Nachdruck verboten. Alle Rechte. einschließlich Verfilmungsrecht, vorbehalten. Copyright 1922 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin.
Felsenherz der Trapper
Zu beziehen durch alle Buch- und Schreibwarenhandlungen, sowie vom
Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO 26
Elisabeth-Ufer 44
Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin
Felsenherz, der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten
erzählt von
Kapitän William Käbler.
Heft: 20
Erstes Kapitel
Die Toten stehen auf.
Dort, wo die Guadalupe-Berge den schnell dahinschießenden Rio Pecos mit ihren Felsmassen in ein vielfach gewundenes Strombett gedrängt haben, zieht sich südlich der schroffen, romantischen Höhenzüge dieses Gebirgsstockes zwischen zwei rechten Nebenflüssen des Pecos eine buschreiche Prärie endlos weit nach Westen bis zu den Südausläufern der Guadalupe-Berge, in denen der berühmte Paß gleichen Namens liegt.
Dieser Guadalupe-Paß bildete zu jenen Zeiten, in denen die nachstehend geschilderten Ereignisse sich abspielten, die bequemste Verbindung zwischen der mexikanischen Grenzstadt El Paso und den Westgebieten von Texas. Wer diesen Paß der hier stets herumschweifenden Apachen wegen nicht zu benutzen wagte, mußte einen Umweg nach Süden machen. –
In dem soeben erwähnten Grenzstädtchen El Paso, das damals noch stark befestigt war, standen an einem glutheißen Julitag vor einem Store[1] ein schlanker, blondbärtiger Trapper und ein stattlicher Indianer, dessen langes blauschwarzes Haar auf dem Scheitel schopfartig hochgebunden und mit Adlerfedern und Glasperlen verziert war.
Die beiden Jäger, deren lange Doppelbüchsen von vorzüglicher Arbeit zu sein schienen, hatten soeben in dem Laden Pulver und Blei gegen Goldkörner eingehandelt und außerdem einige Päckchen Tabak gekauft.
Der Indianer, kein anderer als der im Westen rühmlichst bekannte Oberhäuptling der Komanchen, sagte jetzt zu seinem weißen Freund, dem Trapper Felsenherz, indem er bedächtig seine Pfeife stoppte und sie mit dem Präriefeuerzeug in Brand setzte:
„Dort drüben hinter dem großen Zelt steht wieder dasselbe bartlose Blaßgesicht, das Chokariga schon vor eine Stunde bemerkte. Der Mann soll nicht ahnen, daß wir nun wissen, daß er uns nachgeschlichen ist.“
Sie gingen weiter die sandige Straße entlang und verließen das Städtchen durch das östliche Tor der Palisadenumzäunung.
El Paso liegt am linken Ufer des Rio Grande del Norte. Im Osten und Norden ist die Stadt von dicht bewaldeten Höhenzügen umgeben. Weite Prärien ziehen sich vor diesen Bergketten hin. Hier grasten zahlreiche Herden zahmer Rinder, hier gab es so unmittelbar vor der Stadt eine Anzahl von Viehfarmen mit sauberen, weißgetünchten Gebäuden und kleinen Ranchos, etwa unseren Bauerngütern vergleichbar. Ochsen- und Pferdekarren bewegten sich der Stadt zu, Reiter und Fußgänger belebten die durch Zufall entstandenen Straßen.
Dieses Bild einer der Kultur erschlossenen Gegend änderte sich jedoch schon wenige Meilen vor der Stadt vollständig. –
Felsenherz und Chokariga, der schwarze Panther der Komanchen, waren mit weit ausgreifenden Schritten erst etwa anderthalb Stunden unterwegs, als sie sich auch schon auf einer völlig einsamen Prärie befanden, die von langen Buschstreifen wie von dunkelgrünen Strichen durchzogen war.
Bisher hatten die Freunde über jenen Fremden, der für sie ein so lebhaftes und heimliches Interesse verraten hatte, kein Wort weiter gewechselt.
Jetzt, nachdem einer der Buschstreifen sie jedem spähenden Auge verbarg, blieb der Häuptling stehen und lugte durch die Zweige nach dem fernen Städtchen zurück, sagte dann in seiner wortkargen Art:
„Vier Blaßgesichter zu Pferde, darunter der Mann, der sich in die bunte Decke gehüllt hat.“
Auch der blonde Trapper hatte die Reiter bemerkt, die nebeneinander gemächlich dahinritten. Sie waren noch gut zweitausend Meter entfernt, und es gehörten schon des Komanchen scharfe Augen dazu, in einem dieser Männer jenen Fremden wiederzuerkennen.
„Was mögen sie vorhaben?“ fragte Felsenherz nun.
„Die Blaßgesichter lieben das Gold. Und Chokariga ließ in der Stadt einen ganzen Beutel davon sehen,“ erwiderte der Häuptling gleichmütig.
„Ah – der schwarze Panther fürchtet einen Raubüberfall!“ meinte der Trapper zweifelnd.
„Chokariga fürcht nichts. –
Gehen wir weiter. Holen wir unsere Pferde.“
Sie änderten jetzt die Richtung, bogen im Schutz der Buschstreifen nach Norden ab und gelangten eine halbe Stunde später in die Berge nördlich der Stadt.
Hier vermieden sie es aufs sorgfältigste, Spuren zurückzulassen, wandten all jene Mittel an, die geeignet sind, einen Verfolger irre zu führen. Als sie ein bewaldetes Bergplateau erreicht hatten, benutzen sie sogar eine volle Stunde die Baumkronen zur Fortsetzung ihres Weges.
Endlich stiegen sie nun in eine versteckt liegende Schlucht hinab, wo sie heute bei Tagesanbruch ihre Pferde verborgen hatten.
Sie fanden die Tiere noch wohlbehalten und völlig ausgeruht vor, sattelten sie und ritten dann nach Norden ein langgestrecktes Tal entlang.
Von den vier Reitern hatten sie nichts mehr wahrgenommen. Felsenherz äußerte denn auch jetzt mit einem leisen Lächeln:
„Mein Bruder Chokariga wird dem bartlosen Mann mit der bunten Decke um die Schultern nicht mehr begegnen.“
Der Komanche blickte geradeaus und schwieg.
Felsenherz, der alle Eigenheiten seines Freundes genau kannte, wurde jetzt aufmerksam und prüfte ebenfalls mißtrauisch das Waldstück, welches das Tal nach Norden abschloß.
Dort drüben über dem Wald kreisten aufgeregt ein paar Schwärme Wildtauben.
„Die Wildnis hat ihre besondere Sprache,“ sagte der Häuptling nun und lenkte seinen prachtvollen Rappen nur durch Schenkeldruck nach rechts unter die Bäume, die sich hier als lichtes Gehölz die Talwand hinanzogen.
Dann sprang er ab und reichte dem Trapper seine Büchse.
„Mein Bruder Harry mag hier warten. Es stecken Leute in jenem Wald. Die Wildtauben sind scheu und die besten Warner.“
Nach diesen leisen Worten verschwand er zwischen den bemoosten Baumstämmen.
Felsenherz führte die Pferde in ein Dickicht von Brombeeren und wildem Hopfen und erstieg dann die Talwand vollends, stellte sich hinter einer dichtumrankten Tanne und musterte unaufhörlich die Umgebung.
Still und einsam lagen Wald und Tal im Sonnenglanz des heißen Tages da.
Nichts verriet, daß sich hier irgend etwas Besonderes vorbereitete.
Am Stamm einer vielleicht dreißig Meter entfernten Steineiche spielten zwei dunkelbraune Eichhörnchen, schossen blitzschnell auf und ab und – entflohen plötzlich mit langen Sätzen nach einer Riesenkiefer, wo sie ihr Nest haben mochten.
Gleich darauf hörte Felsenherz ein feines Knacken.
Ein dünner Zweig war auf dem Waldboden unter dem Gewicht eines Fußes geknickt.
Es schlich jemand heran – ein Mann, der das Zweiglein nicht beachtet hatte.
Der blonde Trapper rührte sich nicht.
Jetzt tauchte ein Mann hinter der Steineiche auf, ein bartloser, krummbeiniger Kerl mit einer bunten Wolldecke um die Schultern.
Was sonst noch von seinem Anzug zu erkennen war, verriet den Pelzjäger, den Westläufer.
Seine doppelläufige Büchse hatte er in den rechten, leicht gekrümmten Arm gehängt. Unter dem breiten Filzhut blitzten ein paar mehr tückische als listige Augen hervor.
Kaum hatte Felsenherz den Ausdruck dieser kleinen, halb zugekniffenen Augen bemerkt, als er wie in jähem Schreck zusammenzuckte.
Ungläubiges Staunen malte sich auf seinem ehrlichen, offenen Gesicht, und unwillkürlich murmelten seine Lippen: „Es kann nur eine Ähnlichkeit sein! Jonny ist ja tot. Ich selbst habe ihn in einer Spalte auf der Ostseite des Schlangen-Berges begraben!“
Dann haftete sein prüfender Blick jedoch mit wachsender Schärfe auf der bunten Decke, die der Mann dort lose um die Schultern trug.
Nun – nun wußte er Bescheid! Also doch keine Ähnlichkeit! Ein Toter war hier wieder zum Leben erwacht! Die Decke sollte nur den Buckel des Mannes verhüllen, sollte ein Wiedererkennen erschweren.
Ja – es war jener Fallensteller Jonny, der zusammen mit seinem Kameraden Jeffries vor einem Monat etwa am Rio Pecos einen Zuni-Medizinmann nur deshalb hingemordet hatte, weil dieser den beiden irgend ein Geheimnis, das auch Felsenherz nicht kannte, nicht hatte verraten wollen; derselbe Jonny, den die Apachen dann in einem ledernen Sack zusammen mit zehn lebenden Klapperschlangen eingebunden hatten und der, wie sich heute herausstellte, damals nur in jener mondhellen Nacht den Toten gespielt hatte!
Dem Trapper kam diese Begegnung sehr gelegen. Hatten doch Jeffries und Jonny auch an ihm und Chokariga heimtückisch Verrat geübt und sie, ihre Retter, überfallen.
Hier galt es, nicht nur eine alte Rechnung wettzumachen, sondern auch Jonny zu zwingen, über das Geheimnis des Zuni[2] alles auszusagen, was er damals erfahren hatte.
2. Kapitel
In den Guadalupe-Bergen.
Der bucklige Fallensteller näherte sich jetzt der Tanne, hinter der Felsenherz stand.
Aber – hinter ihm war jetzt noch eine zweite Gestalt erschienen: Chokariga, der Komanchenhäuptling!
Wieder blieb Jonny stehen und blickte sich mißtrauisch um.
Da gewahrte er denn den schwarzen Panther, der ohne Schußwaffe, nur den Tomahawk in der Rechten, ihn verächtlich musterte.
Jonnys Büchse flog hoch.
Aber vor dem grimmen Lächeln des Komanchen, der seinen weißen Bruder Felsenherz längst bemerkt hatte, zögerte er, abzudrücken.
„Das Blaßgesicht mit dem gekrümmten Rücken hat Chokariga am Rio Pecos mit dem Kolben hinterlistig niedergeschlagen,“ sagte der Häuptling mit unendlicher Geringschätzung. „Wir werden es mit an den Pecos nehmen. Dort soll er sterben.“
Eine schwere Hand legte sich jetzt auf des Fallenstellers Schulter.
„Jonny, ergebt euch!“ befahl Felsenherz mit harter Stimme.
Im selben Moment jedoch knallte aus einem nahen Gebüsch ein Schuß. Die Kugel riß dem Komanchen den Tomahawk aus den Fingern.
Und eine drohende, heisere Stimme brüllte gleichzeitig:
„Hände hoch, ihr beide da! Hände hoch, oder wir pusten euch ein paar Löcher in eure Hirnschalen, daß die Sonne euch in den Schädel hineinscheint!“
Drei Büchsenläufe ragten aus dem Gebüsch hervor, und die bärtigen Gesichter von drei Weißen waren zwischen den Zweigen erschienen.
Es blieb Felsenherz und dem Komanchen nichts anderes übrig, als zu gehorchen.
Mit höhnischer Genugtuung band ihnen Jonny dann die Arme auf dem Rücken zusammen.
Seine drei Gefährten, Pelzjäger von jener minderwertigen Sorte, die mehr Buschklepper als ehrliche Fallensteller sind, verspotteten die beiden Jäger nun auf die gemeinste Art und bewiesen besonders dem Komanchen gegenüber, den sie nachher aufs brutalste auf seinen Rappen fesselten, eine so rohe Gesinnung, daß Felsenherz sie wiederholt mit erregten Worten zurechtwies, was jedoch stets nur ein schallendes Gelächter bei den vertierten Kerlen hervorrief.
Der Anführer der vier, ein gewisser Dobbler, verteilte dann den Inhalt des Goldbeutels des Häuptlings und fragte Chokariga dabei, wo dieser das Gold gefunden habe.
Der Komanche würdigte ihn keiner Antwort.
„Oho,“ grinste Dobbler da, „wirst schon das Maul aufmachen, Rotfell! Ihr beide werdet uns als Gefangene zum Schlangen-Berg begleiten, wo wir mal prüfen möchten, was es eigentlich mit dem Geheimnis des Zuni auf sich hat. Hunger und Durst werden euch schon die Zunge lösen.“
Auch Felsenherz wurde auf seinen Fuchs gefesselt. Dann setzte der Trupp sich in Marsch. Dobbler und Jonny ritten stets weit voraus, um hier unweit El Paso jeder Begegnung mit anderen Reisenden ausweichen zu können.
Am Abend befand man sich bereits mitten in der Prärie, wo die Fallensteller in einer Regenschlucht bis zum Morgengrauen lagerten. Ihre Gefangenen ließen sie tatsächlich hungern und dursten.
Am folgenden Nachmittag tauchten am Horizont die Südausläufer der Guadalupe-Berge auf. Dobbler mußte hier mit der Gegend sehr vertraut sein, denn ohne auch nur ein einziges Mal zu zögern, führte er den Trupp durch Schluchten, Täler, Hochebenen und finstere Urwälder bis zur Paßhöhe der Berge hinan.
So brach die zweite Nacht an, welche Felsenherz und der Häuptling als Gefangene der rohen Gesellen verlebten. Dobbler hatte zunächst in einer Seitenschlucht des Guadalupe-Passes lagern wollen, entschied sich dann aber doch dafür, die von eisigen Winden umfegten Bergspitzen des fünftausend Meter hohen Gebirgszuges zu meiden und tiefer in die östlichen Täler hinabzusteigen.
Da gerade Vollmond war, konnte der Trupp seinen Weg bis gegen Mitternacht talabwärts fortsetzen.
Die grandiose Bergeinsamkeit hatte des blonden Trappers finstere Gedanken ein wenig von seiner und seines Freundes ebenso unwürdigen wie ernsten Lage abgelenkt. Als der Trupp jetzt in ein bewaldetes Seitental einbog, hörte Felsenherz den neben ihm reitenden Häuptling in besonderer Weise hüsteln.
Sofort war er wieder mit all seinen Sinnen bereit, dieses Zeichens geheime Ursachen zu erkunden.
Seine Blicke schweifen rasch über die Umgebung hin.
Und – da gewahrte auch er linker Hand in halber Höhe einer himmelhohen Felswand ein Lichtpünktchen, das sich im Kreis zu drehen schien und mit einem Mal erlosch.
Er wußte: Es war eine Harzfackel gewesen, die jemand dort oben im Kreis als Signal geschwungen hatte.
Und dieser jemand konnte nur ein Apache sein. Die Guadalupe-Berge lagen ja im Jagdgebiet dieses wilden Reitervolkes. Schon oft genug hatten die Apachen hier in der Nähe des Passes Reisende und Wagenzüge überfallen. Der Paß gehörte von jeher zu den sogenannten ‚blutigen Gründen‛ der Indianergebiete. –
Zehn Minuten drauf hatten die Fallensteller ihre Gefangenen bereits von den Pferden gehoben und aufrecht Rücken an Rücken an eine Tanne gefesselt, die dicht vor der grottenartigen Vertiefung stand, in der die vier fragwürdigen Gesellen es sich bequem gemacht und ein Feuer angezündet hatten.
Auch diesmal erhielten Felsenherz und der Häuptling weder einen Schluck Wasser noch einen Bissen Dörrfleisch.
Der blonde Trapper, an Strapazen aller Art seit Jahren gewöhnt, fühlte bisher keinerlei Erschöpfung. Jetzt hielt ihn noch die Spannung munter, was sich in dieser Nacht ereignen würde. Er war überzeugt, daß die Apachen sehr bald erscheinen würden. Dieser Lagerplatz war denkbar ungünstig gewählt. Infolge des vielen Gestrüpps in diesem Tal konnten die Rothäute unbemerkt ganz nahe heranschleichen.
Felsenherz erwog auch anderes. Er fragte sich, ob er die Fallensteller nicht warnen sollte. Fielen dieser den Apachen in die Hände, dann erlitten auch er und Chokariga dasselbe Schicksal.
Da – ganz leise traf sein Ohr ein vorsichtiges Flüstern. Der Häuptling hatte den Kopf etwas gedreht und raunte ihm zu:
„Will mein Bruder Harry den Blaßgesichtern nicht mitteilen, was er gesehen hat?“
Diese Frage klang ganz so, als ob der Häuptling einverstanden damit war, daß die vier gewarnt würden.
Felsenherz rief daher auch sofort Dobbler herbei und erklärte ihm, was er bemerkt hatte und was sich seines Erachtens ereignen würde.
Dobbler war klug genug, diese Warnung zu beachten.
„Hm – wozu würdet ihr uns raten, Felsenherz?“ fragte er den berühmten Trapper plötzlich sehr höflich.
„Einen anderen Lagerplatz zu wählen,“ erwiderte Felsenherz kurz. „Dort drüben an der Talwand hängt das Gestein weit über. Dort auf jener Terrasse verbringt die Nacht!“
Dobbler befahl denn auch sofort, den Lagerplatz zu wechseln.
Den Gefangenen löste man die Fußfesseln, so daß sie die recht schroffe Wand bis zur Terrasse ohne Hilfe emporklimmen konnten.
Die vier Fallensteller waren angesichts der ihnen von den Rothäuten drohenden Gefahren völlig verändert. Nachdem sie die zur Verteidigung äußerst günstige Terrasse noch rasch mit einer Brustwehr aus Felsstücken umgeben hatten, fällten sie die drei hier wachsenden Tannen und schichteten die harzigen Äste zu hohen Haufen auf, damit man nach Verschwinden des Mondes die Möglichkeit hatte, die Umgebung durch das brennende Holz zu beleuchten.
Der blonde Trapper und der Häuptling erhielten sodann reichlich zu essen und zu trinken, und Dobbler war bescheiden genug, Felsenherz nochmals zu fragen, was man noch weiter zur Abwehr der Apachen tun könnte.
„Gebt uns frei,“ erwiderte der Trapper einfach. „Dann habt ihr zwei gute Büchsen mehr zur Verfügung!“
„Niemals!“ rief der bucklige Jonny da. „Niemals! Dobbler, bedenkt, daß –“
„Haltet euer ungewaschenes Maul!“ fuhr Dobbler ihn grob an. „Hier habe ich zu befehlen! Die ganze Sache, zu der ihr uns verführt habt, eben der Überfall auf Felsenherz und den Häuptling, war ein Blödsinn! Wir hätten uns auch nie darauf eingelassen, wenn ihr uns nicht in El Paso so kräftig voll Brandy gepumpt hättet, daß wir kaum wußten, was wir taten . – Ja, Mr. Felsenherz,“ wandte er sich in steigender Wut an diesen, „ja, so war die Geschichte! Genau so! Der Jonny hat uns halb betrunken gemacht, hat uns von des Häuptlings großem Goldsack allerlei vorgefaselt und ebenso von dem Geheimnis des Zuni, bei dem es sich ebenfalls um Reichtümer handeln sollte. Ihr wißt ja: Die verdammte Goldgier hat schon bessere Charaktere verblendet als wir es sind! Kurz und gut: Wir drei, ich, der Jenkins und der Murphy, sind von Jonny schlau überredet worden, mit ihm gemeinsame Sache zu machen. Wenn ihr und der Häuptling uns verzeihen wollt, nehme ich euch die Fesseln ab. Jonny hat hier gar nichts zu befehlen!“
Der Bucklige knirschte vor Wut mit den Zähnen.
„Nette Kameraden seid ihr!“ brüllte er in ohnmächtigem Grimm. „Der Komanche wird mich sofort niederschlagen, wenn er frei ist! Ich dulde es nicht, daß –“
Da mischte der schwarze Panther sich ein.
„Chokariga wird seine Waffen nicht gegen den Verräter erheben,“ sagte er zu Dobbler. „Er verachtet ihn. Der große Geist mag ihn bestrafen. Ich habe gesprochen.“
Das war so gut wie ein Schwur. Das wußte auch der Bucklige.
Mit häßlichem Lachen meinte er: „Ob der Häuptling mich verachtet, ist mir sehr gleichgültig. Ich werde mich von euch, sobald wir aus dieser Patsche heraus sind, trennen.“
Dobbler löste schon die Fesseln der beiden Gefangenen und sagte dabei zu Felsenherz:
„Wir werden euch gehorchen, Master. Was habt ihr noch anzuordnen?“
An Stelle des Trappers entgegnete der schwarze Panther: „Chokariga wird zunächst die Umgebung nach Feinden absuchen. Wenn er zurückgekehrt ist, wird sein weißer Bruder dem Blaßgesicht antworten.“
Er ließ sich dann seine Waffen geben und kroch lautlos und im Schutz einiger verkrüppelter Kiefern in das Tal hinab.
3. Kapitel
Die Tochter des Zuni.
Eine Stunde verging. Der Häuptling erschien noch immer nicht.
Felsenherz kniete hinter der Brustwehr und spähte unverwandt in das mondhelle weite Tal hinab, im dem eine so trügerische Ruhe herrschte. Der vielerfahrene Trapper ließ sich dadurch nicht täuschen. Hinter jedem Busch, jedem Stein konnte ein Apache stecken.
Wo blieb Chokariga?! Sollte ihm etwas zugestoßen sein?
Felsenherz konnte daran nicht glauben. Der schwarze Panther geriet nicht so leicht in einen Hinterhalt.
Und doch – irgend etwas besonderes mußte vorgefallen sein! Chokariga wäre sonst längst zurück gewesen.
Dobbler, der dicht neben dem Trapper auf dem Boden lag und eine Öffnung der Brustwehr als Sehschlitz benutzte, rief jetzt leise:
„Ah – dort kommt der Häuptling! Und – er geht aufgerichtet, er trägt einen Menschen über der Schulter!“
Felsenherz eilte dem Freund den Terrassenabhang hinab entgegen. Zu seinem Erstaunen sah er nun, daß der schwarze Panther eine junge Indianerin, die offenbar ohnmächtig war, mit sich brachte.
„Es sind keine Apachen in der Nähe,“ erklärte der Häuptling. „Dieses Mädchen gehört dem Zunistamm an. Chokariga war nach jener Felswand geschlichen, wo wir die im Kreis geschwungene Fackel bemerkt hatten, ließ sich von der Höhe der Steilwand an seinem Lasso hinab und fand so dieses völlig erschöpfte Mädchen, das sich dort vor den Apachen verborgen hatte, die es vor vielen Tagen hier in den Bergen verfolgten. Das Mädchen konnte nachher nicht mehr die Wand wieder emporklimmen und wäre schließlich verhungert, wenn wir ihr Notsignal nicht gesehen hätten. Wir werden den Fallenstellern nicht sagen, daß es eine Zuniindianerin und – die Tochter jenes Medizinmannes ist, den Jeffries und Jonny damals ermordeten und die nur hierherkam, ihren Vater zu suchen.“ –
Als die Fallensteller hörten, daß ihre Angst vor einem Überfall ganz grundlos gewesen, meinte Dobbler zu dem buckligen Jonny:
„Dann steht dem also nichts mehr im Wege, daß ihr euch von uns schleunigst trennt. Je eher, je besser! In eurer anrüchigen Gesellschaft möchten wir uns keine Minute länger als nötig befinden!
Jonnys Hand fuhr nach dem Messer. Aber er beherrschte sich, lachte nur höhnisch, sattelten rasch sein Pferd und führte es schweigend in das Tal hinab.
Dann drehte er sich jedoch noch einmal um, brüllte: „Ihr werdet an mich denken! Wir sehen uns wieder!!“
Der Hufschlag seines davontrabenden Rosses verlor sich in der Ferne.
„Gut, daß wir ihn los sind!“ brummte Dobbler.
„Ihr werdet auch uns und die von Chokariga gerettete Indianerin ebenso schnell loswerden,“ meinte Felsenherz da. „Ihr habt uns zu roh behandelt, als daß wir eure Gesellschaft noch länger auf uns nehmen könnten. Bessert euch, Dobbler! Bleibt ehrlich!!“
Der so Angesprochene erwiderte nichts. Aber sein Gesichtsausdruck bewies, daß er seine Handlungsweise wirklich bereute.
Still half er den Freunden beim Satteln ihrer Pferde.
Gleich darauf trabten Felsenherz und der Komanche, der das Zunimädchen mit in den Sattel genommen hatte, nach Norden zu das Tal entlang. Jonny hatte es in südlicher Richtung verlassen.
Die beiden berühmten Westmänner ritten etwa eine Stunde lang durch das einsame Gebirge, bis der hinter den Bergzacken untertauchende Mond sie zwang, einen Lagerplatz auszusuchen.
Die Indianerin, die längst wieder zu sich gekommen war, zeigte sich als anstellige Gefährtin, briet ein paar Stücke Hirschfleisch über dem kleinen Lagerfeuer und beobachtete auch den kleinen eisernen Kessel, in dem das Wasser für einen wärmenden Tee zum Kochen gebracht wurde. Unaufgefordert erzählte sie dann auch, was sie über das Geheimnis ihres Vaters wußte.
Er hatte ihr, bevor er damals mit Jeffries und Jonny nach dem Rio Pecos geritten war jedoch nur dasselbe gesagt, was Felsenherz und dem Häuptling bereits bekannt war: Daß man die auf der Ostseite des Berges der Schlangen stehende Eiche bis in die Krone hinein erklettern müsse. Dann würde man das Geheimnis erblicken.
Das tapfere Indianermädchen schilderte darauf all die vielfachen Abenteuer, die es auf der Suche nach dem Vater zu bestehen gehabt hatte.
Die Trauerkunde, daß ihr Vater nicht mehr unter den Lebenden weile, nahm sie mit der den Kindern Manitous eigenen Gelassenheit hin. Nur ihre dunklen Augen glommen in rachsüchtigem, drohendem Feuer auf, als Felsenherz kurz erwähnte, auf welch furchtbare Weise der Medizinmann der Zunis den Tod gefunden hatte.
Aramilla, so hieß das Mädchen, schlief dann im Schutz der beiden Jäger, die abwechselnd die Wache übernahmen, nach all den Strapazen bis in den hellen Morgen hinein.
Erst gegen Mittag brach man wieder auf. Nach drei Stunden hatte man die Guadalupe-Berge hinter sich und durchquerte nun in östlicher Richtung die bis zum Pecos sich hinziehende Prärie.
Aramilla, die bald von Felsenherz, bald von Chokariga in den Sattel genommen wurde, hatte als Waffen ein zierliches Messer, einen kleinen Tomahawk und Bogen und Pfeil bei sich. Am späten Nachmittag erlegte sie mit sicherem Pfeilschuß an einem Bach ein Hirschkalb. Der Häuptling hatte nämlich dringend geraten, jeden Büchsenschuß zu vermeiden, damit der Knall nicht etwa umherschweifende Apachen herbeilockte.
Am folgenden Abend näherte man sich den Uferhöhen des Rio Pecos und dem Berg der Schlangen, ohne daß man auf eine einzige frische Fährte gestoßen wäre.
Etwa eine halbe Meile nördlich vom Schlangen-Berg bezogen die drei Gefährten denn ein neues Lager in einer versteckt liegenden, kleinen Schluck, die nur einen einzigen steilen Zugang hatte. Nachdem die Abendmahlzeit eingenommen war, brach Felsenherz zu Fuß nach dem Berg der Schlangen auf, um auszukundschaften, ob etwa Jonny oder Dobbler und seine Freunde inzwischen dort angelangt seien.
Der blonde Trapper, der die Umgebung des Schlangenberges ja bereits kannte, bewegte sich mit allergrößter Behutsamkeit vorwärts.
Die Nacht war wieder sternenklar und mondhell. Als er den Berg an der Westseite erreicht hatte, kroch er auf allen Vieren die terrassenartigen Abstufungen hinan und gelangte so auch auf jene zweithöchste Terrasse, wo nach dem Pecos zu, dessen Wasser die Ostseite des Berges umschäumten, jene Eiche stand, die zu dem Geheimnis des Zuni irgend eine noch unklare Beziehung hatte.
Felsenherz fand auch diese Terrasse leer. Nichts deutete darauf hin, daß hier vor kurzem oder auch jetzt noch Menschen anwesend seien.
Er stand nun hinter ein paar Büschen unweit der Eiche, deren krummer Stamm mit der mächtigen Krone weit über die Steilwand hinausragte und sozusagen über dem Fluß hing.
Da – des Trappers Ohr traf ein schnell verklingender heiserer Schrei.
Der war vom Pecos heraufgedrungen. Felsenherz kannte diese jäh wieder verstummenden, wilden Rufe. So schrie nur ein Mensch auf, dem ein plötzlicher Tod nach einem Moment höchsten Schreckens den Mund verschloß.
Er schob sich rasch bis an den Rand des Abhangs vorwärts.
Dreißig Meter unter ihm gurgelten und brausten die schnell dahinschießenden Wasser des Rio Pecos. Der Mond stand gerade über dem Fluß. Silbern leuchtete der typische Strom, aus dem die kleinen Felseneilande wie schwarze Flecke hervorwuchsen, umtobt von der scharfen Strömung.
Und der Westmann sah jetzt etwas, das ihn eine genügende Erklärung für den Todesschrei gab, den er vernommen hatte: Ein leeres indianisches Kanoe trieb dort pfeilgeschwind flußabwärts, rannte jetzt gegen einen der Felskolosses im Strombett an, zerschellte und wurde von den Wirbeln verschlungen.
Nur der Insasse dieses Rindennachens konnte den Todesschrei ausgestoßen haben! Aber wo war dessen Mörder? Wo war die Hand, die die Hieb- oder Stichwaffe zum tödlichen Streich erhoben hatte?
Felsenherz’ Augen glitten von Inselchen zu Inselchen, von Ufer zu Ufer.
Plötzlich stutzte er.
Da ragte aus den mondglitzernden Wassern gerade unter der Krone der Eiche ein Steinwürfel empor, ein enormer Granitblock, moosbewachsen, hie und da mit kleinem Gestrüpp, das sich in Ritzen des Gesteins angesiedelt hatte, bedeckt, – ein Block von etwa fünf Meter Höhe und sechs Meter Seitenlänge, den eine Laune der Natur fast genau zum Würfel geformt hatte.
Auch auf der Oberfläche dieses Riesensteines wucherten Gräser, Farne und Sträucher, und zwischen diesem Gestrüpp war soeben für den Bruchteil einer Sekunde ein menschlicher Kopf erschienen.
Nur für eine Sekunde kaum. Und doch hatte der Trapper den breitrandigen Filzhut des Mannes erkannt: Es war der bucklige Jonny gewesen!
Was trieb der Mann dort auf dem Felswürfel? Und – hatte Jonny den Insassen des Rindenbootes mit schnellem Messerstich ins Jenseits befördert? –
Der Trapper spähte wohl noch zehn Minuten lang dort hinab. Nichts zeigte sich mehr. Dann wollte er den Rückweg nach dem Lager antreten, wollte den schwarzen Panther holen und mit diesem zusammen den Granitwürfel zu erreichen suchen.
Felsenherz ahnte jetzt, daß dieser Steinkoloß mit dem Geheimnis des Zuni etwas tun hatte. Ob die Oberfläche des Steines etwa einen Zugang nach unten im das vielleicht hohle Innere barg? Und, wenn dies der Fall war, was enthielt dann der hohle Felsblock?
Der Trapper glitt in die Büsche zurück.
Und – gerade noch zur rechten Zeit!
4. Kapitel
Der Überfall.
Kaum hatten sich die schützenden Zweige lautlos hinter ihm geschlossen, als von der anderen Seite des Berges her zehn Apachen herbeigeeilt kamen. Felsenherz sah zu seiner Überraschung, daß er hier seinem alten Feind, den Oberhäuptling der Apachennation, den schnellen Büffel vor sich hatte. Die neun anderen Krieger waren ebenfalls ältere, erprobte Krieger. Sie trugen sämtlich Steinschloßflinten. Nur der schnelle Büffel war im Besitz einer Doppelbüchse.
Die Rothäute schienen sich hier für völlig sicher zu halten. Der Oberhäuptling, der nahe an den Abhang herangetreten war und hinabgespäht hatte, rief jetzt seinen Kriegern zu:
„Der springende Hirsch ist verschwunden. Das Kanoe ist nirgends zu entdecken.“
Eine gewisse Unruhe klang aus diesen Worten.
Dann fügte er hinzu: „Ein einzelnes Blaßgesicht ist in der Nähe. Wir haben sein Pferd in dem Dickicht weiter nördlich gefunden. Wenn wir –“
Da tauchten abermals zwei Apachen auf, Späher, wie aus der folgenden lebhaften Unterredung leicht zu entnehmen war. Sie meldeten dem schnellen Büffel, daß der springende Hirsch als Leiche mit einem Messerstich im Herzen stromabwärts ans Ufer getrieben worden sei.
Der Oberhäuptling überlegte kurz.
„Die Krieger der Apachen haben vor zwei Monaten hier auf dem Berg der Schlangen die beiden Bleichgesichter in den Ledersäcken dem Tod überantwortet.“ sagte er dann. „Damals waren Felsenherz und der räudige Hund von Komanche in der Nähe. Nachher schienen die Ledersäcke verschwunden, und wir entdeckten in einer Felsspalte des Berges nur die Leiche eines der beiden Bleichgesichter, die fraglos zu einem bestimmten Zweck hierher gekommen waren. –
Vielleicht gehört das Pferd, das wir vorhin fanden, dem anderen Blaßgesicht, vielleicht ist dieser Mann zum Berg der Schlangen zurückgekehrt, und –“
Das weitere hörte Felsenherz nicht mehr.
Seine Aufmerksamkeit war in jähem Schreck auf ein leises Rascheln dich neben ihm gelenkt worden.
Er kniete hier in den Büschen, hatte beide Hände auf den Boden gestützt.
Und – über eine seine Hände glitt jetzt ein kalter, feuchter, dünner Leib hin – eine Klapperschlange, das giftigste Reptil der nordamerikanischen Wildnis.
In starrem Entsetzen hielt Felsenherz sogar den Atem an. Er wußte: Nur die allergeringste Bewegung, und die Schlange würde zuschnappen!
Furchtbare Minuten verstrichen in bleierner Langsamkeit. Noch immer war das Reptil in der allernächsten Nähe.
Jetzt schien es sich an Felsenherz’ linkem Fuß hochzuwinden. Jetzt – jetzt wagte er den vorsichtigen Griff nach dem Gürtel, nach dem Jagdmesser, zog es aus der Scheide, wandte behutsam den Kopf.
Durch eine kleine Lücke des Gesträuchs fielen ein paar Mondstrahlen auf seine Stiefel.
Die Klapperschlange, ein besonders großes Exemplar, kroch langsam am linken Schenkel hoch.
Felsenherz führte den rechten Arm Zentimeter für Zentimeter zur Seite. Er hatte den Griff des Messers zwischen Daumen und Zeigefinger genommen.
Da begegneten die glitzernden Augen der Schlange den seinen. Nun merkte das Reptil, daß es ein lebendes Wesen vor sich hatte. Ihr glatter Kopf richtete sich empor, und die Hornschuppen ihrer Klapper am Ende des Schwanzes begannen gereizt zu rasseln.
Nun ein blitzender Hieb – ein Hieb, von dem alles abhing, Freiheit – und das Leben.
Die scharfe Klinge traf dicht unter dem Kopf den weichen Schlangenleib. Der Kopf fiel herab.
Im selben Moment sagte draußen auf der Felsterrasse der schnelle Büffel zu seinen Kriegern:
„Die Sarpa Larra stellt den Mäusen nach. Ich vernahm soeben das Rasseln ihrer Klapper. –
Suchen wir das Bleichgesicht!“
Die Apachen verließen die Terrasse.
Felsenherz fuhr sich mit der Hand über die schweißfeuchte Stirn, atmete tief auf und schleuderte den Schlangenkopf im hohen Bogen in den Fluß.
Seine sorgenden Gedanken galten jetzt dem schwarzen Panther und dem Zunimädchen, die Gefahr liefen, von den Apachen entdeckt zu werden.
Er mußte also so schnell als möglich nach jener versteckten Schlucht zurückkehren. Er war überzeugt, daß der schnelle Büffel nicht lediglich diese zwölf Krieger bei sich hatte, sondern mit einer größeren Schar, vielleicht auf der Büffeljagd begriffen, hier an den Rio Pecos gekommen war. Wenn der Oberhäuptling also jetzt mehrere Späherabteilungen ausschickte und nach Jonny suchen ließ, dann war es so gut wie gewiß, daß die Apachen bei diesem hellen Mondlicht auch auf die Fährte der beiden Reiter stießen und mit allem Eifer deren Lagerplatz aufstöbern würden. –
Der Trapper schlich mit größter Vorsicht um den Berg herum der Westseite zu. Er bemerkte nichts Verdächtiges mehr. Nachdem er die offene Prärie und eine Buschreihe erreicht hatte, lief er in kurzem Bogen auf jene felsigen Anhöhen zu, in denen sein roter Freund und das Zunimädchen lagerten.
Kaum war er jedoch den ersten steinigen Hügeln nahe gekommen, als keine zweihundert Meter vor ihm in einem flachen Tal eine Anzahl Schüsse fielen und ein wildes Geschrei sich erhob, vermischt mit dem scharfen, durchdringenden Angriffsgebrüll der Apachen.
Ebenso plötzlich verstummte aber auch jeder Kampfeslärm. Felsenherz konnte nur annehmen, daß in dem Tal Weiße gelagert hatten und ganz überraschend angegriffen und sofort niedergemacht worden waren.
Er kroch jetzt auf allen Vieren der Südwand dieses Tales zu. Felsstücke und Gestrüpp boten ihm genügend Deckung. Als er dann den Kopf behutsam aus einem ausgedehnten Ginstergebüsch über den Rand des Talabhangs hinausschob, gewahrte er sofort einige sechzig Apachen, die um ein helloderndes, in einer Mulde brennendes Feuer herumstanden. Neben der hell lodernden Flamme erkannte er die regungslosen Körper von zwei Weißen, offenbar Pelzjägern.
Unwillkürlich dachte er sofort an Dobbler und dessen beide Gefährten. Auch sie hatten ja nach dem Berg der Schlangen kommen wollen. Dann erkannte Felsenherz auch etwas abseits des Lagerfeuers drei gesattelte Pferde stehen. Und – nun wußte er mit voller Bestimmtheit, daß die Überfallenen wirklich Dobbler, Jenkins und Murphy waren, denn Dobbler hatte einen Fuchs mit einem hellen Brustfleck geritten, und eins der Tiere da drüben war dieser Fuchs.
Die beiden regungslosen Körper warnen mithin die Leichen von zweien der Fallensteller. Der blonde Trapper bedauerte ihren Tod aufrichtig. Hatte er doch gemerkt, daß diese drei Pelzjäger ehrlich bereut hatten, mit Jonny gegen die beiden berühmten Westmänner gemeinsame Sache gemacht zu haben.
Wo aber war der dritte von ihnen geblieben? Die Apachen hatten keinen Gefangenen bei sich. Sollte dieser Fallensteller vielleicht deshalb dem Überfall entgangen sein, weil er sich gerade, etwa um die Umgebung abzusuchen, entfernt hatte?
Mit einem Mal zerstreuten sich die Apachen. Felsenherz hörte jetzt auch die laute befehlende Stimme des schnellen Büffels. Ohne Zweifel ließ der Oberhäuptling nach dem dritten Pelzjäger nun die Prärie und die Hügel absuchen.
Der Trapper beeilte sich daher, den Lagerplatz seiner Gefährten zu erreichen. Er hatte Glück. Die Apachen wandten sich zunächst der Prärie zu. Als er nun in die Nähe der kleinen Schlucht gekommen war, als er unter Beachtung aller Vorsichtsmaßregeln das weite Tal passierte, an dessen Südende man zu der Schlucht emporklimmen mußte, wurde er plötzlich leise angerufen:
„Der berühmte Jäger weiß, daß die Apachen hier umherschwärmen! Chokariga hat die Pferde bereits gesattelt. Er will weiter oberhalb über den Pecos schwimmen und dann am Ostufer lagern.“
Hinter einer mit wildem Hopfen dicht umrankten Tanne trat Aramilla, das Zunimädchen, hervor.
Der Komanche hatte sie als Wache in das Tal hinabgeschickt gehabt.
Die drei Gefährten verließen dann unverzüglich die Uferberge und wandten sich nach Westen zu, bogen nach einer Stunde wieder nach Norden ab und näherten sich abermals dem Pecos.
Kurz nach Mitternacht waren sie auf dem Ostufer, ritten nach Süden und fanden schräg gegenüber dem Berg der Schlangen ein Versteck in einer unbewohnten, geräumigen Bärenhöhle, deren schmaler Zugang von undurchdringlichem Dornengestrüpp umgeben war. Der Komanchenhäuptling hatte früher schon einmal in dieser Höhle gelagert. Sie bot neben anderen noch den einen großen Vorteil, daß sie hoch genug in den Uferberge lag, um drüben die Ostseite des Schlangen-Berges, die krumme Eiche und auch den Fluß bequem beobachten zu können.
5. Kapitel
Das Geheimnis des Würfelfelsens.
Der Rest der Nacht verstrich ohne Zwischenfälle. Felsenherz und der Komanche hatten wieder abwechselnd gewacht.
Als die Sonne über den Uferbergen des Pecos emporgestiegen war und den Fluß und die kleinen Inselchen mit freundlichem Glanz beschienen, als in der Luft emsige Wildtauben umherflogen und ein paar Fischreiher auf den Felsinselchen in gravitätischer Ruhe unbeweglich dastanden und ins Wasser hinab nach einer Beute starrten, hätte jeder mit den Gefahren der Wildnis weniger Vertraute sich nur zu leicht durch diesen trügerischen Frieden täuschen lassen und angenommen, daß es nirgends hier ein menschliches Wesen geben könnte, welches diesen Frieden stören würde. –
Die beiden Westmänner hatten sich am Eingang der Bärenhöhle Steine aufgeschichtet, die sie als Leiter benutzten, um über das Gestrüpp hinwegzulugen. Sie wußten nur zu gut, daß die Apachen noch in der Nähe waren, und hüteten sich, ihr Versteck zu verlassen, denn jetzt am hellen Tag mußten sie selbst hier auf dem Ostufer jeden Augenblick mit tückischen Kugeln oder einem lautlosen Pfeil rechnen.
Felsenherz hatte dem Komanchen inzwischen alles berichtet, was er auf dem Schlangenberg erlebt hatte. Deshalb galt beide Aufmerksamkeit auch hauptsächlich dem würfelförmig Felsen, in dessen Gestrüpp Jonnys Kopf nachts für den Bruchteil einer Sekunde sichtbar geworden war.
Aber auch dieser enorme, von den Pecoswassern umspülte Granitblock lag jetzt scheinbar verlassen da.
Soeben hatte ein Fischreiher ihn als Ruheplatz erkoren, ordnete mit dem langen Schnabel das Gefieder und stierte dann genau so regungslos wie seine Artgenossen ins Wasser hinab.
Nicht lange jedoch.
Plötzlich drehte er in komischen Verrenkungen den Kopf hierhin dorthin, als ob ihn irgend etwas zur Vorsicht mahnte, – irgend ein Geräusch, von dem er noch nicht wußte, woher es kam.
Dann ein kurzer Absprung, ein Ausbreiten der Schwingen und er strich davon, ließ sich erst weiter oberhalb auf einem anderen Inselchen nieder.
„Achtung!“ flüsterte Felsenherz.
Der Komanchenhäuptling nickte nur zum Zeichen, daß das Verhalten des Fischreihers auch ihm aufgefallen sei.
Einige Minuten vergingen.
Nun regte es sich in dem Gestrüpp auf der Oberfläche des Würfelfelsens.
Kopf und Oberleib des Fallenstellers Jonny erschienen. Dann zerrte er einen offenbar sehr schweren Ledersack an den Rand des Felsens und ließ ihn an einem Lasso vorsichtig auf zwei entwurzelte Baumstämme hinab, die, wie zufällig von der Strömung an das Inselchen geführt, auf dessen Ostseite im Wasser lagen
„Ah – er hat ein Floß vorbereitet!“ flüsterte der blonde Trapper wieder. „Sehr schlau von ihm! Der Steinblock ist also wirklich hohl und scheint Gold enthalten so haben.“
Jonny war wieder verschwunden.
Dann beförderte er nach einer geraumen Weile einen zweiten Ledersack mit derselben Vorsicht auf das Baumfloß hinab.
Er tat es mit solcher Behutsamkeit, ließ sich dabei so wenig sehen, daß nur jemand auf ihn aufmerksam werden konnte, der den Würfelblock dauernd im Auge behielt.
Und wieder verschwand der bucklige Fallensteller. Dann rollte ein neuer Lasso über den Rand des Blockes hinab, ein Lasso ohne Belastung.
An diesem Lederriemen kletterte Jonny jetzt hastig auf das Floß, schlüpfte sofort in das Astgewirr der halb im Wasser liegenden Baumkrone und zog den Lasso ein.
Eine Viertelstunde lang ereignete sich nichts.
Dann lösten sich die beiden entwurzelten Urwaldstämme wie von selbst von dem Inselchen und schwammen mit der scharfen Strömung immer rascher flußabwärts.
Von Jonny war auf dem harmlosen Floß nicht zu bemerken.
Wenn er jedoch gehofft hatte, auf diese Weise entrinnen und seine Beute in Sicherheit bringen zu können, war er in einem schweren Irrtum befangen gewesen. Die Augen der Apachen sind scharf, und ihre Verschlagenheit und Geduld gleicht der jener stelzbeinigen Fischreiher, die regungslos stundenlang auf eine Beute lauern.
Das Baumfloß hatte noch keine dreißig Meter zurückgelegt, als Felsenherz beobachtete, wie sowohl vom Ost- wie vom Westufer aus angeschwemmte Treibholzhaufen eine Menge Apachen, mindestens zwanzig, in den Fluß glitten und dem Floß nachschwammen.
Gleichzeitig tauchten auch sowohl neben dem Berg der Schlangen als auch im diesseitigen Ufer Trupps berittener Rothäute auf, die lautlos mit dem Floß in gleicher Höhe weitergaloppierten. –
So sah es in Wirklichkeit mit der friedlichen Ruhe dieses Flußteiles aus! So spie die Wildnis die roten Bewohner mit einem Schlage zur Verfolgung des verhaßten Bleichgesichts aus!
Auch der bucklige Jonny hatte die unerbittlichen Feinde wohl sofort bemerkt. Er erkannte, daß er verloren war, wenn nicht irgend ein glücklicher Zufall ihn rettete.
In ohnmächtigem Grimm ergriff er seine Büchse, spannte beide Hähne. Ein fast schmerzlicher Blick traf die beiden mit Goldkiesel gefüllten Säcke. Sollte er wirklich mit dem Tod büßen, was er des Goldes wegen dem vertrauensseligen Medizinmann der Zunis angetan hatte?! Sollte er die eben geborgene reiche Beute wieder verlieren?! –
Er packte seine Büchse fester.
Dann zwei Schüsse, und die beiden vordersten der schwimmenden Apachen versanken. Als Echo der Schüsse erscholl von den Ufern das gellende Geheul der Rothäute herüber.
Weiter und weiter, schneller und schneller trieb das Floß dahin.
Die Randberge traten zurück. Die Ufer wurden flacher. Die berittenen Apachen waren plötzlich verschwunden.
Dann vernahm der wieder so hoffnungsfrohe Bucklige in der Ferne ein mit jeder Sekunde stärker werdendes Brausen und Donnern.
Sein Floß flog jetzt förmlich dahin, den Wasserfällen entgegen, wo der Pecos zwanzig Meter tief über eine Terrasse hinabstürzte.
Jonny war jeder Blutstropfen aus den Gesicht gewichen. Die Steuerstange entglitt seinen Händen.
„Verloren!“ keuchte er, „Verloren!“
Näher und näher kam das Floß den verderblichen Fällen. Und hier, wo der Pecos sich bis auf fünfzig Meter verengte, hier hielten auch die berittenen Apachen.
Jetzt sauste das Floß dahin wie ein losgeschnellter Pfeil! Jetzt begann es sich zu drehen, schoß mit der ungeheuren Wasserwoge in die Tiefe, verschwand unten in dem schneeweißen Gischt, kam nicht wieder zum Vorschein.
Von Jonny und seiner Beute hat man nie wieder etwas gehört. –
Felsenherz und der Komanche hatten das Floß eine weite Strecke mit den Augen verfolgen können, bis eine Krümmung des Stromes es ihren Blicken entzog.
Der Trapper schaute jetzt zufällig wieder nach der schiefen Eiche auf der Terrasse des Schlangen-Berges hinüber.
„Dobbler!“ rief er leise. „Mein roter Bruder blicke hin!“
Ja, es war Dobbler, der dort oben an drei zusammengebundenen Lassos sich von der Krone der schiefen Eiche auf den Würfelblock hinabließ, der in dem Gestrüpp verschwand und nach kaum fünf Minuten wieder auftauchte.
Felsenherz war bereits durch den Dornenverhau gekrochen, eilte zum Ufer hinab und schwamm dem Felsen zu.
Dobbler bemerkte ihn.
„Hierher, Master!“ brüllte er frohlockend. „Jonny hat nicht alle Goldkiesel mitnehmen können! Wartet, ich ziehe euch hinauf.“
Er warf dem Trapper einen Riemen zu. Gleich darauf stieg auch Felsenherz in den holen Granitblock hinab. Dobbler half ihm, den Rest der Goldkiesel zu bergen, die nachher dem Zunimädchen als der einzig rechtmäßigen Eigentümerin übergeben wurden.
Die beiden Westmänner, Dobbler und Aramilla verließen bereits eine halbe Stunde später den Pecos und ritten nach Nordwest davon. Sie wollten das Zunimädchen zu ihrem Stamm zurückbringen, erreichten dann auch wohlbehalten deren Jagdgebiet und blieben acht Tage als gern gesehene Gäste bei dem als friedlich bekannten Jägervolk.
Beim Abschied drängte Aramilla jedem ihrer drei Beschützer einige der Goldkiesel als Andenken auf. Felsenherz und Chokariga überließen diese jedoch dem Fallensteller, der sich jetzt stets als treuer, aufopfernder Gefährte gezeigt hatte.
So konnte Dobbler sich später in der Nähe von El Paso einen kleinen Rancho kaufen, auf dem er es als Viehzüchter durch Fleiß und Redlichkeit zu großem Wohlstand brachte.
Fußnoten:
[1] Kramladen
[2] Siehe Heft 19.