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Die Eiersucher

 

 

Männe und Max

lustige Bubengeschichten

 

44. Streich:

 

Die Eiersucher

 

von

Walther Neuschub

Mit Bildern von

R. Hansche

 

Verlag moderner Lektüre, G.m.b.H.
Berlin, S.O.26. – Elisabethufer 44.

 

Nachdruck verboten. Alle Rechte einschließlich Verfilmungsrecht vorbehalten.
Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26, – 1922.

 

 

Wer der Männ’ und Maxe waren.
Kinder, hört, Ihr sollt erfahren,
Erstens: Knaben! Das ist klar
Und nicht weiter sonderbar!
Doch, lauscht nur genau dem Worte:
Sie war’n ’ne besondre Sorte,
Ganz was Seltnes – sehr zum Glück! –,
Zwilling’ nennt man so zwei Stück,
Die der Storch an einem Tag
Durch den Schornstein ließ herab. –
Knödelmayer, der Papa,
– Fleischermeister ist er ja –
Hat ’nen Bauch und dicke Wangen.
Dafür gleicht ’ner Hopfenstangen
Seine brave Frau Malwine,
Die oft dreht die Wurstmaschine.
Außerdem es dort noch gibt
Einen Hund, gar sehr beliebt.
Bob heißt dieser liebe Köter,
Ist ein schlauer Schwerenöter. –
So, nun kennt Ihr unsre Helden.
Lest nun, was die Büchlein melden
Von der Zwilling’ lust’gen Streichen,
– Manche sind zum Herzerweichen!

Mit Gruß

der Onkel Neuschub.

 

     
   

Kinder, was ich heut berichte,
Ist ’ne trübe Mordgeschichte.
Freilich, so zuweilen man
Auch recht herzlich lachen kann.
Doch der Anfang ist sehr traurig,
Und die Mitte sogar schaurig.
Jedenfalls: Ihr ahnet nicht,
Was hier schildert mein Gedicht! –

Schulden, wie Ihr fraglos wißt,
Das Gegenteil von Reichtum ist.
„Schulden machen“ nur aus Not,
Weil es fehlt an Fett und Brot,
Kann man nicht als Leichtsinn schelten,
Nein, dies darf für straffrei gelten.
Anders aber, wenn ein Lump,
Dauernd lebt von frechem Pump

Und dabei ist jung und faul
Und riskiert ein großes Maul.
Diese Sorte Pumpbarone
Niemand vor dem Richter schone. –
So ein Pumplump war Herr Meier.
Er besaß nicht einen Dreier,
Und trotzdem soff er nur Wein
Und dinierte täglich fein.

Meier, dessen Vornam’ Bert,
Lebte mithin ganz verkehrt.
Schulden hat er ungemessen,
Seine Kleider warn indessen
Stets nach allerneustem Schnitt
Von dem Schneidermeister Kitt,
Und auch sonst ist’s offenbar,
Daß der Bert ein Fatzke war. –

Seht – hier sitzt der lange Geck
In der einen Sofaeck

 
   

Mit dem Scheitel voll Pomade,
Dem Monokel-Augenrade
Und dem Schnurrbart kurz gestutzt
Und sich seine Nägel putzt.
Neben ihm der Meister Kitt,
Der die Rechnung brachte mit,

Macht ein wütendes Gesicht,
Drohte auch mit dem Gericht,
Ballt die Faust und brüllt nunmehr:
„Gleich hol’ ich den Krebel her,
Denn Sie haben mich betrogen
Und ganz scheußlich angelogen!“
Meier lächelte blasiert,
meinte dann recht ungeniert:

„Unser Poliziste Krebel
Ist ja stets im Fuselnebel!
Ich bezweifle, daß er nüchtern,
Und besäuselt ist er schüchtern!“ –

 
   

Dieser Hohn, so klar wie Kleister,
Ärgerte den Schneidermeister,
Und er rennt daher behende
An das andre Straßenende,

Wo der Gottlieb Krebel wohnt,
Der den Alkohol nicht schont,
Sondern ihn voll Pflichtgefühl
Überall vertilgte viel. –
Und der Kitt, der hatte Glück,
Denn der Krebel, klein und dick,
Hatte heut Familienzwist
Weil er allzu pflichttreu ist

 
   

Und weil er die letzte Nacht
Hat im Rinnstein zugebracht.
Deshalb seine Frau Theresen
Ihm grad hatte mit dem Besen
Klargemacht, daß nur ein Schwein
Lagert sich im Rinnenstein.
Nur aus diesem schönen Grund
Kitt den Krebel nüchtern fund. –

Und es nahm der Poliziste Krebel
Auch sofort den langen Säbel
Außerdem das Stahlesband,
Fessel für Verbrecherhand,
Und die beiden eilen schon
Weiter zu dem Pumpbaron. –
In dem Fenster liegt der Geck,
Schielt sehr ängstlich um die Eck,

Sieht den Kitt und auch den Krebel,
Kratzt sich den Pomadenschädel.
Denkt dabei so voller Graus:
„Nun ist’s mit dem Pumpen aus!
Denn nun komme ich ins Loch,
Tüten kleben lern’ ich noch
Muß Gefängniskost dinieren,
Wanzensorten dort studieren!

Nein – dies war niemals mein Fall!
Alles ist mir jetzt egal!“ –
Und mit wahrem Mörderblick
Sucht er einen langen Strick,

 
   

Rennt zur Hintertür hinaus,
Hüpft davon als lahme Laus,
Weil die schmalen Lackesstiebel
Und das Hühneraugenübel

Sich vertrugen schmerzlich-schlecht.
Aber – das war Meier recht!
So ’nem junges Pumpeslumpen,
Der nur liebt die Sekteshumpen,
Gönnt man’s, daß er hopst so kläglich
Und Gesichter schneidt unsäglich.
Plötzlich dann der Berthold Meier
Macht sich seine Zehen freier.

 
   

Seht – er zieht das Messer raus,
Trennt vom Oberleder aus
Zwei wohl fingerlange Stücke,
Und durch diese Lackschuhlücke
Grinsen nun die Hühneraugen.
Ja – das Mittel soll wohl taugen!
Daß die Stiebel ruiniert,
Meier keineswegs geniert,

Denn wer an ’nem Kiefernast
Beenden will des Lebens Last,
Den lockt nicht mehr Krebsessuppe,
Dem sind auch die Stiebel schnuppe! –

   

* * *

   

Heute spricht Herr Knödelmayer
Kurz noch vor der Osterfeier
Zu dem Bob und beiden Knaben,
Die ja leider gestern haben
Ruiniert die Radmaschinen,
Die jetzt als Alt-Eisen dienen,
Weil die Schlingel ganz allein
Wollten Radlerlehrer sein:

„Diesmal legt der Osterhas
Nicht ein Ei für Euch ins Gras!

 
   

Diese Strafe ist gerecht.
Ihr benahmt Euch übel-schlecht!“ –
Männe, Max und auch der Köter
Wurden da vor Trauer röter,
Denn die Osterhaseneier
Sind das beste an der Feier. –

Ach – jetzt schlendern unsre drei
Durch die Straßen voller Reu.
Plötzlich macht der Männe halt
Vorm Geschäft von Hannes Spalt,

 
   

Der nur Dinge delikat
In dem großen Laden hat:
Hummer und auch Pumpernickel
Austern, Spickgans, Mixedpickel,

Kurz – nur alles das zum Fressen
Was da kostet ungemessen. –
Männe seinen Schädel neigt
Und dort in das Fenster zeigt,
Wo in einem Körbchen schön
Kleinre Eier sind zu sehn
Reich gesprenkelt bräunlich-grün,
Die man sammelt voller Mühn.

Eine Tafel Ihr auch seht
Kiebitzeier darauf steht,
Und deshalb tut Männe stöhnen:
„Leicht wär’ Vater zu versöhnen!
Kiebitzeier liebt er sehr!
Gebt mir mal an Geldern her,
Was Ihr grade bei Euch tragt.“ –
Leider aber Bobbi sagt:

 
   

„Meine Kasse ist ganz pleite!“
Maxe brummt: „Ich hab’ nischt heute!“
Und der Männe aus der Weste
Auch nur holt mit trüber Geste
Einen einzgen Groschen vor
Doch – er nicht den Mut verlor,
Sondern ging und machte halt
Dicht vor Kaufmann Hannes Spalt. –

Spalt, der lächelt, – „Kiebitzeier
Sind dies Jahr gewaltig teuer!
Wenn Ihr welche essen wollt,
Euch doch Kräheneier holt,
Denn die sehn genau so aus,
Geben ganz den gleichen Schmaus!“ –
„Danke!“ nickt der Männe heiter,
Und der Dreibund zog dann weiter,

Dorthin, wo die Feuerwehr
Hat den Schuppen hoch gar sehr.
Maxe nämlich, immer klug,
Sich mit einem Plane trug,
Wie man leicht käm in die Höhe
Zu den Nestern von der Krähe. –
Da – jetzt ruft der alte Schmer
(Der war Lotto-Kollekteur)

 
   

Aus dem Fenster ihnen zu:
„Hin zu Meier lauft im Nu!
Sagt ihm, daß der Hauptgewinn
Fiel auf seine Nummer hin!“
Unsre Buben denken: „Kuchen!
Ne – wir wollen Eier suchen!“
Stehen nun schon frech und heiter
Hier vor der Magirus-Leiter

 
   

Auf dem Hof der Feuerwehr. –
Ja – Ihr wundert Euch wohl sehr,
Grübelt nun und denkt voll Spaß:
„Magirus-Leiter?! Was ist das?!“
Oh – Ihr kennt sie ganz gewiß:
Fahrbar diese Leiter ist
Und besteht aus vielen Stücken,
Die man kann nach oben drücken,

Wenn man an ’ner Kurbel dreht.
Spielend leicht die Sache geht. –
Diese Leiterzweiradkutsche
Hier bewacht der Wehrmann Wutsche,
Hat sie grade frisch geschmiert
Und durch Putzen mehr verziert. –
Wutsche jetzt auf eine Bank
Legt’ sich in die Sonne lang,

Und sein feister Mastebauch
Hebt und senkt im Schlaf sich auch. –
Blitzgeschwind die beiden Knaben
Bobchen vorgespannet haben
Vor die Leiter, so patent,
Und der Bobbi vorwärtsrennt,

 
   

Während unsre kräftgen Buben
Hinten an der Leiter schuben. –

Doch der Schlaf des dicken Wutsch’
War zur Unzeit plötzlich futsch.
Jählings springt er auf die Beine,
Keuchet hinterdrein alleine,
Bis er trifft die Rinderherde
Von dem Fleischermeister Körde,
Deren großer Bulle, ach,
Blanke Helm’ nicht leiden mag

Und, als Ochse leicht gereizt,
Zur Attack’ die Beine spreizt.
Wutsche, der vor Eifer blind,
Sieht nicht das gehörnte Rind,
Erst als dieses Vieh ganz dicht,
Hielt er es für seine Pflicht,
Schleunigst hier zu retirieren,
Was jedoch bei Ochsentieren

Stets insofern nicht viel nützt,
Als son Rindvieh schneller flitzt
Und son junger Bullenbengel
Rascher schmeißt die Leibesstengel.

 
   

Jedenfalls: der arme Mann
Fühlt sehr bald da hinten dran,
Wo der Hosenboden war,
Einen Stoß vom Hörnerpaar,

Fliegt empor und fällt – o Wonne! –
Grade in die Jauchentonne,
Die der Bauer Gottlieb Spält
Auf dem Wagen fährt aufs Feld.

 
   

Freilich – hier bei diesem Wutsch
Warn die guten Düfte futsch
Doch – die Rettung so gelang,
Und dann schadet kein Gestank. –

Unser Dreibund mit der Leiter
Rannte ungehindert weiter,
Und so kamen sie gar bald
In den hohen Kiefernwald,
Wo sich leicht erkennen läßt
In den Wipfeln manches Nest,
Eine Krähenkolonie,
Und es legten ohne Müh’

Hier zwecks Vogelviehvermehrung
In der Nester Zweigumwehrung
Viele Eier Frau und Mann,
Doch, wie man sich denken kann,
„Krumme“ nur legt’ der Papa
Und die „echten“ die Mama. –
Allerdings – in dieser Stund’
Tat sich hier Erregung kund,

Denn das ganze Krähenvolke
Schwärmte wie ’ne dustre Wolke
Und vollführte einen Krach
Daß der Maxe staunend sprach:
„Donnerlittchen, ob die Krähen
Etwa wo ’nen Habicht sehen?!
Denn son Habicht, lieber Bruder,
Ist ein freches Räuberluder!“ –

Männe nur recht wurstig nickt
Und mit Muskelkraft dann drückt
Immer höher, immer weiter
Die Teile von der Feuerleiter.
Bis das obre Ende fast
Lehnt sich an den höchsten Ast
Einer Kiefer, deren Wipfel,
Zeigt viel runde Nestertüpfel. –

Ei – nun kann man hier gleich sehen,
Wie die dreie aufwärts gehen.
Selbst der Bobbi kraucht die Sprossen
Rasch empor sehr unverdrossen,

 

 

 
   

Und den mitgebrachten Sack
Füllt das Eierräuberpack
Hier auf dieser Nesterstelle
Bis zur Hälfte ziemlich schnelle.

Und es jubelt Hund und Kind,
Weil die Eier ähnlich sind
Jenen Kiebitzfabrikaten,
Die so teuer sind geraten. –
Mit Gebrüll und Heiterkeit
Wehrt man ab die Feindlichkeit
All der Krähen, die voll Zorn
Greifen hinten an und vorn. –

So, man schiebt die Leiter dann
An die nächste Kiefer ran,
Und der Maxe mit dem Sack,
Den er trägt nun huckepack,
Ist bald oben und – erschrickt!
Seltsam ist, was er erblickt:

 
   

Menschenbeine, Lacksandalen,
Hühneraugen, sehr fatalen. –

All das hinter dichten Zweigen
Tut sich hier dem Maxe zeigen.
Und der Maxe klettert höher,
Schaut sich an die Sache näher,
Ahnt ja nicht, daß Pumpbaron
Hing hier in der Schlinge schon. –
Da – er schiebt den Zweig beiseite.
Ach – es kam die Eierpleite:

Maxe sieht jetzt voller Graus,
Daß es mit dem Meier aus!
Bis zum Schlips die Zunge reicht.
Meier ist total erbleicht,
Meier ohne Zweifel schnelle
Fuhr schon in die Pumplumphölle. –
Maxe starrt und Maxe stiert
Und das Gleichgewicht verliert.

Auch der Sack der Hand entglitt,
Riß den armen Bobbi mit,
Sauste Männe auf die Stirn.
Gelb bekleistert war das Hirn.
Sauste weiter noch nach unten,
Wo der Max dann hat gefunden
Ganz in Eierkuchenteig
Einen Sitz sehr feucht und weich

Selbst der arme Bob, der Köter,
Ward dort unten gelblich-röter,
Nur der Männe hielt sich oben
Auf den Leitersprossen droben,
Wischt den Kräheneierschaum
Von der Augenbrauen Saum

 
   

Und steigt voller Neuheitsgier
Bis zu jenem Aste hier,

Wo der Pumplump baumelt still. –
Männe ihn noch retten will,
Nimmt sein Messer – dann ein Schnitt –
Der Tote macht ’nen Rutscheritt.
Gleitet abwärts an den Sprossen,
Wird mit Eierteig begossen
Ruht nun zwischen Max und Bob
mit dem eingesalbten Kopp. –

 
   

Ah – es lockert sich zum Glück
Durch das Feuchte rasch der Strick,
Und der tote Meier wieder
Öffnet seine Kieferglieder,
Schaut sich ganz entgeistert um,
Bis der Maxe ruft nicht dumm:
„Ach, Herr Meier, Sie hab’n Schwein!
Der Hauptgewinn traf für Sie ein!

 
   

Dieses Ihnen schnell zu sagen,
Hat Herr Schmer uns aufgetragen!“
Berthold Meier, Pumpbaron,
Sprang da auf die Füße schon
Und umarmte Max und bat,
Ihn zu fahren nach der Stadt,
Da er selber noch, was klar,
Schwächlich auf den Beinen war. –

Schmer und Wutsche, der noch naß
Von dem duftgen Jauchenfaß,
Kitt dazu, auch Krebel hier
Stehen vor des erstren Tür
Und besprechen Meiers Flucht
Und sein Lottoglück verrucht.
Da – es naht die Leiterkutsche.
„Ha – der Meier!“ brüllt der Wutsche.

Ei verflixt – das war ein Bild:
Männ’ und Maxe schieben wild,
Auf der Leiter liegt der Meier,
Trieft nur so von Kräheneier,
Hat noch um den Hals den Strick,
Streichelt Bob mit Freudenblick! –
So, jetzt macht die Fuhre halt,
Und der Schmer nun holt alsbald

 
   

Jenen Waschkorb voll Banknoten,
Hat sie Meier angeboten.
Und der Pumplump – schau und staune! –
Hat in froher Spenderlaune
Jedem in die Hand gedrücket,
Was sie alle sehr beglücket:
Kitt, der Schneider, ward bezahlt,
Was er auf die Rechnung malt.

Und der Poliziste Krebel
Abends war im Fuselnebel;
Max und Männe Kiebitzeier
Kauften rasch zur Osterfeier;
Knödelmayer war gerührt,
Und so gab’s was sich gebührt:
Schokoladenostereier
Zu der schönen Osterfeier!
Und der Pumplump lebte dann
Fernerhin als fleißger Mann!
Nur die Krähen, wie begreiflich
Schimpften noch und fluchten weidlich!