränkelte Typ, den Mia Siedner verkörperte, den empfand er als Unnatur.

Mia merkte die höflich kalte Ablehnung in Galtwas klaren, braunen Augen.

„Ich werde erst einmal hineingehen,“ erklärte sie lässig – und sie war mit einem Schlage wieder das gnädige Fräulein. „Warten Sie hier … Man wird Sie rufen …“

Galtwa war allein. Sein Blick hing an der hohen Flügeltür.

„Die Zofe – – die junge Gnädige – – ein Schlag!“ dachte er … „Alles wurmstichig … Begehrlich bis in die Fingerspitzen, liebeshungrig, unkeusch, innerlich verlogen – wie so vieles heute … – Was gehen die Weiber mich an – diese Sorte! Dort im Keller hinten, in der Hölle, wohnt eine, die euch alle beschämt …“

Dann glitten seine Gedanken doch unmerklich mit einigem Unbehagen hinter der überschlanken Mia drein in das Herrenzimmer … Der Kriminalbeamte – was wollte der Mann von ihm?! – Da stieg das höhnisch freche Puppenfrätzchen der Zofe wieder auf … Er biß plötzlich die Zähne fester zusammen. Alles Blut flutete ihm zu Herzen. Hier in seiner Jackentasche trug er ja noch die achttausend Mark für das Perlenkollier und die Quittung bei sich … Wenn nun der Beamte etwa schon die anderen Dienstboten verhört und … durchsucht hatte, wenn der Mann etwa auch von ihm …

Und – ein blitzschneller, voreiliger Entschluß da …

Ein vorsichtiger Blick rundum …

Ein Schritt bis zu dem Garderobenhalter …

Rasch schob er den Umschlag mit dem Gelde und der Quittung hinter den Spiegel. Das Geheimnis seiner Freunde sollte auf jeden Fall gewahrt werden.

Der Kommerzienrat öffnete die Tür …

„Bitte, lieber Galtwa …“

Mia saß im Klubsessel neben dem Schreibtisch. An diesem lehnte Waiger, überflog nun prüfend des Chauffeurs vornehme Gestalt, machte ihm eine Verbeugung …

„Kriminalassistent Waiger,“ stellte er sich vor. „Ich bin durch die Umstände gezwungen, auch an Sie einige Fragen zu richten …“ Seine starren Augen musterten Galtwas stark abgenutzte Halblackschuhe … „Hm – wollen Sie bitte erst einmal Ihre Beinkleider etwas hochziehen, Herr Galtwa, damit ich die Strümpfe sehen kann …“

Galtwas Gesicht verfärbte sich …

„Was soll das, Herr Assistent …?!“ – Dann beherrschte er sich, hob den linken Fuß … „Bitte …“

Unter dem dunklen, scharf gebügelten Beinkleid kam ein getupfter Seidenstrumpf zum Vorschein.

„Danke,“ sagte Waiger kühl. „Sie waren ausgegangen? – Wohin?“

Galtwa zauderte unmerklich …

„Ich … war lediglich spazieren gegangen …“

„So?! Wohin denn?“

„Bis zum Restaurant Hundekehle im Grunewald und zurück.“

„Beide Strecken zu Fuß?“

„Ja …“

Waiger zog seine Uhr und schaute auf das Zifferblatt … „Sie sind mit dem Herrn Kommerzienrat wenige Minuten vor fünf zurückgekehrt, haben das Auto in die Garage gebracht und sich umgezogen. Dies dürfte rund eine Viertelstunde in Anspruch genommen haben. Mithin sind Sie gegen ein Viertel sechs zu Ihrem Spaziergang aufgebrochen. Es ist jetzt zwanzig Minuten nach sechs. Bis zum Restaurant Hundekehle geht man von hier aus mindestens vierzig Minuten, mindestens achtzig hin und zurück. Mithin kann es nicht recht stimmen, daß Sie …“

Waiger blickte auf die Tür. Es hatte geklopft.

Der Kommerzienrat, der bisher mit recht unzufriedenem Gesicht diesem Verhör gelauscht hatte, rief gereizt herein. Die Zofe erschien, in der Hand einen grauen Umschlag …

Sie knickste geziert … „Herr Kommerzienrat, dies hier fand ich soeben beim Staubwischen hinter dem Spiegel der Flurgarderobe. Es ist ein an Herrn Galtwa adressierter Umschlag des Bezirksamts Tiergarten, der eine größere Summe enthält … Bitte, Herr Kommerzienrat …“

Siedner riß ihr den Umschlag aus der Hand. Er ahnte irgendeine Katastrophe …

Waiger fragte rasch: „Welche Flurgarderobe meinen Sie, Fräu–lein?“

„Hier – die dort …“ Und Margot deutete in den Korridor.

„Gehen Sie!“ befahl Waiger kurz. – Die Tür schloß sich.

Galtwa stand mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck da. „Das Mädchen hat mich natürlich beobachtet,“ meinte er ironisch. „Ich habe den Umschlag dort versteckt, als ich soeben draußen wartete. Ich tat es, damit das Geld nicht etwa bei mir gefunden würde. Es sind achttausend Mark, der Erlös für eine Perlenkette, die ich für einen Bekannten vor einer halben Stunde an den Juwelier Bloch in der Tauentzienstraße verkauft habe. Ich gebe zu, daß ich nicht spazieren gegangen bin. Ich fürchtete, hier etwa durchsucht zu werden, und da mein Bekannter mich um Diskretion gebeten hat, so habe ich leider vorschnell den Umschlag hinter den Spiegel der Flurgarderobe geschoben, um …“

Waiger winkte ab. „Wer ist dieser Bekannte, Herr Galtwa? – Nicht wahr, unter diesen Umständen werden Sie seinen Namen doch nennen, zumal der Fassadenkletterer hier gleichfalls eine Perlenkette gestohlen hat und genau so scharf gebügelte Beinkleider, Halblackschuhe und getupfte Strümpfe trug wie Sie …“

Galtwa richtete sich höher auf. „Herr Assistent, den Namen werde ich mich nennen …!“

„So?! – Und wenn ich nun das Geld beschlagnahme?! Was dann?“

„Perlenketten gleichen einander kaum, wenn es sich um kostbare Stücke handelt, Herr Assistent. – Bitte, in dem Umschlag liegt die Quittung … Die Perlenkette ist darauf genau beschrieben …“

Der Kommerzienrat zog die Quittung schon hervor, las – immer langsamer: „Eine Kette echter Perlen, Qualität eins, zweiundvierzig Stück, altertümliches Goldschloß mit vierzehn kleinen Brillanten in Form zweier ineinander greifender Hände …“

„Mamas Perlenkette!“ sagte Mia kalt … „Genau Mamas Perlenkette …“

Siedner trat dicht vor Galtwa hin …

Die beiden Männer schauten sich durchdringend an …

Bevor Siedner jedoch etwas, das fraglos eine schwere Beleidigung gewesen wäre, über die Lippen bringen konnte, erklärte der Ingenieur sehr ernst: „Jetzt muß ich allerdings nachgeben, Herr Kommerzienrat. Die Perlenkette wurde mir heute nachmittag etwa fünf Minuten nach fünf im Heizkeller von Fräulein Valeska Gutzki übergeben. Sie wissen, daß der alte Herr Gutzki schwer krank ist. Die Perlenkette ist das letzte, was Vater und Tochter aus einer besseren Vergangenheit in die trübe Gegenwart hinübergerettet haben. Von dem Erlös sollte der alte Herr Gutzki in einer Privatklinik operiert werden.“

Siedner trat zurück … Sein Blick blieb finster …

„Wie kommen diese Gutzkis, mein Heizer, zu einer Perlenkette, die auf ein Haar der meiner Frau gleicht?!“

Waiger mischte sich ein. „Bitte, Herr Kommerzienrat – am besten ist wohl, wir suchen den Heizer und seine Tochter auf … Das scheinen ja merkwürdige Leute zu sein … – Ihnen, Herr Galtwa, glaube ich gern, was Sie da soeben erklärt haben. Sie haben sich eben von dieser Person hineinlegen lassen, die …“

„Bitte!“ – Und des Ingenieurs Stimme war drohend … „Bitte, Herr Assistent – Sie sprechen von einer Dame! Ich werde es nicht dulden, daß in meiner Gegenwart Fräulein Valeska Gutzki mit Person bezeichnet wird …!“

Aus dem Klubsessel kurzes Auflachen …

„Ah – – Kellerfreundschaft also …!!“

Siedner schlug mit der Faust auf die Ecke des Sofatisches … „Mia – unterlaß gefälligst diese Bemerkungen! – Herr Waiger, gehen wir hinab zu Gutzkis … Ich will in dieser Sache klar sehen – in allem …! – Galtwa, führen Sie uns zu Gutzkis … Du bleibst hier, Mia …“

„Ich – komme mit, Papa … Valeska Gutzki hat verschiedentlich für mich geschneidert. Ich habe ein Interesse daran, dieses Mädchen auch einmal als … Hehlerin kennenzulernen, denn Sie, Herr Galtwa, werden doch wohl kaum im Ernst glauben, daß Mamas Perlenkette hier in Berlin in genau der selben Form existiert …“

Galtwa erwiderte nur: „Was ich glaube, gnädiges Fräulein, ist meine Sache … – Herr Kommerzienrat, ich bitte, daß auf die Krankheit des alten Herrn Gutzki Rücksicht genommen wird …“

„Was selbstverständlich ist … Gehen wir …“ –

Valeska Gutzki ahnte nichts von all diesen Vorgängen im Vorderhause. Als sie nach der Unterredung mit Galtwa in die armselige und doch peinlich saubere Kellerwohnung zurückgekehrt war, hatte sie sich zunächst in der winzigen Küche rasch von dem schwärzlichen Staube gesäubert und war dann leise an das Bett des Kranken getreten. Sie glaubte er schliefe. Doch die Reglosigkeit der hageren, unter der Steppdecke sich abzeichnenden Gestalt, das Fehlen jeglicher Atemgeräusche und ein besonderer Zug in dem bleichen verfallenen Gesicht machten sie stutzig. Sie beugte sich tiefer, ergriff die auf der Decke liegende Hand …

Eiskalt … Kein Pulsschlag zu fühlen …

Das junge Mädchen mit dem reichen aschblonden Haar, das sie in losem Knoten aufgesteckt trug, sank langsam neben dem Bett in die Knie …

Nicht der Schmerz über den Tod des Vaters entlockte ihr heiße Tränen. Nein – für den Kranken war dieses schmerzlose, friedvolle Ende eine Erlösung gewesen. Aber daß sie, sein einziges Kind, nun ganz allein auf der Welt dastand, daß die Zukunft dunkel und inhaltsleer vor ihr lag – dieses qualvolle Gefühl der Vereinsamung ließ ihre starke Seele in verzweifeltem wehen Schluchzen erbeben.

Aber Valeska hatte in diesen letzten Jahren, die von ihr eine so vollständige geistige und körperliche Umstellung erheischt hatten, bereits so unendlich viel Trübes erfahren, daß sie auch jetzt die Kraft fand, den kaltherzigen Forderungen, die ein Todesfall mit sich brachte, gerecht zu werden. Sie machte sich zum Ausgehen fertig, um den Arzt zu benachrichtigen. Als sie vor dem Spiegel den schlichten Filzhut auf das reiche Haar drückte, als das Spiegelglas ihre in aller Ehrlichkeit ihr müdes, ernstes Gesicht mit den langbewimperten, seelenvollen Augen zeigte, die jetzt vom Weinen leicht geröteter waren, da erst dachte sie an Fritz Galtwa, an die Perlenkette und den Auftrag, den sie dem treuen Freunde erteilt hatte.

Ein anderer flüchtiger Gedanke huschte da durch ihr Hirn, ein Gedanke, der sie erröten ließ … Ob Fritz Galtwa wohl auch fernerhin sich ihrer annehmen würde?! Ob er … vielleicht ahnte, was sich hinter ihrer äußerlich so streng bewahrten brüderlichen Kameradschaft in Wahrheit verbarg?! – Ein Seufzer stahl sich über ihre feingeschwungenen Lippen … Mit einer unwilligen Bewegung drehte sie sich um. Sie schämte sich, hier angesichts des Todes, derartigen Gedanken Raum zu geben.

Dann verließ sie die Wohnung und das Haus, kaufte unterwegs ein paar weiße Rosen, die sie dem Vater in die erstarrten Hände legen wollte, und mußte nachher bei dem vielbeschäftigten Arzte lange warten, bevor sie ihm das Ableben des geliebten Kranken mitteilen konnte.

Er versprach, gegen halb acht sich einzufinden und dann den Totenschein auszustellen. Als sie nun auf dem Heimwege über den Hof des Mietpalastes schritt, hörte sie plötzlich hinter sich ihren Namen rufen …

„Fräulein Gutzki – – einen Augenblick!“

Sie drehte sich um, erkannte den Kommerzienrat, neben diesem einen fremden Herrn und das gnädige Fräulein, etwas weiter zurück auch Fritz Galtwa.

„Fräulein Gutzki, wir hätten Sie einiges zu fragen,“ erklärte der Kommerzienrat höflicher, als dies zunächst seine Absicht gewesen, denn heute zum ersten Male stellte er fest, daß dieses Mädchens feinliniges Antlitz ein unnennbares Etwas besaß, das nicht recht zu der Tochter eines armen Heizers paßte.

Mitten auf dem Hofe stand eine elektrische Laterne, deren helles Licht diese Gruppe von Menschen klar beleuchtete, die hier eine dunkle Frage aufzuklären bestrebt waren. –

Assistent Waiger meinte nun, indem er Valeska mit einer Enttäuschung musterte, da sie ihm keinesfalls den Eindruck eines jener raffinierten Geschöpfe machte, die zu den Schmerzenskindern der Kriminalpolizei gehören …

„Fräulein Gutzki, Sie haben Herrn Galtwa eine Perlenkette zum Verkauf übergeben … Herr Galtwa sträubte sich erst, hierüber nähere Angaben zu machen. Da jedoch eine völlig gleiche Kette heute der Frau Kommerzienrätin gestohlen worden ist, so …“

Valeska hatte Galtwa ernst zugenickt, unterbrach nun den Beamten, indem sie ruhig sagte:

„Mein Vater ist vor einer Stunde gestorben. Sein Tod hat vieles geändert. Ich brauche den Namen jetzt nicht mehr zu verschweigen, der mir gebührt. Mein Vater war jener letzte Gouverneur von Riga, Graf Alexander Sacken, den die neuen russischen Machthaber um jeden Preis in ihre Gewalt bringen wollten, weil sie bei ihm wichtige Papiere vermuteten. Die Perlenkette aber stammte von meiner Großmutter her, einer geborenen von Krantz von der freiherrlichen Linie. Ihre Gattin, Herr Kommerzienrat, ist gleichfalls eine geborene von Krantz, und mir ist aus der Familienchronik bekannt; daß ein Freiherr von Krantz um das Jahr 1850 zwei völlig gleiche Perlenkolliers anfertigen ließ, die dann als Brautgeschenke weitergegeben wurden. Ich kann den Herren unsere Familienpapiere vorlegen, falls meine Angaben bezweifelt werden sollten.“

„Durchaus nicht …“ beeilte sich Waiger zu betonen. „Ich glaube, ich bin hier jetzt überflüssig, Herr Kommerzienrat. Da die Gräfin Valeska Sacken mit Ihrer Frau Gemahlin verwandt ist, werden Sie nun wohl auch in anderer Weise für die junge Dame eintreten.“ –

Grüßte und ging davon.

Es hätte dieser Anspielung des Beamten kaum bedurft, denn Kommerzienrat Siedner hatte inzwischen bereits einen Entschluß gefaßt, der seinem Charakter durchaus entsprach.

Er reichte Valeska mit ehrlicher Herzlichkeit die Hand … „Sie sind fortan unser Gast, mein liebes Kind … – Bitte – kommen Sie … Ich möchte zunächst am Sterbebett Ihres Vaters ein stilles Gebet verrichten …“ –

Assistent Waiger war wieder in die Siednersche Wohnung zurückgekehrt – in ganz bestimmter Absicht. Nachdem er hier die kecke Zofe Margot etwa zehn Minuten sehr nachdrücklich ins Gebet genommen hatte, konnte er an das Präsidium die Meldung weitergeben, daß als Dieb wahrscheinlich der Bruder des Stubenmädchens Margot Wirth in Frage käme, der, zurzeit als Kellner stellungslos seine Schwester wiederholt besucht habe. –

Zwei Stunden nur, und die Kriminalpolizei hatte diesen Emil Wirth bereits in einem Café der Friedrichstadt verhaftet. Er legte sofort ein Geständnis ab und gab auch das Versteck seiner reichen Beute an. Kurz vor zehn Uhr abends konnte Waiger dem Kommerzienrat sämtliche gestohlene Schmuckstücke wieder aushändigen. –

Drei Monate später wurde bei Siedners eine stille Hochzeit gefeiert.

Fritz Galtwa hatte inzwischen die Leitung einer neuen Fabrik des Kommerzienrats im Rheinland übernommen, und Valeska und der einstige Chauffeur reisten sofort nach dem Hochzeitsdiner dorthin ab. Als das Auto, das die beiden glücklichen Menschen zur Bahn brachte, über den Kurfürstendamm davonglitt, stand Mia Siedner auf dem Balkon und winkte dem jungen Paare lange nach.

Dann zog sie den Pelzmantel fester um die schlanken Glieder … Ein paar Schneeflocken schwebten vom winterlichen Himmel herab. Mia fröstelte …

„Vorbei!“ dachte sie … „Er hat die andere gewählt … – Und ich?!“

Sie seufzte …

„Perlenkette … Perlen: Tränen, Enttäuschung – für mich ..!“

Langsam kehrte sie in den Speisesaal zurück. Noch an demselben Abend verlobte sie sich mit einem Geschäftsfreund ihres Vaters, der der kleinen Hochzeitsfeier beigewohnt hatte und sich schon lange um Mias Hand bemüht hatte …