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Die Gorilla-Bar

 

Die Gorilla-Bar

von

W. Neuhofer.

 

Verlag moderner Lektüre
G.m.b.H.
Berlin.S.O.26. Elisabethufer.44.

 

Nachdruck verboten. – Alle Rechte vorbehalten. Copyright 1920 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Druck P. Lehmann G. m. b. H., Berlin SO. 26.

 

 

1. Kapitel

Theo von Schloch

Kapauns saßen bei Tisch und speisten. Das Stubenmädchen Hedi bediente. Die Tafel war wie alle Tage jetzt mit Blumen geschmückt. Es gab alten Rotwein zu den vier Gängen, einen Rotwein, der sechzig Mark die Flasche kostete. Kapauns konnten sich das leisten.

Vor drei Jahren noch hatten Kapauns in der Müller Straße eine kleine Vorkosthandlung besessen. Dann waren sie plötzlich nach der Knesebeckstraße 188, 1. Etage, 8 Zimmer, gezogen und suchten die Müller Straße zu vergessen.

Herr August hatte nämlich die Kriegskonjunktur ausgenutzt wie selten einer. Schlau war er ja immer schon gewesen. Aber im Frieden – mein Gott, – da war der Staatsanwalt bei der Entfaltung verborgener Talenten so hinderlich, und außerdem – lohnte es sich auch nicht recht.

August Kapaun hatte Geschäfte gemacht – Geschäfte, daß ihm selbst sich zuweilen wohl die Haare gesträubt hätten, wenn er nicht so absolut kahlköpfig gewesen wäre. Er hatte mit beiden Händen gearbeitet, und nie hatte die Rechte gewußt, was die Linke tat. Und – es hatte gescheffelt. Mit Rumlieferungen hatte er angefangen, war zu Konserven übergegangen, dann zu Würsten, deren Inhalt nicht mal der beste Chemiker – zu Augusts Glück! – enträtseln konnte, hatte nach der Revolution Beziehungen zu englischen Gesinnungsgenossen angeknüpft und sich auf Zigaretten, Stoffe und holländischen Käse geworfen, hatte von den ergatterten – ergaunerten sechs Millionen zwei in der Schweiz untergebracht, verdiente noch schnell eine dazu und – zog sich am 31. März nachts zwölf Uhr in das Privatleben zurück, nannte sich vom 1. April ab Rentier und schwor tausend Eide, nie wieder zu arbeiten – nie wieder! Und ob dieser Schwüre atmeten sowohl seine Gattin, als auch seine drei Kinder Emil, Lotte und Thusnelda erleichtert auf, denn sie hatten immer gefürchtet, die ganze Herrlichkeit könnte eines Tages wie eine Seifenblase zerplatzen und ihr wackerer Ernährer mit dem grünen Wagen eine Reise nach dem Moabiter Kriminalgericht antreten, wo leider ja so einsichtslose Männer über Recht und Unrecht entschieden, die gar nicht verstehen wollten, daß heutzutage doch jeder mehr oder weniger betrog und daß man doch eigentlich beide Augen zudrücken mußte, da es ja unmöglich war, neue Gefängnisse zu bauen, wo doch die alten nie ausgereicht hätten.

Aber – wie gesagt – August Kapaun blieb den Seinen erhalten und strebte nun mit aller Energie danach, auch nach außen hin zu der Haute-Volaute zu gehören. –

Man hatte sich nun gesegnete Mahlzeit gesagt, und die Jüngste, die achtzehnjährige Thussi, hatte vorher noch wie immer das Tischschlußgebet gesprochen, das in Worte ausklingt: ‚und segne, was du uns bescheret.‘

Der Mokka wurde regelmäßig in der Bibliothek ebenfalls gemeinsam gleich nach Tisch eingenommen. Und hier nun begann Papa Kapaun, indem er seine dürre, lange Gestalt in einen Klubsessel einschmiegte:

Also meine Lieben, nu paßt mal auf. Auch du, Frau! Du kannst nachher dein Nickerchen machen. Trink nich so ville von ‘n Rotspon, dann wirste nich so faul. – Also – jeht’s los. – Meine Lieben, Reichtum ohne Bildung und sogenanntes ‚Benimm‘ is wie ‘n reifer Limburger auf ne Hochzeitstafel. ‘s paßt eben nich zusammen. Und deswejen, Kinder, hab’ ich auch ne Anzeige losjelassen und nach ’n Privatsekretär jesucht. Nu wißt ihr, weswejen heut’ von zehn bis eins vormittags all die feines Maxes uns das Haus einrannten. – Hm – feinen Maxes! – Kinder, der Privatsekretät soll nämlich bei uns das werden, was früher all die Fürschten und so weiter hatten: Oberzeremonienmeister! Diese Kerls waren so wat Ähnliches wie Tanzmeister, oder auch Anstandslehrer. Kurz, sie befummelten bei Hofe so allens, was mit ‘n feinen Ton irgendwie zusammenhing. Ihr versteht. – Und – unser Oberzeremonienmeister is nu aus die Menge von zweihundertundschtzehn Bewerbern von mir glücklich rausjepolkt worden. Es is ‘n früh‘rer Oberleutnant von die früh’ren Jardeulanen, bei die ich doch ooch mal gestanden hab. Und – denkt euch, sein Vater, der Major Graft von –“

Graf – Graf!“ kreischten Lotte und Thussi auf.

Nu ja – Graf – wat is denn dabei?! Ich bitt’ eich! Wat is heutzutage noch ‘n Graf?! Das war mal wat – jetzt is’s ‘n Dreck –“

Ganz recht, Papa,“ warf der siebzehnjährige Ernst ein und klemmte das Monokel fester. „Jetzt kommt nur der neue Geldadel in Frage. Alles andere hat abgewirtschaftet.“

August Kapaun warf seinem jüngsten Kinde einen merkwürdigen Blick zu. Emilchen war das wandelnde Modenjournal. Er besuchte jetzt eine Vorbereitungsanstalt für ‚das Einjährige‘, um wenigstens einen gewissen Bildungsschimmer sich anzueignen.

Also der Vater, Graf Hektor von Schloch-Borstein is mein Rittmeister gewesen,“ fuhr August vor. „Er hatte Schulden – Schulden, – ich sag’ euch, von dem allein hätte ein Gerichtsvollzieher leben können! Dann hat er noch ‘n armes Mädchen geheiratet, na, – und der Appel fällt bekanntlich stets hinter die Hufe und dicht beim Stamm, – das heißt sein Sohn hat’s wohl noch toller getrieben. Und der is nu mein Privatsekretär, der Graf Theo von Schloch-Borstein, Oberleutnant a.D., und der wird nachmittags sechs Uhr heute seinen Einzug halten und das Fremdenzimmer mit ‘m separierten Eingang beziehen. Die Möbel hab ich jestern auf ne Auktion jekauft, und um vier kommen sie, und denn wird für den Grafen alles hergerichtet. –

So – und nu noch wat für euch beide, Lotte und Thussi! Der Schloch is ‘n patenter Kerl, war bei Hofe mal Vortänzer und spricht fließend vier Sprachen. Er wird uns uff ‘n feinen Ton drillen, aber – das sag’ ich euch, Lotte und Thussi, wenn ihr mit ihm etwa poussiert, so – so –. Na – ihr kennt mich ja! Ich hab’ ‘n loses Handjelenk! Und dem schönen Theo hab’ ich das auch gleich unter die Nase gerieben. Und er hat mir sein Ehrenwort jegeben, daß von ihm aus nischt – pure nischt geschehen wird, um hier etwa son Gemechtelgetechtel anzufangen. So – auch das wär’ von die Leber! – Nun noch das Letzte. – Er wird uns jeden Abend so wat Ähnliches wie Vorträge halten über das, was uns nötig is. Und – na kurz, er wird so in alles unser Erzieher sein. Und wehe eich Rasselbande, wenn ihr die Sache nich ernst nehmt!“

Damit war die Überraschung zu Ende.

Nachher sagte Lotte sehr temperamentvoll in dem gemeinsamen Mädchenstübchen zu Thussi:

Du – ausgerechnet das Fremdenzimmer kriegt er. Oh – ich hab’ eine Wut auf ihn – eine Wut. Jetzt ist’s aus mit den Stelldicheins – ganz aus. Denn – dazu geb’ ich mich nie her, meinen Harry in seiner Wohnung zu besuchen – nie! Hier war man sicher. Hier konnte der Frechdachs nicht zu frech werden. Ja – eine Wut hab’ ich auf diesen Schloch!“

Die dunkelhaarige Thussi, kleiner, dafür aber voller als die Schwester, probierte gerade einen neuen Frühjahrshut auf.

Pah – du bist zu ängstlich, Lotte,“ meinte sie. „Mein Fritz wird nie frech – wirklich nicht. Der ist so verliebt in mich, daß er fürchtet, ich könnt’ ihn den Laufpaß geben, wenn er mal – zu liebenswürdig wird. Ja – wir Mädels aus der Müllerstraße waren doch schon mit zwölf Jahren helle. Uns macht keiner was vor – Gott sei Dank!“ –

 

*

 

Theo von Schloch saß zu derselben Zeit mit seiner Minni bei Kempinski und feierte die neue Anstellung. Er hatte ihr soeben einen längeren Vortrag gehalten und fügte nun zum Schluß hinzu:

Kleines – zur Eifersucht liegt also nicht der geringste Grund vor. Nicht mehr weinen, Minni! Es ging nicht anders. Ich mußte zugreifen. Sollt’ ich mich denn von dir weiter durchfüttern lassen?! Ne, Kleines, – wenn ich auch letztens den Offenbarungseid geleistet habe, wenn auch meine Gläubiger vom Frieden her mich heimlich Lump und Betrüger schimpfen mögen, ein Lump wär ich erst dann, wenn ich jetzt nach dem großen Kladderadatsch, dem auch die Gardeulanen geopfert sind, nicht versucht hätte, mir mein Brot zu verdienen, nachdem ich einige Jahre ‚auf Wechsel‘ und jetzt zuletzt bei dir gelebt habe. – Minni – es ist ja der Anfang. Sobald ich was anderes finde, kündige ich der Kapaun-Familie –“

Sie saßen in einer Ecke, und er hatte ihre Finger zwischen den seinen, schaute sie zärtlich an und lehnte sich an ihre Schulter.

Minni, Korrespondentin bei Samuelsohn & Co., Trikotagen en gros, war ein blondes, zierliches Persönchen mit dunklen großen Augen, in denen es jetzt wie tiefer Schmerz lag.

Ach, Theo,“ seufzte sie, „wie einsam werde ich sein – wie schrecklich einsam. Auch wenn du hin und wieder frei bist, – was bedeutet das im Vergleich zu den letzten Wochen!“ Wieder schwammen ihre dunklen Sterne in Tränen.

Theo legte das Monokel auf den Tisch, betupfte sich die Stirn. In Wahrheit kämpfte auch er mit einer starken Rührung. Er hatte Minni ja lieb – sehr lieb, und er würde ihr es nie vergessen, daß sie es gewesen, die ihm bei dem letzten Urlaub von der Front Oktober 18 so selige Stunden geschenkt und dann auch weiter treu zu ihm gehalten hatte.

Still saßen sie nun da. – Minni sah ein, daß er nicht anders gekonnt hatte. Schließlich war Privatsekretär bei Kapauns noch immer angenehmer als Oberkellner oder Versicherungsagent. Es war doch was gut bezahltes – vierhundert Mark bei freier Station. Nur – nur daß dort zwei Töchter waren! Und Minnis Eifersucht entsprang ganz der Größe ihrer Liebe! – Ja – wenn Theo ein Scheusal gewesen wäre! Aber – auch hier schauten ja schon ein paar Weiber von den Nebentischen immer herüber. Er war eben schneidig, patent, – man sah ihm die Rasse gleich an. –

Dann gingen sie nach der Charlottenstraße 111. Dort wohnte Minni bei der Frau verwitweten Kanzleirat Stürmer. Das war eine alte Dame mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Noch sehr rüstig; sehr beweglich.

Als Theo ihr mitteilte, daß er Glück gehabt und bei August Kapaun heute das Rennen gewonnen habe, da gratulierte sie wortreich, bedauerte nur, daß er nun ausziehen würde, streichelte Minni die Backen und meinte, sie würde schon sorgen, daß Minni sich nicht zu sehr gräme. Schließlich ist doch die Knesebeckstraße nicht gleich Afrika, und man fährt in einer halben Stunde hin oder kommt her,“ lächelte sie.

Und dann saßen Minni und Theo in der möblierten Vorderstube, sollten ja eigentlich Theos Habseligkeiten einpacken, feierten aber lieber Abschied, denn Minni mußte ja um drei wieder bei Samuelsohn & Co. sein.

Sie verspätete sich heute zum ersten Mal um eine halbe Stunde. Sie hatte sich neu frisieren müssen, da dieser Unband, der Theo, manchmal so war keine Rücksichten nahm – auf nichts, nicht mal darauf, daß man doch nicht so zerzaust und erhitzt ins Geschäft kommen konnte

Theo begleitete sie natürlich bis vor den Geschäftspalast, dessen Front eine Auslese von ‚Söhnen‘ war, denn auf den Schildern war zumeist zu lesen: ‚–sohn & Co.‘, nur die Vorderbuchstaben wechselten – bald Isaak, bald Israel, bald Moses, bald Veichtel.

Und diese vielen ‚Söhne‘ weckten in Theo von Schloch sehr ernste Gedanken. Das, was Minni ihm vor drei Tagen anvertraut hatte, war nur zu geeignet gewesen, seine Sorgenlast zu vergrößern. Deshalb hatte er ja auch hauptsächlich bei Kapaun so mit Freuden zugegriffen – vierhundert Mark bei völlig freier Station! Da ließen sich jeden Monat bequem dreihundert sparen. Und wenn Minni dann nicht mehr so recht bei Samuelsohn sich sehen lassen konnte, dann waren doch Spargroschen da, die über die schlimmste Zeit hinweghelfen würden

Theo ging mit gesenktem Kopf durch die Leipziger. Früher hatten seine Augen alle schicken Weiber angeblitzt. Seit er Minni kannte, war das anders geworden. – Ja – seine Minni! Die hatte ihn wirklich total umgekrempelt! – Na – sein alter Herr, der dort in dem Seebad Stranddorf als Kurdirektor jetzt einen kläglichen Kampf ums tägliche Marmeladenbrot ausfocht, – der hätte ahnen sollen! Minni und er, – Theo, Vortänzer, Oberleutnant a.D – aber auch ‚Offenbarungseidiger –‘

Da wurde Theo angesprochen.

He – Schloch, Mensch – wir haben uns ja seit dem großen Schlamassel nich mehr jesehn. Tag, du. Famos, daß ich dich treffe –“

Die beiden drückten sich fest die Hand. Und der kleine Murks von den Maikäfern, eigentlich Oberleutnant a.D. von Murk, schob seinen Arm in den Theos und schwenkte in die stille Wilhelmstraße ab.

Theo blieb bald stehen, musterte den schlanken Kameraden von oben bis unten.

Was treibst du jetzt? Du siehst ja so vergnügt aus?“ meinte er mißtrauisch. „Etwa auch zur – Schieberjarde abgeschwenkt?“

Du – das müßte mit Blut jerochen werden, dieser Verdacht!“ lachte Murks. „Mein neuer Lebenslauf ist bald geschildert. Also, zunächst stürzte sich die Meute jener Ärmsten über mich her, die mir zu Friedenszeiten so viel gepumpt hatten, daß ich ihnen meinen Dank jetzt nur auf eine Art offenbaren konnte – vor Gericht, durch denen schönen Offenbarungseid. Wo nischt da is – ist nischt da! – Na – und weil ich mithin als gerichtlich erhärteter Zahlungsunfähiger keinen Dummen mehr fand, der mir auf ein Stück Papier mit meiner Querschrift blaue Lappen spendete, habe ich meine Talente der Reihe nach besichtigt und – bin dann entsprechend meiner Hauptbegabung Komiker jeworden. Zur Zeit unterhalte ich allabendlich das hochverehrte Publikum in der neuen Gorilla-Bar. Ein sehr schöner Name – Gorilla Bar! Aber er zieht! So viel Affen und Äffchen, wie dort sich staunend meine Künste anhören, gibt’s nirgends anders. Gestern hat der Wirt mich wieder auf vier Wochen prolongiert und mir noch hundert Märker zujelegt. Ich kriege jetzt fünfhundert bei freier Verpflegung. Du siehst also – ich verdien’ ehrlich, was ich brauche. Und vielleicht wird’ ich noch ne Berühmtheit, denn ich dichte und komponiere mir meine gepfefferten Sachen ja selbst. Mensch, Schloch wer mir das mal vorausjesagt hätte! Komiker! – Was bist du denn nun eigentlich?“

Theo war vorsichtig. Murks konnte ihm lästig werden. Die Gorilla-Bar lag ja dicht bei der Knesebeckstraße. Und wenn er Murks bei Kapauns einführte, war tausend gegen eins zu wetten, daß dieser mit seiner verhauenen Schnauze Kapauns derart ‚veräppelte‘, daß August, der Kopfkahle ihn vielleicht aus Wut mit rausschmiß.

Ich bin Sekretär bei dem Großkaufmann Hahn in der Augsburger Straße,“ sagte er daher.

Nach zehn Minuten verabschiedete sich Murks dann. Er wollte bei Wertheim etwas einkaufen. Beim letzten Händedruck raunte er Theo dann noch sehr geheimnisvoll zu.

Du – ganz im Vertrauen. Vielleicht kann ich den Gorilla bald an den Nagel hängen ich hab’ da ein fesches Mädel kennen gelernt, Kriegsgewinnlertochter, und ich würd’ sie gern heiraten, – nur der Olle ist zu fürchten. Meine kleine Pechkröte – sie ist nämlich braun, daß heißt – mang die Haare – hat eine Heidenangst vor dem Erzeuger. Denk’ dir – der Mann hat drei Kinder, obwohl er Kapaun benamset ist. Kapaun! Mensch, wenn ich Kapaun hieße, würd’ ich nicht auf die Freite zu gehen wagen – oder nur ausgerüstet mit einem ärztlichen Zeugnis, daß es bei mir mit dem Kapaun nich seine Richtigkeit hat – im Gegenteil – alles da!“

Dann schob er ab. Und Theo dachte: ‚Das fängt ja gut an! Der Murks – und eine Kapauntochter! – Na – mir soll’s recht sein. Ich mische mich in nichts. Ich habe für Minni zu sorgen.‘

 

 

2. Kapitel

Der erste Abend

Theo hielt seinen Einzug. Zwei alte Koffer brachte er mit – sehr alte, die der Gerichtsvollzieher verschmäht hatte.

Er klingelte an der Flurtür – und Thussi öffnete. Sie hatte schon auf ihn gelauert. Sie war so neugierig auf den Grafen, denn ‚ihrer‘, der hieß ja nur von Murk – ohne Freiherr, Baron oder Graf.

Da kam auch schon der Hausherr in den Flur, führte ihn in den Salon, wo nun die feierliche Vorstellung sich abspielte. Die ganzen Kapauns waren hier versammelt; selbst Emil, der doch sonst um diese Zeit stets die Tauentzienstraße unsicher machte.

August der Kopfkahle war Theo ja bereits bekannt. Man konnte sich mit ihm sehen lassen. Der Hornkneifer, der gepflegte Spitzbart und der tadellose Anzug machten aus ihm auch äußerlich einen wohlhabenden Rentier ohne protzigen Einschlag. Dazu verstand er es von jeher, seinem schlauen Fuchsgesicht einen mehr pfiffig-harmlosen Ausdruck zu geben.

Etwas anders Frau Emma Kapaun. Ihr erfolgreicher Herr und Gebieter hatte offenbar ihre rundliche Person zu einem wandelnden Tresor für einen Teil der eroberten Millionen ausnutzen wollen. Sie war zu Theos Empfang mit allen Brillanten behängt und besteckt, die sie nur besaß. Sie glich an den Händen, an der umfangreichen Brust, am Speckhälschen und an den Ohren durchaus einem jener kostbaren indischen Götzenbilder, die vielleicht ein ganzes Fürstentum wert sind. Im übrigen bemühte sie sich, recht wenig zu sprechen, lächelte meist etwas verlegen und – wünschte den Privatsekretär, der nur die Gemütlichkeit störte, zu allen Teufeln.

Die drei Sprößlinge dieser Kapaun-Ehe hatten sich fraglos am meisten und am geschicktesten an die unverhofften Reichtümer ‚akklimatisiert‘. Die beiden jungen Damen waren fesch, offen, ungeziert und auch recht hübsch. Lotte suchte etwas die vornehm-müde Weltdame zu spielen, aber auch nur so viel, daß sie sich damit nicht lächerlich machte. Ihr wahres Temperament ging immer wieder mit ihr durch. –

Herr Emil Kapaun war dagegen für Theo sofort ein direktes Brechmittel. Dieser Jüngling mit dem Monokel, den Brillantringen, den Lackschuhen mit hellem Einsatz, suchte um jeden Preis hervorzuheben, daß ihm ein Graf auch nicht die Spur imponierte und daß er, was ‚Benimm‘ anbetraf, durchaus taktfest wäre.

Alles in allem war Theo angenehm enttäuscht.

Und Kapauns? – Oh – Theo hatte so eine Art, daß man sehr bald mit ihm warm wurde. Nachdem er die einzelnen Familienmitglieder genügend studiert hatte, begann er einen anderen Ton anzuschlagen. Bereits beim Abendessen – wieder vier Gänge – dachte Frau Emma: ‚Ein netter Mensch! Habe nie geglaubt, daß die adlige Bande so vergnügt sein kann –‘

Bei Tisch herrschte eine geradezu fidele Stimmung. Theo vermied jedes ernstere Gespräch. Man lachte viel, und Mutter Kapaun hatte denn auch beim Käse ganz richtiggehend ‚einen kleinen sitzen‘, zumal August der Kahle außer Rotspon auch Sekt hatte auffahren lassen.

Bereits vor dem Essen hatte man Theo seine Bude gezeigt. Es war ein zweifenstriges, großes Zimmer und beim Erwerb der Auktionsmöbel hatte August Kapaun so viel gediegenen Geschmack entwickelt, daß Theo ihm deswegen seine ehrlich gemeinte Anerkennung aussprach. Es gab da einen fellbedeckten Diwan, einen modernen Diplomatenschreibtisch, einen schön geschnitzten Bibliothekschrank, zwei Klubsessel, zwei kostbare Perserteppiche und hinter einer Gobelindrapiere links von der Tür ein altertümliches französisches Bett. –

Theo war mit diesem Heim wirklich sehr zufrieden, hatte auch gleich seine Koffer ausgepackt, wobei ihm Hedi, das Stubenmädchen, geholfen und sehr überflüssiger Weise verschiedentlich mit ihrem kurzen Röckchen sich so schief über die Koffer gebückt hatte, daß Theo notwendig von rückwärts allerlei zu sehen bekommen musste. Aber – er war ja gefeit – total! Da hätte selbst Eva aus dem Paradiese sich ohne jeden Feigenblattschmuck bei ihm einfinden können. Seiner Minni würde er nicht untreu – niemals! Dazu hatte er nie viel zu lieb.

Hedi war arg enttäuscht und auch arg wütend. So ein Graf – das wär’ gerade was für sie gewesen! Denn sie hatte hochfliegende Pläne. Ihre Eltern besaßen in der Mark eine kleine ländliche Besitzung und hatten im Kriege stets auf Preise gehalten: Butter fünfundzwanzig Mark – und so weiter. Hedi hatte es ja eigentlich auch gar nicht mehr nötig, in Berlin zu bleiben. Aber – hier bei Kapauns! So eine leichte Stelle gab’s nicht wieder – so viel freie Teil und so viel Gelegenheit, ‚Schmugroschen‘ zu machen. –

Dann kam wie schon erwähnt das Abendessen, dann kam der prachtvolle Holländer und delikate Butter – von Hedis Eltern! – und dann kam Hedi selbst und meldete:

Herr Graf werden am Telefon gewünscht.“

Theo eilte in den Flur. –

Minni meldete sich am Apparat.

Du, Lieber, ach, ich habe so schreckliche Sehnsucht nach dir. Sei doch so lieb und schick’ mir durch einen Dienstmann deinen Haus- und Stubenschlüssel. Ich schleiche mich dann gegen elf Uhr bei dir ein, denn du wirst heute am ersten Arbeitsabend dort wohl kaum abkommen können –“

Theo kratzte sich mit der Rechten verlegen hinterm Ohr. – Diese liebe, süße Minni! Gewiß – er hätte sie ja verflucht gern in seiner neuen Bude begrüßt. Aber – wenn die Geschichte ruchbar wurde?! Dann setzte ihn August der Kahle womöglich an die Luft dort. Obwohl doch eigentlich –

Trotzdem sagte er seiner Minni, daß er natürlich über den gottvollen Gedanken entzückt sei – und so weiter.

Als er wieder bei Kapauns im Speisezimmer erschien, fragte er, ob es im Hause vielleicht einen dienstbaren Geist gebe, der eine eilige Besorgung übernehmen würde; er habe da den Hausschlüssel seiner bisherigen Wirtin aus Versehen mitgenommen, und sie wolle ihn nun sofort zurückhaben

Fünf Minuten später fuhr der Sohn des Hauswarts mit einem Päckchen nach der Charlottenstraße 111 zu Minni. –

Nach Tisch ging man in die Bibliothek. Die Herren rauchten, auch Emilchen natürlich. Theo fiel es auf, daß Thussi plötzlich so sehr unruhig war. Als sie sich heimlich drücken wollte, rief ein Machtwort des Kahlen sie zurück, der sodann begann, wobei er sich bemühte, das ‚jeweilige Berlinsch‘ zu vermeiden:

Herr Graf, ihre Stellung hier bei uns mag für Sie so manches, na, sagen wir ‚eklige‘ haben. Aber das darf Sie nicht stören. Ich mein’, Sie müssen janz offen bei Ihre Anstandslehrtätigkeit vorgehn. – Was haben Sie bisher so an uns fünf Kapauns auszusetzen? – Man Los! Nur keene Ziererei! Wat in die Müller Straße großgeworden, hat wohl ‘n Mund und vielleicht auch’s Herz auf ‘n rechten Fleck. Aber so mit det richtige vornehme Getue – da hapert’s.“

Theo von Schloch reichte August die Hand. „Herr Kapaun, ich danke Ihnen für das offene Wort. Auf diese Weise wird unser Zusammenleben wesentlich erleichtert. Also – auszusetzen! – Ich will da zunächst mit den einfachsten Dingen beginnen –“

Er machte es heute kurz und schmerzlos, meinte zum Schluss: „Für heute mag das genügen. – Wenn's den Herrschaften recht ist, spiele ich noch ein wenig Klavier. Sie haben da einen so wunderbaren Flügel, daß es mir in allen Fingern zuckt –“

Man saß nun im Salon. Emilchen hatte es verstanden, sich davon zu schleichen. Er wurde am Stammtisch in der Gorilla-Bar erwartet. Lotte und Thussi tanzten Walzer. Dann holte August der Kahle ein sehr gutes Grammophon aus seinem Arbeitszimmer, legte die Platte mit dem Csardasfürstenwalzer auf und sagte: „Lieber Graf, machen Sie den Mädels die Freude und hopsen Sie mal mit ihnen. Einen Hofvortänzer haben sie noch nie im Arm jehabt –“

Es ging also wieder sehr vergnügt bei Kapauns zu. Und als Theo zum zweiten Mal mit Lottchen walzte, da – da merkte er, daß sie sich etwas enger an ihn lehnte, als unbedingt nötig war. Und weiter glaubte er zu fühlen, daß sie seine Hand ein ganz klein wenig drückte. Nicht viel, – aber es schien doch so etwas wie ein verwegener Annäherungsversuch.

Er jedoch war auch jetzt geschützt – gesetzlich geschützt: Minni! – Hier ein Flirt – nicht um die Welt! Minni genügte seinen Ansprüchen an Zärtlichkeit durchaus.

Frau Emma Kapaun war in der dunkelsten Ecke selig eingenickt. Ihr träumte, daß dieser reizende Mensch eines ihrer Mädels heiratete, und daß man in einem achtspännigen Wagen nach der Gedächtniskirche zur Trauung fuhr. –

Kurz nach zehn schickte August der Kahle die Damen ins Bett. Aber Theo nahm er nun mit in sein Herrnzimmer, baute verschiedene vielverheißende Flaschen und Zigarrenkisten auf, setzte sich dann in den zweiten Klubsessel dem Privatsekretär gegenüber und sprach zunächst von allem Möglichen. Dann eine lange Pause; und nun rückte er seinen Sessel dicht neben den Theos, füllte die Gläschen abermals mit dem holländischen Likör, sagte Prosit und – hatte nun endlich Courage, mit dem hervorzutreten, was ihn bedrückte.

Lieber Graf,“ begann er mit kühnem Anlauf, „Sie müssen da für mich eine Sache ins Reine bringen, die mir gräßlich an die Nieren jeht. Also – det Ding verhält sich so. – Ich hab’ da im Januar ein Mädchen kennen jelernt – hm ja. – So was Besserer – Tochter von ‘n Baron von Vaberg, aber verarmt. Na – und die Jeschichte is nu eben – schief gegangen – verstehn Sie – schief gegangen –“

Ich verstehe, Herr Kapaun. Sie haben eben bewiesen, daß sie trotz ihrer Jahre – und so weiter –“

Ganz recht – die Sache muß aus der Welt geschaufelt werden. Natürlich mit der Goldschippe. Jetzt sagt man besser Papierschippe, – denn Gold – det war mal ‘n schöner Traum. – Also, die vafluchte Baronesse Luzie verlangt nun runde hunderttausend Märker Abfindung. Recht bescheiden, was?! Ich hab mich bisher jeweigert, – ich bitt’ Sie – hunderttausend Mark. Und für det kurze Vajniegen. Jerade dreimal war ich mit die jeriebene Kröte zusammen. Nun droht sie, sie will an meine Frau schreiben. – Ich bin for den häuslichen Frieden, Herr Graf. Angst vor Emma kenne ich nich. Aber – Ruhe und Behaglichkeit will ick haben. So wie heute aben etwa. Das war jemütlich heit –“

Nicht berlinern. verehrter Herr Kapaun!“

Ganz recht – ich denke noch nicht genug daran. Ich werde mich bessern. – Also, Sie sollen mal zu der Baronesse hin – sie wohnt Charlottenburg, Winkler Straße 2 Hochparterre und ihr Fünfzigtausend in baribus bieten. Gelingt es Ihnen, die Sache so einzurenken, kriegen Sie von mir Zehntausend ab.“

Dank verbindlichst. Auf die Zehntauseend muß ich verzichten.“

Kapaun wurde verlegen. „Entschuldigen Sie nur – ich – ich hab’s nur gut gemeint. – Sie wollen also nicht hin –“

Doch – hin will ich, sogar gern. Ich bin ja dazu da, Ihre Geschäfte mit zu erledigen. Nur wie gesagt – ich muß ein Extrahonorar ablehnen.“

Graf – Sie sind ein Prachtkerl! Und eine Ruhe haben Sie – eine Ruhe! Sie hätten in diesen Zeiten Kaufmann werden sollen. Sie müssen gute Nerven haben. Und die braucht man heutzutage, wo doch das Geldverdienen immer so mit’n Ärmel an die Zuchthausmauer langstreift.“ –

Lotte und Thussi sprachen in ihrem Zimmer zu derselben Zeit über Theo von Schloch.

Lotte erklärte, sie habe sich ganz mit ihm ausgesöhnt, obwohl’s doch nun mit den Stelldicheins im Fremdenzimmer ‚wahrscheinlich‘ aus wäre – wahrscheinlich! Denn sie wolle immerhin versuchen, sich mit dem Grafen so gut zu stellen, daß er vielleicht gestatte – und so weiter.

Du bist aber gerieben!“ lachte Thussi, wurde plötzlich sehr ernst klagte: „Ach du, Lotte, – ich will ehrlich sein. So’n Pech! Ich hab’ gerade zu heute mir meinen Murks zum ersten Mal dorthin bestellt. Deshalb ist nämlich auch dein Schlüssel zum Fremdenzimmer verschwunden. Du, ich hab’ ihn dir wegstibitzt, auch den Hausschlüssel. Beide hat nun mein Murkschen, und – um elf sollte er antreten, und –“

Sie begann zu schluchzen. „Und – ich hab’ ihn doch nicht mehr benachrichtigen können, daß er nicht kommen soll, weil eben der schöne Theo eingezogen ist.“

Lotte war empört. „Und mich läßt du drei Tage nach den Schlüsseln suchen! Pfui – das ist gemein, besonders wo du doch deinen Murks stets daheim auf seiner Bude sprechen kannst, was bei meinem Harry doch unmöglich ist, weil er mit seiner Schwester zusammenwohnt.“

Thussi horchte auf, rief dann: „Aha – jetzt hast du dich verraten! Also deshalb gingst du nicht zu ihm – deshalb nicht! Eine Schwester hat er. Und du tatest immer, als ob du viel zu anständig dazu wärst, Herrenbesuche zu machen. Also deswegen!“ Dann regte sich aber doch ihr gutes Herz; sie umarmte die Schwester: „Du – allerdings – dann hätt’ ich dir die Schlüssel nicht mopsen sollen. – Ach, Lotte, gib mir nun um Himmels willen einen Rat, wie ich’s verhüten kann, daß mein Fritzchen womöglich um elf sich in Schlochs Zimmer schleicht und –“ Sie vergoß schon wieder ein paar Tränchen.

Lotte überlegte. „Am besten ist,“ meinte sie dann, „du schlüpfst in den Salon, machst das Fenster über der Haustür auf und läßt deinem Murks an einem Faden einen Zettel hinab. Schreib’ auch gleich den Zettel, daß er die Schlüssel sofort an dieselbe Strippe bindet.“

Du – das ist ein Gedanke von Schiller! Lotte – du bist doch wirklich die raffiniertere von uns beiden.“

 

 

3. Kapitel

Eine Nacht unterm Bett

In der Gorilla-Bar flossen Sekt, Mischgetränke und anzügliche Witze in Strömen.

Bei den Toiletten der anwesenden Damen war entsprechend der Stoffknappheit oben und unten so viel gespart worden, daß das verhüllte Mittelstück nicht eben groß war. Die Herrenwelt war durchaus international – in jeder Beziehung. Neben Provinzonkels sah man auch jene Gesichter, die man trotz Frack oder Smoking und trotz tadelloser Nagelpflege Galgenphysiognomien nennt.

Es war kurz vor elf. Um elf hörten die Vorträge auf, und der Tanz begann.

Fritz von Murk, der sich hier Frido Fried nannte, hatte die letzte Gesangnummer. Natürlich mußte er wieder drei Zugaben spenden. Das Auditorium raste ja in tollem Applaus. Als er dann das Podium verließ, holte ihn der Ober an einen Tisch, an dem ein Herr und eine Dame saßen.

Murks war es schon gewöhnt, zu allerlei leckeren Dingen und teuren Flüssigkeiten eingeladen zu werden. Er wäre in der Gorilla-Bar unfehlbar ein Säufer geworden, wenn er nicht ‚Kneifen‘ so fein verstanden hätte.

Heute hatte er alle Zurufe: ‚He – Frid – hierher!‘ überhört. Seine Thussi wartete. Er hatte Eile. Daher fluchte er auch wie ein Berserker – innerlich, – als der Ober ihn zu dem Pärchen lotste.

Plötzlich stutzte er. – Himmel – das war der Harry von Gustra-Gosselstein. – Ne – so was! Der Kamerad von den Garde-Fußlatschern! Der war doch in Gefangenschaft gewesen!

Murks freute sich ehrlich über das Wiedersehen.

Gustra stellte ihm die Damen vor: „Gosselchen – du – und verheiratet Mensch – auf den Schwindel –“

Da wurde Gustra noch ernster. „Meine Frau – seit zwei Monaten!“ sagte er mit Nachdruck.

Murks stammelte eine Entschuldigung, dachte: ‚Gosselchen muß es verdammt schlecht gegangen sein, daß er diese – Dame geheiratet hat! Ich hab’ doch Blick für sowas.“

Man plauderte. Gosselchen erzählte von seiner Flucht aus dem Gefangenenlager Chatriaux. Dann verschwand deine Gattin für ein paar Minuten hinter einer Tür, an der ‚Damen‘ stand. Und nun legte Gustra los:

Du, Murks, – sie ist tatsächlich und leider Gottes mein richtiggehendes Eheübel. Ich bin zu bedauern; bin scheußlich reingefallen – scheußlich! – Wie es kam? Na, du kennst ja meinen ewigen Dalles, weißt, daß ich Waise bin und daß ein Onkel von mir die nötigen Zechinen für den bunten Rock spendete. Dieser Onkel hat mit zweiundsechzig Jahren plötzlich wieder Maigefühle verspürt und geheiratet. Da saß ich also auf dem Trockenen, als ich hier ankam, und da lernte ich die Luzie kennen – Luzie Baronesse Vaberg. Weiß Gott, wie sie den Adel erschwindelt hat – durch Adoption natürlich. Sie hat in Charlottenburg ein Pensionat – was man so Pensionat nennt. Aber das merkte ich erst zu spät. Und nun – nun bin ich ihr Gatte und – möchte’ mich am liebsten aufhängen! Zum Glück brauche ich ihr Geld nicht mehr. Ich bin unter die Schriftsteller gegangen. Und – es macht sich! Ich schreibe Kriminalromane, – nie unter zehn Morden bei hundert Seiten Umfang. Manchmal komme ich mir selbst schon wie Jack der Bauchaufschlitzer vor. – Heute mußte ich meine Holde wieder mal ausführen. – Du, besuch’ mich doch mal. Wir wohnen Charlottenburg – neben dem Pensionat – Winkler Straße 3. – Da taucht sie wieder auf, dieses Weib, die –“

Luzie ‚schwebte‘ durch die Tischreihen, setzte sich, lächelte Murks an, der sich aber sehr bald verabschiedete.

Er eilte der Knesebeckstraße zu. Er hatte Sehnsucht nach Thussi. Sie war doch ein liebes Mädel – weiß Gott! Daß er Frido Fried aus der Gorilla-Bar war, ahnte sie nicht. Sie hielt ihn für so was ähnliches wie ihren alten Herrn, – Rentier. – ‚Netter Rentier,‘ dachte Murks. ‚Jeden Abend in der Lasterhöhle die halb besoffene Bande unterhalten – es gibt schönere Berufe! Aber – was hilft’s!“

Nun war er vor dem Hause angelangt. Ihm klopfte doch etwas das Herz. Er kam sich wie ein Einbrecher vor. Zum ersten Mal schlich er sich hier ja ein. Doch – wer dort in Flandern täglich die englischen 32-Kaliber als Morgen–, Mittag– und Abendgruß gekostet hat, der wird doch wohl –‘

Und schnell und kühn schloß er die Haustür auf, schaltete sogar die Treppenbeleuchtung ein und ging gemächlich nach oben. – Ach – das war die Tür des Fremdenzimmers! – So – nun aber fix hinein.

Kaum hatte er sich drinnen mit Hilfe seiner Taschenlampe orientiert, als er abermals die Treppenstufen knarren hörte. Aber – er fühlte sich ganz sicher. Er hatte ja abgeschlossen und den Schlüssel abgezogen. Und wenn Thussi kam, würde sie dreimal leise klopfen.

Da – ein eisiger Schreck ließ ihn zusammenfahren.

Ein – ein Schlüssel wurde ins Schloß geschoben.

Wie ein Blitz schoß er hinter die Bettdrapiere, kroch unter die Lagerstatt. Denn – denn Thussi konnte das ja nicht sein!

Nun betrat jemand das Zimmer; nun hörte er Röcke rauschen; nun wurde die Lampe auf dem Schreibtisch angedreht.

Er schwitzte vor Angst! – Ohne Frage – er war in ein falsches Zimmer geraten. Die ganze Einrichtung entsprach ja durchaus mehr einem eleganten Junggesellenheim.

Eine nette Geschichte! Das konnte gut werden! – Ob etwa die Dame, die nun die Schuhe ausgezogen hatte und leise im Zimmer auf und ab ging, die Bewohnerinnen war? Oder nur ein Besuch, der ähnlich wie er selbst auf Liebespfaden wandelte?! –

Während Murks sich mit diesen Gedanken abquälte, saß Thussi wie ein Schloßhündchen heulend auf ihrem Bettrand und ließ sich von Lotte streicheln.

Du – Thussi, – nun sei doch endlich vernünftig. Was ist denn los – weshalb diese Tränen? – Ich bitt’ dich – so rede doch –“

Ach – Lotte, der – der Schuft, der Murks, – der Schurke –“ Lautes Schluchzen. Ja – denk’ dir. Es war mir am offenen Salonfenster kalt geworden. Und – als ich Schritte hörte, riß ich es zu spät auf. Da war Murks schon im Flur. Ich wollte rufen. Aber – da kam auch sehr eilig eine Dame über die Straße, sehr schick, tief verschleiert, und – auch rin ins Haus. Wie ich nun schnell in den Flur lief und durch das Guckloch sah, da da –“

So laß doch das gräßliche Heulen. – Was war denn da?“

Ich – ich hab ihn doch so lieb, den Murks, – und er – er – dieser Schurke, Lump, dieser Treulose – er hat eine Andere sich in unser – unser Fremdenzimmer bestellt – eben die Verschleierte. Ich sah sie gerad’ noch rein schlüpfen –“

Na – so ne Frechheit!“ Lotte war versteinert über diese unerhörte Dreistigkeit.

Dann sagte sie plötzlich schadenfroh: „Du, Thussi, – der Murks wird schön reinfallen! Er wird sich wundern! Wenn jetzt der Schloch schlafen geht, dann findet er die beiden. Und dann –“

Um Gottes willen! Das darf nicht sein! Denk’ doch, Lotte, dann kommt ja sicher alles heraus. Der Graf wird Lärm schlagen, und – wir fallen mit rein. – Du kennst ja Papa! Ich glaube, er verdrischt uns, daß – daß wir tagelang nicht sitzen können!"

Lotte war ganz ratlos „Ja – aber irgend was muß geschehen – muß! Was – was tun wir nur? – Ich – vergehe vor Angst –“

In diesem Augenblick hörten sie im Flur Stimmen.

Gute Nacht, lieber Graf. Schlafen Sie gut im neuen Heim!“

Danke, Herr Kapaun. Werd‘s besorgen. Gute Nacht. Bemühen Sie sich nicht weiter. ich finde schon.“

Lotte und Thussi schauten sich an – beide kreidebleich.

Nun klappte die Flurtür zu, – nun die des Schlafzimmers der Eltern.

Da rief Thussi leise: „Lotte – wir müssen – wir müssen hinaus dort in den Treppenflur. Es gibt nur diese Rettung. Wenn Schloch anfängt ‚Diebe – Einbrecher‘ zu schreien, klopfen wir an und – klären ihn auf. Er ist ein Ehrenmann. Er wird schweigen –“

Ja – ja – gut, vorwärts, Thussi!“

Zehn Minuten warteten sie, zitterten vor Kälte. Denn sie hatten bereits die Frisierjacken an. Und die waren so dünn.

Sie hörten drinnen hinter Schlochs Tür leise sprechen. Dann – nichts mehr. Totenstille.

Nun kreischte unten die Haustür. Sie mußten flüchten. Jemand kam die Treppe herauf. Und – es hatte ja auch keinen Zweck, länger hier im Kalten zu stehen. Der Schloch verhielt sich ganz ruhig.

Lotte und Thussi saßen wieder in ihrem Zimmer und rieten hin und her, wie in aller Welt wohl des Grafen Schweigen zu dieser freventlichen Benutzung seines Heims zu erklären sein könnte.

Die beiden Sünder werden um Schonung gebeten haben,“ meinte Lotte. „Und Schloch spielt den Großmütigen.“

Thussis Tränen liefen schon wieder.

Dieser Schuft – dieser – dieser elende! Mich so zu betrügen! Ach – ich bin so unglücklich –“

Dann gingen sie schließlich zur Ruhe. Aber Thussi wachte bis zum Morgengrauen und trug sich mit finsteren Rachegedanken. –

Inzwischen hatte der arme, unschuldige Murks Dinge erlebt – Dinge!

Zunächst hatte die Unbekannte, von der er nur immer die Lackhalbschuhe und den Rocksaum sah, plötzlich das Bett abgedeckt, hatte sich sehr eilig entkleidet.

Murks hörte ein Mieder öffnen, hörte allerlei anderes.

Nun sah er zwei bloßen Füßchen auf dem Bettvorläger; nun glaubte er, sein letztes Stündlein habe geschlagen.

Ein nackter Arm langte unter das Bett, tastete hin und her.

Gott sei Dank! Murks atmete auf. – Die Dame hatte nur nach etwas gesucht – das entweder im Nachtschränkchen oder unter dem Bett steht.

Murks grinste jetzt sogar trotz seiner verhängnisvollen Lage

Aber das Grinsen verging ihm.

Himmel – da klopfte es ja leise gegen die Tür.

Dreimal. Poch – poch – poch

Das – das konnte vielleicht Thussi sein! – Ja – war er denn hier in ein Spukzimmer hineingebiestert?! – Träumte er das alles nur?! War er doch im richtigen Zimmer?!

Er begann wieder vor Angst zu schwitzen

Nun eilte die Dame nach der Tür. Nun trat – ein Herr ein.

Murks erblickte scharf gebügelte Beinkleider, Knopflackschuhe und er vernahm – Küste, Flüstern:

Süße Minni!“ – Das verstand er ganz deutlich.

Und dann – dann ging der Herr auch zu Bett.

Das Licht erlosch.

Armer Murks! – Er lag platt wie ein Frosch auf den kalten Dielen. Und über ihm im warmen Nestlein feierte Gott Amor Orgien – Orgien!

Ihm wurde schließlich ganz heiß über alledem. – Und dann merkte er, wie aus der verfluchten Sprungfedermatratze feiner, beißender Staub herabrieselte.

Er hielt sich die Nase zu. Da kam ihm der höllische Juckreiz in die Kehle. Die Augen tränten ihm; er wand sich wie in Krämpfen, nur um nicht zu niesen oder zu husten.

Aber – der verfluchte Staub rieselte jetzt in ganzen Wolken über sein Haupt hinweg. Es half alles nichts.

Und plötzlich ging's los: „Hat – schi – hat – schi – hatschi – hatschi – hat – schi –“

Theo war wie ein Akrobat aus dem Bett, schaltete das Licht ein, nahm die Pistole vom Nachttisch, rief leise, sich tief bückend:

Raus da, Halunke! Raus!“ Seine Stimme zitterte vor Wut. „Ich schieße Ihnen eine Kugel durch die Plautze, Kerl. Ich werde Ihnen zeigen, hier stehlen wollen! – Raus, Lump – oder ich feuere unter das Bett!“

Minni war unsichtbar geworden, hatte sich das Deckbett über den Kopf gezogen. Sie schämte sich – selbst vor diesem Einbrecher, – schämte sich entsetzlich.

Und nun kroch das Unglückswurm hervor, nun stellte er sich auf die Füße, nun zwei Ausrufe:

Murks – du?!“

Schloch – du?!“

Theo ließ die Pistole sinken. Ihm war ein Licht aufgegangen! Murks war ja der Anbeter der einen Kapaun-Tochter. Und dies Zimmer war früher nur Fremdenstube gewesen.

Er begriff alles, – und er warf die Pistole auf den Tisch, ließ sich in den nächsten Klubsessel fallen und – lachte – lachte, daß ihm die Tränen über die Backen liefen.

Murks – Mensch, – diese – Geschichte ist – ist zum Patentierten! Mensch – du – du –“ Er konnte nicht sprechen – er prustete schon wieder los.

Murks stand vor ihm. Aber mit einer Leichenbittermiene.

Du – ich danke! – Du hast gut lachen! Aber – die Angst, die ich durchgemacht habe. Und dann noch das Andere – der – der Neid, als der Staub in Wolken herabkam. Menschenskind – nun erklär’ mir in aller Welt, wie – ausgerechnet du hierher dich verirrt hast und – wer die Dame da ist –“ Er deutete auf das Bett.

Verirrt? – Ne, Murkschen, – ich bin nämlich seit heute Kapauns Privatsekretär – besser Oberzeremonienmeister, und – die Dame, – na – das geht dich nichts an, jedenfalls keine von den Kapaun-Töchtern.“

Aha – siehst du, Schloch, – das kommt vom Schwindel! Hättest du mir heute in der Wilhelmstraße die Wahrheit gesagt, dann wär ich natürlich nicht hier zum Stelldichein mit Thussi erschienen! Eigentlich müßte ich dir die Freundschaft kündigen, du! Denn was ich am unterm Bett an Gefühlen ausgestanden habe, das – das geht über die Hutschnur!“

Schloch zog sich schnell einen warmen Mantel über.

Setzt ich noch ein Weilchen,“ meinte er. „Hier – diesen Kognak hat mein liebenswürdiger August der Kahle mir ins Zimmer stellen lassen. Probieren wir ihn. Du brauchst eine Herzstärkung.“

Allerdings! Sehr sogar! Gieß’ mir nur gleich 'n halbes Wasserglas voll.“

Sie unterhielten sich. Und dabei erzählte der Murks, daß er heute dem Harry Gustra begegnet sei – im Gorilla.

„– Du – der ist fein reingefallen, der arme Kerl! Verheiratet hat er sich, – stell’ dir vor, der Harry, den wir immer den ‚keuschen Josef mit ‘m Hemdzipfel‘ nannten, – verheiratet mit einer – ich sag dir – einer – ‚Dame‘! ‘ne adoptierte Baronin ist’s – von Vaberg – und Luzie heißt die Kanaille auch noch –“

Schloch stutzte. Vaberg – sollte etwa?

Wo wohnt der Harry denn jetzt?“ fragte er, den Gleichgültigen spielend.

Charlottenburg, Winkler Straße 3. Und Nr. 2 hat seine Teure ein Pensionat – natürlich Stundenabsteigequartier –“

Bald darauf verabschiedete Murks sich und verschwand. Schloch hatte ihm versprochen, Thussi aufzuklären, falls sie etwa – und so weiter.

Schloch setzte sich zu seiner Minni auf den Bettrand. Minni lächelte schon wieder. Aber Theo blieb ernst.

Weißt du, Süßes,“ meinte er, „bei allem Malheur ist doch stets son bißchen was Gutes. Ich bin da soeben einer Lumperei auf die Spur gekommen – ganz offenbar! Der Kapaun soll gerupft werden – sogar feste! Nun wird’ ich aber den Gegenpart rupfen.“ –

Um fünf Uhr brachte Theo seinen Minni dann heim.

 

 

4. Kapitel

Privatsekretär – Tätigkeit

Und um zehn Uhr vormittags klopfte es bei ihm an und – Emilchen trat ein.

Herr Graf – eine Frage. Ich kam da heute früh so gegen ein Uhr nach Hause und faßte unten im Hausflur den Kabarettsänger Frido Fried ab. Ich kenne ihn von der Gorilla-Bar her. Er schien mir so merkwürdig verlegen. Und – da hab’ ich ihm denn – heutzutage gibt’s so viele Einbrecher – scharf auf den Zahn gefühlt. Er wollte erst nicht recht sagen, was er hier im Hause zu suchen gehabt hätte. Dann erklärte er, er sei bei Ihnen gewesen, – er sei ihr Freund.“

Allerdings – das stimmt.“

Danke verbindlichst. Dann ist ja alles in Ordnung, Herr Graf. – Hm – der Fried war wohl auch mal Offizier, nicht wahr?“

Möglich. Ich kenne ihn erst seit kurzem.“

Emilchen schob ab, denn Theo war sehr – sehr kühl. Und – Emilchen kamen bei dieser Fried-Geschichte irgend etwas nicht ganz richtig vor. Er wollte doch mal aufpassen, ob dieser Graf nicht etwa ein Schwindler oder ein Mitglied einer Einbrecherbande wäre. Heutzutage –

Theo ahnte nicht, daß sich über seinem Haupte drohende Wolken zusammenballten.

Als er dann Thussi in der Bibliothek eine halbe Stunde später antraf, und als sie nach einigem Zögern fragte, ob er gestern abend noch Besuch gehabt hätte, da erwiderte er leise:

Ja! – Murks ist nämlich mein Freund, gnädiges Fräulein.“

Ach – wirklich? – Aber – bitte nennen Sie mich Fräulein Thussi – ja?“

Sehr gern.“

Sie schaute verlegen zu Boden. „Hm – eine – eine Dame war doch auch bei Ihnen, Herr Graf,“ meinte sie flüsternd.

Theo erschrak. Verdammt – das war peinlich! Aber – was half’s? – Er mußte Thussi einweihen.

Ja – eine Dame war auch da. Nämlich meine Braut, der ich doch durch den Sohn des Hauswarts die Schlüssel geschickt hatte –“

Thussis Gesicht hellte sich auf. „Ach – ich bin ja jetzt so glücklich, Herr Graf!“ lächelte sie zutraulich. „Ich glaubte schon, mein Murks wäre ein Betrüger – ein Lump –“

Oh nein – das ist er nicht. Im Gegenteil, er hat Sie sehr lieb – sehr sogar! – Wissen Sie auch, daß er auch – Frido Fried heißt und Kabarettsänger ist? – Ihr Bruder jedenfalls weiß es jetzt. Und daher sage ich’s Ihnen lieber gleich, falls –“

Kabarettsänger – wie interessant! Mein Murkschen!“ –

Das war gegen halb elf.

Und eine Stunde später läutete Theo an der Flurtür der Pension ‚Diana‘, Winkler Straße 2. – Ein stark gepudertes Stubenmädchen öffnete und führte ihn in den Empfangssalon, sagte: „Die Baronesse wird sofort erscheinen, mein Herr.“

Und sie erschien. – Theo kannte diese Sorte. Trotzdem war er ganz Kavalier.

Gnädigste Baronesse, ich komme im Auftrage des Herrn August Kapaun. Sie ahnen, weswegen. – Ich kann also ganz offen sein, nicht wahr? – Sie gestatten, daß ich erstmal mein Gedächtnis auffrische. – Wann – hm – wann lernten Sie Herrn Kapaun so nahe kennen, daß Sie nun gewisse Ansprüche als Folge davon an ihn haben?“

Im Februar – am 21., 24. und 25.“

So – danke verbindlichst. – Würden Sie nun nicht mit fünfzigtausend Mark zufrieden sein? Ich habe einen Scheck hier – er steht Ihnen zur Verfügung, ist richtig auf fünfzigtausend ausgestellt.“

Sie zögerte, die rotblonde Luzie. Dann erwiderte sie: „Fünfundsiebzigtausend – dann ist die Sache erledigt.“

Theo erhob sich. „Ich werde mir Bescheid holen. Ich komme wieder –“

Und er ging nach dem zuständigen Polizeirevier und bat um Auskunft über Luzie von Vaberg.

Der Wachtmeister sah ihn prüfend an, fragte: „Hat sie Sie auch irgendwie reingelegt? – Wir haben schon lange ein Auge auf diese Dame, die sich stets als Baronesse ausgibt, in Wahrheit aber mit einem wegen Hochstapelei vorbestraften österreichischen Baron von Vaberg noch jetzt verheiratet ist, geworfen.“

Unmöglich!“ entfuhr es dem Grafen. „Sie ist ja auch die Frau eines Kameraden von mir – Harry von Gustra.“

Stimmt nicht. Das ist seine – des Barons – Schwester.“

Schloch schüttelte den Kopf. Nach längerem Hin und Her ging er mit dem Wachtmeister zu dem Reviervorstand hinüber. Der Polizeileutnant wieder gab Theo einen Kriminalbeamten mit. –

August Kapaun war mittags ganz unerwartet im Auto nach Pommern gefahren, wo ihm ein Güteragent eine größere Besitzung zeigen wollte. Der neue Rentier gedachte nämlich, so nebenbei noch Gutsbesitzer zu spielen, falls er ein lohnendes Objekt fand.

Theo traf ihn daher auch daheim nicht an und konnte ihm deshalb die glückliche Kunde nicht mitteilen, daß er Luzie von Vaberg nun endgültig los sei, da sie jetzt wegen Doppelehe und allerlei Schwindeleien in Untersuchungshaft sitze.

Nein – August der Kahle ahnte noch nichts davon, daß er allerlei Verpflichtungen gegen die Baronesse überhoben war.

Dafür aber hatte dieser Vormittag einer der Kapaun-Töchter eine furchtbare Überraschung gebracht. Lotte waren gegen halb zwölf gerade von einem Ausgang heimgekehrt, als ein Dienstmann erschien, der ihr persönlich ein mit Wappensiegeln verschlossenes Schreiben überreichte. Es war ein Glück, daß Thussi öffnete, als dieser Bote erschien, und daß weder der Papa noch die Mama wissen konnten, was nun in dem Zimmer der Schwestern sich abspielte.

Ganz ahnungslos öffnete Lotte den Brief. Thussi brannte natürlich vor Neugierde lichterloh. Dann aber sah sie Lotte erbleichen, der Briefbogen flatterte zur Erde; und die älteste Kapaun wäre unfehlbar dort umgesunken, wo sie stand, wenn Thussi nicht zugesprungen wäre und sie schnell auf das Bett gelegt hätte.

Sie erholte sich schnell, nachdem Thussi ihr Stirn und Schläfen mit Parfüm eingerieben und dabei eine ganze Flasche Ylang geopfert hatte. Dann begannen sie zu wimmern und zu weinen.

Ich geh’ ins Wasser. Das – das überlebe ich nicht. Oh – die Schande! Und – der Papa! Mein Gott, – was – was soll ich nur beginnen –“

Thussi bekam trotz allen Flehens kein vernünftiges Wort aus ihr heraus. Da hob sie den Brief auf – feinstes Büttenpapier, eingepreßtes Wappen – und las:

Sehr geehrtes Fräulein!

Wie ich zu meiner tiefsten Empörung festgestellt habe, geben Sie und mein Ehemann, der Oberleutnant a.D. Harry von Gustra, sich im Hause Ihrer Eltern spät abends im Fremdenzimmer Stelldicheins, bei denen es kaum ganz harmlos zugehen dürfte. Um Sie und Ihre Jugend zu schonen, will ich die Sache totschweigen, falls Sie mir binnen drei Tagen für einen Wohltätigkeitsverein fünfundzwanzigtausend Mark zu meinen Händen zur Verfügung stellen und mir feierlich geloben, nie wieder mit meinem Gatten ein einziges Wort zu wechseln oder gar Briefe von ihm anzunehmen. Ich bin überzeugt, daß es Ihnen leicht sein wird, die kleine Summe aufzutreiben. Sie besitzen ja Schmuck genug, der weit mehr wert sein dürfte. Sollten Sie irgend jemandem von diesem Schreiben Mitteilung machen, so werde ich Sie wegen Ehebruchs anzeigen. Rücksichten fallen dann fort. Mein Mann weiß bisher nichts von diesem Brief. Ich werde ihn aber weiter beobachten lassen und prüfen, ob Sie die Unverfrorenheit besitzen, ihn abermals mit Ihrer sogenannten Liebe zu behelligen.

Mit der entsprechenden Hochachtung

Luzie von Gustra,

geb. Baronesse Vaberg

So ein verdammter Schuft – verheiratet!“ entfuhr es der temperamentvollen Thussi. „Natürlich nichts als eine gemeine Erpressung, bei der er natürlich auch beteiligt ist.“

Das – das glaube ich nicht!“ schluchzte Lotte. „Er – er ist kein Lump – niemals!“

Thussi überlegte. Plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf, strahlte fast.

Du Lotte!“ rief sie leise. „Kopf hoch! Ich werde dir einen Verbündeten werben: unseren Theo, unseren Oberzeremonienmeister! – Das ist einer, der Grips für drei hat – mit ‘m Herz auf dem rechten Fleck und verschwiegen. Wir müssen uns ihm restlos anvertraun.“ –

Und als Theo von Schloch um halb eins sein Zimmer aufschloß, da öffnete sich die Kapaunsche Flurtür und zwei verängstigte Mägdelein schlüpften zu ihm hinein.

Sehr erfreut, meine Damen,“ meinte er. „Aber – ob es gerade der sogenannten Wohlanständigkeit entspricht, daß Sie –“

Er bemerkte endlich die verstörten Gesichter. – „Was gibt’s? – Weshalb weinen Sie, Fräulein Lotte?“

Thussi machte die Sprecherin, zeigte ihm Luzie von Vabergs Brief. Er überflog ihn, sagte dann schnell und mit warmer Herzlichkeit:

Fräulein Lotte, ich komme soeben von Gustra. Er ist mein Duzfreund. Seien Sie ohne Sorge. Dieses Weib ist erledigt. Gewiß – sie hat Gustra in ihre Netze zu locken verstanden; er hat sie auch geheiratet. Aber – die Ehe ist ungültig, da ihre erste Ehe mit dem Hochstapler Vaberg noch zu Recht besteht. Ich kann Ihnen die Machinationen dieser Schwindlerin nicht so im einzelnen schildern. Jedenfalls hat sie die Papiere einer verstorbenen Schwester des Barons Vaberg dazu mißbraucht, Gustra zu heiraten. Welche Absichten sie dabei verfolgte, ist noch unklar. Wahrscheinlich wollte sie ihn zu einem großangelegten Schwindel ausnutzen. Sie ist nun vor einer halben Stunde verhaftet worden, und sie wird Ihnen daher nicht mehr schaden können. Gustra hat mir auch die Geschichte seiner Liebe zu Ihnen gebeichtet. Er hat Sie eine Woche nach dieser unglückseligen Hochzeit mit der Betrügerin kennen gelernt. Er war sofort ganz ehrlich in Sie verschossen, Fräulein Lotte. Seine sogenannte Gattin widerte ihn an. Er hat unglaublich darunter gelitten, an sie die gekettet zu sein, und hatte auch bereits Anstalten getroffen, sich die Freiheit wieder zu verschaffen. – So liegen die Dinge –“

Da flog Thussi ihm an die Brust.

Schlochchen, Sie sind ein Engel!“ rief sie, und – sie gab ihm einen Kuß.

Er lachte ganz glücklich. – „Ich helfe Liebenden sehr gern,“ meinte er. „Ich bin ja selbst verliebt – in meine Minni. Das ist ein Engel!“

Lotte trocknete die Tränen ab.

Ach – wie soll ich Ihnen nur danken, Herr Graf! Ja – der Harry muß sehr unglücklich gewesen sein. Er war immer so bedrückt. Und er hat mir ja auch erzählt, daß seine Schwester, mit der er zusammen wohne, – das war natürlich diese Baronin! – ein wahrer Teufel sei und ihn geradezu absichtlich ärgere und peinige. – Mein Gott – was gäbe ich drum, wenn ich ihn heiraten könnte! Aber – der Papa – der hat Thussi und mir letztens noch wieder erklärt, er würde jeden Freier rausschmeißen, der nicht mindestens ne Millionen hätte, denn – arme Bewerber kämen ja doch nur nach seinem mühsam errungenen Gelde!“

Nun – ja, – mühsam errungen!“ entfuhr es Theo unwillkürlich.

Thussi wurde rot, sagte aber tapfer: „Sie haben ganz recht, Herr Graf. ‚Mühsam‘ ist eine sehr starke Übertreibung!“ Dann kam ihr ein Gedanke. „Ach, bester Graf, bester Schlochchen, – tun Sie uns doch einen großen Gefallen, der Lotte und mir. Wir möchten doch gern diese Befreiung Harrys so ein wenig feiern. Und – das ginge doch so gut hier in ihrem Zimmer – gleich heute abend. Der Papa ist verreist, und dann geht Mama immer schon um neun zu Bett und schmökert ihre Marlitt-Romane – den abgelagerten Quatsch! Wir könnten also um halb zehn schon mit der kleinen Fete beginnen. Und Ihre – Braut muß auch dabei sein. Es wird so vergnügt werden.“

Theo sträubte sich. Aber den vereinten Bitten der beiden Mädels gegenüber war er machtlos. – Schließlich – sein Brotherr Kapaun würde ja auch beide Augen zudrücken, falls die Geschichte herauskam, – Luzies wegen.

 

 

5. Kapitel

Ausklang

August der Kahle war Rittergutsbesitzer geworden. Er hatte Elfenhof bei Pasewalk sofort gekauft, und die Sache war auch beim Notar in Pasewalk gleich abends noch perfekt gemacht worden. Eine runde Million hatte er gezahlt. Aber das schadete nichts. Die Untätigkeit würde ihm nicht bekommen. Das merkte er jetzt schon. Außerdem – mit Gero von Schloch als Berater zur Seite würde er sich schnell in diese neue Art von Beruf hineinfinden. Dieser Schloch war ein heller Kopf. Er würde ihm den Titel Güterdirektor und das doppelte Gehalt geben. Dann würde der Graf schon bei ihm bleiben. –

Er war vorzüglicher Stimmung, als er mit dem Agenten in dessen Auto gegen acht Uhr abends Pasewalk verließ. Nur etwas störte ihn: die verdammte Baronesse! Wenn nur erst diese Geschichte aus der Welt geschafft war! Einhunderttausend Mark – für drei zärtliche Abende – ein teurer Spaß! – Na – vielleicht hatte Theochen etwas ausgerichtet. Das wäre großartig. Fünfzigtausend wollte er ja gern springen lassen. Und dann schenkte er Schloch einen Brillantring für fünftausend. Den konnte der Graf nicht ablehnen. – Überhaupt – dieser Theo! Ein famoser Kerl. Ja – wenn er so einen Schwiegersohn kriegen könnte. Der dürfte dann auch bettelarm sein. –

Um zehn Uhr hielt das Auto vor Knesebeckstraße 188.

Kapaun verabschiedete sich von dem Agenten, wollte die Haustür aufschließen, aber – er hatte seine Schlüssel vergessen.

Er klingelte den Portier heraus, kletterte nun die Treppen empor. Der dicke Läufer dämpfte seine Schritte.

Plötzlich blieb er stehen. – Ah – da drinnen bei Schloch schien’s ja recht fidel herzugehen.

Sieh da – Weiber waren auch da. Dieses Kichern! – So ein Knabe – dieser Theo! Er schien gleich mehrere bei sich zu haben!

Er wollte dann gerade an der Flurtür läuten, als sie sich leise auftat, und – Emilchen vor ihm stand.

„‘n Abend, Papa. Bitte, ganz leise!“

Er deutete nach Schlochs Tür hin. „Eine nette Schweinerei, – dort!“ meinte er und drückte die Flurtür lautlos zu.

Na na – Schweinerei?!“ brummte August. „Du bist doch auch kein reiner Engel mehr, Bengel! Obwohl du mit det Verjniejen auch später hättest anfangen können.“

Emil blähte sich wie ein Puter. Er kam sich sehr wichtig in der Rolle des brüderlichen Tugendwächters vor.

Und doch ne Schweinerei – ne Blamage für uns,“ sagte er mit Nachdruck. „Lotte und Thussi sind ja bei dem Herrn Grafen drin, dann noch ein Weibsbild und zwei Herren; einer davon ist ein Kabarettsänger Frido Fried, und der andere trägt auch Monokel.“

August dem Kahlen schoß das Blut zu Kopfe. – Seine, seine Mädels dort – bei diesem Schloch, den sie kaum erst kennen gelernt hatten! Das – das war denn doch –

Da fuhr Emilchen schon fort: „Gehen wir zunächst in dein Arbeitszimmer, Papa. Ich werde dir erklären, wie ich diesen – diesem Kuppler, dem Schloch, hinter seine Schliche gekommen bin.“

August Kapaun zitterte bereits vor Wut. – Seine Töchter – seine Mädels! Oh – da wollte er mit einem Donnerwetter und mit seiner Nilpferdpeitsche dazwischen fahren – die sollten sich wundern!

Er trat ein. Emilchen folgte. Und Emilchen begann Bericht zu erstatten – wie er gestern dem Fried nachts hier im Hause begegnet sei, wie er sofort Verdacht geschöpft, wie er daher heute am Salonfenster heimlich aufgepaßt habe. –

Zuerst kam eine verschleierte Dame,“ sagte er nun lebhafter. „So gegen halb zehn. Ich lief nach unserer Flurtür; und richtig, das Weib verschwand in Schlochs Zimmer. – Ich dann wieder ans Salonfenster zurück. Kaum stand ich dort, als ich bei uns im Flur leise Schritte hörte. Es waren Lotte und Thussi. Auch sie flitzten zu dem feinen Herrn Grafen rein. Und wie ich nun wieder am Guckloch stand, da erschienen auch schon die beiden Monokelfritzen. Und der eine war wie gesagt der Frido Fried aus dem Gorilla. – Dann habe ich meinen Posten nicht mehr verlassen. Und nun ist die ganze Horde noch beim schönen Theo und wird sich sicherlich im Dunkeln abknutschen. – Es stimmt ja gerade: drei Kerls – drei Damens.“

August der Kahle war jetzt blutrot im Gesicht. Nun holte er die Nilpferdpeitsche aus einem Gewehrschrank, schlug ein paar pfeifende Lufthiebe und knirschte: „Ich wird’ ihnen das Knutschen abjewehnen. So ein Halunke, dieser Schloch!“

Er überlegte. Dann zu Emilchen: „Komm’ mit! Ich bin sehr zufrieden mit dir – sehr. Du sollst morgen nen Braunen haben. Und die Mädels – die schick’ ich in einen Pensionat irgendwohin, wo’s zugeht wie in ‘n Nonnenkloster. Ich werde Ihnen das Poussieren schon austreiben –“

August Kapaun schritt wie ein Indianer auf Zehenspitzen den Flur entlang. Ebenso lautlos öffnete er die Flurtür. Emilchen war dicht hinter ihm.

Da prallte er zurück. Vor ihm standen ein Offizier und drei Mann der Reichswehr. Im Treppenhaus war das Licht eingeschaltet.

August der Kahle ahnte furchtbares: Verhaftung – Zelle in Moabit – und so weiter.

Der Offizier faßte an die Mütze. „Herr August Kapaun, nicht wahr? – Ich komme im Auftrage des Polizeipräsidiums. – Bitte – wir wollen in Ihrer Wohnung weiter verhandeln. Dort zeige ich Ihnen auch meinen Ausweis.“ Dann wandte er sich an einen seiner Leute. „Scheffler – Sie passen hier draußen auf – sie wissen Bescheid.“

August schlotterten die Knie. Er bot ein Bild des Jammers dar, wie er nun dem Offizier und den beiden Soldaten voran in sein Herrenzimmer schlich. Dort zeigte jener ihm den schriftlichen Befehl, daß Kapauns Wohnung sofort zu durchsuchen und alles Verdächtige an Papieren zu beschlagnahmen sei. – Kapaun saß nun in dem einen, Emilchen in dem anderen Klubsessel.

Die Schlüssel zu ihrem Geldsprint!“ herrschte der Offizier ihn an. „Vorwärts. Belastende Papiere dürften Sie gerade dort aufbewahren.“

August gab ihm die Schlüssel. Ihm rann der Angstschweiß über das Gesicht. In dem Panzerschrank lagen ja nicht nur Bargeld und Wertpapiere für etwa eine Million, sondern auch die Korrespondenz mit Van Schluitens in Amsterdam, aus der hervorging, daß er – August dachte in seiner Höllenangst: ‚Lieber Herrgott, wenn du mich diesmal mit blauem Auge davonkommen läßt, dann – dann stifte ich eine ganze Million für Kriegswaisen, – wahrhaftig – eine ganze Million!‘ –

Frido Fried alias Murks reklamierte ein etwas freies Liebesgedichte, seufzte gerade

Acht – deine Arme sind wie die Schlänglein,

wie Milch und Blut deine Wänglein –“

als die sechs in Schlochs Zimmer gleichzeitig auf der Treppe Säbelklirren und mehrere Stimmen hörten.

Pst!“ machte Theo und drehte schnell das Licht aus. – Diese Gelegenheit benutzten vier der Anwesenden zu langen, innigen Küssen. Nur Minni ging leer aus, denn ihr Theo war zur Türe geeilt, hatte den Schlüssel herausgezogen und spähte durch das Schlüsselloch, drückte nun sogar das Ohr dagegen und lauschte.

Nach einer Weile richtete er sich auf, schlich nach dem Sofa zurück, flüsterte:

Harry – Murks, – Herr Kapaun soll das Opfer einer Verbrecherbande werden, die in Uniform erschienen ist. Ein Offizier und drei Mann sind’s. Natürlich Gauner. Jedenfalls werden wir den Gesellen den Spaß verderben.“

Der dünne Lichtstrahl einer Taschenlampe zuckte in seiner Hand auf. „Ich gebe euch jedem eine Mauserpistole. Zunächst erledigen wir den Posten, den die Halunken vor der Flurtür zurückgelassen haben. Den Flurschlüssel habe ich ja. Wir können dann also ganz leise in die Wohnung.“ –

Der Offizier packte gerade den Inhalt des Geldschranks in eine Decke, als die Tür des Herrenzimmers aufgerissen wurde und drei elegante junge Leute hereinstürmten.

Hände hoch! Nicht gerührt!“ rief Schloch. Und diese helle Kommandostimme verfehlte ihre Wirkung nicht, zumal drei erhobene Pistolen diesem Befehl Nachdruck verliehen.

Die Uniformierten standen ganz entgeistert da. Und Schloch sagte nun gemütlich zu Harry und Murks: „Kinder – sobald also einer von den dreien auch nur einen Finger sinken läßt, feuert ihr! – So – nun zu Ihnen!“ wandte er sich an den Offizier. „Wie heißen Sie? Ihr Truppenteil? Ihre Vorgesetzten?“

Der Bandit hatte natürlich keine Ahnung von den Namen der betreffenden höheren Vorgesetzten. –

So – das genügt mir,“ lächelte Schloch ironisch. „Sie sehen, Sie haben mit Ihrer Nachahmung des berühmten Geniestreichs des Schusters Voigt Pech gehabt. Wir drei sind nämlich Oberleutnants a.D. – Ich werde jetzt die Polizei antelefonieren.“ Und zehn Minuten später wurden die vier Gauner im Auto fortgeschafft.

Nun erst erholte sich August Kapaun vollständig; nun klärte ihn der schöne Theo auch darüber auf, weshalb er sein Zimmer zu diesen Stelldicheins hergegeben habe.

Harry und Murks lieben Ihre Töchter, verehrter Herr Kapaun. Es sind sehr tüchtige Kräfte. Im Vergleich zu den beiden bin ich ein Idiot. Gestatten Sie, daß ich hier gleich als Freiwerber für meine Freunde auftrete. Geben Sie Ihren Segen, Herr Kapaun, zumal Sie ja heute so sehr viel Glück gehabt haben. Machen Sie auch andere glücklich! – Sehr viel Glück, Herr Kapaun! Auch was die Winkler Straße Nr. 2 anbetrifft. Die sitzt nämlich schon in Moabit – auf meine Veranlassung! Sie brauchen keinen Pfennig zu zahlen; war alles Schwindel, Herr Kapaun. Sie haben Ihre Jugendlichkeit überschätzt; von Nachwuchs keine Rede! – Also – bitte um Ihren Segen. Darf ich die Damen aus meinem Zimmer holen?“

Ja – los denn! Und – und die Waisenkinder kriegen auch ihre Million!– Vorher aber – hier an mein Herz, Schlochchen! An mein Herz!“

Er umarmte den schönen Theo. Da war auch schon Murks hinübergelaufen und kam mit den drei Damen zurück.

Abermals Umarmungen. Und dann sagte Theo vergnügt:

Nun erlauben Sie aber auch, Herr Kapaun, daß ich Ihnen meine Frau vorstelle – meine richtiggehend angetraute süße Minni!“

Das gab ein neues Hallo.

Da tat sich die Tür nach der Bibliothek auf. Im Nachtgewand erschien Frau Emma: „Herr Jott – was is denn hier los?“ rief sie.

Und August der Kahle rief zurück: „Mutter – schnell, zieh’ dir an, mach’ dir fein. Wir werden Verlobung feiern – meinswejen bis zum Morjen. Emil hol’ Sekt!“ –

Und um vier Uhr morgens zogen Theo und Minni sich dann in das Fremdenzimmer zurück.

Das Licht erlosch.

 

 

Schluß