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Der Kundschafter von Fort Kavett

Felsenherz, der Trapper

Selbsterlebtes aus den Indianergebieten

erzählt von

Kapitän William Käbler.

 

3. Band:

Der Kundschafter von Fort Kavett.

 

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Berlin SO 26, Elisabeth-Ufer 44.

 

Nachdruck verboten. Alle Rechte. einschließlich Verfilmungsrecht, vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26. – 1922.

 

Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin

 

 

1. Kapitel.

Der Klapperschlangenjäger.

In der Buschinseln einer mit fahlem, ausgedörrtem Gras bedeckten Prärie im Nordwesten des texanischen Städtchens San Antonio lagerten an einem windstillen, heißen Septemberabend drei Weiße und ein junger, stattlicher Indianer, der in dem schwarzen Haarschopf mehrere Adlerfedern trug, deren Kiele durch bunte Glasperlen verziert waren.

Die kleine Lichtung in der Buschinseln, die von den vier Männern nach einem ermüdenden Tagesritt zum Lagerplatz auserwählt worden war, wurde durch das kleine Feuer, über dem ein Stück Büffelfleisch am Spieß briet, nur notdürftig beleuchtet.

Der lange Billy, ein im Westen überall bekannter Trapper, stach jetzt mit seinem Messer in das Fleisch hinein und meinte:

„Holla, die Mahlzeit ist fertig. Verdammt – ich habe einen Bärenhunger!“ Dann wandte er sich an den Indianer, der soeben seine Büchse ergriffen hatte und den Lichtschein des Feuers auf das Schloß der Waffe fallen ließ, um sich zu überzeugen, ob auch die Zündhütchen noch auf den Pistons saßen.

„Will Chokariga, der schwarze Panther, etwa jetzt schon die erste Wache antreten?“ fragte Billy den berühmten Komanchenhäuptling, der darauf kurz erwiderte:

„In San Antonio schwärmten die Soldaten der Texaner wie die Bienen, die der Qualm eines Feuers aufgescheucht hat. Die Blaßgesichter diesseits und jenseits des großen Flusses,“ – er meinte den Rio Grande del Norte – „haben das Kriegsbeil gegeneinander ausgegraben. Die Bewohner von Texas hassen die Mexikaner, ihre Herren, aber die stinkenden Kröten der Apachen werden den Mexikanern helfen. Der lange Billy kennt die Zeichen der Wildnis. Als wir vor einer Stunde diese Buschinseln aufsuchten, stiegen drüben im Westen aus dem dunklen Strich des Waldes Schwärme von Wildtauben auf.

Der schwarze Panther hat scharfe Augen. Die Wildtauben sind nicht scheu. In jenem Wald müssen zahlreiche Reiter lagern.

Chokariga wird hinüberreiten.“

Sofort erhob sich jetzt ein schlanker, blondbärtiger Mann mit wettergebräuntem, frischem, offenem Gesicht und erklärte:

„Felsenherz wird seinen roten Bruder begleiten. Wenn Apachen in der Nähe sind – und damit rechnet der schwarze Panther doch offenbar –, ist es besser, wir beschleichen sie zu zweien.“

Der Häuptling schwieg eine Weile. Seine Augen waren halb geschlossen. Unter den zugekniffenen Lidern glitt sein Blick unauffällig über die nächsten Büsche hin.

Dann setzte er sich wieder, legte die Doppelbüchse neben sich in das Gras und sagte:

„Mein Bruder Felsenherz mag erst essen. Wir haben noch Zeit. Der lange Billy kann das Fleisch zerteilen.“

„Das nenne ich vernünftig!“ lachte der dürre Westmann mit seinem gewohnten Kichern. „Erst der Magen, dann die Apachen!“

Der vierte Weiße, dem beide Ohren fehlten und der als Indianerhändler unter dem Namen ‚der Skalpierte‛ sowohl bei den Rothäuten als auch bei den Farmern im Ruf eines ehrlichen, friedfertigen Mannes stand, nahm das Stück Büffelfleisch aus des langen Billy Hand entgegen, ließ es jedoch wie durch Ungeschick fallen und flüsterte, als er sich bückte und es mit dem Messer wieder aufspießte, dem neben ihm sitzenden jungen Trapper Felsenherz zu:

„Ich hab’s auch gemerkt –! Es steckt jemand in den Büschen – drüben, rechts von dem gelbblühenden Strauch –“

Felsenherz hüstelte nur und sagte darauf zu dem Komanchen:

„Ich werde einmal nach unseren Pferden sehen. Mein Brauner schnaubte vorhin so aufgeregt. Vielleicht hat Billys Himmelsziege sich wieder an ihn herangedrängt. Die beiden Viecher vertragen sich nicht.“

„Mein Bruder tut recht daran,“ erwiderte der Komanche und tauschte mit Felsenherz einen schnellen Blick des Einverständnisses.

Der junge Trapper schlenderte davon.

Die drei Pferde und Billys Maultier Himmelsziege standen etwa zehn Meter weiter in einer zweiten Lichtung der Buschinseln.

Felsenherz umging jetzt das kleine Wäldchen und kroch dann auf allen Vieren lautlos in die Sträucher hinein.

Nur ein Westmann wie er, der eine so gute Schule in all den schwierigen Dingen, die das Leben in der Wildnis erfordert, hinter sich hatte, brachte es fertig, ohne das allergeringste Geräusch sich bis in den Rücken des in den Büschen verborgenen Menschen vorwärtszuschieben.

Jetzt lag er ganz dicht hinter ihm. Nur undeutlich konnte er die Umrisse einer auf dem Boden ausgestreckten Gestalt erkennen, vermochte aber doch festzustellen, daß der Mann ein Weißer war und keine Rothaut.

Langsam richtete er sich halb auf, packte den Menschen beim Kragen, riß ihn blitzschnell hoch und schleuderte ihn wie einen Ball durch die Zweige dem Lagerplatz zu, wo der schwarze Panther dann mit einem Satz den derart Überfallenen bei den Handgelenken ergriff und festhielt.

Billy, der bisher nichts davon geahnt hatte, daß ein Lauscher in dem Buschwerk verborgen gewesen, kicherte jetzt spöttisch und meinte:

„‛n Abend auch, Master –! Felsenherz hat euch die Mühe erspart, die paar Schritt bis hier in unseren Salon zu Fuß zurückzulegen –

Hihihi –! Ja, der Felsenherz könnte getrost Preisringskämpfer werden –! –

Na, wer seid ihr denn nun eigentlich, Master?“

Der Komanche hatte den kleinen, glattrasierten Menschen, der einen gelben, derben Leinenanzug trug und um den Hals ein buntseidenes Tuch fast kokett geknotet hatte, schon wieder losgelassen.

Der Gelbe stotterte nun, indem er seine Jacke zurechtzog:

„Mein Name ist Pickparell, meine Herren – entschuldigen Sie, daß ich mir erlaubt habe, Sie erst eine Weile zu belauschen. Aber diese Gegend hier ist jetzt so unsicher und ich habe außerdem so wenig Angenehmes erlebt, daß mir niemand verargen kann, wenn ich –“

„Verdammt, Mann, ihr redet wie ein Professor,“ unterbrach Billy ihn ärgerlich. „Setzt euch – so, und nun will ich euch mit meinen Freunden bekannt machen –

Das da ist Master Edward Barnley, englischer Lord, Trapper und Indianerhändler aus Neigung, stets der Skalpierte genannt, weil die roten Hunde von Wacos ihm vor Jahren ein rundes Stück aus seiner Perücke raubten, dazu die Ohren, wie ihr seht. –

Das da ist der berühmte Häuptling der Komanchen, Chokariga, der schwarze Panther; und dort kommt Felsenherz, der alle Ursache hat, den Apachen das Fell zu durchlöchern, weil diese nämlich seine sämtlichen Verwandten droben am Rio Mazapil vor drei Monaten abgeschlachtet haben.

Ich selbst bin der lange Billy und auf die Apachenhunde auch nicht gut zu sprechen, da sie meinen Freund Jimmy letztens in die ewigen Jagdgründe geschickt haben. –

Na – und was treibt ihr hier in den Prärien, Master? Ihr habt da ja über eure Stiefel ein paar so dicke Ledergamaschen geschnallt, als ob –“

„Ich bin Naturforscher, meine Herren,“ fiel der Gelbe dem langen Billy ins Wort. „Ich durchstreifte seit vier Monaten das Randgebiet der texanischen Wüste, Llano Estacado genannt, und fange Klapperschlangen, deren Giftdrüsen ich aufschneide und –“

„Verdammt!“ kicherte Billy. „Ein feines Geschäft! Also deshalb die Ledergamaschen – zum Schutz gegen Bisse –!“

Auch Felsenherz hatte nun an dem Feuer Platz genommen und fragte jetzt:

„Master, ihr haltet diese Gegend nicht für ganz sicher? –

Entschuldigt übrigens, daß ich mit euch so wenig zart umging.“

„Oh, das macht nichts, Master Felsenherz. Ich bin daran von vorgestern her gewöhnt. Was die Unsicherheit hier betrifft, so wollte ich damit andeuten, daß drüben im Westen in dem großen Wald vierhundert Rothäute Lager, alle scheußlich bemalt. Es scheinen Apachen zu sein.“

„Und – was ist euch vorgestern zugestoßen, Master?“ forschte Felsenherz weiter.

„Hm – eine sonderbare Sache. –

Ich hatte mich in den Schluchten der kahlen Berge drüben im Nordwesten am Rio Pecos, wo dieser Fluß so sehr viel Krümmungen macht, verirrt. Mit einem Mal gelangte ich in ein von steilen Bergen eingeschlossenes blühendes Tal, an dessen Nordwand ein großes Blockhaus lehnte. Aus dem Schornstein stieg Rauch auf. Ich pochte an die Tür, die von innen verriegelt war, hörte auch leise Stimmen, wurde aber nicht eingelassen, obwohl ich rief, daß ich seit anderthalb Tagen nichts gegessen hätte.

Während ich noch vor der Tür stand, flog mir von hinten eine Lassoschlinge um den Hals. Ich wurde zu Boden gerissen, verlor das Bewußtsein und fand mich, als ich wieder zu mir kam, samt meinem Pferd, meinen Waffen, meinem Ledersack voll Klapperschlangen und einer gebratenen Hirschkeule am Ufer des Pecos mutterseelenallein vor.

Ich kann mir nur denken, daß die Bewohner jenes Blockhauses mich dorthin geschafft und mir die Hirschkeule gespendet hatten.

Ich bin dann nachher weiter nach Osten zu geritten und beobachtete heute nachmittag, wie der große Indianertrupp dort im Wald sein Lager bezog. Ich hielt diese Nachbarschaft für gefährlich, setzte mich wieder in Marsch und gelangte vor einer halben Stunde hierher, sah ihr Feuer und schlich näher. Mein Pferd steht draußen in der Prärie an einem verdorrten Baum angebunden. Das wäre alles –“

Jetzt meldete sich der schwarzbärtige Skalpierte und erklärte:

„Master, dort am Rio Pecos gibt es kein Blockhaus. Ihr müßt das geträumt haben! Ich kenne jede Schlucht, jedes Tal dort seit Jahren. Außerdem wird niemand sich einbilden, dort im Jagdgebiet der Apachen siedeln zu können.

Der Rio Pecos ist ein gefährliches Wasser! Dankt dem Schöpfer, daß er euch in eurer Harmlosigkeit vor den Apachen beschützt hat.“

„Oh,“ lächelte der kleine Herr freundlich,“ ich tue niemandem etwas. Ich wäre auch jetzt vor dem vierhundert Roten nicht ausgerissen, wenn sie nicht wie die Teufel gekreischt hätten, als sie die beiden Weißen erwischten, die gerade ahnungslos auf ihr Lager zugeritten waren. Die beiden schienen Offiziere des texanischen Freikorps zu sein, das jetzt den Kampf gegen Mexiko begonnen hat. Ich selbst bin im Staat Louisiana zu Hause. Mich gehen die Streitigkeiten zwischen Texas und Mexiko nichts an.“

„Hihihi –! Ein feiner Standpunkt!“ lachte der lange Billy. „Gehen euch nichts an – das ist so recht als Greenhorn gesprochen! Mann, wißt ihr auch, was mit den beiden Texanern geschehen wird?! Die Apachen werden sie an den Marterpfahl stellen, und das ist ein verdammt kitzliches Vergnügen, sag’ ich euch, verdammt kitzlich!“

Der Komanchenhäuptling war plötzlich aufgestanden.

„Meine weißen Brüder mögen mir folgen,“ erklärte er. „Die stinkenden Kröten der Apachen sind bereits aus ihren Felsenhöhlen am Rio Pecos hervorgekrochen. Der schwarze Panther wird sie beschleichen, und sein Bruder Felsenherz wird ihn begleiten. Die anderen drei Blaßgesichter mögen scharf nach Norden reiten, bis sie an einen einzelnen Berg gelangen, den die Komanchen den Berg der Hasen nennen, weil diese Tiere dort sehr häufig sind.

Felsenherz und Chokariga werden um Mitternacht wieder bei ihnen sein. Der lange Billy mag jedoch die Augen offen halten. Die Späher der Apachen werden durch die Prärie schwärmen wie die feigen Füchse, die nur nachts ihre Löcher verlassen.“

Er winkte Felsenherz, und die beiden schritten schnell davon, bestiegen ihre Pferde und trabten in die dunkle Prärie hinaus.

Es war jetzt gegen zehn Uhr abends. Der Mond war noch nicht aufgegangen. Selbst die Sterne spendeten nur wenig Licht, da der Himmel mit einer leichten Dunstschicht bedeckt war.

Der schwarze Panther hatte die Richtung nach Norden eingeschlagen. Nach vielleicht fünf Minuten zügelte er plötzlich seinen Rappen und flüsterte dem jungen Trapper zu:

„Mein Bruder Harry sieht dort vor uns einen dunklen Strich. Es sind Büsche. Hat mein Bruder das flackernde Pünktchen bemerkt, das dort soeben aufglomm?“

„Ich hielt es für ein Glühwürmchen –“

„Mein Bruder ziehe einmal die Luft durch die Nase ein. Riecht er etwas?“

„Ah – du hast recht, Chokariga! Das ist der Duft von Tabak!“

„Ja – dort in den Büschen lagern mehrere Weiße, die um ihre Skalpe nicht sehr besorgt sind. Ihre Pfeifen verraten sie. Und einer hat soeben sein Feuerzeug angezündet gehabt. Mein Bruder Felsenherz mag mein Pferd halten.“

Er huschte davon. – Nach kaum einer Viertelstunde tauchte er wieder auf.

„Dreißig Soldaten der Texaner mit Pferden,“ erklärte er. „Und zwei Späher der Apachen lagern dort an der Westseite des Buschstreifens. Sie werden schweigen. Der Tomahawk des schwarzen Panthers hat sie betäubt.“

 

 

2. Kapitel.

Im Lager der Texaner.

In einer tiefen Erdmulde des Buschstreifens saßen und lagen um zwei nur ganz schwach glimmende Feuer einige dreißig sonngebräunte, bärtige Männer herum, sämtlich bewaffnet mit Doppelbüchse, Pistolen und langem Jagdmesser.

Die Hälfte von ihnen trug eine Art Uniform; die anderen verrieten in ihrer Kleidung die Farmer der östlichen Teile von Texas. –

Einer der Uniformierten, der von den übrigen mit Obers angeredet wurde, hatte soeben die Meldung eines Kundschafters entgegengenommen, der vor zwei Stunden von ihm nach Westen zu vorausgeschickt worden war.

„Ich begreife nicht, wo Wilparson und Tobbler geblieben sein können,“ meinte der Oberst jetzt zu den anderen, die gespannt den Bericht des Kundschafters mitangehört hatten. „Sie müssten doch längst zurück sein! Wir liegen hier nun bereits seit dem Nachmittag, und wir haben noch nirgends frische verdächtige Fährten bemerkt. Wilparson und Tobbler können also doch unmöglich etwa einer mexikanischen Patrouille in die Hände gefallen sein.“

In demselben Augenblick hörte man den lauten Zuruf der am Rande des Buschwerks aufgestellten Wachen.

„Ah – es scheint irgend jemand zu kommen,“ sagte Oberst Douglas, ein blonder, kräftiger Mann, mit erwartungsvoller Miene. „Vielleicht sind es unsere beiden Freunde. –

Werft ein paar trockene Äste in das Feuer, damit man –“

„Tut es lieber nicht!“ ließ sich jetzt eine tiefe Stimme vernehmen, und der junge Trapper Felsenherz, dessen wahrer Name Harry Felsen lautete, tauchte zwischen den Büschen auf.

Oberst Douglas war aufgesprungen.

„Wer seid ihr, Mann?“ fragte er rasch. „Und weshalb sollen die Feuer nicht für kurze Zeit heller brennen?“

Hinter Felsenherz erschien jetzt auch der schwarze Panther, der mit jeder Hand den Körper eines bewußtlosen Apachen hinter sich her schleppte.

„Genügen euch die beiden Roten als Warnung?!“ erwiderte Felsenherz in seiner wortkarge Art. „Im übrigen nenne ich mich Felsenherz, bin Westmann, und dies hier ist mein roter Bruder Chokariga.“

Die Texaner umdrängten die beiden Ankömmlinge. Viele Fragen wurden an sie gerichtet, bis Oberst Douglas dann bestürzt erklärte: „So sind denn Wilparson und Tobbler, die als Kundschafter vorausgeritten waren, wirklich in Gefangenschaft geraten. –

Wir danken euch für eure Mitteilungen, Master,“ wandte er sich direkt an Felsenherz. „Wenn vierhundert Apachen in der Nähe sind, tun wir gut, einen anderen Lagerplatz zu wählen. Wir sind nämlich morgens von Fort Kavett aufgebrochen, um festzustellen, ob die Mexikaner etwa mit einer größeren Truppmacht vom Rio Grande del Norte her im Anmarsch sind. –

Wie wär’s, Master, wollt ihr nicht als Kundschafter in unsere Dienste treten? Männer wie euch können wir immer gebrauchen. Und – wenn der schwarze Panther mit seinen Kriegern auf unsere Seite treten wollte, würde ich ihm zweihundert gute Büchsen und so viel Pulver und Blei versprechen, wie er nur wünscht.“

Der Komanchenhäuptling machte eine ablehnende Handbewegung. „Die Komanchen unterstützen die Blaßgesichter nicht. Die Blaßgesichter kommen immer zahlreicher über den Arkansas-Fluß, und der rote Sohn Manitus wird bald keine Stelle mehr haben, wo er seine Jagdzelte ungestört aufrichten kann. Ich habe gesprochen.“

„Na – vielleicht überlegst du es dir noch, schwarzer Panther,“ meinte der Oberst freundlich. „Die Apachen haben sich bereits für diesen Krieg von den Mexikanern erkaufen lassen. –

Und ihr, Felsenherz? Wie ist’s? Lehnt auch ihr ab?“

„Ich bin Pelzjäger. Und das bleibe ich,“ erklärte der junge Trapper kurz –

Die beiden Apachen waren inzwischen gefesselt worden.

Der schwarze Panther hatte sich auf seine Büchse gelehnt und beobachtete regungslos, wie die Texaner sich zum Aufbruch rüsteten. –

Der Oberst beugte sich jetzt über die beiden Apachen und sagte leise: „Ah – sie sind nicht mehr bewußtlos! –

Würde der Häuptling der Komanchen sie nicht einmal ausforschen, ob –“

Aus der Ferne war plötzlich der schrille Todesschrei eines Menschen bis hierher gedrungen.

Chokariga horchte, ergriff dann Felsenherz’ Arm und zog ihn blitzschnell in die Büsche, wobei er den Texanern warnend zurief:

„Die Blaßgesichter werden die Apachen sofort vor sich sehen!“

Im gleichen Moment erscholl auch bereits das gellende Kriegsgeschrei der roten Angreifer. Die Texaner hatten jedoch den Rand der Mulde noch besetzen können, hatten auch in die noch brennenden Feuer neues Brennmaterial geworfen und empfingen die durch das Gesträuch zu Fuß heranstürmenden Apachen mit einer so wohlgezielten Salve, daß der Angriff ins Stocken kam –

Der schwarze Panther und Felsenherz hatten sich inzwischen, dicht an den Erdboden geschmiegt, in einer durch einen Gewitterregen ausgewaschenen Rinne dem Rand des Gehölzes genähert. Die Kugeln der Texaner pfiffen über sie hinweg.

Der Mond war jetzt aufgegangen und hüllte die Prärie in ein milchiges, verschwommenes Licht.

Vor dem Komanchen tauchten die grell bemalten Gesichter dreier Apachen auf, die ebenfalls diese Erdfurche zum Anschleichen benutzen wollten. Der vorderste stutzte, sprang dann auf die Füße, schwang den Tomahawk –

Felsenherz hatte sich schon flach am Boden hin vorwärtsgeschnellt, packte den Krieger bei den Beinen und riß ihn um. Bevor dieser aber noch völlig umgesunken war, fegte die zweite Salve der Texaner durch die Büsche. Eine Kugel ging durch die Krempe von Felsenherz’ Filzhut und traf den Apachen dann mitten in die Brust. Die beiden anderen waren bereits zurückgewichen.

Das Angriffsgeschrei der Apachen war verstummt.

„Mein Bruder Harry möge unsere Pferde holen,“ flüsterte der Häuptling jetzt. „Der schwarze Panther wird ihm den Rücken decken. Die Prärie ist voll von Apachen –“

Felsenherz schlängelte sich durch das stellenweise recht hohe Gras davon. Die beiden Pferde standen in einem einzelnen Gebüsch etwa dreihundert Meter südlich des Buschstreifens, wo die Texaner sich befanden.

Als der junge Trapper sich diesem Gebüsch bis auf dreißig Schritt genähert hatte, gewahrte er fünf Apachen, die hier gerade die beiden Pferde losbanden und dann wegzuführen suchten.

Die gut dressierten Tiere keilten aus und bissen um sich. Unter den fünf Roten war einer, dessen riesige Gestalt, gewölbte Brust und muskelstrotzende Arme eine ungeheure Stärke verrieten. –

Felsenherz erkannte diesen Roten sofort an der Kette von Bärenkrallen und Zähnen als den Oberhäuptling der Apachen, den weit und breit berüchtigte ‚großen Bär‛.

Der Apachenhäuptling hatte plötzlich seinen Tomahawk aus dem Gürtel gerissen und wollte ihn dem einen Pferd vor die Stirn schmettern, weil er eingesehen haben mochte, daß die Tiere nicht wegzubringen waren.

Felsenherz sprang auf –

Ein Griff, und er hatte das rechte Handgelenk des großen Bären umspannt, riß ihm die Arme zurück und schlug ihm gleichzeitig mit der linken Faust halb von hinten gegen die Herzgrube, so daß der Apache mit ausgestrecktem Arm wie ein Sack zusammensank.

Die vier anderen drangen jetzt gleichzeitig auf den Trapper ein, wichen aber zurück, als dieser furchtlos mitten unter sie sprang und lediglich mit zwei Kinnhieben zwei weitere Gegner zu Boden streckte –

„Felsenherz!“ brüllte entsetzt ein dritter und war wie eine Schlange in Gras verschwunden. Dem vierten gelang die Flucht nicht mehr: der schwarze Panther hatte ihn mit dem flachen Tomahawk niedergeschlagen.

Im Nu saßen die beiden auf ihren Pferden. Felsenherz wollte noch den Apachenhäuptling emporziehen und mitnehmen. Doch das gellende Geschrei des entwichenen Roten hatte die Prärie plötzlich lebendig gemacht. Überall wimmelte es von dunklen Gestalten, die nun wie aus dem Boden gewachsen dem Gebüsch zustürmten –

Schüsse knallten – ein paar Pfeile sausten an den Pferden vorüber –

„Vorwärts!“ rief Chokariga. „Mein Bruder mag den Apachen liegen lassen!“

Im Galopp sprengten sie nach Süden zu.

Doch sehr bald hielt der Komanche seinen Rappen an. Sein Gesicht wurde hell vom Mond beschienenen. Felsenherz wunderte sich über den seltsam schmerzlichen Ausdruck in den edlen Zügen seines roten Freundes und fragte schnell:

„Mein Bruder Chokariga hat irgend etwas Besonderes bemerkt?“

„Felsenherz kennt meine Schwester Mobila, die blaue Taube der Komanchen, die auch seine Schwester ist,“ erwiderte der Häuptling leise. „Dort am Feuer der Texaner sah ich, daß einer der beiden Apachenspäher um den Hals eine Kette aus Perlen trug, die Mobila gehört. Unsere Schwester muß den Apachen in die Hände geraten sein. Deshalb zog ich dich so schnell in die Büsche. Wir müssen hinüber zum Lager der Apachen und feststellen, ob die blaue Taube sich dort befindet. Mein Bruder besinne sich, daß wir Mobila an den Apache-Spring in die Llano bestellt hatten. –

Reiten wir weiter. Die Apachen werden dort im Wald bei ihrem Lager nur wenige Wächter zurückgelassen haben.

Felsenherz begriff jetzt vollkommen den schmerzlichen Gesichtsausdruck seines roten Bruders. Der schwarze Panther hing mit inniger Liebe an seiner für eine Indianerrin selten schönen und ebenso kriegerischen Schwester. Und auch der junge Trapper hatte das rote Mädchen nicht minder lieb gewonnen –

Nach einer Stunde näherten sie sich dann dem Wald, nachdem sie in großem Bogen nach Westen abgeschwenkt waren.

Ihre Pferde ließen sie nun in einem schluchtähnlichen, ausgetrockneten Flußbett zurück und schlichen zu Fuß weiter.

Der Wald war etwa eine halbe Meile lang. Ihn jetzt nachts zu durchsuchen, hätte die beiden wohl viele Stunden Zeit gekostet. Das Mondlicht erleichterte ihnen dieser Arbeit jedoch. Sie krochen dicht an den ersten Büschen dahin, stets den Boden beobachtend. Der schwarze Panther entdeckte denn auch sehr bald eine tief ausgetretene Fährte. Hier hatten die Apachen zu Pferd im Gänsemarsch den Wald verlassen

Felsenherz und Chokariga drangen nun an dieser Stelle in das Gehölz ein. Nach kaum fünf Minuten spürte des Komanchen feine Nase den Geruch von Pferden. Dann hörte man auch sprechen. –

Es war hier unter den dicht belaubten Bäumen so dunkel, daß nur die Augen eines Indianers imstande waren, Einzelheiten zu unterscheiden. Aber auch Felsenherz hatte in der Wildnis seine Sinne geschärft. Undeutlich erkannte er dort links an zwei Bäumen die aufrecht stehenden Gestalten zweier Weißen. Dicht vor diesen hockten vier Apachen. Weiter rechts zeichneten sich die spitzen Kegel einiger Lederzelte ab.

Der schwarze Panther war plötzlich von Felsenherz’ Seite verschwunden. –

Der junge Trapper zögerte nicht lange. Lautlos schob er sich vorwärts. Die vier Wächter sprachen leise miteinander.

Mit einem Mal erklang etwas wie ein dumpfer Krach, dem sofort ein zweiter folgte: Felsenherz’ steinerne Faust hatte blitzschnell zwei der Roten niedergeschlagen.

Die beiden anderen waren aufgesprungen. Doch sie sahen nur, daß ihr Gefährten wie tot am Boden lagen.

Dann – riß eine unsichtbare Gewalt ihnen die Beine unter dem Leib weg –

Auch sie flogen lang hin, wollten wieder hoch, fühlten sich aufs neue gepackt –

Felsenherz’ nervige Fäuste schmetterten ihre Köpfe zusammen. –

Dann zog er sein Messer, trat an die beiden Gefangenen heran, durchschnitt ihre Lederriemen, flüsterte:

„Folgen Sie mir –!“

Und fort ging’s, dem Waldrand zu. Erst bei den Pferden machten die drei dann halt.

Die beiden Texaner wollten sich jetzt für ihre Befreiung bedanken. Felsenherz unterbrach sie.

„Befand sich eine gefangene Indianerin im Apachenlager?“ fragte er hastig.

„Ja, Master. Sie wurde mit den drei anderen Komanchen gegen Abend von zehn Apachen zu Pferde fortgeschafft. Wohin, wissen wir nicht.“

„Warten Sie hier,“ befahl Felsenherz und ließ sie bei den Pferden allein.

Als er den Waldrand wieder erreicht hatte, schaute er sich zum Glück nochmals um –

Über die mondhelle Prärie nahten in endlosem Zug die Apachen –

Der junge Trapper verbarg sich in einem Gestrüpp. Die Roten kamen keine zehn Schritt entfernt an ihm vorüber. Es waren etwa dreihundertsechzig Krieger, die noch einige vierzig Tote und Verwundete mit sich führten.

Die Reiterschlange bog in den Wald ein. Nach zehn Minuten lag die Prärie wieder einsam und verlassen da –

Felsenherz überlegte. Daß der schwarze Panther den Apachen in die Hände fallen würde, brauchte er nicht zu fürchten. Es war am besten, er kehrte zu den Pferden zurück. –

Als er dort anlangte, war der Komanchenhäuptling bereits zur Stelle. Er hatte für die beiden befreiten Texaner auch zwei Apachenmustangs mitgebracht und schon erfahren, daß seine Schwester sich tatsächlich in der Gewalt der Apachen befand.

„Mein Bruder Felsenherz wird jetzt das Anerbieten des Oberst Douglas der blauen Taube zu liebe annehmen,“ sagte er zu dem jungen Trapper in ungewohnter Hast. „Der schwarze Panther muß der Fährte der stinkenden Kröten folgen, die Mobila weggeschafft haben. Felsenherz aber mag versuchen, ob er als Kundschafter den großen Bär lebend gefangen nehmen kann. Dann müßten die Apachen ihn gegen die blaue Taube austauschen.“

Er umarmte Felsenherz zum Abschied und flüsterte noch:

„Chokariga wird dir nach Fort Kavett Nachricht senden. Lebewohl, mein Bruder –“

Dann war der mit einem leichten Schwung auf dem Rücken des kohlschwarzen Rosses und jagte nach Nordwest davon –

Eine Stunde später näherten sich Felsenherz und die beiden texanischen Offiziere jenem Buschstreifen, wo die Texaner Dank der rechtzeitigen Warnung den Angriff der Rothäute so blutig hatten abschlagen können.

Es war jetzt gegen ein Uhr morgens. In der großen Erdmulde und vor den Büschen brannten mächtige Feuer, die Oberst Douglas für den Fall eines nochmaligen Angriffs hatte anzünden lassen.

Die aufgestellten Wachen riefen die drei Reiter an. Dann gab es ein allgemeines Freudengeschrei, als man Wilparson, Tobbler und den blonden Trapper erkannte.

Felsenherz berichtete dem Oberst, daß die Apachen sich wieder nach dem Wald zurückgezogen hätten, worauf Douglas sofort aufzubrechen befahl. Er wollte schleunigst nach Fort Kavett zurück und mit einer stärkeren Schar dann die Apachen wieder nach dem Rio Pecos zurückwerfen.

Felsenherz erbot sich, für den Kommandanten des Forts – und das war Douglas – fernerhin Kundschafterdienste zu leisten, lehnte jedoch jede Bezahlung ab. Der Oberst drückte ihm dankbar die Hand.

„Wenn ihr beobachten wolltet, was die Rothäute jetzt unternehmen, wäre mir geholfen,“ meinte er. „Ich werde euch drei erprobte Farmer mitgeben, Felsenherz, damit ihr stets jemand bei der Hand habt, mir schnell Nachricht zu geben.“

Der Trapper lehnte auch dies ab. „Ich verlasse mich am liebsten auf mich allein, Master,“ erklärte er in seiner kurz angebundenen Art. „Außerdem habe ich dort im Norden am Berg der Hasen drei Gefährten, die gern mitmachen werden. –

Wie weit ist es von hier nach Fort Kavett?“

„Vierzehn Reitstunden – immer direkt nach Nordost. Das Fort ist leicht zu finden. Es liegt auf einer Reihe Felsen mitten in der Prärie an einem kleinen Bach, der in der Komanchensprache Saba, Knochen, genannt wird, weil er streckenweise unterirdisch fließt.“

„Gut, dann will ich zunächst meine Gefährten am Berg der Hasen aufsuchen,“ meinte Felsenherz. „Der lange Billy kennt die Lage des Forts ja fraglos. –

Noch eins, Master,“ fügte er warnend hinzu, „vergeßt nicht, daß eurem Trupp ein paar Späher der Apachen folgen werden. Geratet in keinen Hinterhalt. Die Apachen werden diese Schlappe wettmachen wollen!“

Darauf nickte er den Texanern zu, nahm seinen Braunen am Zügel und verließ den Lagerplatz.

 

 

3. Kapitel.

Am Berg der Hasen.

Inzwischen waren Billy, der Skalpierte und der Klapperschlangenjäger längst am Berg der Hasen angelangt, hatten hier in einer kleinen Schlucht ein Lager bezogen und dann für ihre Pferde aus der Prärie Gras geholt, welches hier stellenweise sehr hoch stand.

„So, nun könnt ihr beide euch niederlegen,“ meinte der lange Billy. „Ich werde die erste Wache bis drei Uhr morgens übernehmen. Dann kommt ihr heran, Barnley. Und dann wird’s mittlerweile hell werden.“

Sie hatten hinter einem großen Stein in der engen Schlucht ein Feuer angezündet, ließen es aber nur ganz schwach brennen, damit der Lichtschein nicht weithin auffiel. Billy steckte sich noch mit einem glühenden Zweig seine kurze Pfeife an, nahm seine Büchse und verließ die Schlucht.

Pickparell, der Naturforscher, schaute ihm nach und sagte zu dem Skalpierten:

„Nun hab’ ich doch endlich ein paar echte Westmänner und einen berühmten Indianerhäuptling kennen gelernt. –

Hm, Master, – was aber das einsame Blockhaus am Rio Pecos betrifft: Da habt nicht ihr, sondern ich recht! Ich habe nicht geträumt. Es gibt dort ein solches Blockhaus, und ich könnte es euch ganz genau beschreiben. Es ist recht groß, langgestreckt und lehnt sich an die Felswand des Tales an, die sich über dem Dach in einem großen Vorsprung wie ein Balkon oder dergleichen vorwölbt. Ich mag ja das sein, was ihr Westmänner ein Greenhorn nennt, Master. Doch meine fünf Sinne habe ich genau so gut beisammen wie ihr.“

Der Skalpierte schüttelte den Kopf. „Und trotz allem, Master Pickparell, – ich kann nicht daran glauben! Die Apachen würden dort niemals einen Ansiedler dulden – niemals!“

„Hm – und wer hat mir dann die gebratene Hirschkeule hingelegt?!“ rief der Klapperschlangenfänger gereizt, wobei er sich wütend auf den Schenkel schlug. „Und – wer hat mir diesen roten Streifen hier am Hals besorgt? Doch nur dieselbe Lassoschlinge, die mich von der Tür des Blockhauses wegriß!“

Bei den letzten Worten knotete er sein Halstuch auf und deutete zu die noch deutlich erkennbare Würgespur eines Lassos. „He – seid ihr nun anderen Sinnes geworden, Master?“ fügte er immer aufgebrachter in einem Atem hinzu. „Tom Pickparell ist ein Bücherwurm, gewiß! Er schießt auch miserabel und könnte die Spur eines Roten nie von der eines Weißen unterscheiden. Aber –“

„Schon gut!“ nickte der schwarzbärtige Skalpierte begütigend. „Wie wär’s, Master, wenn wir uns das merkwürdige Blockhaus mal von nahen anschauten? –

Die anderen machen fraglos auch mit, – der Komanche, Felsenherz und der lange Billy. Glaub mir, Master: mit diesem einsamen Blockhaus muß es eine ganz besondere Bewandtnis haben! Der Zugang zu dem Tal muß auch sehr versteckt liegen, sonst –“

„Stimmt, stimmt! Es gibt dort einen reinen Irrgarten von Kanons, kahlen Felsen und schroffen Schluchten. Jedenfalls hätte ich den Weg in das Tal niemals zurückgefunden.“

„Also abgemacht! Wir werden’s riskieren. Ein Teil der Apachen ist jetzt auf dem Kriegspfad. Diesem Geheimnis muß ich auf den Grund gehen. –

Jetzt gute Nacht, Master – oder, ich sage wohl besser Tom, ebenso wie ihr mich getrost bloß Barnley zu nennen braucht –“

„Schlafen?! – Ich bin gar nicht müde – ich werde mir drüben in den Büschen einen Gabelstock schneiden und noch ein wenig nach Klapperschlangen suchen. Der Mond scheint so hell, daß ich schon noch einige der Giftreptilien erwischen werde.“

Er stand auf und schritt davon.

Felsenherz hatte die Richtung nicht genau inne gehalten, wie er bei seinem Ritt nach dem Berg jetzt allmählich erkannte, denn seiner Berechnung nach hätte er diesen längst vor sich haben müssen.

Er ließ seinen Braunen in Schritt fallen und blickte sich nach allen Seiten um.

Ah – dort rechts nach Osten zu glaubte er etwas Dunkles, Hoch–ragendes zu bemerken. Der Mond war jedoch hinter dünnen Wolkenschleiern hervorgetreten, und so konnte Felsenherz nach nochmaliger scharfer Prüfung des dunklen, hohen Fleckes mit Bestimmtheit annehmen, daß es der Berg der Hasen war.

Er ritt weiter, jetzt östlicher Richtung.

Dann zügelte er abermals sein Pferd; seine Augen waren starr auf den vielleicht noch achthundert Meter entfernten Berg und auf einen Punkt gerichtet, wo ein fast kreisrunder Feuerschein erschienen war –

Felsenherz überlegte. –

Kein Zweifel: Dieser feurige Kreis konnte nur dadurch entstanden sein, daß jemand einem brennenden, harzigen Fichtenast sehr schnell im Kreis herumschwang.

‚Also ein Signal!‛ dachte der junge Trapper. Und zwar ein Signal, das fraglos von einem Apachenspäher gegeben wurde!

Felsenherz sprang schon aus dem Sattel, ließ seinen Braunen, der indianische Dressur hatte, sich niederlegen und schritt zu Fuß dem Berg zu.

Der feurige Kreis erlosch sehr bald. Felsenherz merkte sich genau die Stelle, wo etwa der Apache gestanden haben mußte. Er war inzwischen bis auf dreihundert Meter nähergekommen.

Jetzt begann er zu kriechen. –

Nach einer Viertelstunde hatte er jene Stelle erreicht, wo die Fackel geschwungen worden war. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Mit allergrößter Vorsicht hatte er diesen Bergvorsprung erstiegen, neben dem rechts eine Gruppe Fichten stand. Nun lag er lang ausgestreckt zwischen ein paar Steinen und lauschte.

Die Fichten, zum Teil riesige Stämme, rauschten leise. Sonst war nichts – nichts zu hören.

Halt – da gurrte eine Wildtaube in den Bäumen –

Felsenherz lächelte grimmig –

Das war kein Vogel, nein, das war ein Mensch, der das Gurren nachahmte –!

Der junge Trapper drückte sich noch enger zwischen den Steinen zusammen.

Alle seine Sinne waren aufs äußerste gespannt –

Da – wieder das Gurren –

Und nun gewahrte er auch links von seinem Versteck auf einer Terrasse des Berges zehn Apachen, die wie Gespenster den Fichten zuhuschten. Sie kamen so dicht an ihm vorüber, daß er sie hätte mit der ausgestreckten Hand berühren können –

Und – wie Gespenster verschwanden sie nun im schwarzen Baumschatten –

Felsenherz griff für alle Fälle nach dem Tomahawk, jener so zierlich und sauber gearbeiteten Waffe, die ihm sein roter Bruder, der Häuptling der Komanchen, geschenkt hatte.

Minuten verstrichen. Dann tauchten die zehn Apachen wieder auf, eilten nach derselben Richtung davon und kletterten in die Prärie hin–unter, wo die milchige Dämmerung des Mondlichts sie bald verschluckte –

Felsenherz war gespannt, mit wem die Apachen sich dort in der Fichtengruppe getroffen haben könnten. Daß sie durch das Feuersignal herbeigerufen worden waren, erschien ihm gewiß, ebenso, daß das Gurren für sie das Zeichen gewesen, sich getrost näher heranzuwagen.

Wer aber hatte dieses Zeichen gegeben?! –

Dies mußte Felsenherz auf jeden Preis feststellen.

Er wartete geduldig. Und – wieder nach fünf Minuten trat aus den Tannen ein Weißer heraus, ein dunkelbärtiger, buckliger Mensch in einem blauen Leinenanzug –

Felsenherz beobachtete jede Bewegung dieser seltsamen Gestalt.

Merkwürdig – der Mensch hatte nicht mal eine Waffe bei sich! Und seine Kleidung glich genau der eines Heizers der plumpen Raddampfer, die im südlichen, zivilisierten Texas auf dem Rio Grande del Norte verkehrten –

Und doch, der blonde Trapper fand ebenso schnell heraus, daß dieser Mann, der hier mit den Apachen eine geheime Zusammenkunft gehalten hatte, ein vortrefflicher Westmann sein mußte. Die geschmeidigen Bewegungen, der wippende, lautlose Gang und das stete Drehen und Wenden des Kopfes mit den argwöhnischen Augen darin bewiesen, daß dem Fremden das Leben in der Wildnis nichts Neues war.

Felsenherz war rasch einig mit sich, was er tun solle: er mußte diesen Mann fangen! Es handelte sich hier ja ohne Zweifel um einen Spion der Mexikaner –

Der Fremde stand jetzt lauschend etwa drei Schritt vor des jungen Trappers Versteck, mit dem Rücken halb nach diesem hin.

Felsenherz hatte die Büchse schon vorher weggelegt –

Nun richtete er sich auf – mit äußerster Behutsamkeit –

Dann – ein Sprung – er streckte die rechte Hand aus, wollte zupacken –

Doch – hier hatte er es mit einem Gegner zu tun, der nicht so leicht zu fassen war –!

Der Bucklige hatte nur so getan, als hätte er das leise Schnarren von Felsenherz’ hirschledernem Jagdwams an den Steinen nicht gehört –

Jetzt bückte er sich blitzschnell –

Ein Fausthieb von unten traf des Trappers Herzgegend mit solcher Kraft, daß er halb ohnmächtig hintenüberfiel und mit dem Kopf hart aufschlug.

Für ein paar Minuten verlor er völlig die Besinnung.

Der Bucklige hatte unter der Jacke ein Messer hervorgerissen. Der blanke Stahl schien sich in des Wehrlosen Brust vergraben zu wollen.

Dann – schüttelte er den Kopf –

„Später!“ murmelte er. „Noch brauche ich ihn –“

Darauf hob er des Trappers Büchsenlauf, spannte die Hähne, nahm die Zündhütchen von den Pistons ab und – feuchtete die Löcher der Pistons mit Speichel so kräftig an, daß abzugebende Schüsse versagen mußten, steckte die Zündhütchen wieder auf und legte die Büchse an dieselbe Stelle zurück –

Der junge Billy saß noch immer auf dem Stein, rauchte seine Pfeife und ließ die Blicke hin und her eilen –

Ihm war nicht ganz behaglich zu Mute. Soeben hatte er draußen in der Prärie abermals so etwas wie ein paar flüchtige Schatten bemerkt.

„Der verdammte Professor wird wirklich noch um seinen Skalp kommen!“ brummte er. „Wo der Mensch nur bleibt! Ich möchte am liebsten den Skalpierten wecken. Die Sache hier ist alles andere, nur mir nicht geheuer!“

Dann vernahm er Schritte –

Ah – endlich tauchte der Gelbe auf!

„Master, habt ihr nun euer Kanarienvogelkostüm lange genug gelüftet!“ kicherte Billy. „Ihr könnt jetzt mal den Skalpierten son bißchen munter machen – hihihi! Ist nötig hier, Mann! Dort in der Prärie treibt sich irgendwas herum, das auf weiße Skalpe verdammt gierig ist! Werden wohl die Apachenhunde sein, die unser Lager vielleicht schon entdeckt haben –! –

Los, weckt den Skalpierten! –

Habt ihr denn Klapperschlangen gefangen?“

„Nur zwei, Billy, nur zwei!“ meinte der Gelbe mißvergnügt und hob den Ledersack hoch, in dem sich wirklich etwas bewegte.

Dann schritt er der kleinen Schlucht zu.

Billys Pfeife war ausgegangen. Er steckte sie in die Jackentasche, legte die Doppelbüchse über die Knie und beobachtete weiter.

Der Skalpierte kam zu ihm. „Wirklich was Verdächtiges bemerkt, Billy?“ fragte er.

Der dürre Trapper deutete in die Prärie hinaus.

„Dort an jenen Büschen war’s, Barnley,“ meinte er. „Meine Augen sind gut. Wette, es waren Kerle mit rotem Fell.“

Der Indianerhändler wollte etwas erwidern, wurde jedoch durch einen leisen Zuruf unterbrochen –

Hinter dem Stein hatte sich Felsenherz aufgerichtet –

„Stimmt, Billy!“ hatte der blonde Trapper durch diesen Zuruf Billys letzte Bemerkung beantwortet. „Es waren Indsmen, – zehn Apachen!“

„Verdammt!“ knurrte der Lange, „verdammt – das Anschleichen habt ihr raus, Felsenherz!“

„Ja – obwohl ich heut nicht gerade sehr bei Kräften bin,“ nickte der blonde Westmann ernst. „Mir hat da ein Mensch vor etwa zehn Minuten einen Jagdhieb versetzt, den ich noch jetzt spüre!“ –

Er schilderte sein Abenteuer auf der Westseite des Berges und fügte hinzu: „Wir tun gut, von hier zu verschwinden. Suchen wir einen Lagerplatz draußen in der Prärie. Dieser Hasen-Berg könnte sonst leicht eine böse Falle für uns werden.“ –

Kaum eine Viertelstunde später verließen die vier Gefährten die Schlucht, führten ihre Pferde in die Prärie hinab und ritten etwa eine Meile nach Osten zu bis an einen kleinen Bach, in dessen Uferbüschen sie eine gute Lagerstelle fanden.

Unterwegs hatte Felsenherz dem langen Billy, der neben ihm ritt, alles Nötige über des Komanchenhäuptlings neue Absichten und über seine eigenen Pläne als Kundschafter des Forts Kaven berichtet, ebenso hatte Billy ihm genau mitgeteilt, was er in der Prärie beobachtet hatte.

„Der verrückte Klapperschlangenonkel kann sich glücklich preisen,“ meinte er nun, „daß er seinen Skalp behalten hat! Der Mensch ist rein versessen auf das giftige Viehzeug. Er kam erst kurz vor euch zurück. Zwei Schlangen hatte er im Ledersack.“

„So – so –!“ murmelte Felsenherz zerstreut.

An dem neuen Lagerplatz übernahm dann der Skalpierte und Tom Pickparell die Wache.

Felsenherz hatte ein kleines Feuer angezündet. Billy lag auf dem Bauch und rauchte –

Die Büsche waren sehr dicht, so daß weder der Skalpierte noch der ‚Professor‛ sehen konnten, was der blonde Trapper jetzt tat.

Der hatte Toms Schlangensack ergriffen und betrachtete ihn beim Schein des kleinen Feuers.

„He – wollt ihr ‛ne Klapperschlange braten?!“ kicherte Billy.

In dem Sack bewegte sich etwas hin und her. Felsenherz schlug jetzt mit dem flachen Tomahawk ein paarmal auf den großen, dicken Lederbeutel, bis sich darin nichts mehr regte.

Dann schnürte er den Riemen oben auf und schüttete den Sack aus.

Drei harmlose große Natter fielen in das Gras. Sie waren tot. Die Beilhiebe hatten ihnen das Rückgrat mehrfach gebrochen.

Billy starrte auf die toten, ungiftigen Schlangen –

„Felsenherz, – was bedeutet das?“ flüsterte er.

„Das ihr diesem Pickparell nicht erzählen dürft, was wir in dem Sack fanden, Billy!“ meinte der blonde Westmann sehr ernst. „Später sollt ihr mehr erfahren – jetzt schlaft! Wir werden unsere Kräfte brauchen –!“

Billy schüttelte den Kopf. „Hm – mit dem Gelben scheint’s irgendwie nicht ganz sauber zu sein,“ brummte er. „Verdammt – wenn der Kerl etwa –“

„Schlaft! Ich werde schon aufpassen!“ sagte Felsenherz kurz.

Der lange Billy wickelte sich in seine Satteldecke und atmete auch wirklich sehr bald tief und ruhig –

Der junge Trapper saß allein sinnend am Feuer. Nach einer Weile stand er auf und ging nach der Stelle hinüber, wo er des gelben Sattel fand. Daneben lagen auch zwei Satteltaschen. Felsenherz durchwühlte sie, entdeckte jedoch zunächst nichts Verdächtiges. Dann aber fand er etwas, das ihm Gewißheit gab –

Und wieder saß er am Feuer, stierte in die Glut und überlegte –

Im Osten erschien der erste schwache Schimmer des neuen Tages. Die Dunkelheit begann zu weichen –

Felsenherz wollte jetzt die beiden Wachen ablösen. Am Tage genügte es, wenn nur einer die Umgebung beobachtete. Er schritt durch eine Lücke in den Büschen dem Prärierand zu –

Dort links stand, mit dem Rücken nach den Sträuchern, der Skalpierte, die Büchse lose im Arm –

Felsenherz näherte sich ihm lautlos und – völlig arglos.

Als er dann dicht hinter ihm war, fuhr sein Gefährte plötzlich herum –

Und Felsenherz sah das scheußlich bemalte Gesicht des großen Bären, des Oberhäuptlings der Apachen vor sich –

Ihm kann dies so überraschend, daß er ein paar kostbare Sekunden verlor –

Von hinten rissen ihn jetzt einem Dutzend Fäuste zu Boden. Hier half keine Gegenwehr; hier richtete selbst des blonden Trappers enorme Körperkraft nichts aus –

Ein Hieb mit dem Gewehrkolben traf zudem seine linke Schläfe, raubte ihm für einen Moment die Besinnung –

Als er wieder zu sich kam, saß er bereits eng gefesselt auf dem Rücken seines Braunen; neben ihm ritten zwei Apachen; und vor ihm der lange Billy, der Skalpierte und Tom Pickparell, ebenfalls auf ihren Tieren festgebunden.

Etwa vierzig Apachen waren’s, die die vier Weißen an dem Bach auf so listige Art einzeln überfallen hatten. An der Spitze des Zuges befand sich der große Bär, der seine Verkleidung wieder abgelegt hatte.

 

 

4. Kapitel.

Die Flucht.

Die Gruppe schlug die Richtung nach dem Berg der Hasen ein.

Felsenherz’ Gedanken arbeiteten fieberhaft. Er wußte, daß sein Brauner völlig frisch war und daß gegen dessen Schnelligkeit kein Indianermustang aufkam.

Absichtlich spielte er den durch den Kolbenhieb noch halb Betäubten weiter. Er erwog jede Einzelheit, jede noch so geringe Kleinigkeit.

Sein Pferd war durch Lassos an die Gäule seiner beiden neben ihm reitenden Wächter gebunden. Die Lassos hatte man an die Steigbügel des Braunen festgebunden.

Felsenherz versuchte jetzt, ob sich die Riemen, die ihm die Hände auf dem Rücken zusammenhielten, lockern ließen. Ganz allmählich drehte er, wenn dabei auch die Haut zerschunden wurde, dank seiner ungeheueren Muskelkraft die linke Hand aus den Schlingen heraus.

Der rechte Arm aber blieb gefesselt. Da nützte alle Anstrengung nichts. Ein Lasso hatte diese Hand noch an den Rücken festgepreßt.

Immerhin – ihm genügte auch die eine Hand!

Seine beiden Wächter hingen nach Indianerart schlaff und schläfrig auf ihren Gäulen.

Felsenherz drehte etwas den Kopf nach links. Der dort reitende Wächter trug das lange Skalpmesser mitten im Gürtel.

Dann drängte der Braune infolge eines leisen Schenkeldrucks seines Herrn nach links hinüber –

Felsenherz’ Arm zuckte wie ein Blitz vor – seiner Hand entriß dem Apachen das Messer –

Er bückte sich – Zwei Schnitte – Die Lassos fielen herab, und der Braune brach in riesigem Satz nach rechts aus.

Ein wahnwitziges Geheul erhob sich –

Fünf – sechs Schüsse knallten –

Der Braune schien über die Prärie dahinzufliegen. Mit leisem Wiehern warf er den Kopf hoch –

Felsenherz hatte seine Fesseln zerschnitten, schob das Messer in den Gürtel und ergriff die Zügel, duckte sich zusammen, machte sich möglichst leicht, klopfte seinem wackeren Tier den Hals –

Hinter ihm war die Hölle los –

Den anderen Apachen weit voran war der große Bär, der einen fahlbraunen Mustang ritt.

Er hatte sich Felsenherz’ Doppelbüchse angeeignet, hatte noch beide Schüsse im Lauf –

Da – der Braune war mit dem einen Vorderbein in das Loch des Erdhaus eines Präriehundes getreten, überschlug sich nach kurzem Stolpern –

Felsenherz hatte dies vorausgesehen, ließ sich schnell noch vor dem Sturz aus dem Sattel gleiten –

Der große Bär jagte mit gellendem Triumphgeschrei heran, war nur noch vierzig Meter entfernt, als Felsenherz sich wieder in den Sattel schwingen wollte –

Der Mustang des Apachenhäuptlings stand jetzt mit einem Ruck still. Der große Bär hob die Büchse des Trappers, zielte –

Felsenherz hatte den Kopf zurückgewandt –

Ein Schnalzen mit der Zunge, und der Braune tat einen Satz –, riß gleichzeitig den Reiter mit, und – Felsenherz hing jetzt halb hinter seinem Pferd –

Der Apache hatte zweimal abgedrückt – Die Hähne klackten auf die Pistons. Aber – beide Läufe versagten – da das Pulver in den Pistonlöchern noch naß war –

Der große Bär warf die Waffe weg, riß den Tomahawk aus dem Gürtel, unterließ den Wurf jedoch als zu unsicher –

Die Jagd ging weiter – Der Braune gewann einen immer größeren Vorsprung. Felsenherz schaute sich um. Jetzt wußte er, daß er entkommen würde; jetzt durfte er es wagen, den Braunen etwas verschnaufen zu lassen –

Etwa acht Apachen waren noch hinter ihm –

Nur acht! Und nur drei davon schienen, von dem Mustang des Häuptlings abgesehen, bessere Pferde zu haben –! –

Felsenherz ließ den Braunen eine Strecke traben, ritt abermals Galopp, wieder Trab –

Der große Bär war etwa dreihundert Meter entfernt; zweihundert Meter weiter zwei Apachen, dann wieder eine Strecke zurück die übrigen zwei. Die anderen waren umgekehrt.

Der junge Westmann hielt jetzt auf ein langgestrecktes Buschwerk zu, umritt die linke Ecke, sprang ab, drängte seinen braven Braunen in die Büsche und eilte zu Fuß wieder nach der Buschecke zurück, kroch auf allen Vieren vorwärts und erwartete das Nahen des Apachenhäuptlings.

Der große Bär sprengte heran, bog scharf um die äußersten Sträucher, stutzte, – den der Flüchtling war verschwunden; die Prärie leer.

Felsenherz war schon hinter dem Mustang des Apachen, schnellte hoch, saß auf der Kruppe des Indianergauls, schlug mit der geballten Rechten von der Seite zu –

Dumpf wie ein Hieb auf ein dickes Brett krachte die Felsenfaust dem Apachen gegen die rechte Schläfe –

Felsenherz schleuderte den Bewußtlosen aus dem Sattel, sprang hinterdrein, entriß ihm den Tomahawk, rannte zu seinen Braunen und ritt langsam den nächsten beiden Apachen entgegen.

Diese hatten genau beobachten können, wie ihr Häuptling wie leblos vom Pferd fiel. Der Name Felsenherz war außerdem bereits unter den Apachen so gefürchtet, daß diese beiden Rothäute es vorzogen, ihre Gäule herumzuwerfen und davonzujagen –

Felsenherz gab dem Braunen Schenkeldruck – die Entfernung verkürzte sich. Er mußte unbedingt seine Büchse wiederhaben, die einer der beiden Apachen aufgehoben und umgehängt hatte.

Die vier Verfolger hatten sich jetzt vereinigt, schienen kurz zu beraten. Felsenherz galoppierte ohne Scheu auf sie zu –

Der eine hob seine Flinte, schoß, – schoß vorbei –

Ein anderer hatte jetzt seinen Bogen gespannt, wartete, bis das Blaßgesicht ganz nahe heran sein würde –

Felsenherz Tomahawk sorgte dafür, daß der Rote nicht zum Schuß kam –

Das Schlachtbeil wirbelte plötzlich durch die Luft, traf den Apachen vor die Brust –

Dann war der Braune schon vor den drei anderen, die ihre Wurfbeile nicht zu schleudern wagten, um diese Waffen nicht aus der Hand zu geben –

Der Braune schnellte empor, im Sprung über den einen Mustang hinweg, schleuderte den Reiter in das Gras, riß das andere Pferd um –

Der vierte Apache sprengte wie gehetzt von dannen.

Felsenherz hatte im nächsten Augenblick seine Büchse zurück, sah im Gürtel des durch den Beilwurf schwer Verletzten seinen eigenen Tomahawk stecken –

Der Braune galoppierte schon nach der Buschreihe zurück. Und gleich darauf hatte der blonde Trapper den Häuptling auf dessen Mustang gefesselt und ritt im Trab nach Norden zu, wo ein kahler, niederer Höhenzug die Prärie überragte.

Als Felsenherz die ersten steinigen Ausläufer der Hügelkette erreicht hatte, stieg er ab, zerschnitt die Satteldecke des großen Bären und umwickelte den beiden Pferden die Hufe, indem er in die Stücke der Decke noch Grasbüschel hineinlegte, um die Hufschuhe noch weicher zu machen.

Dann ging es weiter, immer am Rande des Hügels entlang, wo der Boden keine Spuren aufnahm.

Der große Bär war längst wieder zu sich gekommen und hatte dann lediglich seinen Empfindungen durch den Ausdruck Luft gemacht:

„Felsenherz ist ein berühmter Krieger!“

Jetzt, als dieser mit seinem Gefangenen in ein felsiges Tal einlenkte, sagte der Apache abermals:

„Das Blaßgesicht ist ein großer Krieger. Der Häuptling der Apachen wird für Felsenherz ganz besondere Qualen ersinnen, wenn der junge Trapper am Marterpfahl steht.“

„Darauf wirst du wohl noch etwas warten müssen, großer Bär,“ erwiderte Felsenherz trocken. „Vorläufig bist du mein Gefangener und nicht umgekehrt. Wollen sehen, was Oberst Douglas mit dir in Fort Kavett anfängt. Vielleicht läßt er dich aufhängen.“

Über des Apachen Gesicht lief ein Ausdruck versteckten Hohnes hin, als Felsenherz das Fort erwähnte.

Dem blonden Westmann war dies nicht entgangen. Er sagte sich sofort, daß dieses höhnische Aufleuchten der Augen des großen Bären einen besonderen Grund haben müsse.

Er war gewarnt. Er argwöhnte, daß vielleicht eine andere Apachenabteilung das Fort anzugreifen beabsichtigte und dorthin bereits unterwegs sei –

Nach einer halben Stunde nahm er dann den Pferden die Hufschuhe ab und schwenkte nach Nordwest ein. –

Die Sonne stieg höher und höher. Gegen Mittag erreichte er einen breiten Bach, der ihm gestattete, eine Weile im Wasser entlangzureiten, um seine Spur abermals zu verwischen.

Gerade als er dann auf steinigem Boden einer Anhöhe zuhielt, wurde er angerufen –:

„Halt! Woher und wohin?“

Aus einem Steinhaufen starrten ihm zwei Flintenläufe entgegen.

„Gut Freund!“ rief er zurück. „Seid ihr vielleicht eine vorgeschobene Wache aus Fort Kavett? –

Ich nenne mich Felsenherz, und –“

Hinter den Steinen hatten sich jetzt zwei uniformierte Texaner erhoben.

Gleich darauf befand sich Felsenherz in dem verschanzten Lager dieses dreißig Mann starken Vorposten, der unter dem Befehl Kapitän Tobblers stand.

 

 

5. Kapitel.

Undank ist der Welt Lohn –

„Ah, der berühmte Master Felsenherz!“ begrüßte Tobbler den jungen Trapper mit deutlichem Spott. „Und einen Apachenhäuptling bringt ihr auch gleich mit! Das wird den Oberst freuen, der leider schon weiter nach dem Fort geritten ist und nur mich hier auf diesen wichtigen Posten zurückgelassen hat. Wir trafen nämlich auf eine starke Streifpatrouille der unseren, und auf Rat eines alten Westmannes, den ihr gleich kennen lernen werdet, wurde dieses Lager schnell errichtet. –

Wie gefällt es euch, Felsenherz? In diesem auf einem kahlen Hügel gelegenen Verhau können wir ein paar hundert Apachen Widerstand leisten.“

Felsenherz schaute sich jetzt erst genau um. –

Das befestigte Lager bestand aus Wällen von frisch gefällten Baumstämmen, die ein großes Viereck bildeten und durch Stützen abgesteift worden waren.

„Ihr schweigt?!“ lachte der Kapitän. „Ist unser Kundschafter mit der Anlage nicht zufrieden?!“

Felsenherz nahm auch die Bemerkung gelassen, meinte nur:

„Master Tobbler, wenn ich hier etwas zu befehlen hätte, würde ich allerdings manches ändern.“

Auf die beiden trat jetzt ein grauhaariger, verwitterter Mann zu, dem man den Trapper auf den ersten Blick ansah.

„Hier – dies ist Jonny Einaug, ein Westmann von Ruf,“ stellte Tobbler vor. „Und dies, lieber Jonny, ist der – hm ja – der berühmte Felsenherz, jetzt Kundschafter in texanischen Diensten.“

Jonny Einaug verdiente seinen Namen mit Recht. Er besaß nur noch das linke Auge. Das rechte war mit einem Pflaster überklebt.

Der Alte beschaute sich Felsenherz von oben bis unten, spuckte aus und meinte:

„Von diesem ‚berühmten‛ Felsenherz hat weder mein linkes noch mein rechtes Ohr je was gehört. Lange könnt ihr noch nicht in den Prärien sein, old Boy, – denn ich hätte euch sonst doch mal getroffen.“

„Ich bin jetzt genau vier Monate Trapper,“ entgegnete Felsenherz gleichmütig. „Daß ich berühmt bin, habe ich noch nie behauptet. –

Wollt ihr den Häuptling nach Fort Kavett schaffen lassen, Kapitän?“

„Ja. Morgen früh geht eine Patrouille dorthin ab. Die mag ihn mit–nehmen,“ erklärte Tobbler unfreundlich.

„So, dann hätte ich euch nur noch zu warnen,“ sagte Felsenherz darauf. „Mir scheint, es ist noch eine zweite Abteilung Apachen im Anmarsch.“–

Er erzählte kurz, wie er auf diese Vermutung gekommen sei.

Jonny Einaug spuckte wieder aus, lachte und meinte:

„Junge, Junge, ihr seht Gespenster! Ich bin in den letzten Tagen beinahe bis an den Rio Pecos in nordwestlicher Richtung vorgedrungen und dann im Bogen nach Süden zum Fort Kavett zurückgekehrt. Und ich habe keine einzige Fährte eines größeren Trupps des roten Gesindels gefunden. Nein – nur die eine Abteilung dort südöstlich des Hasen-Berges ist über den Pecos vorgedrungen. Auf Jonnys eines Auge ist mehr Verlaß als auf ein ganzes Dutzend von Greenhorns!“

Über diese Anspielung lachte Kapitän Tobbler aus vollem Hals.

Felsenherz tat, als wäre dieses ‚Dutzend Greenhorns‛ nicht auf ihn gemünzt gewesen. Er hatte sich mit dem linken Unterarm auf die Mündung seiner langen Doppelbüchse gestützt und beobachtete still das Lagerleben. Die Texaner hatten Zelte aufgeschlagen. Davor brannten Feuer, über denen Hirschkeulen brieten. Andere kochten Kaffee, reinigten ihre Waffen, rauchten und schwatzten.

Felsenherz sah es den meisten der Texaner an, daß sie aus den größeren Ansiedlungen stammten und die Uniform des Freiwilligenkorps erst kurze Zeit trugen. –

Das Lager bot ein Bild von Sorglosigkeit dar, wie es zu den ganzen Umständen wenig paßte.

„Na, wollt ihr nicht etwas essen?“ fragte Tobbler den jungen Trapper nun in demselben hochfahrenden Ton, der diesem eingebildeten Menschen eigen war.

Felsenherz verneinte. „Ich werde sofort wieder aufbrechen,“ fügte er dann hinzu. „Meine Freunde Billy und Barnley, der Skalpierte, befinden sich in der Gewalt der Apachen. Es ist meine Pflicht, sie zu befreien.“

Jonny Einaug war bei der Erwähnung dieser bekannten Namen leicht zusammengezuckt.

„Nur um eins möchte ich euch noch bitten, Kapitän,“ fuhr Felsenherz ebenso gleichmütig fort, ob wohl der alte Trapper Jonny ihm jetzt durchaus nicht mehr so ganz harmlos erschien. „Der große Bär, laßt Oberst Douglas bestellen, ist mein Gefangener und soll nötigenfalls gegen meines roten Bruders Schwester eingetauscht werden. Der Oberst wird, soweit ich ihn kennen, hierauf Rücksicht nehmen und den Apachenhäuptling nicht etwa erschießen oder aufhängen lassen. –

Ihr versprecht mir, Kapitän, daß dem Oberst dies ausgerichtet wird?“

„Meinetwegen! Aber Douglas wird sich um des schwarzen Panthers Familien sorgen verdammt wenig kümmern, glaube ich!“ lachte Tobbler roh und gefühllos. „Außerdem dürft ihr nicht vergessen, Felsenherz, daß ihr jetzt nicht mehr euer freier Herr seid und daß ihr als Kundschafter von Fort Kavett den Apachen gefangen genommen habt. Mithin gehört der Gefangene ausschließlich uns, euren jetzigen Vorgesetzten. Und als euer Vorgesetzter befehle ich euch, das Lager hier nicht zu verlassen, bis Oberst Douglas einen besonderen Auftrag für euch hat.“

Des blonden Trappers helle Augen ruhten einen Augenblick erstaunt auf dem wenig sympathischen Gesicht Tobblers. Dann lächelte er ganz wenig und erwiderte kalt:

„Ich lasse mir von niemandem etwas befehlen. Ich bin freiwillig Kundschafter bei Oberst Douglas geworden – ohne Bezahlung. Ich möchte niemandem raten, mich festzuhalten.“

„Oho!“ brauste der Kapitän auf. „Das klingt ja wie eine Drohung! Ich werde euch beweisen, Bursche, daß nur ich hier –“

Felsenherz’ Augen hatten sich verkleinert. Ein schneller Blick glitt zu seinem Braunen hinüber, der wenige Schritte von ihm ab das ihm vorgeworfene saftige Gras fraß.

Tobbler brach jetzt mitten im Satz ab und brüllte:

„Haltet ihn – haltet ihn –!“

Felsenherz saß schon im Sattel seines treuen Pferdes, das mit zwei langen Sätzen den Ausgang des Lagers erreichte. Die schwere Balkentür stand weit offen.

Die Posten am Fußende des Hügels begriffen nicht sofort, was hier vor sich ging. Felsenherz jagte an ihnen vorüber und dann nach Südwest in die Prärie hinaus.

Als er die erste Anhöhe erreicht hatte, gewahrte er drei Reiter, die auf ziemlich abgetriebenen Pferden ihm entgegen kamen. Er traute seinen Augen nicht: Es waren Billy, der Skalpierte und der Klapperschlangenjäger – alle drei ohne jede Waffe, also offenbar den Apachen auf ähnliche Weise entflohen wie Felsenherz selbst.

Jetzt hatte der lange Billy ihn erkannt, stieß einen schrillen Jagdruf aus und setzte seine famose Himmelsziege, dieses maultierähnliche, mit Leder überzogene Knochengestell, im Trab.

Dann hielt er dicht vor Felsenherz an, breitete die Arme aus und brüllte mit strahlender Miene:

„Mann, Junge, Felsenherz! Wir haben euretwegen derart Angst geschwitzt, daß mein Jagdhemd hinten noch immer zum Auswringen ist! Wir sahen, wie euer Brauner stolperte und sich überschlug, wie ihr aus dem Sattel flogt! Die bei uns dreien zurückgebliebenen Apachen heulten vor Freude wie die Teufel! Na – und da haben wir eben euer Beispiel befolgt und sind auf gut Glück ebenfalls davongejagt. Wir hatten auch einen Riesendusel: Die Apachengäule waren alles andere nur nicht trainiert, und so kam’s denn, daß wir drei nach einer Jagd von mehreren Stunden die rote Meute abgeschüttelt hatten.

Dann haben wir uns gegenseitig die Fesseln abgenommen und sind weiter geritten, wollten nach Fort Kavett, um uns Schießprügel zu borgen und euch wieder heraushauen, old Boy!“

Der Skalpierte und der gelbe Tom gaben ihrer Freude über dieses Wiedersehen in ähnlicher Weise Ausdruck.

Während die vier noch auf dem Hügel hielten, kam von dem befestigten Lager her Jonny Einaug angesprengt. Der alte Trapper ritt einen kohlschwarzen Indianermustang, einen Rappen von so tadellosem Gliederbau, daß Felsenherz das wundervolle Tier schon von weitem mit einem gewissen Argwohn musterte.

Dann zügelte Jonny den Rappen und rief Felsenherz zu:

„He, Master, Kapitän Tobbler bittet euch, zurückzukehren. Er sieht ein, daß er sich im Ton euch gegenüber etwas vergriffen hat. Wette, er fürchtet, vom Oberst einen gehörigen Rüffel zu bekommen.“

Er hatte die letzten Meter im Schritt zurückgelegt, prallte jetzt zurück, als er den langen Billy erkannte, und zischte wütend:

„Ah, ihr habt da schon eure Freunde wiedergefunden! Dann bin ich hier wohl überflüssig –!“

Er wollte umkehren. Felsenherz hatte jedoch den schwarzen Mustang schon am Zügel ergriffen –

„Halt, Jonny!“ meinte er mit harter Stimme. „Eine Frage nur: Wo habt ihr dieses Pferd her?“

„Verdammt – was geht euch das an!“ brüllte der einäugige Alte. „Hand von Zügel, – oder –“

Der lange Billy hatte seine Himmelsziege zu einem kurzen Satz ermuntert, packte Jonny am Arm und sagte drohend:

„Ich denke, wir kennen uns, alter Halunke! Felsenherz hat ganz recht: Den Rappen habt ihr gestohlen! Der gehört dem Komanchenhäuptling Chokariga, dem schwarzen Panther!“

„Pest!“ fluchte Jonny. „Als ob es nicht genug schwarze Pferde gibt! Ihr seid verrückt! – Hände weg, oder –“

Felsenherz kannte die indianische Dressur des Mustangs seines roten Bruders ganz genau, rief dem Tier jetzt zu:

„Tscharma – basch1!“

In demselben Moment spitzte der Rapper die Ohren –

Dann – stieg er blitzschnell vorn hoch, daß er fast kerzengerade auf den Hinterbeinen stand, ließ sich wieder nach vorn fallen, sank halb in die Knie, und – Jonny flog über den Kopf des Pferdes hinweg in den Sand, während dieses sich nun gehorsam auf die Seite legte –

Billy kicherte –:

„Hihihi – seht ihr, alter Pferdedieb! Da haben wir ja den Beweis, daß es des schwarzen Panthers Mustang ist!“

Jonny war aufgesprungen, wollte nach seiner Doppelbüchse greifen, die zu Boden gefallen war. Doch Billy hatte sich schon gebückt und das Gewehr aufgehoben, kicherte wieder und meinte:

„Alter Gauner, endlich findet diese brave, ehrliche Flinte ihren wahren Herrn wieder! Vor einem Jahr stahlt ihr sie mir dort oben im Felsengebirge, ihr einäugiger Schuft! Monatelang habe ich damals nach euch gesucht! Macht, daß ihr verschwindet! Oder, so wahr ich der lange Billy heiße – ich schieße euch noch ein zweites Loch in den Schädel, daß ihr euch schwarz bepflastern könnt!“

Auch der Skalpierte meldete sich jetzt: „Dieser Mann hat mich einst auszuplündern gesucht! –

Billy, brennt ihm eins auf den Pelz, falls er nicht sofort verduftet!“

Der Einäugige lief jetzt wirklich hastig davon. Aber Felsenherz war es nicht entgangen, daß er noch mit dem gelben Tom einen vielsagenden, heimlichen Blick ausgetauscht hatte. –

Hundert Meter ab blieb Jonny stehen, drohte mit der Faust herüber und brüllte: „Ich werd’s euch anstreichen, ihr Schurken! Einem ehrlichen Mann Büchse und Pferd zu stellen! Unglaublich! Der Strang gebührt euch dafür!“

Er hätte diese Unverschämtheit wohl kaum gewagt, wenn er nicht gesehen hätte, daß sich von dem befestigten Lager jetzt drei Reiter im Galopp näherten. Der vorderste war Kapitän Tobbler; die beiden anderen trugen die Abzeichen der Unteroffiziere des Freiwilligenkorps.

Felsenherz wandte sich an Billy –

„Ich denke, wir weichen einem Zusammenstoß mit den Texanern besser aus! Dieser Tobbler ist ein jähzorniger, törichter Mensch –“

„Mir schon recht!“ nickte Billy. –

Und auch der Skalpierte meinte: „Der alte Schuft wird Tobbler gehörig anlügen und diesem so Gelegenheit geben, sich weiter an euch zu reiben, Felsenherz!“

Nur der gelbe Tom sagte etwas kleinlaut: „Ich möchte doch lieber jetzt in kultivierte Gegenden zurückkehren. Vielleicht einmal auf Wiedersehen –!“

„Lebt wohl!“ rief der Skalpierte als einziger ihm zu. Felsenherz jagte mit des schwarzen Panthers Mustang bereits davon, und Billy auf seiner Himmelsziege war dicht hinter ihm –

Tobbler und die beiden Texaner machten dann mit Jonny und Tom Pickparell kehrt –

Die drei Gefährten ritten sehr bald im Schritt weiter. Die Sonne stand gerade über ihnen. Kein Luftzug regte sich. Über der endlosen Prärie lastete eine drückende Hitze.

„Was nun?“ fragte Billy, nachdem er sich seine Pfeife angezündet hatte. „Es ist klar, daß unserem Freund, dem schwarzen Panther irgend etwas zugestoßen ist. Wenn nur Barnley eine Büchse hätte! Dann wären wir unserer drei und könnten –“

Felsenherz unterbrach ihn. „Billy, eine Büchse für Barnley, Pulver und Blei werden wir sehr bald haben! Wir werden jetzt in diesem Bach eine Meile nordwärts reiten, um unsere Pferde zu verwischen, werden dann eine Stunde lagern und nachher im Bogen nach Osten unseren Weg fortsetzen.

Ich werde euch beweisen, Freunde, daß dieser Tobbler ein blinder Dummkopf ist! Wartet ab, was passiert, und fragt jetzt nichts mehr!“

Billy kicherte und blinzelte den blonden Trapper pfiffig an –

„Weiß schon, weiß schon, old Boy! Der gelbe Tom ist ein Kerl, der mit uns ein böse Spiel trieb und nur zum Schein von den Apachen mit gefangen genommen wurde!“

„Gut Billy – aber ihr wißt nicht alles! Wartet ab! Ich bin überzeugt, daß wir noch heute den großen Bär in sehr ehrenwerter Gesellschaft wiedersehen werden!“

 

 

6. Kapitel

Der Kampf im Kanon

Vier Stunden später verließen vier Reiter und ein auf ein fünftes Pferd gefesselter Indianer das Lager Kapitän Tobblers. Zwei der Reiter waren Soldaten des Freiwilligenkorps, die beiden anderen Jonny Einaug und der Klapperschlangen-Tom.

Die Soldaten hatten den Apachenhäuptling zwischen sich, dessen Mustang an die Pferde seiner Wächter durch Lassos angebunden war. –

Unter dieser Bedeckung sollte der große Bär nach Fort Kavett geschafft werden, und Jonny war es gewesen, der Tobbler dies vorgeschlagen hatte.

Der alte Trapper und Tom Pickparell ritten etwa dreißig Schritt hinter den dreien her und unterhielten sich flüsternd:

„Wenn die Apachen nun wirklich inzwischen hier angelangt sind –!“ meinte Jonny zweifelnd.

„Keine Sorge!“ erwiderte der angebliche Naturforscher. „Zum mindesten sind die Späher schon in der Nähe gewesen und haben unseren Abmarsch beobachtet. Und wenn’s nur zehn Krieger wären – sie genügend reichlich, die beiden Burschen da runterzuknallen und den Häuptling zu befreien. Wir beide fliehen dann nach dem Lager zurück und übernehmen die Wache zwischen zwölf und drei Uhr nachts. Tobbler mit seinen Leuten wird so ohne Gegenwehr den Apachen in die Hände fallen, wenn wir zu spät als Wachen Alarm schlagen.

Die Sache muß glücken! Dieser Kapitän ist ja ein viel zu großer Schafskopf, als daß er Lunte riechen könnte. Ein wahres Glück außerdem, daß Felsenherz und die beiden anderen Kerle nun wahrscheinlich nach dem schwarzen Panther suchen werden!

Ha ha – laß sie nur suchen! Wird ihnen wohl den Skalp kosten, dieses herumschwänzeln!“

Auch Jonny Einaug feixte höhnisch. „Stimmt, Tom, – der Komanchenhäuptling ist fein aufgehoben! Wenn wir dann erst unseren Sack mit Nuggets von den Mexikanern erhalten haben, kehren wir dem wilden Westen für alle Zeit den Rücken –!“

Er blickte plötzlich scharf nach rechts hinüber, wo sich eine Reihe einzelner Felsen hinzog, die offenbar am Rande eines ausgetrockneten, steinigen Flußbettes lagen, wie man diese Erdeinschnitte in den Prärien so häufig antrifft.

„Hm,“ meinte er, „müßte mich verdammt geirrt haben, wenn nicht dort drüben soeben ‛n Rothaut über den einen Stein hinweggelugt hat! Wird wohl ‛n Apache gewesen sein –

Ah – da ist der Kopf wieder!“

Auch der gelbe Tom hatte den Indianern jetzt erspäht, hob die Hand und winkte, worauf der Kopf wieder verschwand.

„Es war der springende Wolf, der alte Unterhäuptling der Apachen,“ erklärte Tom leise. „So – dann ginge ja also alles nach Wunsch! Dort vor uns beginnen schon die sogenannten Kavett-Berge. Und – wenn der springende Wolf schlau ist, überfällt er uns in dem Engpaß, der durch die Berge nach der jenseitigen Savanne führt.“ –

Während dieses Gesprächs zwischen den beiden hartgesottenen Schurken, die aus Geldgier für die Mexikaner Spionendienste leisteten, hatte links von dem kleinen Reitertrupp in einem dünnen Waldstreifen Felsenherz mit seinen beiden Gefährten gehalten.

„Verdammt!“ flüsterte der lange Billy jetzt, „der Schuft von Klapperschlangenjäger hat wahrhaftig der Rothaut drüben mit der Hand ein Zeichen gegeben! Felsenherz, mir wird jetzt so Verschiedenes klar! Es soll den beiden Soldaten an den Kragen gehen, und –“

„Reiten wir weiter!“ fiel der blonde Trapper ihm ins Wort. „Wir müssen ständig neben diesen Halunken bleiben. Der große Bär darf uns nicht entkommen. Ich vergieße ungern Blut. Aber so, wie die Dinge hier liegen, wird es ohne ernsten Kampf kaum abgehen.“

Da mischte sich der Skalpierte in das Gespräch.

„Drüben in den Kavett-Bergen gibt es einen Kanon, der als Paß benutzt wird. Jenes Flußbett aber, in dem die Apachen stecken, zieht sich im Bogen bis an die Berge heran. Die Roten können also ungesehen bis an den Kanon gelangen, der für einen Überfall tadellos geeignet ist.“

„Dann im Galopp weiter!“ rief Felsenherz leise. „Wir müssen die ersten dort am Kanon sein!“

Sie sprengten, durch die Bäume und Büsche gedeckt, davon.

Leider aber hörte der Waldstreifen nur zu bald auf. So waren sie denn gezwungen, nach Norden in einem Tal ihren Weg fortzusetzen, um nicht bemerkt zu werden.

Der Bogen, den sie so beschreiten mußten, kostete sie viel Zeit. Als sie dann den zerklüfteten Kavett-Bergen sich näherten, war der andere Trupp mit dem Gefangenen bereits verschwunden.

Felsenherz und Billy sprangen von den Pferden, und ersterer rief dem Skalpierten zu: „Barnley, ihr haltet die Tiere! Führt sie dort in jene Schlucht. Wir müssen zu Fuß weiter. Die Pferde hindern uns nur.“

Die beiden eilten nach rechts ein Quertal entlang, das sie in die Nähe des Kanons bringen mußte. Sie bogen dann jedoch nicht etwa in diesen ein, sondern erklommen die linke Steilwand und liefen an dem von Dornengestrüpp bedeckten Rand weiter.

Plötzlich vor ihnen aus der Tiefe hervor der Knall von Schüssen, denen ein mehrfaches Echo folgte –

„Zu spät!“ knirschte Billy. „Die armen beiden Texaner! Wartet, Hunde, – wir zahlen’s euch heim!“

Felsenherz und Billy gaben sich jetzt keine Mühe mehr, sich zu verbergen.

Die Kanonwand machte eine scharfe Ecke –

Und nun hatten die beiden Trapper dort fünf Meter unter sich ein Bild vor Augen, wie es nur hier im Westen möglich war, wo neben dem ehrlichen Pelzjäger, Goldsucher oder Farmer sich außer den Rothäuten allerlei verkommenes weißes Gesindel umhertrieb –

Die beiden Wächter des großen Bären waren von acht in Kanon verborgen gewesenen Apachen ganz überraschend aus dem Sattel geknallt worden –

Der eine war sofort tot. Der andere aber, ein breitschultriger Riese mit langem blonden Vollbart, hatte sich trotz dreier Kugeln, die ihn getroffen hatten, noch schnell in eine enge Felsspalte geflüchtet, aus der heraus er zwei der Apachen niederschoß, bevor der Blutverlust ihm die Besinnung raubte.

Und gerade jetzt zerrten zwei Apachen den Verwundeten aus der Spalte an den Beinen hervor; gerade jetzt wollte der Einäugige des Apachenhäuptlings Fesseln aufknoten –

Der lange Billy riß die alte treue Büchse, die er nun endlich wieder in den Händen hielt, hoch, zielte kurz und drückte ab –

Jonny tat einen Sprung kerzengerade in die Höhe und fiel dann regungslos nach vorn auf das Gesicht –

Felsenherz’ erste Kugel aber galt dem springenden Wolf, der schon des blonden Texaners Kopfhaar gepackt hatte und den noch Lebenden skalpierten wollte.

Inzwischen hatte Billy einen zweiten Apachen niedergeschossen, ergriff jetzt sein langes Jagdmesser und schleuderte es einer dritten Rothaut, die gerade auf ihn anlegte, mitten in die nackte Brust –

Die Kugel traf Billys Hutkrempe – der Hut flog ihm vom Kopf –

Noch lebten drei Apachen und der gelbe Tom. Dieser war hinter eins der Fährte gesprungen, zielte jetzt auf Felsenherz, der noch die zweite Kugel im andern Lauf hatte –

Billy brüllte warnend: „Zur Seite, Felsenherz!“

Die Warnung vor überflüssig gewesen. Der junge Trapper sprang – sprang aber nicht zur Seite, sondern mit mächtigem Schwung von der Kanonwand ergab mitten unter die drei Apachen, die sich jetzt erst von dem ersten Schreck erholt und zu ihren Wurfbeilen gegriffen hatten –

Gerade als der gelbe Tom abdrückte, riß Felsenherz schon einen der Roten zu Boden, ließ die Büchse fallen und holte mit dem Tomahawk aus –

Drei Sekunden später waren diese letzten Apachen ebenfalls erledigt.

Nur Tom Pickparell, der Spion, schien jetzt entkommen zu wollen. Er hatte sich auf sein Pferd geschwungen, jagte in Karriere davon –

Felsenherz bückte sich, hob die Büchse auf, deren linker Lauf noch geladen war –

Der Flüchtling bog in dem Kanon um die nächste Ecke. Für einen Moment wurde so der Kopf seines Pferdes sichtbar –

Ein Feuerstrahl fuhr aus der Büchsenmündung hervor – das Pferd prallte, wie durch einen Kolbenhieb getroffen, zurück, brach zusammen – Tom lag mit dem rechten Bein unter dem durch den Schädel geschossenen, sich noch ein paarmal im Todeskampf hin und her wälzendem Tier.

Felsenherz stand schon neben ihm –

Tom Pickparells hinterlistige Augen leuchteten auf. Seine Hand riß die Pistole aus dem Ledergürtel –

Die Mündung berührte fast des jungen Westmanns Brust –

„Stirb, Hund!“ zischte Pickparell haßerfüllt und drückte ab –

Doch – den Bruchteil einer Sekunde vorher hatte Felsenherz’ rechter Fuß den erhobenen Arm getroffen, und die Kugel ging dicht über des Trappers Schulter hinweg –

Ein Fausthieb warf dann den Spion der Mexikaner bewußtlos auf den Felsboden.

Oben am linken Rand der Kanonwand war jetzt der Skalpierte erschienen –

„Felsenherz, Billy – von Nordwest her sind einige zweihundert Apachen im Anmarsch!“ rief er den Freunden zu. „Ich bringe die Pferde hierher. Wir haben keine Sekunde zu verlieren –!“ –

Felsenherz warf den besinnungslosen Tom über die Schulter und schritt dem nahen Kampfplatz zu.

„Der Texaner ist soeben verschieden,“ meinte der lange Billy mit ernstem Blick, indem er auf die Leiche des Blondbärtigen deutete. „Ich denke, wir nehmen die beiden Toten ebenfalls mit, damit die nahenden Apachen sie nicht verstümmeln. Flink – binden wir sie auf ihre Pferde! –

Felsenherz, nehmt den Roten die Kugelbeutel und die Pulverhörner weg. Auch ein Messer für Barnley und Jonnys Büchse dort, die ein leidlicher Schießprügel zu sein scheint –!“

Jetzt tauchte auch schon der Skalpierte mit den Pferden auf. Und wenige Minuten später waren auf dem Kampfplatz nur noch die Leichen der acht Indsmen und die des Einäugigen zu sehen –

Die drei Gefährten ritten mit ihren Gefangenen in scharfem Trab den Kanon entlang. Sie hatten dessen Einmündung in die Prärie noch nicht erreicht, als hinter ihnen ein von den Felswänden vielfach zurückgeworfenes wahnwitziges Gebrüll ertönte –

Der Skalpierte deutete jetzt nach links in eine Abzweigung des Kanons hinein –

„Dorthin!“ rief er. „Es ist für uns die einzige Rettung! Die Apachen sind uns zu dicht auf den Fersen!“

Felsenherz lenkte seinen Braunen in die enge Schlucht, die bald breiter wurde und dann nach Norden zu sanft anstieg.

Der Skalpierte übernahm die Führung. Es ging jetzt am Rande eines Abgrundes auf einem kaum meterbreiten Felsgrat entlang. Der noch immer auf seinem Mustang gefesselt dasitzende Apachenhäuptling, der sich jetzt wieder in der Gewalt seines Überwinders befand, suchte seine Krieger durch ein paar gellende Schreie auf die Fährte der Flüchtlinge zu bringen.

Der lange Billy kicherte jedoch höhnisch –:

„Brüll nur, roter Halunke! Die Berge verändern die Richtung des Schalles derart, daß deine Krieger durch dieses Konzert um nichts schlauer werden!“

Der gefährliche Pfad senkte sich in ein breites Tal hinab. Hier ging es im Galopp weiter nach Norden zu. Und abermals bog der Skalpierte in eine Seitenschlucht ein, deren nacktes Gestein nur schwer eine Fährte annahm.

Diese Flucht mündete nach Nordost zu auf die Prärie und ging in eine flache, steinige Bodensenkung über, in der man die Pferde tüchtig ausgreifen lassen konnte.

Die Sonne war bereits untergegangen. Die ersten Abendschatten breiteten sich über die Savanne aus. Noch anderthalb Stunden ritten die Flüchtlinge bald im Trab, bald im Schritt weiter, bis es völlig finster geworden und man ein Gehölz erreicht hatte, das von einem klaren Bächlein durchflossen wurde.

Hier machte Felsenherz halt; hier wurden der Apache und der gelbe Tom aufrecht an Bäume gebunden; hier fanden auch die beiden Texaner ihr einsames Grab unweit dieses Lagerplatzes.

Der lange Billy hatte noch vorsichtshalber die Umgebung des Gehölzes abgesucht, jedoch nichts Verdächtiges entdeckt.

So wurde denn ein Feuer angezündet, über dem die Freunde ein paar Fische brieten, die der Skalpierte in dem Bach mit dem Tomahawk beim Schein einer harzigen Baumastfackel gefangen hatte.

Als die einfache Mahlzeit vorüber war, erhob sich Felsenherz und führte den an den Händen gefesselten Tom an das Feuer und band ihn hier sitzend an einen Baumstumpf an.

„Tom Pickparell,“ begann er nun, „Jonny Einaug hat euch fraglos erzählt, wie er in den Besitz des Mustangs meines roten Bruders Chokariga gelangt ist. Berichtet mir, was ihr darüber wißt!“

Tom grinste frech. „Ihr seid doch so schlau! Sucht nur nach dem Komanchen!“ meinte er höhnisch.

Felsenherz warf ein paar trockene Äste in das Feuer. Dann fuhr er fort:

„Pickparell, ich warne euch! Ihr wißt, daß ich noch vor drei Monaten ein friedlicher, harmloser Ansiedler war, daß plötzlich aber Apachen vom Unterstamm der Mescaleros die Farm meines Onkels niederbrannten, daß meine Braut ebenso wie alle meine Verwandten ermordet wurden mit Ausnahme meiner Schwester Anna. Seit jenem Schreckenstag ist mein Herz hart geworden, hart wie mein Vatername Felsen. Harry Felsen hieß ich einst, jetzt – Felsenherz! –

Tom Pickparell, wie kam der Einäugige in den Besitz des Mustangs?“

Tom lachte und höhnte. „Fragt doch Jonny!“

Da packte Felsenherz zu und riß Pickparell die Stiefel von den Füßen. Dann stoppte er ihm einen Knebel in den Mund –

Billy kicherte –

„Ah – verstehe, old Boy! Werden dem Halunken etwas die Zehen anwärmen! Hat’s verdient, der Schuft –!“ –

Und er nahm die Unterschenkel Toms und schwenkte sie mit unwiderstehlicher Kraft zur Seite, so daß die Füße in die Glut fielen –

Tom Pickparell zog sie mit verzweifelter Anstrengung zurück. Und doch hatte er bereits schwere Brandwunden an den Hacken und den Sohlen.

Der wahnsinnige Schmerz trieb ihm die Tränen aus den Augen.

Felsenherz fragte kurz: „Wollt ihr jetzt sprechen?“

Tom nickte. –

Der Knebel wurde entfernt, und Felsenherz sagte zu dem Skalpierten: „Barnley, macht die eine Satteldecke im Bach naß, damit wir sie Pickparell um die Füße legen können. Ich quäle niemanden unnötig.“ –

Dann wandte er sich an den gelben Tom.

„Nun?“ fragte er.

„Jonny hat den schwarzen Panther den Apachen in die Hände gespielt,“ rief dieser wimmernd. „Es waren dieselben zehn Apachen, die des Komanchenhäuptlings Schwester nach dem Tal der sprechenden Wasser bringen sollten. Mehr weiß ich nicht.“

„Und die zweihundert Apachen, die unter Führung des springenden Wolfes standen und den Kavett-Bergen von Nordwest her sich näherten?“

„Sie sollten Fort Kavett überfallen, werden jetzt aber wohl erst das befestigte Lager Kapitän Tobblers angreifen,“ winselte Pickparell.

Der große Bär hatte alles mit angehört. „Hund!“ brüllte er jetzt von seinem Baum her dem Spion zu. „Elender, reudiger Hund! Meine Krieger werden dir die Zunge herausreißen, feiger Verräter!“

„Wo liegt das Tal der sprechenden Wasser?“ fragte Felsenherz schon weiter.

„Es ist dasselbe Tal, in dem ich das einsame Blockhaus entdeckte, das die Apachen inzwischen jedoch niedergebrannt haben. Sie fanden jedoch keinen der Bewohner in den Trümmern mehr auf. Nur ein paar Knochenreste, wie mir der springende Wolf am Berge der Hasen erzählt hat. –

Ihr seht, ich spreche die Wahrheit.“

„Ich wußte es lange, daß er der Mann war, der das Feuersignal gegeben hat,“ nickte Felsenherz. „In eurer Satteltaschen fand ich einen falschen Bart, und euer gelber Leinenanzug ist von beiden Seiten zu tragen, ist innen blau –“

Der blonde Trapper winkte Billy und den Skalpierten beiseite. Sie berieten leise miteinander. –

Gleich darauf löschten sie das Feuer und ritten in die bereits mondhelle Prärie hinein nach Süden zu, wo das Lager der Texaner sich befinden mußte. Die Gefangenen und des Komanchenhäuptlings Mustang nahmen sie wieder mit sich.

 

 

7. Kapitel.

Im Tal der sprechenden Wasser.

Zwei Tage später –

In einem der Seitentäler der Uferberge des Rio Pecos lagerten hinter einem dichten Vorhang von Schlingengewächsen und Dornen in einer grottenartigen Aushöhlung der einen Talwand unsere drei Freunde mit ihren beiden Gefangenen.

Der Skalpierte als Indianerhändler wußte auch in dieser Gegend gut Bescheid und hatte diesen versteckten Platz vor einer Stunde ausgesucht.

Jetzt sagte er leise zu Felsenherz und dem langen Billy:

„Ich habe mir hin und her überlegt, was wohl mit dem ‚sprechenden Wasser‛, das es in jenem uns unbekannten Tal geben soll, gemeint sein mag. Vorhin besann ich mich nun, daß ich vor zwei Jahren mal durch Zufall in ein Tal geriet, wo ein Gießbach im äußersten Winkel über die Felswand in das Tal hinabrauscht und dabei, wohl infolge einer besonderen Form der Wand, außer dem üblichen Zischen und Brausen Geräusche hervorbringt, die wie das helle Rufen von Kinderstimmen klingen. Ich traue mir bei meinem gut entwickelten Ortssinn wohl zu, dieses Tal zu finden. Es kann kaum eine halbe Meile flußabwärts liegen. Sobald es völlig dunkel ist, könnte ich ja mal mit Felsenherz auf die Suche gehen. Ihr, Billy, bewacht derweil die Gefangenen.“

Felsenherz und Billy waren einverstanden. Ersterer wandte sich dann an den an einen Felsvorsprung gefesselten Tom Pickparell mit der Frage, ob es in jenem Tal, wo er damals das Blockhaus fand, einen Gießbach gebe. Tom nickte. Sprechen konnte er nicht, da sowohl er als auch der große Bär jetzt zur Vorsicht Knebel im Mund hatten.

Eine Stunde später brachen Felsenherz und der Skalpierte auf. –

Die Nacht war sternenklar. Edward Barnley ging voraus. Mit der allergrößten Behutsamkeit, die hier so nahe an den Felsendörfer der Mescaleros durchaus nötig war, bewegten sie sich vorwärts.

Es war ein mühseliger Weg über Felsen, durch Gestrüpp und kleine Waldstücke. Dann bog der Skalpierte in einen Kanon ein, die hier am Rio Pecos genau so häufig wie im Flußgebiet des Kolorado sind.

Seitenschluchten gab es in Menge. Und doch zögerte Barnley keinen Augenblick, wo der abermals abbiegen mußte.

Diese Schlucht wand sich in vielen Krümmungen nordwärts, endete in einem ganz schmalen Felsengrat, der um einen kegelförmigen Berg herumlief und schließlich abwärts führte.

Plötzlich machte Barnley halt und drückte sich schnell an die Steinwand. Auch Felsenherz bemerkte nun zwei Rothäute, die aus einem Tal denselben Felsengrad langsam heraufkamen.

„Hinlegen!“ raunte er dem Skalpierten zu und schob sich an diesem vorbei nach vorn.

Die beiden Apachen näherten sich ahnungslos. Der Bergpfad war hier vielleicht zwei Meter breit.

Jetzt war der vordere nur noch einen halben Schritt von Felsenherz entfernt. Dieser hatte sich ganz an die Wand gekauert. Über ihm hing ein Dornbusch in einer Gesteinspalte, der nach unten zu Schatten warf.

Der Apache schritt vorwärts –

Der zweite nahte, da – eine geballte Faust fuhr wie ein Blitz hoch, traf die Schläfe des Roten –

Felsenherz war sofort weiter vorwärtsgeschnellt, bekam auch den anderen bei der Kehle. –

Ein neuer Hieb, und dieser Apache nickte gleichfalls bewußtlos um.

„Binden und knebeln!“ flüsterte der Trapper. Der Skalpierte half. Dann trugen sie die Gefangenen ein Stück zurück und legten sie in eine Spalte, die so eng war, daß die beiden unmöglich ohne Hilfe sich herauswälzend konnten.

„Da – das Tal liegt vor uns!“ erklärte Barnley leise. „Ich irre mich nicht. –

Also weiter –!“

Bald hatten sie frischen Grasboden unter den Füßen, erkannten nun auch linker Hand an der Talwand den schwachen Schein eines Feuers, krochen darauf zu und bemerkten neben der schwarzen Ruine des Blockhauses vier Lederzelte.

Das Feuer brannte vor dem größten Zelt. Und an diesem Feuer saßen acht Apachen und spielten das bei ihnen so sehr beliebte Würfelspiel, zu dem die Würfel aus den Rückgratgliedern der Bisamratte hergestellt werden.

Felsenherz verständigte sich kurz mit dem Skalpierten, stand auf und schritt furchtlos dem Feuer zu.

Die Apachen schnellten empor –

Felsenherz hielt die Büchse im Anschlag, rief ihnen zu:

„Die Krieger der Apachen sehen hier Felsenherz, den Trapper – Felsenherz’ Zunge ist nie gespalten; sein Mund lügt nicht. Der große Bär ist unser Gefangener, denn außer mir sind noch zwei andere Blaßgesichter in der Nähe. Felsenherz hätte mit seinen Freunden die Apachen niederschießen können. Doch er vergießt nie unnötig Blut. Ihr habt den schwarzen Panther, die blaue Taube und drei Komanchen hier bewacht, wo ihr euch am sichersten glaubtet. Geht die fünf heraus, und der große Bär ist frei. Weigert ihr euch, wird meine und meiner Freunde Büchse sprechen.“

Die acht Apachen, alles ältere, erprobte Krieger, berieten leise. Dann erklärte einer von ihnen:

„Felsenherz’ Mund ist wie die Sonne, die das Licht verbreitet und die Dunkelheit haßt. Wir glauben ihm. Der große Bär ist der oberste Häuptling aller Apachenstämme. Ihr mögt ihn holen, und dann –“

Der blonde Trapper rief dazwischen: „Euer Hirn sinnt auf Heimtücke! Es mögen die Büchsen entscheiden –!“

Er legte an –

„Halt!“ meinte derselbe Apache, offenbar in Angst. „Felsenherz mag warten. Ich werde die Gefangenen losschneiden!“

Er verschwand in dem großen Zelt, und gleich darauf traten Chokariga, seine Schwester und die drei Komanchenkrieger heraus.

„Sollte einer von euch uns folgen, wird der große Bär nicht freigelassen!“ warnte Felsenherz die Apachen noch einmal –

Eine Stunde später waren die Befreier mit den Befreiten wieder in jenem südlicheren Tal bei dem langen Billy angelangt.

Felsenherz knotete die Riemen des großen Bären auf.

„Der Häuptling der Apachen ist frei!“ sagte er kurz. „Felsenherz hat sein Versprechen eingelöst!“

Der Apache dehnte und reckte die muskulösen Glieder, meinte dann mit würdevollem Ernst:

„Felsenherz ist ein berühmter Krieger. Wenn die Sonne über den Bergen des Rio Pecos erscheint, wird der große Bär auf seiner Fährte sein!“

Dann – riß er mit blitzschnellem Griff dem Skalpierten das Messer aus dem Gürtel, stieß es ebenso blitzschnell Tom Pickparell ins Herz und war mit zwei Sprüngen in der Dunkelheit verschwunden.

Der Spion war tot. –

Die anderen brachen sofort auf und erreichten bei Morgengrauen den Rand derselben Prärie, die sich bis zu dem befestigten Lager der Texaner in endloser Weite hinzog –

Das, was der Komanchenhäuptling dann seinem weißen Bruder Felsenherz über das Tal der sprechenden Wasser mitteilte, soll die Einleitung für das nächste Abenteuer unserer Helden bilden.

 

 

Fussnote:

1 Schwarzer-leg’ dich!