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Onkel Adolars Geburtstag

 

 

Männe und Max

lustige Bubengeschichten

 

1. Band[1]

 

Onkel Adolars Geburtstag

 

von

Walther Neuschub

Mit Bildern von

R. Hansche

 

Verlag moderner Lektüre, G.m.b.H.
Berlin SO 16, – Michaelkirchstraße 23a.

 

Nachdruck verboten. – Alle Rechte, einschließlich das Verfilmungsrecht, vorbehalten. – Copyright 1930 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO. 16.
Druck: Buchdruckerei P. Lehmann G. m. b. H., Berlin.

 

     
   

Einleitung.

   

Unsere Helden.

   

Seufzend stand am hellen Feuer
Fleischermeister Knödelmayer,
Während seine Frau Malwine
Reinigte die Wurstmaschine.

 
   

Beider Blick hing Träumerisch
An dem Köter unterm Tisch,
Der wie stets beim Würstekochen
Sich vergnügte mit den Knochen.

Boxerschnauze, Dackelbeine,
Ringelschwänzchen wie beim Schweine,
Borstig Haar und Bäuchlein rund,
Aber: treu war Bob der Hund! –
Knödelmayer blieb verdrießlich,
Und das war kein Wunder schließlich,
Denn schon volle dreizehn Jahr
Kinderlos die Ehe war.

Appetitliche Gerüche
Stiegen aus der Fleischerküche
Durch das schwarze Schornsteinrohr
Zu des Hauses Dach empor.

 
   

Und der Storch, der dorten stand,
Dieses sehr genußreich fand,
Doch gar bald hört durch den Schlot
Er des Fleischers Kindernot.

 
   

Und der gute Storch sogleich
Fischte aus dem nahen Teich
Ein gar drollig Zwillingspaar,
Das sich gar nicht ähnlich war.
Während schlank und groß der eine,
Spitze Nase, dürre Beine,
Ging hübsch pummelig der zweite
Mit den Gliedern mehr ins Breite.

Als ganz heimlich in der Nacht
Dieses Paar der Storch gebracht.
Floß, vermischt mit Freudentränen,
Knödelmayers Wein in Strömen.
Und am Schlusse dieser Feier,
Da erhob sich Knödelmayer

 
   

Und erklärte stolz: „Ich nenne
Meine Buben Max und Männe.“

   

* * *

   

Heute ist das Zwillingspaar
Schon im neunten Lebensjahr.
Was nun diese Schelme trieben
Ist im folgenden beschrieben.

     
   

Onkel Adolars[2] Geburtstag.

   

Wenn ein lieber Anverwandter
Oder sonstiger Bekannter
(Der uns hilft mit Rat und Tat!)
Wieder mal Geburtstag hat,
Wird, weil es sich so gebührt,
Erstens herzlich gratuliert,
Zweitens durch ’ne Kleinigkeit
Das Geburtstagskind erfreut.

Diesen schönen alten Brauch
Üben Knödelmayers auch,
Denn das Wiegenfest heut’ war
Jenes Onkels Adolar,
Den man ganz besonders ehrt,
Weil ein Landgut ihm gehört
Und man von ihm dann und wann
Hintenrum was kaufen kann.

Gerade solche Hornviehzüchter
Liebt man heute mehr als Dichter.
Drum wird als Geschenk erwählt,
[3]
Was dem Onkel längst schon fehlt,
[Eine schöne lange Pfeife,]
[4]
Oben mit ’ner blauen Schleife
Und zwei dicken goldnen Quasten,
Außerdem ein Tabakskasten.

 
   

Seht hier Max und Männe springen,
Das Geschenk zu überbringen.
Maxe schwingt das Pfeifenrohr
Und kommt sich sehr wichtig vor,
Während Männe unterm Arm
Hält den Tabakskasten warm,
Der gefüllt mit edlem Knaster,
Unterstützt das Räucherlaster.

Bob der Hund läuft in der Mitte
Heut’ wie stets im Bund der Dritte.
So im hellen Sonnenschein
Zieh’n vergnügt sie querfeldein;
Doch – an eines Baches Rand,
Wo das Gras recht üppig stand
Grast, geknüpft an einen Pflock,
Ein gar böser Ziegenbock.

Jetzt beginnt schon das Verhängnis
Und des Bockes arg’ Bedrängnis,
Denn der Max aus Übermut
Hintenwo ihn kitzeln tut
Mit dem Pfeifenkopf, dem bunten,
Meistens an dem Schwänzchen unten.
Seht – der Pfeifenkopf steht offen,
Und hinein in diesen troffen

 
   

Nun des Bockes hint’re Gaben!
Ähnlichkeit sie vielfach haben
Mit dem braunen Tabakpriem –
In die Backe schiebt man ihn.
Männe ruft jetzt wutentfacht:
„Ha – was hat der Bock gemacht!“

 
   

Und mit kleinen Steinen
Wirft er nach den Hinterbeinen.

Auch der Bob ist gar nicht faul,
Schnappet nach dem Ziegenmaul. –
Weh’ – ein Ziegenbock der frißt,
Gegen jede Störung ist!
Mit gesenkten Hörnern jetzt
Hat er sich zur Wehr gesetzt.

 
   

Da – der Bob fliegt in die Luft,
Wird gehörig durchgepufft,

Bleibt hoch oben in den Ästen,
Gerade zwischen zwei sehr festen
Einer Buche kläglich hängen.
Unterdessen tut bedrängen
Auch der Bock den Pfeifenträger
Zeigt sich als ein guter „Schläger“,
Keilet mächtig rückwärts aus
Trifft die Nase dann, o Graus,

Die mit Blitzesschnelle quillt
Und zur Riesengurke schwillt.

 
   

Männe selbst entgehet nicht
Diesem Ziegenstrafgericht.

 
   

Schau’ – schon hat das tück’sche Biest
Diesen Knaben aufgespießt,
In den Bach im hohen Bogen

 
   

Männe und der Kasten flogen.

Siegreich meckert nun der Bock.
Doch – mit pitschpatschnassem Rock,
Leerem Kasten, reugequält,
Aus dem Schlamm sich Männe schält.
Max, der streichelt seine Nase,
Hebt die Pfeife aus dem Grase,
Deren Deckel jetzt geschlossen. –
Währenddem hat Bob genossen

 
   

In den Zweigen höchste Pein.
Max, der will barmherzig sein,

 
   

Klettert auf der Buche Äste.
[Rüttelt dann an dem Geäste,]
[5]
Bis die große, fette Frucht
Ganz von selbst den Boden sucht.
Schleunigst nun der Dreibund flieht,
Und der Bock dies grinsend sieht.

Doch – so ist’s nun mal im Leben:
Hat das Schicksal Dir gegeben
Einen bösen Backenstreich,
Nur zu schnell vergißt Du’s gleich,
Wenn der erste Schmerz vorüber! –
Deshalb neues Tatenfieber
Auch das Kleeblatt bald beseelt,
Wie Euch jetzo sei erzählt.

 
   

Maxe hält schon mit der Hand
Einen Regenwurm umspannt.
Diesen schiebt er langsam vor
In das ob’re Pfeifenrohr.
Bruder Männe hat indessen
Auch nicht g’rade stillgesessen,
Von der Hundenas’ geführt
Hat er ’n Igel aufgespürt,

Den er wälzet nun und zerrt,
Bis er ’n den Kasten sperrt.
Als Ersatz für Tabakblätter
Findet er den Igel netter
Als zum Beispiel trocknes Laub
Oder Schlafmatratzenstaub. –
Dann erinnern sie sich beid’,
Daß es längst schon Kaffeezeit.

Atemlos vom schnellen Laufen
Sie vor Onkels Tür verschnaufen. –
Dieser Onkel Adolar
Ein gar drollig Männlein war,
Lang und dünn, mit Zickelbart,
Auf dem Kopfe kaum behaart,
Trug er selbst bei Bullenhitze
Schlafrock stets und woll’ne Mütze.

Eben beugt er sich jetzt wieder
Über jenen Kuchen nieder,
Der zum Kaffee heut’ bestimmt.
Da – das Klopfen er vernimmt,
Ruft nun laut: „Herein – herein!“
Und es tritt der Dreibund ein.

 
   

Max mit harmlosem Gesicht
Leiert runter sein Gedicht.

Dann als schöne Freundschaftzeichen
Die Geschenk’ sie überreichen.
Adolar mit viel Humor
Ergreift sofort das Pfeifenrohr,
Liebt er doch den Tabaksduft
Mehr als jede andre Luft!
[6]

 
   

Und zur Probe saugt er nun,
Wie dies so die Raucher tun.

Und er saugt und saugt und zieht,
Bis die Puste ihm entflieht,
Dann hebt er den Deckel auf.
„Hier steckt irgend was im Lauf!“
Sagt er, sieht den Ziegenpriem,

 
   

Riecht daran – ganz schlecht wird ihm!

 
   

„Pfui – dies ist ja Ziegenmist,
Ganz gemeine Hinterlist!“

Ruft er, schüttet schleunigst weg
Diesen ekelhaften Dreck,
Reinigt schnell den Pfeifenkopf,
Dieser ahnungslose Tropf,
Füllet ihn mit Tabak lose
Aus der eignen Tabakdose,
Hält das Streichholz jetzt heran,
Fängt von neu’m zu ziehen an.

 
   

Zieht mit völlig leeren Backen,
Daß ihm alle Muskeln knacken,
Daß die Augen treten vor:
Ohne Luft bleibt’s Pfeifenrohr!
Nochmals saugt er mit Gewalt –
Da – im Rohr es leise knallt,
Endlich hat den Wurm bezwungen
Diese Kraft der Männerlungen.

Durch das Mundstück in den Mund
Fliegt der lange Wurm geschwund
Dem Geburtstagskinde jetzt.
Adolar speit ganz entsetzt
Von sich dieses Würmertier.
Gerade da erscheinet hier
Fräulein Hilda Lederpütze, –
Ihr, des Hauses sich’rer Stütze,

 
   

Fleugt der Wurm ins Angesicht,
Schlängelt in das Nas’loch sich,
Und sie läßt das Teebrett fallen,
Tassen, Kannen berstend knallen.
Dann die Hilda Lederpütze
Faßt des Wurmes Schwanzesspitze,
Wirft ihn in die Kaffeebrühe,
Schreit darauf: „Noch heut’ ich ziehe!“

 
   

Eilt von dannen voller Bos,
Schmeißt die Türe laut ins Schloß. –
Unterdessen hebt der Männe,
Damit schnell der Igel renne
Fort aus Onkels Augennäh’,
Auch den Deckel in die Höh’
Von dem Kasten, der bis jetzt
Auf das Sofa war gesetzt.

Als die Hilda Lederpütze
Enteilte durch der Türe Ritze,
Sank der arme Adolar
Jeder Fassung gänzlich bar,
Rückwärts auf das Sofa plötzlich,
Heulte auf dann ganz entsetzlich:

 
   

Statt des Kissens fand er hier
Ein gar stachlicht’ Igeltier.

Tief in seines Leibes Teile
Bohren sich die scharfen Keile,
Und – so viel er springt und hüpft:
Der Igel hängt wie angeknüpft
Auf der Kehrseit’ Adolars!
Ach – wie doch gar seltsam war’s,
Dieses Hopsen, dieses Mühen
Einem Igel zu entfliehen!

Max und Männe krümmten sich,
Schnitten Fratzen fürchterlich,
Lachten dann ganz laut heraus.
Doch – da fiel der Igel raus
Aus des Rückens unterm Ende,
Und – damit Vergeltung fände
Eine andre böse Tat,

 
   

Trifft er Bobbis Rückennaht,

Der indessen froh und frech
Fraß den ganzen Kuchen weg, –
Spiekt sich Bobbi in die Keulen!
Wieder gab es Jaulen, Heulen.
Aber Bob nun schnell entspringt,
Klirrend eine Scheibe klingt,

 
   

Denn der Hund in wilder Hatz
Fuhr hindurch mit einem Satz.

Trägt den Igel mit ins Freie,
Eilt zum Teiche voller Reue,
Wälzt sich in dem Wasser dann,
Wurde los den Igelmann.
Doch im Zimmer, wie wohl klar,
Nahm inzwischen Adolar
Mit dem neuen Pfeifenrohr
Sich die Buben einzeln vor.

Max und Männe krümmten sich,
Schnitten Fratzen fürchterlich,
Denn es hagelt nun Gerechtigkeit

 
   

Auf die hintere Sitzgelegenheit.
Jedem zahlt der Adolar
Gerade fünfzig aus „in bar“.
Mehr wollte ihm nicht glücken:
Denn schon sprang das Rohr in Stücken!

Dann schickt er die Buben heim,
Spricht dazu in eignem Reim:
„Dieses Tags werd’ ich gedenken,
Wo man mir tat schenken
Ringelwurm und Ziegenpriem,
Dazu noch ein Ungetüm,
Das mir klebte hinten dran,
Dem nur hüpfend ich entrann!
Nie vergess’ ich diesen Tag,
Diese ungeheure Schmach!
Laßt Euch hier nicht wieder blicken,
Ihr mit Euren bösen Tücken!“

 
   

Traurig schlich das Kleeblatt dann
Im Gänsemarsche, Bob voran,
Nach den heimischen Penaten
Und bereute seine Taten.
Max reibt sich sein Riechorgan,
Riesengroß fühlt es sich an;
Männe reibt sich anderswo,
Dort, wo man dies nennt – Popo.

Bob hingegen leckt sich eifrig
Die Hinterkeule, wie begreiflich. –
Bald stehen sie vor Knödelmayer,
Ihm schien die Sach’ nicht recht geheuer!

 
   

Erst schwindeln sie, daß Adolar
Ganz furchtbar froh und zärtlich war.
Jedoch des Maxes Kürbisnase
Enthüllet diese Lügenphrase.

Die Nase bringt es an den Tag,
Was heute so passiert sein mag,
Und schnell greift Vater nach dem Rohr,
Nimmt sich die dreie einzeln vor.
Ach – wieder gab es fünfzig gerade
Gezählet auf die Hinterlade,
Die doch noch schmerzt von früher her,
Die jetzo schmerzte noch viel mehr!

 
   

Und abends – hört, o welches Pech! –
Schickt Adolar ein Briefchen weg
An Knödelmayers nach der Stadt,
Daß er sich heut’ verlobet hat
Mit seiner Hilda Lederpütze
Damit sie bleibe seine Stütze
Und schnell vergesse, was getan
Die Buben und der Wurm ihr an. –

Erbonkel war der Adolar.
Das ist vorbei, wie jedem klar!

 
   

Und wiederum der Knödelmayer
Beginnet eine Trauerfeier.
Bei der der Rohrstock spielt ’ne Rolle.
Der Dreibund heulte jammervolle.
Hier seht Ihr, wie sie wieder reiben
Die schmerzhaft dicken Hinterscheiben.

   

* * *

   

Drum, Kinder, wenn als Gratulanten
Ihr eilt zu Onkel oder Tanten,
Dann gehet sittsam Eure Straße!
Denkt stets an Maxens Gurkennase,
Und an den Bock, den Wurm im Rohr,
Den Igel und – den Rachechor!

 

Druck: P. Lehmann G. m. b. H., Berlin.

 

 

Anmerkungen:

  1. Auf der Titelseite steht: „1. Streich.“, auf der Innenseite „1. Band“.
  2. In der Vorlage steht: „Adolas“.
  3. Hier ist eine Zeile doppelt, sie unterscheiden sich nur durch „das“ und „als“.
  4. Hier fehlt dafür eine Zeile, die sinngemäß ergänzt wurde.
  5. Hier fehlt eine Zeile, die sinngemäß ergänzt wurde.
  6. Diese Zeile ist in der Vorlage um drei Zeilen nach oben gerutscht und wurde wieder an die richtige Stelle gebracht.