Die kleine Micheline vom Théâtre des Contemporaines1 lag im Bette und spielte mit dem Wachtelhunde, den der Gesandtschaftsattachée Hektor de Griffon ihr verehrt hatte — die Wachtelhunde waren augenblicklich hochmodern, und so gab sich Micheline absolut keine Blöße, wenn sie Jou-jou zu ihrem erklärten Günstling machte.
Nachdem sie ihn kurze Zeit besaß, erklärte die kleine Schauspielerin, sie könne ohne das Tierchen nicht mehr leben und besprach sich mit einem ihr befreundeten Advokaten allen Ernstes, ob sie dem Hündchen im Falle ihres frühzeitigen Todes nicht eine Leibrente aussetzen könnte. Der Jurist erklärte, an der rechtlichen Möglichkeit einer solchen posthumen Zuwendung sei gar nicht zu zweifeln und er selbst würde sich das größte Vergnügen daraus machen, einen dahingehenden Notariatsakt aufzusetzen. Micheline nahm mit Dank an: sie wolle jetzt nur noch warten, bis sie die 20000 Franks, welche ihr Herz dem Hündchen als Legat bestimmt hatte, zusammengespart habe.
Also gut! — eines Tages treffen sich zwei von den Herren, welche der kleinen Micheline ihre Huldigungen darbringen, ein Haussier von der Fondsbörse und ein junger Schriftsteller, dem seine komischen Possen zu schnellem Ruhm verholfen haben — sie reden über dies und das und kommen schließlich auch auf die kleine Micheline.
„Wissen sie schon,“ fragt der Literat, „daß ihre Liaison mit Hektor de Griffon ein Ende hat?“
„Aber nein! — was sie sagen? — noch vorgestern habe ich sie doch miteinander in einer Loge des Odeons gesehen —“
„Trotzdem — und was das Drolligste ist, der Attachée hat sich sein Mißgeschick selbst zuzuschreiben!“
„Hören sie, lieber Freund,“ — der Börsenmann bewegt nervös die Finger seiner linken Hand — „sie kennen mich doch! — sie wissen, wie ich fast verrückt werde, wenn Jemand von mir verlangt, ich soll Rätsel raten —“
„Nun, nun — sie können doch nicht verlangen, daß ich mich so leichtsinnig um meinen Pointe2 bringen soll! Aber weil sie es sind! — Sie haben sicher auch schon das Wachtelhündchen gesehen, das Hektor de Griffon seiner ehemaligen Liebsten geschenkt hat?“
Der Börsenmann macht eine wütende Gebärde.
Diese verdammte Töle! — kostet mich glatt zehntausend Franks! — er ist krepiert, ja — das würde mich aufrichtig freuen!“
Der Schriftsteller schüttelt den Kopf und lacht.
„O, keine Idee! — Jou-jou lebt und verrichtet seine Obliegenheiten besser, denn je! Ich sagte Ihnen doch schon, er hat jetzt sogar das Rosenband zwischen seiner Herrin und dem zerbissen, der ihn der hübschen, kleinen Micheline geschenkt hat — und dabei ist die Dame, von der wir da reden, allem Anschein nach dem Attachée vollständig treu gewesen?“
„Glauben sie?“
„O ja!“ erwiderte der Schriftsteller nachdenklich, „ich für meine Person muß es wohl glauben — und wenn ich auch gerade nicht zehntausend Franks bei der Spekulation verloren habe, so sind doch bei dieser Gelegenheit ein wunderhübscher Ring und ein teures Bracelet in Michelines kleinen Händen zurückgeblieben, die ich anderwärts sicherlich fruchtbringender hätte anlegen können —“
„Also ist es Ihnen auch so ergangen,“ — der Börsenmann reibt sich vergnügt die Hände, — „nun, Gott sei Dank, da sind wir armen Finanzleute doch nicht allein die Gelackmeierten! — sagen sie, lieber Freund, war es bei Ihnen auch so wie bei mir?“
„— Ich weiß doch nicht, wie es bei Ihnen war —“
„Ach so — allerdings! — da haben sie ganz recht — also — es ist doch keine Indiskretion, wenn ich es Ihnen erzähle?“
„Aber wieso? — da sie, wie sie selbst sagen, nichts erreicht haben!“
„Na, sie doch auch nicht —“
„Na, nein, aber erzählen sie doch!“
„Das ist bald getan. Ich hatte mich mit meinem bekannten Feuer ins Zeug gelegt — ich war sehr gut angeschrieben bei der Kleinen — durfte sie mehrfach aus dem Theater abholen — mit ihr soupieren und was so der kleinen Scherze mehr sind! — Dann hatte ich das Vergnügen, ihr ein Darlehen anbieten zu dürfen — oh, es waren nur fünftausend Franks! — ferner erinnere ich mich an ein Paar Boutons3, die ihr sehr gefielen — na, und außerdem so Kleinigkeiten, wie sie sich bei solchen Gelegenheiten eben nicht vermeiden lassen — und dann kam der große Moment, ich hatte offen mit ihr gesprochen, ganz offen, sie sagte auch durchaus nicht nein, im Gegenteil!“
Nach einer sehr effektvollen Kunstpause fährt der Börsianer fort:
„Oben entkleidete sie sich — ich mußte so lange im andern Zimmer bleiben, was mir gar nicht gefiel, und dann schritt ich stolz und sprungbereit wie ein Löwe in „mein Reich“ — ich trete an das Bett, in dem der Gegenstand meiner Wünsche wie die Perle in einer schönen, rotüberhauchten Muschel liegt, da fliegt mir etwas entgegen, etwas Dunkles, und gleichzeitig läßt mich ein wütendes Kläffen zurückhopsen — ich gebe gute Worte, will das Tier streicheln und begütigen, aber dieser ekelhafte Köter beißt mich einfach in den Finger. Ich verbeiße den Schmerz, um mich nicht unmännlich zu zeigen, gehe wieder an das Bett und muß wieder zurück vor den wütenden Angriffen dieser kleinen Bestie! Und währenddessen liegt der Satan, die Micheline, in ihren Kissen und bekommt fast Krämpfe vor Lachen. Schließlich entrüstete ich mich und befahl ihr, den Hund hinauszutun — da lachte sie noch mehr — werde wütend und sage: „Madame, man scherzt nicht so mit dem Herzen eines Mannes! — da sie das vorher wußten und wissen mußten, so hätten sie meine Geschenke nicht annehmen dürfen! Das war ein Fehler von mir, denn jetzt wurde sie majestätisch und warf mich einfach raus.“
„Mir ging es nicht anders,“ lachte der Schriftsteller, „nur daß ich die Sache mehr von der humoristischen Seite nahm und diesem hübschen Teufelchen dadurch das Geständnis entlockte, daß sie es mit Jedem so mache, weil sie ihrem Hektor treu bleiben wolle.“
„Und sie meinen, daß dieser Herr seinem eigenen Geschenk zum Opfer gefallen ist?“
„Zweifellos!“
Fußnoten:
1 Vorlage Theatre des Cometemporaines
2 Vorlage: meinen Pointen
3 Ohrringe