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Das Geheimnis des Gambusinos

 

Felsenherz, der Trapper

Selbsterlebtes aus den Indianergebieten

erzählt von

Kapitän William Käbler.

 

Band 10:

Das Geheimnis des Gambusinos.

 

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.

Berlin SO 26, Elisabeth-Ufer 44.

 

 

Nachdruck verboten. Alle Rechte. einschließlich Verfilmungsrecht, vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26. – 1922.

 

 

Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin

 

 

Erstes Kapitel

Das Flachboot auf dem Pecos.

Dort, wo der Rio Pecos sich durch die Ostausläufer der Guadalupe-Berge windet und dichter Urwald seine felsigen Ufer umgibt, lagerten in einer schmalen Schlucht in einer dunklen, stürmischen Sommernacht am Westufer des Pecos zwei Männer, ein Weißer und ein schlanker, kräftiger Indianer, in dessen Haarschopf ein paar Adlerfedern befestigt waren.

Im Hintergrund der Schlucht standen drei Pferde und knabberten das Laub von den Büschen ab. Der Schein des kleinen Feuers, an dem die beiden Männer saßen, reichte gerade hin, zu erkennen, dass das eine der Tiere ein prachtvoller Rappe, das andere ein starkknochiger und gut gebauter Brauner und das Dritte ein Fuchs war.

Der Weiße, der die übliche Tracht der Westläufer trug, sagte leise zu dem schweigsamen Gefährten: „Felsenherz bleibt recht lange aus, Häuptling. Hoffentlich ist ihm nichts zugestoßen.“

Der Indianer machte nur eine beruhigende Handbewegung und gab weiter auf die Hirschkeule acht, die am Spieß über der Glut langsam gar briet.

Der andere, von gedrungenem, breitschultrigem Wuchs, stopfte sich die kurze Holzpfeife aufs Neue und setzte den Tabak mit einem glimmenden Aststück in Brand. Sein bärtiges, mageres Gesicht mit den von buschigen Brauen beschatteten, lebhaften Augen hätte recht sympathisch gewirkt, wenn es nicht in dem Gesamteindruck etwas wie Grausamkeit und unbeugsame Härte verraten hätte.

Dieser Mann, ein geborener Mexikaner, war im Wilden Westen überall als Sancho, der Indsmenfresser, bekannt und bei den Rothäuten, insbesondere den Apachen, als unerbittlicher Feind überaus verhasst. Er mochte an die fünfundvierzig Jahre alt sein. Bis vor fünf Jahren hatte er als Gambusino, als Goldsucher, die Einöden der Sonora und Neumexikos durchstreift, war dann aber nach einem neuen harten Strauß mit den Apachen, der ihn seinen Skalp und fast das Leben kostete, ein friedlicher Vaquero auf einer in Westtexas gelegenen Hazienda geworden, wo er vor drei Wochen mit den beiden berühmtesten Westmännern, dem Trapper Felsenherz und dem Comanchenhäuptling Schwarzer Panther eine Begegnung hatte, die die beiden Letzteren veranlasste, Sancho hinauf zu den Guadalupe-Bergen, also in das Jagdgebiet der Apachen, zu begleiten.

Am Abend nun hatten die drei, als sie bei anbrechender Dunkelheit von Osten kommend über den Rio Pecos gesetzt waren, auf dem Fluß weiter nördlich ein an einer Felseninsel verankertes Flachboot bemerkt, dessen Deck von Apachen geradezu gewimmelt hatte. Nachdem sie dann hier in dieser unzugänglichen Schlucht ihr Lager bezogen hatten, war Felsenherz abermals zum Pecos aufgebrochen, um festzustellen, was es mit dem Flachboot auf sich habe. Dieses konnte ja nur einem Händler gehören, der bei den Apachen Pulver, Blei und Flinten gegen Felle und Goldkörner eintauschen wollte.

Felsenherz war nun bereits drei Stunden abwesend, sodass Sanchos Sorge um dessen Sicherheit wohl berechtigt schien.

Und doch hatte sein langes Fernbleiben einen ganz anderen Grund.

Der blonde Trapper, ein geborener Deutscher, war am Rande des Uferwaldes entlanggeschlichen und hatte sich dann, als er sich auf einer Höhe mit dem Inselchen und dem Flachboot befand, hinter ein paar Felsblöcken zusammengeduckt, da auf dem Deck des plumpen Fahrzeugs ein hellloderndes Feuer brannte und die Klänge eines Schifferklaviers, einer Ziehharmonika, von dorther herüberschallten.

Denjenigen, der dort auf dem Flachboot, umgeben von einem dichten Kreis von Apachen, seltsamerweise deutsche Volkslieder spielte, konnte der heimliche Lauscher nicht sehen. Die Musik hier in der Wildnis, deren Klänge der scharfe Oststurm bald lauter, bald leiser dem Trapper über die etwa achtzig Meter weite Strecke vom Boot zum Ufer zutrug, rief in des blonden Mannes Brust notwendig allerlei Jugenderinnerungen an die deutsche Heimat hervor.

Volkslieder! Wer mochte wohl der Harmonikakünstler sein, der mit seinen Weisen selbst die blut- und beutegierigen Apachen, dieses wildeste Reitervolk der Indianergebiete Nordamerikas, in Bann hielt?

Felsenherz’ Neugier steigerte sich immer mehr. Er wollte unbedingt erfahren, ob der Flachbootmann — denn nur der konnte der Künstler sein — etwa wirklich ebenfalls ein Deutscher sei. So harrte er denn geduldig auf den Abzug der Apachen, deren Zahl vielleicht zwanzig betrug.

Endlich schickten sich diese an, das Boot zu verlassen, bestiegen ein Floß aus Baumstämmen und landeten vielleicht sechzig Meter weiter Flußabwärts am selben Ufer.

Der blonde Trapper folgte ihnen. Er musste sehen, wohin sie sich wandten.

Die Rothäute benahmen sich ganz so, als rechneten sie auch nicht im Entferntesten mit der Nähe irgendeines Menschen, der in ihrem Gebiet nichts zu suchen hatte.

Im Gänsemarsch durchschritten sie ein sanft ansteigendes Tal, passierten eine kleine Hochebene und vereinten sich an einem Waldrand mit zehn anderen Apachen, die an zwei Feuern gelagert und die Pferde ihrer Stammesgenossen mit bewacht hatten.

Felsenherz konnte sich ohne Mühe ganz dicht heranschleichen und vernahm so einen Teil der lebhaften Unterhaltung zwischen den soeben Zurückgekehrten und dem Anführer der Abteilung, den die Krieger mit Wathama (Nachtfalke) anredeten.

Das, was der Trapper hörte, bestärkte ihn noch in seinem Entschluss, dem Flachboot sofort einen Besuch abzustatten.

Nach einer halben Stunde hatte er das Westufer des Rio Pecos wieder erreicht und verband nun zwei angetriebene Baumstämme mit Schlingpflanzen, stellte so ein einfaches Floß her, das ihn dann, durch einen starken Baumast gelenkt, mit der Strömung abwärts auf die kleine Felseninsel zuführte, wo er ohne Schwierigkeiten landete.

Das Flachboot lag auf der anderen, der Südseite des bewaldeten Inselchens. Als der Trapper die Stelle erreicht hatte, wo ein breites Brett die Verbindung zwischen der Insel und dem vertäuten Fahrzeug bildete, war auf dem Deck des vier Meter breiten und zehn Meter langen Bootes weder ein Mensch noch sonst ein Lebewesen zu bemerken. Auch das Feuer, das in der Mitte neben dem kurzen Mast gebrannt hatte, war längst erloschen. Felsenherz sah nur noch die flachen Steine, die den Feuerbränden als Unterlage gedient hatten.

Vorsichtig glitt er nun über das Brett auf das Boot, blieb dann lauschend stehen und unterschied auch zwei Männerstimmen, die unter Deck nicht allzu leise ein Gespräch führten.

Das Rauschen der Bäume und das Plätschern des Wassers verhinderten jedoch, dass er etwas von dieser Unterhaltung verstand.

Das Deck des schwerfälligen Fahrzeuges war bis auf eine große Luke hinter dem Mast völlig glatt. Diese Luke, durch einen Holzdeckel verschlossen, bildete offenbar den einzigen Zugang zum Innern des Bootes.

Felsenherz wollte gerade mit dem Fuß aufstampfen und sich so bemerkbar machen, als das Gespräch mit einem Mal verstummte. Dann schien es dem Trapper, als ob irgendwo im Innern die Angeln einer Tür leise quietschten.

Er stand nun mit dem Rücken zum Vorderteil des Bootes hin, hatte die lange Büchse lose in der linken

Hand und hob schon den rechten Fuß, um kräftig auf die Deckplanken zu stampfen, als ihm die Doppelbüchse mit jähem Ruck von hinten entrissen wurde.

Gleichzeitig rief jemand mit einer hohen Fistelstimme: „Bleibt stehen, Fremder! Oder, so wahr ich Gottlieb Bulle heiße, ich brenne Euch ein Stück Blei auf Euren Jagdrock!“ Der Angreifer hatte englisch gesprochen. Aber man hörte doch heraus, dass er kein Engländer oder Amerikaner war, worauf ja auch schon der poetische Name Gottlieb Bulle hindeutete.

Felsenherz drehte sich gelassen um.

Vor ein paar Minuten war der Mond hinter den dichten Wolkenmassen hervorgetreten. So konnte der Trapper denn diesen verwachsenen, hakennasigen Zwerg, der ihm die Büchse so keck weggenommen hatte, recht deutlich erkennen.

Felsenherz sagte freundlich: „Wenn ich mich nicht irre, seid Ihr ein Landsmann von mir, ein Deutscher?“

Diese in Felsenherz’ Muttersprache gestellte Frage übte jedoch auf den Kleinen, der in einem Frack mit bis auf die Fersen reichenden Schößen steckte, nur die Wirkung aus, dass er noch einen Schritt zurücktrat und des Trappers Büchse schnell spannte.

„Schert Euch zum Teufel“, rief er grob. „Ich mag mit keinem Fremden etwas zu tun haben! Sobald Ihr mein Boot verlassen habt, werde ich Euch die Büchse wiedergeben. Früher nicht!“

„Landsmann“, meinte der blonde Jäger ernst, „ich weiß nicht, wofür Ihr mich haltet. Ich bin kein weißer Desperado. Man nennt mich allgemein Felsenherz, der Trapper. Mein richtiger Name lautet Harry Felsen.“

„Ach was!“, polterte der kleine Bucklige. „Felsenherz hin. Felsenherz her. Ich liebe keine Gesellschaft. Ich fühle mich so allein auf meinem Boot sehr wohl. Da, nehmt Eure Büchse zurück. Gute Nacht!“

„Noch einen Augenblick“, sagte der Westmann ruhig. „Zunächst seid Ihr gar nicht allein. Ich hörte Euch doch mit jemand sprechen. Und —“

„He — he — sprechen!“, kicherte Gottlieb Bullen. „Ja — mit meinem Bruder Innerlich!“

„Mag sein. Ich will Euch zweitens nur vor den Apachen warnen, die vorhin hier mit Euch Geschäfte gemacht haben. Ihr kennt die Hinterlist der roten Bande offenbar noch nicht. Ich bin ihnen nachgeschlichen. Sie wollen Euch kurz vor Sonnenaufgang ermorden, um in Besitz Eurer Waren zu gelangen. Ihr Anführer, der Unterhäuptling Wathama oder Nachtfalke, der nicht mit an Bord hier war, hat den feinen Plan ausgeheckt.“

Der Zwerg meckerte höhnisch. „Mich ermorden — he, he — mich? Na, da kann der ganze Apachenstamm meinetwegen sich hierher auf die Strümpfe machen! Werden den Gottlieb Bulle umsonst suchen! Also gute Nacht, Herr Felsenherz! War mir eine Ehre!“

Der Trapper verließ daraufhin wortlos das Flachboot und schritt der Nordspitze des Inselchens wieder zu, bestieg sein Baumfloß und landete gleich darauf am Westufer, stieß das Floß in die Strömung zurück und verbarg sich abermals der Insel gegenüber hinter den Steinblöcken.

Da der Mond in kurzen Zwischenräumen immer wieder von den dahinjagenden Wolken enthüllt wurde, konnte der Trapper beobachten, wie der Zwerg auf dem Flachboot ein Segel hisste, das Boot von der Insel losmachte und dann langsam stromaufwärts fuhr.

Felsenherz konnte am Ufer bequem mit dem Flachboot Schritt halten. Nach einer Stunde etwa glitt das Fahrzeug in einen seeartigen Nebenarm des Pecos hinein und wurde hier hinter überhängenden Baumästen im Schilfrohr an der Ostseite von dem Zwerg vertäut.

Der Trapper begab sich zu der Schlucht zurück, wo seine Gefährten lagerten.

 

 

Zweites Kapitel

Der Navajo-Späher.

Der Unterhäuptling Wathama hatte sich eine Stunde nach Mitternacht dazu entschlossen, mit drei Kriegern zum Pecos hinabzusteigen und das Flachboot zu beobachten, da er klug genug war, sich zu sagen, dass der bucklige Händler vielleicht aus Vorsicht doch den Ankerplatz wechseln würde.

Wathama führte seinen Namen Nachtfalke nicht umsonst. Genau wie dieser nächtliche Räuber des Vogelgeschlechts besaß auch der Apachenunterhäuptling vortreffliche Augen, deren außerordentliche Sehschärfe durch das Leben in der Wildnis noch erhöht worden war.

Die vier Apachen, Wathama voran, näherten sich gerade zu derselben Zeit dem Ufer des Pecos, als Sancho, der Indsmenfresser, dem Schwarzen Panther die der Schlucht erklärt hatte. Er würde doch einmal nachschauen gehen, ob Felsenherz wirklich irgendeinen besonderen Grund für ein so langes Fernbleiben hätte.

Sancho nahm seine Büchse und verließ die Schlucht. Der bei jedem Westmann so hoch entwickelte Ortssinn machte es ihm leicht, genau denselben Weg einzuschlagen, den die drei Gefährten beim Aufsuchen der Schlucht benutzt hatten. Von einem „Weg“ war hier natürlich keine Rede. Durch das Gestrüpp am Ausgang der Schlucht lief lediglich eine alte, bereits wieder überwucherte Wildfährte, also ein ausgetretener Pfad, den wahrscheinlich einmal eine Bärenfamilie hervorgerufen hatte, wenn sie zur Tränke am Pecos gewandert war.

Die Schlucht wieder mündete in ein breites, steiniges Tal, das durch einen Kanon, einen steilen Einschnitt in den Felsen, mit dem Ufergelände des Pecos in Verbindung stand.

Der frühere Gambusino wandte bei diesem nächtlichen Gang und bei dieser unregelmäßigen Beleuchtung durch den hinter den Wolken nur zuweilen auftauchenden Mond all jene Vorsichtsmaßregeln an, die jeder, der mit den Gefahren der nordamerikanischen Wildnis vertraut ist, ganz von selbst beobachtet.

Stets nahm er hinter Büschen, Steinen und Gestrüpp nach wenigen Schritten Deckung, durchforschte dann wieder mit den Augen die Umgebung und benutzte zur Fortsetzung des Weges regelmäßig die Momente, wo das Nachtgestirn wieder hinter dem Gewölk verschwand und tiefe Dunkelheit die Erde bedeckte.

So gelangte er bis an den Kanon, wollte gerade hinter einen dick bemoosten Felsblock schlüpfen, als er vor sich in dem Engpass ein leises Klirren hörte.

Augenblicklich duckte er sich ganz tief neben einem von den Ranken des wilden Hopfens dicht umsponnenen Dornbusch zusammen. Da trat auch schon der Mond wieder hinter den Wolken hervor, und Sancho gewahrte einen Apachen, der soeben aus dem Kanon trat und den dumpfen Ruf des Steinkäuzchens dreimal sehr geschickt nachahmte.

Dieser Apache war ein Späher, den der Unterhäuptling Wathama zum Pecos vorausgeschickt hatte.

Sancho ahnte, dass in der Nähe noch mehr Apachen steckten. Das Signal des Käuzchenrufes konnte ja nur anderen Rothäuten gegolten haben.

Was der Gambusino jedoch nicht ahnte, war die Tatsache, dass des Nachtfalken scharfe Augen die dunkle Gestalt des Westmannes schon vorhin wie einen gleitenden Schatten bemerkt hatten und dass zwei Apachen bereits im Bogen von hinten auf den Dornbusch zukrochen.

Sancho belauerte jetzt sowohl jede Bewegung des Indianers am Kanoneingang als auch nach rechts hin das mit Steinen und Felstrümmern besäte Tal.

Wathama schob sich näher. Er hatte dem anderen Apachen einen Wink gegeben, zurückzubleiben. Er hoffte mit dem Bleichgesicht, das dort vor ihm kauerte, allein fertig zu werden.

Der Gambusino aber war bereits stutzig geworden, weil der Indianer dort am Kanon soeben den Käuzchenruf wie Antwort heischend nochmals lauter wiederholt hatte, drehte sich nun gerade im selben Moment misstrauisch um, als der Nachtfalke mit geschwungenem Tomahawk auf ihn zusprang.

Sancho hatte mit irgendetwas Ähnlichem gerechnet. Der Angriff kam ihm daher durchaus nicht überraschend. Anstatt sich vollends aufzurichten, wählte er die sicherere Art, dem tödlichen Hieb zu entgehen. Er schnellte sich am Boden entlang, packte des Apachen im Sprung erhobenes rechtes Bein und riss es zur Seite, sodass der Nachtfalke seitwärts mit Kopf und Oberkörper in einen anderen Dornenstrauch fiel. Der kleine Gambusino war ebenso fix wieder auf den Beinen. Er wusste jetzt, dass er sein Leben gegen mehrere Apachen würde verteidigen müssen, wusste auch, dass ihm ein schreckliches Ende am Marterpfahl bevorstand, wenn er gerade diesen Rothäuten in die Hände fiele.

Seine bereits gespannte Büchse fuhr hoch. Noch gab der Mond so genügend Licht, den Apachen am Kanoneingang, der mit langen Sätzen heranstürmte, durch eine Kugel niederzuwerfen, bevor der erste Gegner sich aus den Dornen hochgerappelt hätte.

Sancho hatte jedoch den Begleiter Wathamas, der kaum fünf Schritte entfernt zwischen dem Steingeröll lauerte, nicht bemerkt, hatte noch nicht einmal die Büchse richtig in Anschlag gebracht, als dieser, ein älterer Krieger von ungewöhnlicher Körperkraft, lautlos hinter ihn huschte, ihm die Hände um den Hals legte und ihm so mächtig die Kehle zudrückte, dass der Gambusino sofort die Doppelflinte fallen ließ und wie gelähmt vor Schreck Wathama anstierte, der schon aufgesprungen war, Sancho den Hut vom Kopf hieb und das lange Jagdmesser schwang, indem er mit der Linken sich in des Goldsuchers Stirnhaar festkrallte.

Er hatte offenbar im Sinn, das Bleichgesicht lebend zu skalpieren.

Da — der erhobene Arm Wathamas verharrte plötzlich regungslos in der Luft.

Die blitzenden Augen stierten staunend auf die Mitte des Schädels des wehrlosen Feindes.

Denn — in dem Haarwuchs dieses Schädels fehlte ein fast kreisrundes Stück, — gerade der Skalp!

Sancho besaß keinen Skalp mehr. Der hatte schon jahrelang an dem Gürtel des Oberhäuptlings aller Apachenstämme, des Großen Bären, gehangen. Den hatte Sancho vor drei Wochen auf der Hazienda Lago del Parral dem gefangenen Oberhäuptling wieder abgenommen und trug ihn nun als seltsames Andenken an sein gefährlichstes Abenteuer und an sein noch seltsameres Geheimnis in seinem Kugelbeutel.

Wathama ließ das Messer sinken, rief leise: „Uff! Das Bleichgesicht ist bereits —“

Das Weitere brachte er nicht mehr über die Lippen. Der Gambusino, wenn auch schon halb erstickt in der Umklammerung des anderen Apachen, hatte sich doch noch lange nicht verloren gegeben, hatte blitzartig mit dem rechten Bein dem Nachtfalken einen so starken Tritt vor den Leib verletzt, dass der Unterhäuptling wiederum rücklings in die Dornen schlug.

Gleichzeitig war Sanchos Rechte zum Gürtel gefahren.

Er bekam sein Messer zu packen, stieß nach hinten zu, traf den ihn würgenden Roten gerade in die Achselhöhle — stieß nochmals zu.

Und die beiden Hände des Apachen lockerten sich.

Ein Ruck, Sancho war frei, sah sich jetzt dem dritten Angreifer gegenüber, jenem Indianer, der als Späher durch den Kanon vorausgeschickt worden war.

Der Apache hatte den Tomahawk in der hochgereckten Hand, wollte schon zuschlagen.

Wathama jedoch rief ihm einen kürzen Befehl zu, warf sich gleichfalls wieder auf den Gambusino, brüllte: „Hund! Du bist Sancho, der Indsmenfresser! Lebend sollst du —“

Auch jetzt konnte er den begonnenen Satz nicht beenden.

Der dritte Apache, den Wathama mit zum Pecos genommen hatte, war auf dem Kampfplatz erschienen, jedoch nicht allein.

Aus dem mit Geröllstücken und einzelnen Grasbüscheln bedeckten Boden war urplötzlich eine schlanke hohe Gestalt herausgewachsen.

Dieser Mann war mit einem Satz vor Wathama, schlug mit der geballten Faust zu — halb Stoß, halb Schlag — traf die Herzgrube des Unterhäuptlings, der sofort mit einem ächzenden Laut hintenüber flog. Und diese Faust beschrieb sofort einen neuen Bogen von unten nach oben, schmetterte dem zweiten noch kampffähigen Apachen unter das Kinn, beförderte ihn auf einen Geröllhaufen, wo er liegen blieb.

Der Dritte wollte entfliehen, stieß einen schrillen Schrei aus, stolperte.

Sancho hatte ihm ein Bein gestellt.

Das Messer des Gambusino fuhr dem Taumelnden zweimal in den Rücken.

Und der Apache stürzte in letzten Zuckungen über den anderen, dem Sanchos Messer vorhin erledigt hatte.

„Hallo, Felsenherz“, rief der Gambusino jetzt frohlockend, „das war Hilfe zur rechten Zeit.“

Dann sprang er auf Wathama zu, wollte auch ihm die Klinge ins Herz stoßen.

Sein Arm wurde jedoch festgehalten, er selbst zurückgerissen.

„Sancho“, sagte der blonde Trapper ernst. „Ihr kennt mich! Ich vergieße keinen Tropfen Menschenblut unnötig. Bindet die beiden Bewusstlosen — rasch! Ich werde nachsehen, ob die beiden anderen Apachen tot sind. Wenn ja, werfen wir die Leichen in den Pecos. Es ist noch mehr von dem schleichenden Ungeziefer in der Nähe, und wir tun gut, unsere Anwesenheit hier in den Guadalupe-Bergen nicht zu verraten.“

Der Gambusino brummte etwas Unverständliches vor sich hin, gehorchte aber.

Zehn Minuten später waren die beiden toten Apachen im Rio Pecos versenkt, und Felsenherz und Sancho führten die an den Armen gefesselten und geknebelten Gefangenen eilends zu der Schlucht, wo der Comanchenhäuptling bereits zu des Gambusino Erstaunen die Pferde gesattelt und die Hirschkeule in große Blätter zum Mitnehmen verpackt hatte.

Zwischen Felsenherz und Chokariga genügte ein kurzer Blick zur Verständigung. Der blonde Trapper wusste nun, dass der Häuptling das Ende des Kampfes vor dem Kanon aus der Ferne beobachtet und sich sofort gesagt hatte, dass man unter diesen Umständen den allzu nahen Lagerplatz gegen einen anderen vertauschen müsse.

Die beiden Apachen wurden auf Felsenherz’ Braunen festgebunden. Dann verließen die drei Gefährten die Schlucht. Bisher hatte nur Sancho mit dem Comanchen ein paar Bemerkungen ausgetauscht und so erfahren, dass dieser ihm nach einer Weile gefolgt und Zeuge des Ausganges des Kampfes geworden war.

Als die beiden Freunde und Halbbrüder, denn Chokariga war ja kein reinblütiger Indianer, eine Strecke vorausgeritten und Sancho mit drei Pferden langsam zu folgen befahlen, teilte der Trapper dem Häuptling mit knappen Worten mit, wie er die Apachen belauscht und dann die Bekanntschaft des groben, buckligen deutschen Flachbootmannes gemacht hatte.

„Mein roter Bruder kann überzeugt sein“, fügte er leise hinzu, „dass dieser Gottlieb Bulle mich belog, als er behauptete, er befinde sich allein auf dem Flachboot. Ganz abgesehen davon, dass ein einzelner Mensch ein so großes und so plumpes Fahrzeug niemals auf Dauer allein führen kann, habe ich auch deutlich unter Deck zwei verschiedene Stimmen unterschieden, die des Zwerges, eine kreischende Fistelstimme, und einen Bass von solcher Tiefe, wie ich ihn bisher nicht für möglich hielt. Mein Bruder Chokariga wird mir also recht geben, wenn ich vermute, dass dieser Flachbootmann, dessen abschreckende Hässlichkeit wahrscheinlich bei den Apachen allerlei abergläubische Vorstellungen hervorrief, sodass sie sich nicht sofort an ihn herangetrauten, nicht so harmlos ist, wie es scheinen mag. Da wir ja ebenfalls weiter stromaufwärts dem Geheimnis des Gambusino auf den Grund gehen wollen, und da das Flachboot ebenfalls dieselbe Richtung genommen hat und in dem toten Flußarm vor Ankern liegt, dürfte es ratsam sein, uns erst mal mit diesem meinem Landsmann etwas näher zu beschäftigen. Man kann ja nie wissen, welcher Sorte von Menschen die beiden Insassen des Fahrzeugs angehören, und hier im Wildem Westen wäre es geradezu leichtsinnig —“

Er schwieg.

Der Comanche hatte ihm mit leisem Druck die Hand auf den Arm gelegt.

Sie waren beide gleichzeitig stehen geblieben. Sie hatten die Schlucht und das breite Tal längst hinter sich, waren in ein Quertal eingedrungen und standen nun am Ostrand dieses Tales, blickten schräg abwärts über einige Baumwipfel auf den im Mondlicht glitzernden Pecos.

Dort schoss ein langes, von acht Indianern gerudertes Kanu soeben hinter der kleinen Insel hervor, an der das Flachboot vorhin vertäut gewesen war. In dem Kanu, das stromaufwärts fuhr, saßen außerdem zehn weitere Rothäute, deren besondere Art von Federschmuck ihre Zugehörigkeit zu den weiter nordwestlich wohnenden Navajo verriet.

„Die schleichenden Füchse der Navajo haben ihre Dörfer am San Juan-Fluß verlassen“, sagte der Comanche, nachdem er mit Felsenherz hinter einem Busch Deckung genommen hatte.

„Wie kommen die Navajo soweit südlich in das Gebiet der Apachen? Wenn auch zwischen diesen beiden roten Völkern das Kriegsbeil jetzt gegraben ist, dürften es die Navajo ohne besonderen Grund nie gewagt haben, sich hierher zu verirren.“

Der Mond verschwand hinter dem dahinziehenden Gewölk. Es wurde so dunkel, dass der Fluß nicht mehr zu erkennen war. Als das Nachtgestirn nach drei Minuten abermals aufleuchtete, konnten Felsenherz und der Häuptling von dem Kanu nichts mehr entdecken.

„Erst das Flachboot, nun noch die Navajo!“, meinte der Trapper nachdenklich. „Chokariga — das alles behagt mir nicht! Ich habe das Gefühl, dass hier irgendetwas sich anspinnt, von dem wir nichts ahnen. Wir werden doppelt vorsichtig sein müssen! Auch die Navajo sind nicht unsere Freunde.“

Der Schwarze Panther hatte sich nach Sancho umgeschaut.

„Das kleine Bleichgesicht hat Mühe, die drei Pferde die Böschung hinaufzuführen“, sagte er. Und nach kurzer Pause. „Er kommt ohne die Gefangenen! Wo mögen sie geblieben sein?“

Felsenherz eilte dem Gambusino entgegen.

„Sancho, sind die beiden Apachen entflohen?“, fragte er hastig.

„Nur der eine, der Unterhäuptling“, erwiderte der Goldsucher wütend. „Ich hatte die Schufte, die noch so taten, als hätten sie Eure Fausthiebe noch nicht recht verdaut, doch wohl zu lose festgebunden. Jedenfalls wollte der eine Bursche mir plötzlich die Büchse entreißen.

Na — er wird’s nie wieder tun! Er liegt jetzt mit zwei gut sitzenden Messerstichen drüben in einer tiefen Felsspalte. Aber Wathama ist ausgerissen. Ihr seht nun, Felsenherz, wie falsch es war, die beiden Schufte nicht gleich kalt zu machen!“

Chokariga war ebenfalls hinzugetreten und meinte kurz: „Die stinkenden Kröten der Apachen werden nach einer Stunde auf unserer Fährte sein. Hinab zum Pecos! Wir müssen ein paar Baumstämme zum Floß vereinen und weit stromabwärts landen.“

Wortlos stiegen die drei nun mit ihren Pferden zum Fluß hinab. Während Sancho und der Trapper hier das Floß herstellten, hielt der Häuptling Wache, um jeder Überraschung durch irgendeinen Feind vorzubeugen.

Die Pferde folgten dann willig auf die nur lose zusammengebundenen Baumstämme, die von der Strömung nun rasch entführt wurden.

Als das Floß um die nächste Biegung des Pecos verschwunden war, arbeitete sich aus einem nahen Gestrüpp schnell ein Indianer hervor, dessen kleiner Wuchs und reicher Federschmuck ihn als Navajo erkennen ließen.

Er war nur mit Messer, Tomahawk, Bogen und Pfeilen bewaffnet, eilte jetzt einer durch angetriebene Baumstämme entstandenen Barrikade zu und zog unter dem dichten Blätterdach der Kronen ein winziges Fellboot hervor, brachte es zu Wasser, warf schnell einige grüne Äste darüber und ließ es mit der Strömung abwärts treiben. Da es weit leichter als das Floß war, hatte der Navajo-Kundschafter die drei Gefährten sehr bald eingeholt, lenkte dann mit einem Ruder, halb im Boot liegend, näher an das Ostufer heran und beobachtete, wie die drei landeten und davonritten.

 

 

Drittes Kapitel

Das Geheimnis Sanchos.

Felsenherz und Sancho lagerten eine Stunde später in einem Tal der Guadalupe-Berge, das sich nach Osten zu in die nahe Prärie öffnete.

Der Schwarze Panther war, nachdem man dieses Tal vorhin erreicht hatte, sofort zu Fuß wieder nach Westen aufgebrochen, um sich nach dem Flachboot umzusehen. Der tote Flußarm, in dem es lag, konnte nach Felsenherz’ Schätzung von hier keine halbe Meile entfernt sein.

Der blonde Trapper war soeben mit seiner Mahlzeit fertig geworden, wischte sein Jagdmesser ab und packte die Reste der Hirschkeule, von welcher der Gambusino nur wenig verzehrt hatte, wieder in frische Blätter ein und sagte dabei zu dem Gambusino: „Ihr seid so schweigsam, Sancho! Weshalb?“

Sie hatten kein Lagerfeuer angezündet. Das Regengewölk war verschwunden. Der Mond schien hell. Bald musste es auch Tag werden.

Der Gambusino, der seine kurze Pfeife rauchte, erwiderte zögernd: „Stimmt, Felsenherz! Mir geht jetzt so vieles durch den Kopf. Wathama, der Nachtfalke, hat mich an jenes Ereignis vor fünf Jahren erinnert, von dem ich Euch und dem Häuptling, um jetzt die Wahrheit zu sagen, nur die Hälfte erzählt habe. Ich tat es, weil Chokariga ein Roter ist und weil ich nicht allzu sehr auf die roten Schufte und ihre Hinterlist fluchen wollte, denn mir läuft ja stets die Galle über, sobald ich nur — Doch — die Gelegenheit ist günstig. Ich will Euch, Felsenherz, jetzt also alles mitteilen. Dann werdet Ihr noch besser begreifen, weshalb ich damals schwor, dass fünfzig Apachen mir für das geraubte Stück Kopfhaut, Skalp genannt, büßen sollten, weshalb ich schnell zu dem Namen Indsmenfresser kam. Ihr wisst, die Apachen hatten mich vor etwa fünf Jahren gefangen genommen und in ihre Dörfer geschleppt. Ich entfloh ihnen. Was Ihr aber noch nicht wisst, ist das eine, dass Wathamas Schwester Moutawa sich in mich verliebt hatte, mir die Flucht ermöglichte und mich begleitete.

Wir hatten die beiden besten Pferde mitgenommen. Es begann nun eine tolle Hetzjagd. Die Apachen, geführt von dem Oberhäuptling und Wathama, kamen uns erst nahe, als wir nach fünf Tagen hier die Guadalupe-Berge vor uns hatten, deren nordwestliche Teile am wildesten und schroffsten sind und an die Gila-Berge erinnern.

Moutawa, wohl die hübscheste Apachin, die es je gegeben hat, war guten Mutes, denn sie kannte in der Guadalupe-Felsenwildnis, wie sie betonte, ein Versteck, in dem niemand uns aufstöbern würde. Wo dieses Versteck lag und wie es beschaffen war, das sollte ich erst mit eigenen Augen sehen.

Am sechsten Abend unserer Flucht bogen wir in die Vorberge ein. Die Apachen waren uns schon verdammt nahe gerückt. Doch die Dunkelheit und der harte Felsboden, der keine Spuren annahm, gaben uns wieder einen mehrstündigen Vorsprung. Um Mitternacht aber erklärte mir Moutawa dann, dass sie sich verirrt hätte und jenes Tal nicht finden könne, wo wir vor den Verfolgern sicher gewesen wären.

Ihre Zuversicht und Hoffnungsfreudigkeit, uns bald geborgen zu sehen, verließen sie gänzlich. Sie wusste, dass ihr Bruder Wathama und die anderen Apachen sie töten würden, wenn sie sie einfingen. Sie fürchtete den Tod nicht, war nur deshalb so niedergeschlagen, weil sie mich in Gedanken bereits am Marterpfahl sah.

So irrten wir, unsere Pferde am Zügel führend durch Täler und Schluchten. Gegen Mitternacht bemerkten wir in der Ferne ein Lagerfeuer, schlichen näher und fanden so einen anderen Gambusino, der allein ein paar Fische briet, die er im nahen Pecos gefangen hatte.

Der Mann war mir kein Fremder. Seinen richtigen Namen kenne ich nicht.

Die Trapper und Goldsucher haben ihn Einauge getauft, denn ihm ist mal das linke Auge von einem Apachen ausgeschossen worden. Dieser Einauge lagerte also hier, begrüßte mich als alten Bekannten und ließ sich meine Erlebnisse kurz erzählen.

Moutawa drängte dann, wir sollten weiter nach jenem Tal suchen, erklärte nun, ein Wasserfall stürze dort von der Südwand wohl zwanzig Meter tief hinab, sodass die Wassermassen unten vollständig zerstäubten und die Südecke des Tales wie mit einem feinen Sprühregen anfüllten.

Kaum hatte sie den Ort dergestalt näher beschrieben, als Einauge rief: ‚Oh, das Tal kenne ich! Ich habe dort in dem Bach, der durch die Wasser des Falles gebildet wird, Goldkörner gefunden. Es liegt keine halbe Meile weiter stromaufwärts und vom Westufer eine knappe Viertelmeile entfernt.’

Moutawa benahm sich jetzt recht seltsam, blickte Einauge forschend an und fragte hastig: ‚Hat das Bleichgesicht dort wirklich Goldkörner gefunden?’

Wir beiden Gambusinos wurden stutzig. Die Frage der Apachin hatte gerade so gelungen, als wusste sie, dass dort noch anderes Gold zu finden sei.

Doch Moutawa beantwortete unsere Fragen nicht, die diesen Punkt aufklären sollten, sondern verlangte, dass wir sogleich zum Regental aufbrächen.

Einauge ritt voran. Als wir uns dem Tal dann näherten und Moutawa die Gegend wiedererkannte, flüsterte sie mir plötzlich zu: ‚Das andere Bleichgesicht darf uns nicht begleiten. Der Wasserfall verbirgt —’

Weiter kam sie nicht, da Einauge im Galopp zurückjagte und uns zurief. ‚Die Apachen sind da!’

Er verschwand schnell in einer Schlucht. Wir konnten mit unseren abgetriebenen Mustangs ihm so schnell nicht folgen und erreichten nur noch einen einzelnen Bergkegel, ließen die Pferde im Stich und erkletterten ihn, um hier unser Leben so teuer wie möglich zu verkaufen.

Ich will mich kürzer fassen, Felsenherz. Die Apachen umzingelten den Berg. Wathama näherte sich uns am Morgen als Unterhändler und versicherte, man würde unser Leben schonen, wenn ich ein Apache würde und Moutawa zur Frau nähme. Er rauchte mit mir dann feierlich die Friedenspfeife, und ahnungslos und vertrauensselig stiegen wir ins Tal hinab, wo die Apachen lagerten.

Kaum hatten die Apachen uns jedoch umringt, als Wathama seiner Schwester auch schon vor meinen Augen den Schädel spaltete. Dann packte man mich, und der Große Bär skalpierte mich bei lebendigem Leibe, ließ mir nachher aber Wundkräuter auflegen und mich für den Marterpfahl gesundpflegen. Wieder entkam ich den schurkischen Rothäuten, habe dann in drei Monaten nicht weniger als vierundvierzig von dem Gesindel einen nach dem anderen aus dem Hinterhalt weggeputzt, bis sie mich wieder beinahe erwischt hätten. Sie erschossen mir mein Pferd, dessen Schnelligkeit und Ausdauer mich bisher stets gerettet hatte. Da gab ich das abenteuerliche Leben auf und wurde Vaquero. Alles Weitere wisst Ihr, Felsenherz. Ich habe über Moutawas Tod bisher zu niemandem gesprochen. Das Andenken an sie ist mir heilig. Wenn ich Euch beiden also damals erzählte, ich hätte in dem Regental an dem Wasserfall eine Indianerin bemerkt, die mir eine Hand voll Goldkiesel zuwarf, so ist das lediglich eine Andeutung über die wahren Tatsachen gewesen. Dass der Wasserfall irgendein Geheimnis verbirgt, steht ja nach Moutawas unvollendet gebliebenem Satz außer Zweifel.“

Sancho brannte seine inzwischen ausgegangene Pfeife von Neuem an.

Felsenherz reichte ihm dann die Hand. „Euer Hass gegen die Apachen ist verständlich“, meinte er. „Die Rothäute haben Euch —“

Doch auch dieser Satz des Trappers sollte nicht beendet werden.

Hinter zwei nahen Felsen hervor schwirrten zwei Lassos durch die Luft, deren Schlingen den beiden Weißen gerade über den Kopf fielen und dann mit einem Ruck zugezogen wurden.

Fast gleichzeitig glitten etwa fünfzehn Navajo herbei, warfen sich auf die halb Wehrlosen und schlugen sie mit flachen Tomahawkhieben nieder.

Als der Schwarze Panther kaum zehn Minuten darauf sich dem Lagerplatz näherte, sah er in dem Halbdunkel der Mondnacht Felsenherz und Sancho scheinbar wie vordem an der Stelle sitzen, trat hinzu und wurde dann plötzlich von hinten durch einen Kolbenhieb niedergestreckt.

Die drei Gefährten erwachten sehr bald aus ihrer Betäubung, fanden sich auf ihre Pferde gefesselt wieder und wurden von fünfzehn berittenen Navajo bewacht, die ihre Gefangenen in die Prärie im Osten der Guadalupe-Berge brachten.

Der Morgen nahte bereits. Der Anführer der Navajo — ein bereits grauhaariger Roter mit einer doppelten Kette von Bärenzähnen um den Hals, hatte die Hufe der Pferde mit Decken umwickeln lassen und sorgte dafür, dass der Trupp eine recht schwache Fährte in dem taufrischen Präriegras zurückließ.

Erst mittags machten die Navajo am Rand der Llano Estacado in einer Schlucht halt.

Die Gefangenen wurden hier von ihren Pferden gehoben und an die nördliche Felswand, in deren Spalten die Rothäute Holzpfähle hineingetrieben hatten, aufrecht stehend mit ausgebreiteten Armen aufs Brutalste angebunden.

 

 

Viertes Kapitel

Der Heulende Wolf.

Der Anführer, den Adlerfedern nach ein Häuptling, pflanzte sich dann vor dem Schwarzen Panther auf, spie diesem ins Gesicht und rief: „Chokariga vom Stamm der langhaarigen, feigen Weiber (die Comanchen trugen als einer der wenigen Indianerstämme das Haar ungeschoren) sieht vor sich Heulenden Wolf, den großen Häuptling der Navajo, dessen Sohn er vor vierzehn Monden heimtückisch getötet hat.“

Der Comanche fiel ihm hier ins Wort. „Saßtaluma, der Heulende Wolf, heult nur Lügen. Sein Sohn kam zu den Comanchen, um Pferde zu stehlen. Meine Krieger haben ihn erschossen, als er floh. Saßtaluma wird den Speichel von meinem Gesicht mit seinem Blut abwaschen. Ich habe gesprochen.“

Der Navajo lachte höhnisch. „Chokariga wird in unseren Dörfern von den Knaben zu Tode gemartert werden. Felsenherz und das andere Bleichgesicht, den Indianerfresser, aber werden wir den Apachen verkaufen. Sie sind zehn Flinten wert, und die Krieger der Navajo haben Mangel an Feuerwaffen.“

Dann wandte er sich an Felsenherz.

„Der berühmte Trapper hat sich wie ein Präriehuhn benommen, das ruhig sitzen bleibt, selbst wenn es den Jäger gesehen hat“, meinte er. „Felsenherz sollte einen anderen Namen bekommen, weil er sich von mir so leicht überrumpeln ließ. Einer meiner Späher war hinter ihm her, und der weiße Jäger war blind und taub.“

„Da hast du recht, Saßtaluma“, erwiderte der Trapper gleichmütig. „Wir hätten vorsichtiger sein müssen. Die Navajo sind als Diebe bekannt. Und Diebe schleichen lautlos über den Boden wie die Schnecken, die tagsüber sich verkrochen halten. Auch Saßtaluma wird wohl die Bärenzähne irgendwo gestohlen haben, die er um den Hals trägt.“

Des Navajo dunkle Augen glühten vor Wut auf. „Hund!“, brüllte er, „frage meine Krieger, ob ich nicht bereits fünf graue Büren erlegt habe!“ Seine Rechte riss das lange Messer aus dem Gürtel. „Ich werde dir die Zunge herausschneiden und sie den Krähen zum Fraß hinwerfen. Felsenherz wird nie wieder einen Navajo einen Dieb nennen!“

Er wollte mit der Linken des Trappers Hals umkrallen.

„Du bist nicht nur ein Dieb, sondern auch ein Feigling“, sagte Felsenherz da verächtlich. „Wenn du fünf Bären getötet hast, wirst du auch den Mut haben, mit mir zu kämpfen. Fessle mir die linke Hand an den Rücken, behalte du alle deine Waffen, besteige selbst dein Pferd, und ich will dich doch lediglich mit der rechten Faust, wenn ich mich nur frei bewegen kann, besiegen!“

Die übrigen Navajo waren näher getreten und blickten ihren Häuptling gespannt an.

Saßtaluma hätte des Trappers Herausforderung gern abgelehnt. Man sah deutlich, dass er sich vor dem weißen Jäger fürchtete, dass er sich überlegte, was er erwidern solle, um nicht wirklich vor den Seinen als feige zu gelten.

Sekundenlang schaute er verlegen zu Boden. Dann erklärte er mit einer geringschätzigen Handbewegung: „Felsenherz soll seinen Willen haben! Sehr bald wird sein Skalp meinen Gürtel zieren!“

Er wandte sich um und winkte stolz seinen Kriegern.

„Bindet das Bleichgesicht los, fesselt ihm die Linke auf den Rücken und verteilt euch im Tal, damit er nicht fliehen kann!“

Felsenherz hatte seinen Zweck erreicht. Dass er den heulenden Wolf einen Dieb und Feigling genannt hatte, war alles Absicht gewesen.

Als die Navajo ihn nun von den Riemen befreiten, als je zwei seine Arme gepackt hielten und zwei andere als Wächter mit hiebbereitem Tomahawk vor ihm standen, da wusste er, dass er entkommen würde.

Auf seine Armkraft und die Schnelligkeit seiner Füße konnte er sich genau so verlassen wie auf die indianische Dressur seines Braunen, der dort drüben gesattelt neben Chokarigas Rappen weidete.

Mit einem kurzen Ruck schlug er beide Arme nach vorn, stieß die vier ihn festhaltenden Navajo auf die beiden anderen, warf sich gleichzeitig nach hinten, riss sich los, teilte zwei blitzschnelle Fausthiebe aus, rannte auf seinen Braunen zu, pfiff dreimal, sah sein braves Tier sofort in Karriere auf sich zukommen.

Schüsse knallten. Ein wahnwitziges Wutgeheul erscholl.

Der Trapper sprengte schon nach Osten zu die Schlucht entlang und dann in die endlose Llano Estacado, in die texanische Hochlandwüste, hinein.

Die Navajo, als Erster der heulende Wolf, hatten ihre Mustangs bestiegen, jagten hinter dem Flüchtling her. Nur drei blieben bei den Gefangenen zurück.

Felsenherz schaute zurück.

In lang auseinandergezogener Linie nahten die dreizehn Navajo.

Der blonde Trapper streichelte abermals den blanken Hals seines Braunen, rief dem Tier dabei leise zu: „Tschapawo — tschapawo!“ (Hinke — hinke!) Der Braune trabte nur noch.

Die Rothäute bemerkten, wie schwer des Flüchtlings Pferd auf der linken Hinterhand schonte (hinkte).

Dann hatte Felsenherz eine Reihe kahler Sanddünen erreicht, die streckenweise mit Kaktusfeldern bedeckt waren.

Als er hinter dem ersten Hügelkamm verschwunden war, gab er dem Braunen leicht die Hacken.

Das edle Tier wieherte, begann zu galoppieren.

Und weiter ging es durch die Sandtäler der Wüste, bald im Schritt, bald im Galopp, bald im Trab.

Die Navajo, stets kaum zweihundert Meter hinter dem Trapper, ließen sich täuschen, hofften bestimmt, dass der anscheinend lahmende Braune sehr bald völlig versagen würde.

So lockte Felsenherz die dreizehn Verfolger gut zwei Meilen in die öde Llano hinein. Nun aber näherte er sich zerklüfteten, steinigen Bergen, nun sollte erst der entscheidende Teil seiner List beginnen.

Hier, wo der harte Boden nur schwer Spuren annahm, sprang er ab, hatte im Augenblick dem Braunen die breiten, ledernen Hufschuhe untergeschnallt, sprang wieder in den Sattel und lenkte in eine Schlucht ein, die nach Nordwest sich hinzog.

Als die Navajo die Stelle erreichten, wo der Trapper für sie unsichtbar seinem Tier die Hufschuhe angelegt hatte, mussten sie lange suchen, bis sie dann endlich an ein paar aus ihrem Lager etwas verschobenen Steinen die Fährte wiedergefunden hatten.

Felsenherz aber galoppierte bereits, die Hufschuhe wieder am Sattel, auf der alten Fährte in den Sanddünen denselben Weg zurück.

In der Schlucht am Rande der Llano Estacado hockten die drei Navajo, die als Wächter zurückgeblieben waren, dicht vor den beiden Gefangenen. Es waren noch junge Krieger, und an ihrem ganzen Benehmen merkte man, dass sie besonders dem Comanchenhäuptling sehr wohl zutrauten, einen Befreiungsversuch zu wagen. Zwei von ihnen besaßen alte Steinschlossflinten, jene Sorte von Schießprügeln, die oft dem Schützen gefährlicher sind als dem Ziele, das sie treffen sollen. Sie hatten die Hähne gespannt und die Mündungen auf des Comanchen Brust gerichtet, glaubten nun, der Gefangenen ganz sicher zu sein.

Über Chokarigas edles Gesicht flog ein kaum merkliches Lächeln hin.

Er hatte drüben am anderen Rand der Schlucht hinter ein paar Kaktusstauden den Kopf seines weißen Bruders wahrgenommen, hatte den Blick jedoch sofort weitergleiten lassen und redete nun die Navajo, um ihre Aufmerksamkeit abzulenken, folgendermaßen an: „Die drei jungen Navajo mögen auf des Schwarzen Panthers Worte hören! Euer Häuptling Saßtaluma hat euch dazu verführt, ihn hier in das Gebiet der Apachen zu begleiten. Ihr seid in der verflossenen Nacht in einem großen Kanu den Pecos aufwärts gerudert. Andere von euch aber sind bei euren Pferden geblieben. Habt ihr das Flachboot gesehen, das dort in einem Arm des Pecos vertäut war?“

Absichtlich stellte Chokariga diese Frage. Sein scharfer Verstand vermutete einen Zusammenhang zwischen dem Erscheinen des Flachbootes und dem Auftauchen der Navajo hier in dieser entlegenen, gefährlichen Gegend.

Die drei Krieger hatten ihre Gesichter schlecht in der Gewalt.

Auch Sancho, der Gambusino, merkte, wie sie verlegen wurden und ein paar Blicke wechselten, die gleichsam einer bei dem anderen Rat holten.

Dann erwiderte der Älteste von ihnen: „Der Häuptling der Comanchen will uns nur ausforschen. Wir wissen nichts von einem Flachboot!“

Chokarigas Augen schweiften gleichgültig über die Schlucht hin. Dann erklärte er: „Ihr lügt! Ihr seid des Flachbootes wegen hier!“

„Woher weiß der Schwarze Panther dies?“, entfuhr es dem Navajo. Gleich aber sah er ein, dass er sich verraten hatte, und fügte hinzu: „Chokariga soll schweigen, oder die Kugel meiner Büchse wird ihn treffen!“

Auch Sancho hatte nun den Trapper erblickt, der lautlos von hinten an die drei Navajo herankroch und kaum noch acht Schritte entfernt war.

„Der junge Krieger der Navajo hat kein Pulver in der Zündpfanne seiner Flinte! Wie will er da schießen!“, konterte der Gambusino und lachte los.

Und der Navajo fiel wirklich auf den plumpen Trick herein, bückte sich über das Gewehrschloss und klappte die Zündpfanne auf.

Die beiden neben ihm sitzenden Krieger beugten sich gleichfalls neugierig vor, um zu sehen, ob ihr Stammesgenosse wirklich so nachlässig gewesen sei, die Zündspanne nicht zu füllen.

Chokariga und Sancho tauschten einen triumphierenden Blick aus und beobachteten dann den Trapper, der seine im Gras liegende Büchse, die der Heulende Wolf sich angeeignet, aber beim Beginn der Hetzjagd hier vergessen hatte, aufraffte und sich nun aus der zusammengeduckten Haltung erhob.

Er sah, dass auf den Pistons der schweren, langen Doppelbüchse frische Zündhütchen steckten, dass die Waffe also noch geladen war.

Dann brachte er sie bedächtig in Anschlag.

„Der Indianerfresser hat gelogen!“, rief der Navajo jetzt. „Wie wollte er auch wissen, dass kein Pulver auf der Zündpfanne sei?“

Sancho lachte behaglich.

„Und selbst wenn deine uralte Donnerbüchse in Ordnung wäre“, meinte er, „helfen tut sie dir doch nichts, roter Bursche! Wetten, dass du sie sofort fallen lassen wirst?“

Da krachte auch schon ein Schuss — ein zweiter folgte.

Den beiden Navajo flogen die Flinten aus den Händen.

„Ei, da macht ihr mal Gesichter!“, sagte der Gambusino grinsend.

Und das stimmte. Die drei Navajo saßen wie gelähmt da, hatten nur die Köpfe halb gedreht und schielten rückwärts auf Felsenherz, der bereits des Schwarzen Panthers Büchse in der Hand hielt.

„Die jungen Navajokrieger mögen sich dort links an den Dornenbusch stellen!“, befahl der Trapper in fast gutmütigem Ton. „Felsenherz tötet nie eine Rothaut unnötig. Wenn ihr aber nicht gehorcht, muss ich euch durch das Knie schießen!“

Die drei standen sofort auf und wandten sich vollends um, blickten nun in die auf sie gerichtete Mündung der Büchse des Comanchen, die in Felsenherz’ Armen fest wie in einem Schraubstock lag.

Sie senkten beschämt die Köpfe und schritten zu dem Dornbusch hin. Als sie hier nebeneinander sich aufgereiht hatten, zog der Trapper mit der Linken sein Messer, trat an Chokariga heran und schnitt ihn los, ohne die Navajo aus den Augen zu lassen.

Kaum war der Häuptling frei, als er auch schon Felsenherz das Messer abnahm und Sanchos Riemen zertrennte.

Dann wurden die Navajo rasch gefesselt und auf ihre Mustangs gebunden. Gleich darauf trabten die drei Gefährten mit ihren Gefangenen die Schlucht nach Westen zu entlang und erreichten am Spätnachmittag die ersten Vorberge des Guadalupe-Gebirges weit nördlich von jener Stelle, wo die Navajo sie kurz vor Tagesanbruch überfallen hatten.

 

 

Fünftes Kapitel

Im Uferwald.

Der Unterhäuptling Wathama war nach der geglückten Flucht sogleich zum Lager seiner Leute am Westrand der Hochebene zurückgeeilt und hatte sofort zwei zuverlässige Krieger zu der weiter nördlich lagernden Hauptabteilung der Apachen abgeschickt, um den Großen Bär, der dort in der sogenannten Guadalupe-Prärie Büffel jagte, zu benachrichtigen, dass Felsenherz, der Schwarze Panther und der Indsmenfresser hier wieder im Gebiet der Apachen aufgetaucht seien.

Mit den ihm verbliebenen elf Kriegern wandte sich der Nachtfalke einer der erfahrensten und unsichtigsten Unterhäuptlinge, auf Umwegen dem Rio Pecos wieder zu, damit er feststellen konnte, wohin die beiden weißen Jäger und der Comanche ihren Ritt fortsetzen würden. Am Westufer des Pecos verbarg der Trupp seine Pferde in einem Dickicht und verteilte sich dann an beiden Ufern in weiten Abständen. Wathama und vier Apachen waren auf Baumstämmen über den Fluß gesetzt und wollten das Ostufer beobachten. Als sie sich hier getrennt hatten, begann der Nachtfalke gleichzeitig nach dem Flachboot Ausschau zu halten.

In der Krone eines treibenden Baumes verborgen, schwamm er den Pecos zunächst bis zu jenem Inselchen abwärts, wo das Flachboot vertäut gewesen war.

Die Stelle war leer. Der Nachtfalke landete jetzt wieder am Ostufer. Gerade als er lautlos hinter die ersten Uferbüsche huschte, kam ein Fellboot den Pecos eiligst aufwärts. Ein einzelner Roter hockte darin. Wathamas Augen weiteten sich vor Staunen. Der Krieger in dem Kanu war ein Navajo.

Der Nachtfalke begleitete das Fellboot nun am Ufer, musste große Strecken laufend zurücklegen, aber hatte dann doch die Genugtuung, auf diese Weise an den Ort geführt zu werden, wo in dem toten Arm des Pecos jetzt das Flachboot versteckt lag.

Das Kanu legte neben dem plumpen Fahrzeug an, und der Nachtfalke konnte weiter feststellen, dass sich auf dem Flachboot etwa dreißig Navajo befanden, von denen dann fünfzehn unter Führung des dem Nachtfalken gut bekannten Häuptlings Saßtaluma eiligst im nahen Wald verschwanden.

Wathama versuchte ihnen zu folgen, musste dies jedoch bald aufgeben, schlich zu der Liegestelle des Flachbootes zurück und konnte hier lediglich auskundschaften, dass das Fahrzeug den Platz wieder verlassen hatte.

Kurz vor Tagesanbruch meldeten ihm dann zwei der stromaufwärts postierten Wachen, das Flachboot sei mithilfe seines Segels und geschleppt von einem großen Kanu, in dem neun Navajo gesessen hätten, den Pecos aufwärts gefahren.

Der Nachtfalke beschloss nun, am Westufer nur drei Krieger zurückzulassen, die dem Oberhäuptling das Nötige mitteilen sollten, während er selbst dem Verbleib des Trappers Felsenherz und seiner Begleiter nachspüren wollte.

Wathama machte seinem Ruf als tüchtiger Fährtensucher alle Ehre. Zwei Stunden nach Sonnenaufgang wusste er, dass die Navajo und Saßtaluma, der Heulende Wolf, die drei Westmänner gefangen genommen und mit ihnen in die Llano Estacado hinausgeritten waren.

So kam es, dass Wathama mit seinen acht Kriegern jene Schlucht in der Llano kaum eine Viertelstunde nach Aufbruch der drei Jäger erreichte, ohne diese jedoch in dem hügeligen Gelände zu Gesicht bekommen zu haben.

Nachtfalke wollte sich jetzt aus den hier vorgefundenen Spuren ein Bild der Vorgänge entwerfen, durch die den drei Westmännern die Flucht ermöglicht war.

Während er und seine Krieger noch in der Schlucht hielten, langten jedoch die durch Felsenherz meilenweit in die Llano gelockten Navajo ebenfalls wieder an, und der Heulende Wolf war es, der nun zu Fuß näher schlich, weil er überzeugt war, dass der blonde Trapper inzwischen auch den Comanchen und den Indsmenfresser befreit und vielleicht im Sinn hätte, auch die anderen Navajo zu überrumpeln, sobald sie von der misslungenen Verfolgung zurückkehrten.

Saßtaluma hatte die Apachen oben am Rande der Schlucht versteckt, nur ein paar Minuten beobachtet, winkte nun seine Navajo herbei und gedachte, hier auf leichte Weise ein paar Flinten und Apachenpferde zu erbeuten.

Wathama hatte soeben die Spuren in der Schlucht geprüft und rief nun seinen Kriegern zu, dass zwei sich als Wachen oben an den Schluchträndern aufstellen sollten.

Er wollte sich dann wieder in den Sattel schwingen, als die Navajo von oben auf die Apachen zu feuern begannen.

Bei der kurzen Entfernung sanken denn auch sofort vier Apachen vom Pferd. Den Flintenschüssen folgten mehrere Pfeile, die zwei weitere Apachen schwer verwundeten.

Wathama und die beiden unverletzt Gebliebenen versuchten nach Westen zu entkommen. Es gelang ihnen nicht. Die Navajo waren im Nu hinter ihnen her, und Saßtaluma verlegte ihnen den Weg in die offene Llano, schoss Wathamas Mustang nieder und ließ den Unterhäuptling, der unter sein Pferd zu liegen kam, als Einzigen dann am Leben.

Der Nachtfalke überhäufte den hinterlistigen Navajohäuptling mit einer Flut von Schmähungen. Saßtaluma, am Gürtel vier frische Apachenskalpe, versetzte dem Gefesselten einen Fußtritt.

„Schweig, Hund von einem Pimo (Schimpfname für die Apachen). Der heulende Wolf verachtet dich!

Du hast deine eigene Schwester getötet, hast mit Sancho, dem Indsmenfresser, vorher die Friedenspfeife geraucht und doch die getroffenen Abmachungen gebrochen! Ich habe Felsenherz und Sancho belauscht und weiß, dass du ein Lügner bist. Deine Zunge ist gespalten, aus deinem Mund träufelt das Gift der Unehrlichkeit! Hättest du mich und meine Krieger überfallen können, so würdest du es genau so getan haben, wie wir es mit Euch taten!“

Wathama war nach der Erwähnung seiner Schwester verstummt und hatte den Kopf wie schuldbewusst gesenkt.

Der Heulende Wolf befahl nun den Anspruch. Der Apache wurde in die Mitte genommen, und im Galopp ging es mit den erbeuteten Mustangs scharf nach Nordwest zu. Um die Fährte der drei Westmänner und ihrer Gefangenen kümmerte sich Saßtaluma nicht weiter. Er hatte es eilig, mit dem Flachboot wieder zusammenzutreffen.

Die wildromantischen Guadalupe-Berge werden durch mehrere rechte Nebenflüsse des Pecos durchschnitten, die wieder zahlreiche Bäche aufnehmen und häufig imposante Wasserfälle bilden.

Am Abend dieses Tages finden wir Felsenherz mit seinen beiden Begleitern auf dem Westufer des Pecos auf einer schmalen Halbinsel wieder, die durch die Einmündung eines NebenFlußes hier gebildet wurde.

Diese Halbinsel war nichts als ein ungeheurer, etwa zwanzig Meter breiter und ebenso hoher, dagegen gut doppelt so langer Felskoloss, der von drei Seiten von den schäumenden Wassern umspült wurde. Dort, wo er mit dem Land zusammenhing, wuchs eine Anzahl von Riesentannen, deren dunkle Nadelwipfel einen Vorhang vor der dem Wasser abgekehrten Steilwand gezogen hatten und so die Besonderheiten dieser Halbinsel, eine grottenartige Ausbuchtung im Gestein, zu der etwas wie ein natürlicher Zickzackpfad emporführte, verbargen.

Der frühere Gambusino hatte diese Grotte während seines abenteuerlichen, gefährlichen Goldsucherlebens einmal zufällig entdeckt und nach Dunkelwerden Felsenherz und den Comanchen dorthin geführt, nachdem man die drei Gefangenen schon eine Stunde vorher am Ostufer des Pecos wieder freigelassen hatte.

Die Pferde waren ihren Herren den steilen Zickzackpfad hinauf willig gefolgt. Nun brannte in der Grotte hinter einem vorspringenden Winkel ein kleines Feuer, an dem Sancho und Felsenherz ein junges Wildschwein brieten, welches Chokariga mit dem Tomahawk erlegt hatte.

Der Comanchenhäuptling aber war vor etwa einer Viertelstunde zum Südufer des nahen NebenFlußes des Pecos hinabgeschlichen, um Wasser und Gras für die Pferde zu holen.

„Wir sind hier jetzt keine Stunde mehr von dem Regental entfernt“, sagte Sancho leise zu dem Trapper. „Sobald wir überzeugt sein können, dass weder die Navajo noch Wathamas Trupp diese Gegend weiter unsicher machen, werden wir drei endlich erfahren, was die junge Apachin mit ihren Worten hat andeuten wollen.“

Felsenherz nickte. „Auch ich bin dafür, dass wir in diesem Versteck ein paar Tage bleiben. Ohne Zweifel wird ja der Nachtfalke den Großen Bär, unseren alten Todfeind, von unserer Anwesenheit hier in den Guadalupe-Bergen benachrichtigen, und der Oberhäuptling dürfte alles aufbieten, uns in seine Gewalt zu bekommen. Ah — da ist Chokariga schon. Nun, mein Bruder kehrt ohne Wasser und Gras zurück?“

Der Comanche ließ sich am Feuer nieder und drückte die Brände durch Steine fast ganz aus, sagte dabei: „Die Schluchten und das Wasser sind in dieser Nacht zu lebendig, als dass wir uns hier geborgen fühlen dürften! Das Flachboot liegt dort südlich am Ufer des NebenFlußes, und Chokariga zählte fünfzehn Navajo auf seinem Deck. Außerdem kam soeben ein Baumfloß mit vierzig Apachen den Pecos aufwärts, während hier am Ostufer zwanzig Apachen entlangritten.“

„Caramba!“, fluchte der Gambusino. „Eine ungemütliche Nachbarschaft!“

Felsenherz begann schweigend das Wildschwein zu zerteilen und zu essen. Auch der Comanche langte zu. Sancho erhob sich dagegen und meinte, er wolle unter diesen Umständen die erste Wache am Eingang der Grotte übernehmen.

„Der Gambusino mag essen!“, erklärte Chokariga kurz. „Mein Rappe wittert den Feind. Ich habe ihn vorn angebunden. Wir werden sehr bald das Kriegsgeschrei der Apachen hören. Die Navajo halten Wathama auf dem Flachboot gefangen, und der Große Bär befand sich mit auf dem Baumfloß.“

Felsenherz schaute den Comanchen fragend an. „Mein Bruder glaubt also, dass die Apachen das Flachboot finden werden?“

„Sie werden es finden. Der Bucklige hat es schlecht versteckt im Schilfrohr, und die Navajo sind nicht klüger als er. Auch sie werden ihre Skalpe verlieren.“

Der Trapper legte das Stück Fleisch, von dem er eben gegessen hatte, beiseite und erklärte fest: „Ich dulde nicht, dass man jenen Gottlied Bulle überfällt und hinmordet! Ich darf es nicht dulden. Er ist mein Landsmann. Mag er sich mir gegenüber auch unfreundlich benommen haben. er ist Deutscher, und vielleicht hat er seine besonderen Gründe dafür gehabt, mich so grob zu behandeln. Ich werde ihn warnen. Dann habe ich vor mir selbst meine Pflicht und Schuldigkeit getane Er stand auf, griff nach seiner Büchse und nickte dem Häuptling und Sancho kurz zu, schritt lautlos davon, drückte sich an Chokarigas Rappen vorüber auf den Zickzackpfad und schlich mit äußerster Behutsamkeit in das Flußtal hinab.

Er war sich sehr wohl bewusst, dass das, was er vorhatte, ein großes Wagnis darstellte. Er befand sich hier gleichsam zwischen zwei Feuern, zwischen den Apachen und dem mit Navajo besetzten Flachboot. Entging er den einen, konnte er leicht den anderen in die Hände geraten.

Der Trapper dachte natürlich nicht im entferntesten daran, etwa bis auf das Flachboot sich zu begeben. Nein — es genügte schon, wenn er in dessen Nähe beide Läufe seiner Büchse abfeuerte. Dies musste mindestens die Navajo, die doch fraglos mit dem Buckligen im Bunde standen, zur Vorsicht mahnen.

Selten nur hatte der im Anschleichen so geübte Felsenherz mit solcher Sorgfalt all die kleinen Kunstgriffe angewandt, die ein erfahrener Westmann nur in der Stunde höchster Gefahr beachtet, da sie das Vorwärtskommen so sehr erschweren.

Hier jedoch war es gleichgültig, ob er eine halbe Stunde früher oder später die Warnschüsse abgab. Die Hauptsache blieb, dass man ihn nicht bemerkte und dass sowohl die Apachen als auch die Navajo nicht ahnten, wo der Trapper mit seinen beiden Gefährten jetzt steckte. Felsenherz nahm seinen Weg nicht etwa dicht am Fluß entlang, sondern kroch auf allen vieren im Uferwald dahin, wo es trotz der mondhellen Nacht infolge des schier undurchdringlichen Blätterdachs der verschiedenartigen Bäume fast stockfinster war. Die Stelle, wo das Flachboot lag, hatte Chokariga ihm nicht näher bezeichnet. Der Comanche hatte dies aber für überflüssig erachtet, da er überzeugt war, sein weißer Bruder würde das Fahrzeug genau so leicht finden wie er.

Nachdem der Trapper etwa dreitausend Meter auf diese Weise immer nach Süden zu im Wald zurückgelegt hatte, wobei er stets das Rauschen des NebenFlußes im Ohr behielt, spürte er deutlich den Rauch eines Feuers.

Prüfend sog er die Luft ein. Der Rauch zog von Nordwest herüber, kam also vom Fluß und setzte sich hier im Wald trotz des frischen Nachtwindes stärker fest.

Felsenherz vermutete sogleich, dass dieser verräterische Qualmgeruch von dem Flachboot herüberzöge. Er wandte sich jetzt also nach rechts, näher dem Ufer zu.

Als er sich so völlig lautlos dem Rand des Waldstreifens näherte und bereits außerhalb der Bäume das Mondlicht silbern auf den Büschen und dem Fluß schillern sah, gewahrte er vor sich an einer starken Eiche einen Schatten, der etwa einem großen Vogel glich und sich hin und her bewegte.

Sehr bald hatte er festgestellt, dass der Schatten kein Tier, sondern der federgeschmückte Kopf eines Indianers war — eines Häuptlings.

Der Trapper überlegte. Es konnte sich hier nur um den Großen Bär, den Oberhäuptling der Apachen, handeln. Ein Navajo konnte es nicht sein, denn der Indianer dort war ein besonders großer und breitschultriger Mann.

Felsenherz sagte sich ebenso schnell, dass es für ihn und seine Gefährten nur von Vorteil sein könne, wenn man den Großen Bär für alle Fälle als Geisel in der Gewalt hätte. Er wollte also versuchen, sich des Oberhäuptlings ohne jeden Lärm zu bemächtigen.

Nachdem er die Eiche, einen uralten, sehr dicken Baum, im weiten Umkreis umschlichen und so die Gewissheit erlangt hatte, dass der Große Bär hier an dieser Stelle allein den Kundschafter spielte, kroch er wieder von hinten auf den Apachen zu.

Da vernahm er rechts von sich das feine Zirpen einer Grille. Dreimal erklang es in bestimmten Pausen. Es war das Signal, das der Comanche stets gebrauchte, um sich dem Trapper bei einem gefahrvollen nächtlichen Unternehmen bemerkbar zu machen.

Felsenherz kniff einen Grashalm ab und ahmte ebenfalls das Zirpen ebenso vortrefflich nach. Als Antwort erschollen dieselben Tierlaute aus demselben Gebüsch von rechts jetzt nur zweimal.

Der Trapper wusste, dass Chokariga ihm etwas mitzuteilen hatte, schob sich auf die Büsche zu und fühlte gleich darauf eine Hand auf seiner Schulter.

„Chokariga hatte Sorge um seinen weißen Bruder“, hauchte der Comanche. „Felsenherz will den Großen Bär die Faust fühlen lassen. Chokariga wird ihm helfen und den Apachen dann zu der Grotte tragen. Dieser Uferwald ist jetzt frei von Feinden. Sie liegen dicht am Ufer hinter den Felsen und dem Dornengestrüpp.“

Der blonde Jäger kroch weiter. Der Comanche war dicht hinter ihm.

Der große Bär saß an der Eiche auf einer Luftwurzel und konnte von hier aus durch eine Lücke in den Bäumen auf den etwa vier Meter tiefer liegenden Fluß hinabblicken.

Seine Büchse hielt er auf den Knien mit der Linken, in der Rechten aber lose die große, schwere Streitaxt. Irgendetwas musste seine Aufmerksamkeit jetzt erregt haben, denn er richtete sich mit einem Mal auf und schmiegte sich noch enger an den Stamm.

Felsenherz hatte sich ganz tief hinter einen Strauch geduckt. Links von der Eiche war es so hell, dass er nun den Kopf eines Navajo erkannte, der die Uferböschung vorsichtig emporstieg.

Der Große Bär hatte den Tomahawk erhoben.

Jetzt wollte der Navajospäher hinter die Eiche schlüpfen.

Das Schlachtbeil des Apachen sauste herab.

Ein dumpfer Krach, den das Gurgeln der Wasser und das Rauschen der Bäume fast übertönte.

Der Navajo war lautlos mit gespaltenem Schädel zusammengesunken, und der Große Bär bückte sich nun, um die Leiche tiefer in den Wald zu schleppen.

Da — ein schwerer Körper drückte ihn zu Boden, zwei Hände umkrallten seinen Hals.

Der Comanche lag über ihm, und Felsenherz’ Faust traf jetzt zweimal dröhnend die Schläfe des riesigen Roten.

Der Apache war bewusstlos. Im Nu hatte Chokariga ihn gefesselt und geknebelt, lud ihn sich auf den Rücken und trug ihn davon. Der Trapper war inzwischen spurlos verschwunden.

Nein — nicht verschwunden! Dort oben im Geäst der Eiche war eine schlanke Gestalt zu erkennen, die sich geräuschlos höher und höher schwang.

Es war Felsenherz, der von der Eiche aus die beiden Warnschüsse abgeben wollte und zwar so, dass die Kugeln irgendeinen Teil des Flachbootes träfen, welches dem jetzt stärkeren Qualmgeruch nach dort unten im Uferschilf liegen musste.

Der Trapper hatte sich nicht getäuscht. Als er durch die Zweige schräg abwärts lugte, bemerkte er in dem wogenden, hohen Schilfrohr einen dunklen Gegenstand von der Größe des Flachbootes.

Es musste das Boot sein. Der Mast war allerdings entfernt worden. Aber etwas wie ein schwarzer Strich ragte dort hervor: ein Schornsteinrohr, aus dem leichte Rauchwölkchen emporstiegen und im Wind schnell zerflatterten.

Felsenherz spannte beide Hähne seiner Büchse. Dann suchte er eine recht bequeme Haltung einzunehmen, legte an, zielte und feuerte beide Kugeln in das Schornsteinrohr hinein.

 

 

Sechstes Kapitel

Der Angriff auf das Flachboot.

Der doppelte Knall scheuchte eine Krähenschar auf, die in einer nahen Kiefer genächtigt hatte.

Krächzend strichen die Vögel über den Fluß hin. Kaum waren sie verschwunden, als vom Nordufer ein Baumfloß, das dort im Schatten wie einige zufällig angetriebene Urwaldriesen gelegen hatte, abstieß und scheinbar unbemannt auf das Südufer zuhielt. Der Trapper hatte zunächst beabsichtigt gehabt, sofort nach den Schüssen, die ja das Rohr getroffen und die Insassen des Flachbootes daher nachdrücklich gewarnt haben mussten, aus der Eiche wieder herabzuklettern und die Grotte schleunigst aufzusuchen.

Als seine scharfen Augen jedoch das Floß bemerkten und er weiter feststellte, dass dieses durch acht schwimmende Apachen mithilfe von Lassos gelenkt wurde, blieb er auf dem Baum, wo er sich durchaus sicher fühlen durfte, da infolge des vielfachen Echos, das seine Schüsse hervorgerufen hatten, niemand herausfinden konnte, wo sie gefallen waren.

Er beobachtete nun, wie das Floß, in dessen Baumkronen so ohne Zweifel eine Menge Apachen steckten, die Richtung auf jenes Schilfrohrfeld nahm, in dem das Flachboot verborgen war.

Das Mondlicht machte es ihn leicht, auch die weiteren Vorgänge genau zu verfolgen. Er gewahrte jetzt auf dem Deck des plumpen Bootes eine Bewegung, sah dunkle Schatten hin– und hergleiten. Dann stieß von dem Fahrzeug ein großes Kanu ab, schoss durch das Rohr in den Fluß hinaus.

Navajo saßen darin — an die vierzehn Krieger. Sechs ruderten. Die Übrigen knieten. Und diese begannen nun auf die schwimmenden Apachen zu schießen.

Die Apachen tauchten blitzschnell unter.

Und ebenso plötzlich zuckten aus den Baumkronen des Floßes feurige Streifen auf — Schüsse, die den Navajo galten.

Eine ganze Salve war es. Und die Wirkung blieb nicht aus.

Drei Navajo stürzten über Bord. Andere sanken getroffen über den Rand des Kanus, das sofort Wasser schöpfte und halb volllief.

Die unverwundeten Navajo, dauernd von dem Floß aus beschossen, ließen sich in den Fluß gleiten und versuchten das Flachboot wieder zu erreichen. Inzwischen war jedoch bereits vom Ufer aus eine zweite Abteilung Apachen an das schwerfällige Fahrzeug herangeschwommen und hatte sich an Bord geschwungen, hatte Harzfackeln angezündet, deren roter Lichtschein das nun folgende Morden grell beleuchtete.

Felsenherz hatte hier im Westen schon so mancher Kampfszene beigewohnt.

Aber dieses Bild, wie die im Schilfrohr steckenden Navajo einzeln durch Kugeln und Pfeile abgetan wurden, erfüllte ihn mit solcher Abscheu, dass er wiederholt die bereits wieder geladene Büchse hob, um von den blutgierigen Apachen ein paar besonders mordlustige Gesellen niederzustrecken.

Stets ließ er die Waffe wieder sinken. Denn was hätte es für einen Zweck gehabt, sich hier in die Zwistigkeiten der Rothäute einzumischen? Er hätte vielleicht dabei sein Leben aufs Spiel gesetzt. Und das waren weder die Navajo noch die Apachen wert.

Anders wäre es gewesen, wenn er den Landsmann Gottlieb Bulle dort drüben auf dem Flachboot in einer besonders gefährlichen Lage bemerkt hätte. Doch der Zwerg schien sich bereits vorher ebenso wie sein Gefährte mit dem tiefen Bass in Sicherheit gebracht zu haben.

Die Mordszene war vorüber. Felsenherz sah, dass die Apachen das plumpe Fahrzeug nochmals gründlich durchsuchten.

Eins fiel dem Trapper jetzt auf. Chokariga hatte doch gemeldet, dass die Navajo Wathama, den Unterhäuptling, auf dem Flachboot als Gefangenen bewachten. Wo war Wathama geblieben? Sollten die Navajo ihn in dem langen Kanu gehabt haben? Sollte er, als dieses schließlich völlig umgeschlagen war, gefesselt im Fluß versunken sein? Felsenherz konnte sich über diesen Punkt jetzt keine Gewissheit verschaffen. Jedenfalls aber stand das eine außer Zweifel: Die Apachen hatten auf dem Flachboot keine lebende Seele mehr vorgefunden!

Jetzt begannen sie, die im Inneren des Fahrzeugs aufgestapelten Waren an Land zu schaffen, nachdem sie das Flachboot näher an das Ufer gezogen hatten.

Sie zündeten noch mehr Fackeln an, und aus ihrem ganzen Benehmen ging deutlich hervor, dass sie weder mit der Anwesenheit des blonden Trappers und seiner beiden Geführten an dieser Stelle der Guadalupe-Berge rechneten noch das Verschwinden ihres Oberhäuptlings bisher irgendwie ungünstig gedeutet hatten.

Dann jedoch erschall plötzlich im Inneren des Flachbootes ein so durchdringendes Angstgebrüll, dass die sämtlichen an Deck und am Ufer befindlichen Roten einen Moment wie gelähmt dastanden.

Nun stürzten aus der einzigen Luke fünf, sechs Krieger, einander stoßend und drängend, hervor. Ihnen folgte eine dichte, weiße Qualmwolke, die an Stärke schnell zunahm und vom Wind träge gegen den Uferwald gedrückt wurde.

Jeden Augenblick mussten nun wohl auch die Flammen des im Inneren offenbar brennenden Fahrzeugs aus der Luke hervorschießen.

Nein — keine züngelnden Flammen waren es, die jetzt noch den Schreck der Rothäute vermehrten.

Zischend fuhr aus den hellgrauen Qualmwolken ein Funken sprühendes Etwas in die Mondnacht hinauf, zerplatzte gerade über dem Flachboot und streute einen Regen farbiger, feuriger Funken aus, die sich langsam zum Ufer herabsenkten.

Felsenherz beobachtete sprachlos vor Staunen diesen hier in der Wildnis gewiss recht seltsamen Zwischenfall.

Wo hatte wohl dieser etwas rätselhafte Gottlieb Bulle eine Rakete herbekommen? Und wer hatte diese Rakete abgefeuert?

Doch zu solchen Erwägungen blieb dem jungen Trapper jetzt keine Zeit.

Anderes gab es zu sehen, das ihm ein leises Lächeln entlockte: die Flucht der Apachen vor dieser Rakete und ihrem bunten Funkenregen, eine Flucht, die vollständig einer allgemeinen Panik glich.

Alles riss aus — alles! Gegen sechzig Apachen waren im Moment vom Ufer und vom Deck des Flachbootes wie weggefegt.

Die bunten, feurigen Funken der Rakete waren längst erloschen. Der aus dem Inneren des Fahrzeugs hervorragende Qualm wurde immer schwächer.

Zehn Minuten darauf wagten sich ein paar Krieger aus dem Uferwald wieder hervor, jedoch nur in der Absicht, die bereits an Land gebrachten drei Holzkisten weiter wegzuschaffen.

Eiligst tauchten sie mit den Kisten im Waldesdunkel unter, und nichts verriet dann mehr dem einsamen Lauscher auf der Eiche, dass noch Apachen hier zurückgeblieben seien.

Nach einer halben Stunde kletterte Felsenherz daher vom Baum vorsichtig herab und schlich der Halbinsel und der Grotte wieder zu.

Diese war von der jetzigen Liegestelle des Flachbootes etwas über dreitausend Meter entfernt. Dieser Zwischenraum schien den Apachen genügt zu haben, ihre abergläubische Angst vor dem Fahrzeug des buckligen Weißen zu überwinden, denn zu Felsenherz nicht geringem Schreck erblickte er, als er sich nun dem Steinkoloss der Halbinsel näherte, einige zehn lodernde Lagerfeuer gerade dort, wo sich vor der die Landseite der Halbinsel beschattenden Gruppe von Riesentannen eine Terrasse ohne viel Baumwuchs nach Süden zu erstreckte.

Auf dieser Terrasse, kaum achtzig Meter von den Riesentannen entfernt, lagerten jetzt die Apachen.

Felsenherz hielt es für seine Pflicht, deren Treiben eine Weile zu beobachten.

Da sie sich recht sorglos zeigten und noch nicht einmal Wachen aufgestellt hatten, konnte er hier abermals eine uralte Blutbuche, deren oberer Stamm schief nach Osten zu gewachsen war, erklettern und so einen vollen Überblick über das Lager gewinnen.

Er zählte hier nicht weniger als 200 Krieger, die in dichten Gruppen um die zehn Feuer herumstanden und lebhaft miteinander sprachen.

Die Pferde wurden weiter nach Osten zu auf einer Waldlichtung von weiteren zwölf Apachen bewacht, die dort ebenfalls zwei Feuer brennen hatten.

Die Aufregung der Rothäute konnte nur einen Grund haben. Das lange Ausbleiben des Oberhäuptlings hatte die Krieger jetzt doch besorgt gemacht!

Felsenherz hatte genug gesehen. Er verließ die Buche und schlich im Bogen auf die Riesentannen zu, erklomm den Zickzackpfad zur Grotte und traf hier mit Chokariga zusammen, der ebenfalls erst vor wenigen Minuten von einem abermaligen Spähergang zurückgekehrt war.

„Mein Bruder Harry hat das Lager beobachtet“, sagte der Comanche leise. „Wir dürfen hier nicht bis zum Morgen bleiben. Sobald es hell wird, werden die Apachenhunde wie die Bienen überall umherschwärmen und den Großen Bär suchen. Zu leicht können sie uns dann hier entdecken.“

„Chokariga spricht nur meine Gedanken aus“, bestätigte dies der Trapper mit einem Kopfnicken.

„Sancho und ich haben den Pferden bereits die Hufe mit Decken umwickelt“, fügte der Häuptling hinzu.

„Mein Bruder mag den Großen Bär auf die Schulter nehmen. Der Gambusino wird die Pferde hinabführen, und Chokariga will das Lager beobachten. Wenn wir die Pferde gleich um die Ecke der Halbinsel herum in den Fluß bringen, können wir schwimmend das Ostufer des Pecos erreichen.“

„Mein roter Bruder hat das Richtige vor!“, erklärte Felsenherz kurz. „Brechen wir also auf!“

Da die Apachen noch immer in erregter Unterhaltung um die Feuer herumstanden, war die Flucht aus der Grotte durchaus nicht schwierig, zumal das unvermeidliche Poltern einzelner durch die Pferde auf dem Zickzackpfad losgerissener Steine durch das Brausen der um die Halbinsel herumschießenden Wasser und durch das Rauschen der vom Nachtwind geschüttelten Bäume übertönt wurde.

Alles schien gut zu gehen. Schon waren die drei Pferde — auf Felsenherz’ Braunen war der geknebelte Große Bär festgebunden — in den Fluß geführt, schon hatte der Trapper den Comanchen herbeigeholt. Schon stiegen nun auch diese beiden in das Wasser hinein, da kam im hellen Mondlicht um die Halbinsel jenes lange Kanu der Navajo herbeigeschossen, in dem zwölf Apachen hockten, von denen sechs ruderten.

Sancho, der die Pferde am Zügel hatte und bereits schwimmen musste, weil das Ufer sehr abschüssig und der Fluß sehr tief war, wollte schleunigst in den Schatten der Felswand zurückkehren.

Die Strömung hatte ihn jedoch schon erfasst, und so trieb er mit den Tieren dem Kanu gerade entgegen.

Der Trapper und Chokariga hatten im Moment die ganze Größe der hier drohenden Gefahr erkannt.

Das Kanu durfte ihnen den Fluchtweg über den Pecos nicht versperren. Die Apachen mussten vertrieben werden.

Sie hatten ihre Büchsen bereits in die Wurzelstauden kleiner, losgerissener Bäume gehängt, damit sie diese vor Nasse schützten. Die Bäume hatten sie vor sich herschieben wollen.

Gerade als ein Apache im Kanu den Gambusino und die drei Pferde bemerkt hatte, aufsprang und einen Alarmruf ausstoßen wollte, knallte Felsenherz’ Büchse.

Der Apache stürzte rückwärts ins Wasser.

Da feuerte auch Chokariga bereits.

Beide Läufe seiner Büchse schickten das verderbliche Blei zum Kanu hinüber, und zwei weitere Krieger fielen über Bord.

Als jetzt auch Felsenherz noch einen Vierten niederstreckte, sprangen die anderen ins Wasser, tauchten und erreichten eine Ansammlung von Treibholz an der Spitze der Halbinsel.

Der Comanche war schon mit langen Stößen hinter dem Kanu, erwischte es noch glücklich, schwang sich über den Rand und warf von hier rasch sein Lasso dem kleinen Sancho zu. Auf diese Weise konnten die drei Gefährten schon nach wenigen Minuten mit dem Kanu ihre Flucht fortsetzen.

Die Apachen drüben auf dem Treibbolzberg stimmten darauf ein so gellendes Wutgeheul an, dass die im Lager befindlichen Krieger, die infolge des vielfachen Echos sich bisher nicht recht einig gewesen, wo die vier Schüsse gefallen waren, nun in hellen Scharen zum Fluß hinabstürmten.

Doch die drei Flüchtlinge in dem Kanu, hinter dem die Pferde ruhig schwammen, waren schon bis zur Mitte des Pecos gekommen und verschwanden hier hinter einem der zahlreichen Felseninselchen, die im Stromgebiet des Pecos so häufig sind.

Gleich darauf stiegen sie am Ostufer an Land, hoben das Kanu aus dem Wasser, und Felsenherz und Chokariga trugen es nun wohl eine halbe Meile stromaufwärts, während Sancho mit den Pferden und dem Gefangenen vorausritt.

Der Morgen musste bald anbrechen. Vor dem Hellwerden wollten die drei Gefährten möglichst in Sicherheit sein. Felsenherz hatte alles Nötige bereits mit dem Comanchen vereinbart.

Man überquerte nun abermals den Pecos, zerstörte das Kanu und versenkte es, indem man es mit Steinen beschwerte, umwickelte den Tieren die Hufe und wandte sich durch Schluchten und Täler wieder jenem NebenFluß zu, wo das Flachboot herrenlos im Schilfrohr dicht am Ufer lag oder doch jedenfalls zuletzt gelegen hatte. Chokariga war sogar noch am Pecos zurückgeblieben und hatte hier alle Spuren verwischt, die auf eine Landung hindeuten konnten. Dann erst war er den anderen gefolgt.

 

 

Siebentes Kapitel

Die Höhle im Regental.

Der Trapper und der Häuptling hatten aus ganz bestimmten Gründen wieder die Richtung zum NebenFluß des Pecos und der Liegestelle des Flachbootes gewählt.

Erstens sagten sie sich, dass die Apachen, die sich jetzt natürlich wie eine Meute von Bluthunden auf ihre Fährte legen würden, niemals annehmen könnten, die Flüchtlinge und Entführer ihres Oberhäuptlings würden sich gerade dorthin wenden, woher sie vor wenigen Stunden erst entflohen waren. Und zweitens wollten Felsenherz und Chokariga festzustellen versuchen, wo der Flachbootmann und sein geheimnisvoller Gefährte geblieben waren.

Die Sonne war noch nicht aufgegangen. Es war aber bereits völlig hell. Der blonde Trapper hatte sich vor zehn Minuten von den anderen getrennt und war vorausgeritten, da Sancho behauptet hatte, man hätte längst am Ufer jenes NebenFlußes eingetroffen sein müssen. So war denn der Große Bär, der mit vor stiller Wut und wildem Hass blutunterlaufenen Augen diese Flucht als Gefangener mitmachte, auf des Comanchen Rappen gebunden worden und Felsenherz hatte in schlankem Trab mit seinem Braunen ein langes Tal allein durchquert, hatte weiter ein zweites, nach Süden zu verlaufendes Tal jetzt hinter sich, ritt nun durch einen Kanon und sah sich plötzlich am Ufer eines vielleicht zwölf Meter breiten, von Gestrüpp und Bäumen dicht umrahmten Flüsschens, das von rechts her aus einem von hohen, steilen Bergen eingeschlossenen Tal hervorkam.

Noch mehr sah er. In diesem Tal, das er bis in den fernsten Winkel überblicken konnte, war weit hinten die Luft wie von einer hellen, hin und her wogenden Masse erfüllt, über der wie ein glänzender Strich ein Wasserfall sichtbar war. Diese wogende Masse konnte nichts anders sein als der Wasserstaub des unten im Tal aufprallenden Falles. Das Tal selbst war ohne Zweifel jenes Regental, das mit dem Geheimnis des Gambusino so eng zusammenhing.

Das Wichtigste war aber: Dort drüben am Ostufer des Flüsschens, das ja nur der von Sancho erwähnte Bach sein konnte, lag hinter den überhängenden Zweigen uralter Erlen das Flachboot!

Felsenherz hatte es kaum bemerkt, als er seinen Braunen auch schon in den Kanon zurückdrängte, absprang und nun auf allen vieren vorwärts bis zu einem Busch kroch, der ihm genügend Deckung bot. Von hier aus beobachtete er jetzt das Boot. Nichts regte sich auf dem plumpen Fahrzeug. Der Trapper schlich daher wieder in den Kanon zurück und wartete, bis Chokariga und Sancho heran waren, teilte ihnen mit, was er gesehen hatte, und ließ dann seine Büchse bei den Gefährten, näherte sich abermals dem Bachufer und schwamm zum Flachboot hinüber.

Als er noch schwimmend die bis auf das Wasser hinabreichenden Erlenzweige beiseiteschob, hörte er auf dem Deck des Flachbootes Schritte.

Eine heisere Fistelstimme rief dann leise: „Zum Teufel — beeil dich, Einauge! Wir müssen die Geschichte in zwei Stunden erledigt haben. Sonst kommen uns die Apachen auf der Suche nach Felsenherz und den beiden anderen Burschen doch noch über den Hals! Die Taue kannst du auch an Ort und Stelle zusammenknoten. Mach fix!“

Der Trapper kroch lautlos aus Ufer unter ein Gestrüpp.

Dann erschien aus der Luke des Decks ein langer, hagerer Mensch mit wirrem dunklen Bart, ganz wie ein Fallensteller gekleidet, mit einer Art Lederkappe auf dem Kopf und einer Büchse über der Schulter. Sein linkes Auge war durch ein Pflaster verklebt. Um den rechten Arm hing ihm eine Rolle dickes Tau.

„Gut — vorwärts denn!“, meinte er ebenfalls auf Englisch zu dem buckligen Zwerg, der setzt einen Ledergurt um die Hüften geschlungen hatte, in dem ein Messer, zwei doppelläufige Pistolen und ein kleines Handbeil steckten. Außerdem hatte Gottlied Bulle noch einen Karabiner umgehängt, der ihm genau bis auf die Waden reichte.

Sie schritten dann beide über die Laufplanke an Land und arbeiteten sich durch die Büsche dem Tal zu, wo gerade in der Mitte zwischen Geröll der breite Bach mit scharfer Strömung hervorkam.

Felsenherz durchschaute jetzt alles. Er wartete, bis die beiden in dem Tal verschwunden waren, winkte dann Sancho und dem Comanchen zu und verständigte sich mit Chokariga durch Zeichen über das, was man jetzt unternehmen solle.

Der Häuptling und der Gambusino verbargen rasch die Pferde in einer nahen Schlucht, banden den Großen Bär hier an einen Baum und schwammen dann gleichfalls über den Bach.

Felsenherz hatte inzwischen schon das Innere des Flachbootes durchsucht, ohne etwas Besonderes zu finden.

Auch Sancho und der Schwarze Panther stiegen jetzt die Leiter abwärts, die in den Laderaum des Fahrzeugs führte, wo der Trapper eine große Schiffslaterne angezündet hatte.

Da — als Sancho flüsternd bemerkte, hier gebe es nichts zu sehen, man solle lieber den beiden folgen, da vernahmen die Gefährten gleichzeitig ein dumpfes Pochen, das aus dem Vorderteil des Flachbootes zu kommen schien.

Felsenherz ergriff die Laterne und leuchtete die Planken ab. Der viereckige Bug des Fahrzeugs enthüllte nun sein Geheimnis. Abermals ertönte das Pochen, und hierdurch geleitet entdeckte der Trapper, dass die Planken des Bugs doppelt waren, also einen Raum zwischen sich enthielten, dessen Tür sehr sorgfältig verborgen war.

Und in diesem schlau angelegten Versteck fand man jetzt Wathama, den Unterhäuptling der Apachen, gebunden und geknebelt.

Sancho hatte den Apachen kaum erkannt, als er einen gurgelnden Schrei ausstieß und zum Messer griff.

Felsenherz jedoch legte ihm die Hand auf den Arm.

„Keinen Mord, Sancho! Den Schwestermörder wird seine Strafe schon ereilen!“

Und er drückte die Geheimtür wieder zu, winkte den Gefährten und erklärte dann oben an Deck: „Wir wissen nun, dass der Goldsucher Einauge sich mit dem Buckligen zusammengetan hat, um ebenfalls dem Geheimnis nachzuspüren, das die Apachin damals andeutete. Weil Einauge sich nicht in das Gebiet der Apachen allein hineingetraute, sollte der Zwerg ihm helfen, die Gefahren zu verringern. Einauge hielt sich dort in dem Bugversteck zumeist auf, und der Bucklige tat so, als wäre er allein auf den Flachboot. Die beiden hatten jedoch auch noch den Häuptling der Navajo für ihre Pläne gewonnen und sich hier in den Guadalupe-Bergen mit ihm verabredet, damit die Navajo den beiden Weißen sozusagen als Schutzwache dienten.“

„Und das Geheimnis des Regentales?“, fragte Sancho gespannt.

„Dürfte in einer Bonanza (Fundstelle gediegenen Goldes in Kieselform) bestehen“, erwiderte der Comanche. „In alten Sagen meines Volkes, das einst auch die Guadalupe-Berge zu seinen Jagdgründen rechnete, hat sich stets das Gerücht von ungeheuren Goldreichtümern erhalten, die hier irgendwo in einer unzugänglichen Felsspalte lagern sollen. Möglich, dass die Apachin Moutawa durch einen Zufall auf diese Bonanza gestoßen ist. Chokariga möchte das, was sein Bruder Harry soeben gesprochen hat, noch dahin ergänzen, dass Einauge sehr wahrscheinlich diese Bonanza bereits einmal allein besucht, dabei aber eingesehen hat, dass ein einzelner Mann dort nichts ausrichten kann.“

Sancho hob den Kopf, den er nachdenklich gesenkt gehabt hatte. „Die Bonanza gehört mir!“, sagte er feierlich. „Sie ist das Vermächtnis Moutawas. Dieses Vermächtnis will ich mit Euch, Felsenherz und Chokariga, teilen!“

Die beiden Westmänner blickten den Gambusino ernst an.

„Sancho, wir brauchen kein Gold!“, meinte der Trapper. „Wir beide, der Schwarze Panther und ich verachten es! Am Gold klebt das Verhängnis! Dennoch sollt Ihr in Besitz dessen gelangen, was Ihr Moutawas Vermächtnis nennt. Folgen wir jetzt dem Zwerg und Einauge.“

Eine halbe Stunde später hatten die drei Gefährten zumeist kriechend eine Stelle schräg gegenüber dem Wasserfall erklommen. Als sie jetzt an der Steilwand emporblickten, an der der Fall in die Tiefe schoss, bemerkten sie am Rand der Wand links vom Wasserfall den Buckligen und Einauge, die dort an zwei Bäumen zwei gut zwölf Meter lange Taue befestigt hatten, an denen sie nun, jeder an einem, hinabkletterten. Da die Steilwand sich nach innen wölbte, pendelten die Taue neben dem Wasserfall hin und her.

Als die beiden nun fast das Ende der Taue erreicht hatten, setzten sie sie noch stärker in schwingende Bewegung. Ihre Absicht war klar: Sie wollten so hinter den Fall gelangen, weil sie dort den Zugang zu einer Höhle vermuteten.

Immer stärker schwangen die Taue hin und her. Einauge und der Bucklige hielten sich jetzt aneinander fest, hofften wohl, auf diese Weise leichter die Pendelbewegung nach ihrem Willen lenken zu können.

Schon verschwanden sie zuweilen hinter den stürzenden Wassermassen, schon schien ihnen das waghalsige Unterfangen zu glücken.

Da — irgendeine ungeschickte Bewegung.

Die Taue schwangen gerade in das im Sonnenlicht gleißende Silberband des Wasserfalles hinein.

Und — die furchtbare Kraft des abstürzenden Baches riss die beiden Unglücklichen von den nassen, schlüpfrigen Seilen, riss sie mit in die Tiefe — in die Staubwolken hinein.

Nicht einmal ihre Körper kamen nachher wieder zum Vorschein. Nur die Taue hingen jetzt feucht und schwer reglos von der Steilwand herab.

Wieder eine halbe Stunde darauf befanden sich Felsenherz, Chokariga und Sancho dort oben auf der Steilwand. Wortlos schickte der Comanche sich an, an dem einen Tau abwärts zu klimmen.

Und — ihm gelang das Wagnis. Er leitete das pendelnde Tau so, dass er in die Felsspalte hineinsteigen konnte, die hinter dem Wasserfall in dem Gestein dunkel und düster wie ein drohender Schlund gähnte.

Als er dann wieder nach oben kletterte, als Sancho ihm über den Rand des Abhangs auf festen Boden half, sagte der Comanche ernst: „In der Spalte, die sich später zu einer Höhle erweitert, fand ich nichts als einige Felle, ein Graslager, einen Herd aus Steinen und eine Menge gedörrtes Büffelfleisch, außerdem auf dem einen Fell zehn Goldkiesel, die ich mitgebracht habe und die Euch immerhin zum reichen Mann machen, Sancho!

Das ist das Geheimnis der Apachin gewesen: ein Schlupfwinkel, der genügend Lebensmittel für Monate enthält!“

Die Geldkiesel wogen jeder etwa zwei Pfund. Sancho konnte dem Comanchen gar nicht genug danken. Doch der machte eine abwehrende Handbewegung, knotete die Taue los, warf sie in den Sprühregen des Falles hinab und schritt von dannen. Felsenherz und Sancho folgten ihm. Sie sahen ein, dass man eilen müsste, diese Gegend zu verlassen.

Als die drei Gefährten in die Nähe des Liegeplatzes des Flachbootes gelangt waren, stiegen dort bereits Rauch und Flammen auf. Die Apachen hatten das Fahrzeug entdeckt, und einer von ihnen hatte vom Ufer aus einen brennenden harzigen Kiefernast in die Luke geworfen.

Wathama, der Schwestermörder, verbrannte zusammen mit dem Flachboot, — eine furchtbare Strafe, doppelt grausig, weil seine eigenen Krieger ihm so den Tod gegeben hatten.

Felsenherz und seine Freunde aber eilten unbemerkt zur Schlucht, wo sie ihre Pferde zurückgelassen hatten, knoteten die Fesseln des Großen Bären so weit auf, dass er sich selbst befreien konnte, denn der Gefangene wäre ihnen jetzt nur lästig gewesen, und wandten sich nordwärts. Abends lagerten sie bereits in der Prärie.

Hier nun sagte Chokariga zu seinem weißen Bruder, als Sancho sich einmal entfernt hatte: „Die Felsspalte hinter dem Wasserfall enthielt doch eine Bonanza! Aber der Gambusino hätte beim Anblick all der Schätze wohl den Verstand verloren!“

Mein Bruder hat recht getan!“, erwiderte Felsenherz. „Ich ahnte die Wahrheit! Nun wird das Geheimnis der Apachin niemandem mehr schaden!“

Und doch — es kam anders, als der Trapper es dachte. Das Schicksal wollte es, dass das Regental nochmals das Ziel gieriger Wünsche wurde!

 

 

Hierüber im folgenden Band Näheres.