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Der Reiter ohne Kopf

 

Nachdruck verboten. Alle Rechte. einschließlich Verfilmungsrecht, vorbehalten. Copyright 1922 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin.

 

Felsenherz der Trapper

Zu beziehen durch alle Buch- und Schreibwarenhandlungen, sowie vom

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO 26

Elisabeth-Ufer 44

 

Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin

 

Felsenherz, der Trapper

Selbsterlebtes aus den Indianergebieten

erzählt von

Kapitän William Käbler.

 

Heft: 22

Der Reiter ohne Kopf.

 

 

Erstes Kapitel

Goldgier.

In einem kleinen, von dichten Tannengruppen umgebenen Tal der Vorberge des Kolorado-Gebirges ritten an einem sonnigen Nachmittag zwei Weiße entlang, von denen der eine noch ein Packpferd am Zügel führte, während neben dem anderen, ebenfalls wie ein Trapper gekleideten, hochgewachsenen und blondbärtigen Mann ein dritter Weißer dahinschritt, dem die Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren und der außerdem noch um den Hals die Schlinge eines an dem Sattelknopf festgebundenen Lassos trug, so daß ihm eine Flucht vollständig unmöglich gemacht war.

Die beiden Reiter schienen es nicht besonders eilig zu haben. Des öfteren schauten sie zurück, als ob sie noch jemand erwarteten.

„Felsenherz,“ sagte jetzt der, dem das Packpferd gehörte, „es war nur richtig, daß Chokariga, der Komanchenhäuptling, den Navajos noch eine Strecke folgen wollte, denn bei diesen Rothäuten kann man nie wissen, ob sie einen sogenannten Friedensvertrag auch halten. Übrigens dürfte sich dieses Tal zum Lagern recht gut eignen. Was meint ihr?“

„Gut, machen wir drei Rast, Tom,“ nickte der berühmte Trapper Felsenherz.

Sie lenkten ihre Tiere nach rechts hinter eine Tannenkulisse, stiegen von den Pferden und banden den Gefangenen an einen abgestorbenen, dünnen Baum.

Dieser Gefangene war ein kleiner, untersetzter Mann mit grauem Vollbart, sonngebräuntem Gesicht und listigen schwarzen Augen. An der Stirn trug er einen Verband. Die Blicke, die er auf Tom, der seines Zeichens Indianerhändler war, heimlich warf, zeugten von Haß und Rachgier. –

Tom, Felsenherz und dessen roter Bruder Chokariga, der Komanchenhäuptling, hatten am Vormittag ein aufregendes Abenteuer bestanden.

Sie waren von Navajos, einem im Felsengebirge hausenden Indianerstamm, in eine Höhle eingeschlossen worden. Dann hatte er eine Abteilung Apachen unter Führung deren Oberhäuptlings Ikawiru die Navajos angegriffen, mußte aber nach anfänglichem Erfolg fliehen und wurde von den Navajos, die inzwischen mit den drei Jägern Frieden geschlossen hatten, verfolgt.

Die drei Gefährten mit ihrem Gefangenen, einen vielfachen Mörder, der einst Toms Frau und Kinder hingeschlachtet und von Toms Bruder das Geheimnis eines Fundortes reiner Goldkiesel erpreßt hatte, waren nach kurzem Abschied von dem Navajohäuptling Tara Patnu nach Süden davongeritten, während die fliehenden Apachen sich nach Norden gewandt hatten.

Trotz des durch Handschlag mit Tara Patnu feierlich bestätigten Friedens trauten die drei Jäger den Navajos nicht so recht, wie Toms obige Äußerung bewies.

Sie hatten daher, zumal ja auch die Apachen für sie seit langem erbitterte Gegner waren, aus Vorsicht dem Navajohäuptling ein anderes Marschziel angegeben und der berühmte Komanchenhäuptling Chokariga, der schwarze Panther, war nach einer Weile umgekehrt, um sich zu überzeugen, ob Tara Patnu auch nicht irgend einen Verrat plante.

Während Tom Harpley, der Indianerhändler, stets seines roten Bartes wegen der ‚rote Tom‛ genannt, ein kleines Feuer anzündete, nahm Felsenherz seine Büchse unter den Arm und erklärte, er wurde einmal nach Chokariga Ausschau halten.

Er schritt denselben Weg zurück, den sie gekommen, bis er einen einzelnen Hügel erreicht hatte, von dem aus er die nördlich gelegene Prärie überblicken konnte.

Kurz bevor er hier auftauchte, waren von Norden her zwei Indianer auf die Hügel zugeritten, seltsamer Weise ein Navajo und ein Apache, wie aus ihren Kriegsfarben, mit denen sie die Gesichter bemalt hatten, zu erkennen war.

Diese beiden Rothäute waren auf recht eigentümliche Art Verbündete geworden.

Während des Kampfes zwischen den Apachen und Navajos in dem nördlichen Tal hatte ein Navajo mit dem Kriegsnamen Sukawi, das Elentier, einen Apachen in eine Felsspalte hinabgestoßen und wollte den Gegner gerade durch einen Tomahawkhieb töten, als der Apache ihm leise zurief:

„Der Navajokrieger mag mich schonen. Ich will ihm Gold geben, so viel ein Pferd tragen kann. Ich lüge nicht. Das Bleichgesicht, das der rote Tom als Gefangenen mit sich führte, hat meinem Oberhäuptling Ikawiru von dieser Bonanza, dieser Goldfundstelle berichtet.“

Der Navajo ging auf des Feindes Vorschlag schließlich ein, und beide entfernten sich heimlich vom Kampfplatz, nahmen zwei Pferde, Büchsen und Proviant mit sich und ritten zunächst in eine von Gestrüpp bewachsene Schlucht hinein, um hier das Ende des Kampfes abzuwarten.

Als Felsenherz und seine Gefährten dann von dem Navajohäuptling sich trennten, folgten ihnen Sukawi, das Elentier, und der Apache stets auf gleicher Höhe, indem sie sich mehr nach Osten hielten.

So wurden Sukawi und Owati, der Apache, auch Zeugen, wie der Komanchenhäuptling kehrt machte. Sie ahnten, weshalb er es tat, und schon jetzt sagte Owati, der schlaue Fuchs, einer der hinterlistigsten Krieger seine Stammes, zu Sukawi:

„Der Navajo mag Owatis Worte prüfen. Es wäre am besten, wenn wir das Blaßgesicht, dessen Namen Stury ist, befreiten. Dann muß er uns als Dank zu der Bonanza führen.“

Sukawi fand diesen Plan sehr gut, und beide waren jetzt noch mehr als vorhin bemüht, sich von den Jägern nicht sehen zu lassen.

Als die Prärie in die Vorberge des Kolorado-Gebirges überging, war es für sie bedeutend schwieriger, die Weißen im Auge zu behalten.

So kam es, daß sie jetzt weit zurückblieben und daß sie gerade in die Nähe jenes Hügels gelangt waren, als Felsenherz dort oben erschien.

Sofort rissen sie ihre Mustangs zurück und verbargen sich hinter einem natürlichen Steinwall, dessen Höhe ihnen auch gestattete, an dem Hügel vorbei und auf einem Umweg in jenes Tal einzubiegen, in das die Fährte der Jäger hineinlief.

Sie wußten, daß der rote Tom dort nun mit dem Gefangenen allein war. Sie sahen den Rauch des Lagerfeuers hinter den Tannen aufsteigen, ließen ihre Mustangs zurück und krochen auf den Lagerplatz zu.

Der rote Tom hatte soeben zu dem Gefangenen gesagt:

„Stury, hört mich an! Neun Jahre habe ich nach euch gesucht! Nun endlich seid ihr mein! Ich schwor damals am Grab meines ermordeten Weibes, daß ich euch töten würde, wo ich euch auch fände. Ihr habt meinem Bruder das Geheimnis der Bonanza abgepresst, bevor er es mir noch mitteilen konnte. – Ich bin sein Erbe. Die Bonanza ist mein. Wenn ihr mich dorthin bringt, will ich Gnade für Recht ergehen lassen und mit euch um das Leben kämpfen. So habt ihr immerhin die Möglichkeit, euch zu retten. Weigert ihr euch jedoch, so seid überzeugt, daß Felsenherz und Chokariga ganz damit einverstanden sein werden, euch einfach aufzuknüpfen, denn eine Kugel seid ihr nicht wert!“

John Stury, der zuletzt als Trapper mit seinem Freund Robbin die Prärien durchstreift und bisher die Bonanza nicht hatte plündern können, da erst noch ein Felsblock weggesprengt werden mußte, der die enge Schlucht versperrte, saß an seinem Baum mit gefesselten Armen und Füßen so, daß er die Tannenkulisse gerade vor sich hatte.

Jetzt erblickte er dort in den grünen unteren Ästen den federgeschmückten Haarschopf eines Navajokriegers.

Und dieser Krieger winkte ihm jetzt vielsagend zu.

Sturys Herz schlug in froher Erwartung.

Tom hockte am Feuer, drehte ein Stück Hirschfleisch am Spieß und hatte die Tannen im Rücken.

Sukawi, das Elentier, schlüpfte lautlos wie eine Schlange herbei.

Er hob die Büchse zum Kolbenhieb.

Und mit furchtbarer Gewalt schmetterte der eisenbeschlagene Kolben auf Toms Hinterkopf herab.

Mit einem Ächzen sank Tom zur Seite.

Da sprang auch schon der Apache Owati hinzu, zerschnitt Sturys Fesseln und ergriff Toms Reitpferd am Zügel, um es für Stury mit sich zu nehmen.

Aber der Gaul, ein Fuchs mit einem unheimlich großen Schädel und tückischen Augen, keilte aus und biß nach dem Apachen, der sich schleunigst in Sicherheit bringen mußte.

Nicht besser erging es Owati mit Felsenherz’ Braunen, der ja ebenfalls indianische Dressur hatte und keinen Fremden an sich heranließ.

So mußte der Apache sich denn mit dem dicken, schwerfälligen Packpferd des Indianerhändlers begnügen.

Gleich darauf sprengten die beiden Rothäute mit Stury davon, der sich Felsenherz’ zweite Büchse angeeignet und Tom, dem Bewußtlosen, das Messer weggenommen hatte. –

Viele andere wäre durch den Kolbenhieb des Navajo unfehlbar getötet worden. Aber Tom Harpley besaß einen richtigen Hinterwäldlerschädel und vertrug schon einen Puff.

Er kam sogar überraschend schnell wieder zu sich, setzte sich aufrecht und befühlte seinen Hinterkopf. Der breitkrempige, verwitterte Filzhut hatte die Gewalt des Hiebes abgeschwächt. –

Tom kroch zu einem nahen Dickicht, pflückte hier die Blätter des sogenannten Seifenstrauches und stellte einen dicken Brei daraus her, den er auf der Geschwulst verteilte.

Als Felsenherz dann in Begleitung des schlanken Komanchenhäuptlings zurückkehrte, drehte Tom schon wieder den Spieß über dem Feuer und empfing die Gefährten mit den Worten:

„Ich habe mich wie ein Greenhorn benommen! Stury ist auf und davon. Irgend jemand hat ihn befreit und mir vorher einen gehörigen Klapps versetzt.“

Felsenherz drang sofort in die Büsche, um den Fährten zu folgen.

Chokariga nahm am Feuer Platz und meinte zu Tom:

„Mein Bruder, der rote Tom, erkennt wieder einmal, wie verderblich das Gold ist. Chokariga verachtet es!“

„Oh – ich auch, Häuptling!“ erklärte Tom sofort. „Ich habe mit dem Gold nur Gutes vor. Ich bin des Lebens als Händler überdrüssig. Ich möchte mir eine Hazienda kaufen und Vieh züchten.“

Da nahte Felsenherz wieder.

„Es waren ein Apache und ein Navajo,“ sagte er gleichmütig. „Ich fand eine Feder des Haarschmuckes des Apachen und diese Tabakpfeife eines Navajo drüben am Südende des Tales. Die beiden werden sich zusammengetan haben, um Stury zu überlisten. Wir werden ihnen sofort folgen bis es dunkel wird, damit sie nicht zu viel Vorsprung gewinnen.“

 

 

2. Kapitel

Unter den Krallen des Grisly.

Stury und die beiden Rothäute ritten in scharfem Trab mitten in die Kolorado-Berge hinein, immer möglichst nach Süden sich haltend.

Der Apache wußte hier gut Bescheid. Stury hatte ihnen bereits erklärt, daß die Bonanza in den südlichsten Ausläufern der Wahsatsch-Berge zu suchen sei. Nähere Angaben wollte er erst später machen. Er traute seinen Befreiern nicht, besonders kam ihm Owati, der schlaue Fuchs, recht unheimlich vor, da der Apache sich sehr schweigsam verhielt.

Die drei mußten also, um nach den Wahsatsch-Bergen zu gelangen, bald wieder nach Norden einschwenken.

Ihr Unternehmen war überaus gefährlich, da ja dort im Norden die Navajos die Apachenabteilung des Oberhäuptlings Ikawiru verfolgten und es leicht ein böser Zufall fügen konnte, daß man mit einer der beiden Parteien zusammenstieß.

Bis zum Einbruch der Nacht ritten die drei weiter in südlicher Richtung. Dann hatten sie einen Kanon, eine tiefe, enge Schlucht mit senkrechten Wänden erreicht, die nach Owatis Behauptung später nach Norden zu verliefen würde.

In diesem Kanon, auf dessen Grund bereits tiefste Dunkelheit herrschte, mußten sie Schritt reiten.

Die Großartigkeit der Kolorado-Berge ist erst in neuerer Zeit bekannt geworden. Es gibt kaum ein Gebirge, das so abwechslungsreiche Szenerien und so wildromantischer Partien aufzuweisen hat wie dieses. Es ist eine auf geradezu schauerliche, meist baum- und strauchlose Wildnis. Besonders bei Nacht zeigt diese Bergeinöde im milden Mondschein mit seinen tiefen Schatten ein Gemälde von unheimlicher Vielseitigkeit. Donnernde Wildbäche stürzen von himmelhohen Felsen, zu feinstem Wasserstaub zerschellend, herab. Brausende Gießbäche rasen weiß leuchtend vor Gischt durch abschüssige Schluchten.

Hier haust der Grisly, der graue Bär, das gewaltigste Tier Nordamerikas. Hier bewohnen Luchs und Pantherkatze die dichten Urwälder an den Sonnenseiten der Täler; hier schleicht nachts der Moqui-Indianer umher, der diese Wildnis als sein Jagdgebiet betrachtet, und stellt den Bergschafen mit Pfeil und Bogen nach. –

Owati, der Apache, ritt jetzt voran.

In der Brust des goldgierigen Roten tauchten allerlei finsteren Pläne auf. Er wollte, sobald man die Bonanza-Schlucht erreicht hatte, Stury und den Navajo niederschießen und sich allein das Gold aneignen, wollte damit zu seinem Stamm zurückkehren und es Ikawiru, dem Oberhäuptling übergeben, der ihn dann sicher zum Unterhäuptling bestimmen würde.

Als der Mond bereits ganz hoch stand, lagerten die drei in einer Seitenschlucht des endlosen Kanons.

Sie wollten hier vier Stunden ruhen. Sie hofften bestimmt, daß Felsenherz und Chokariga durch die Verwundung Toms längere Zeit aufgehalten werden würden und dann auch ihre Fährte auf dem glatten Steinboden nur schwer weiterverfolgen könnten.

Der Navajo Sukawi suchte Holz und zündete ein Feuer an. Owati hatte unterwegs ein junges Bergschaf geschossen, das nun ausgeweidet und zerlegt wurde.

Während Stury als Wache den Lagerplatz umkreiste, sorgten die beiden Rothäute für die Nachtmahlzeit.

Sukawi erzählte dem Apachen jetzt einiges von dem Gespenst der Wahsatsch-Berge, jenem Reiter ohne Kopf, den die Navajos für den ruhelosen Geist eines ermordeten Trappers hielten.

Der Apache hörte still zu und sagte dann:

„Owati weiß, daß es ein solches Wesen gibt. Als wir vor zwei Nächten am San Juan-Fluß lagerten, hat der rote Tom, der damals bei uns war, den Geist am anderen Ufer gesehen.“

Der Navajo blickte scheu in die dunkle Schlucht hinaus.

„Der Reiter ohne Kopf ist ein Schütze, besser als der berühmte Felsenherz fast,“ meinte er leise. „Wenn jemand etwas Böses getan hat, erscheint der furchtbare Reiter und schießt ihm eine Kugel mitten in die Stirn. Mein eigener Bruder ist auf diese Weise umgekommen, nachdem er ein friedliches Blaßgesicht von hinten erstochen hatte.“

Stury war an das Feuer getreten und hatte die letzten Sätze gehört.

Er lachte jetzt höhnisch auf.

„Ihr laßt euch von sogenannten Gespenstern schrecken?! An solchen Unsinn glaubt kein Weißer.“

Kaum hatte er das letzte Wort ausgesprochen, als sich eine riesige plumpe Gestalt dem Feuer näherte.

Es war ein Grisly, den der Duft des gebratenen Fleisches von weither herbeigelockt hatte.

„Ein Bär!“ rief er schnell.

Mit zwei Sätzen war er zu einer einzeln stehenden uralten Eiche gestürmt und erkletterte sie.

Der Navajo folgte.

Diese fluchtartige Vorsicht der Indianer vor dem Grisly war durchaus verständlich.

Der graue Bär hat ein sehr zähes Leben und ist nur durch einen Schuß ins Herz oder durchs Auge ins Gehirn zu erlegen. Es gilt daher auch bei den Rothäuten als große Tat, wenn jemand einen Grisly tötet. –

John Stury hatte Felsenherz’ Büchse ergriffen. Es war dies eine besonders schwere Waffe, die doppelt so große Kugeln als ein gewöhnliches Gewehr abschoß.

Stury bewies hier, daß er nicht nur ein vielfacher Mörder, sondern auch ein kaltblütiger Mensch war.

Er zielte ruhig, drückte ab.

Der Schuß – versagte.

Da warf er die Büchse von sich, wollte nun ebenfalls auf der Eiche Zuflucht suchen, wo die beiden Indianer sich inzwischen schon schußfertig gemacht hatten.

Der Grisly jedoch schnellte sich vorwärts.

Sein Sprung glich dem eines galoppierenden Pferdes.

Er packte Stury, als dieser kaum den untersten Aststumpf umklammert hatte, riß ihn herab und holte mit der Vorderpranke, deren Krallen bis vierzehn Zentimeter lang werden, zum tödlichen Hieb aus.

Stury schien verloren.

Da geschah etwas höchst Seltsames:

Vom Kanon her jagte ein Reiter heran – ein Reiter ohne Kopf.

In voller Karriere riß er die Büchse an die Schulter, was geradezu unheimlich wirkte, da zwischen diesen Schultern kein Kopf saß.

Der Reiter trug im übrigen Trappertracht. Sein Pferd war ebenfalls sehr merkwürdig gezeichnet, hatte helle Streifen wie ein Zebra.

Der Grisly ließ auf die Schüsse hin die Pranke sinken.

Er taumelte.

Und sank dann schwerfällig um, lag still – war tot.

Der Reiter ohne Kopf aber galoppierte ebenso rasch in den Kanon zurück.

Die beiden Indianer oben in der Eiche kamen nach einer Weile herab.

Stury stand aufrecht neben dem Grisly, schüttelte den Kopf und brummte:

„Zum ersten Mal – habe nun ich den Geist der Wahsatsch-Berge gesehen! Weiß der Teufel: Es ist also wirklich etwas Wahres daran!“

Sie drehten dann den Bär um.

Beide Kugeln saßen genau in den Augen. –

Die beiden Rothäute blickten Stury scheu an, und Owati meinte leise:

„Das Blaßgesicht hat einen mächtigen Beschützer. Der Reiter ohne Kopf hilft nur guten Menschen.“

Dann begann der Navajo den Grisly abzuhäuten, schnitt die Tatzen ab, säuberte sie und legte sie in die glühende Asche, da Bärentatzen für die Rothäute eine Delikatesse bedeuteten.

Owati saß am Feuer und dachte, von abergläubischem Schreck erfüllt: ‚Ich werde Stury nicht selbst töten. Der Navajo muß es tun. Mag dieser dann am Leben bleiben, bis wir bei meinem Stamm sind.‛

 

 

3. Kapitel

Der Überfall im Kanon.

Inzwischen hatten auch Felsenherz, Tom und Chokariga für ein paar Stunden am Anfang des Kanons Rast gemacht, denn bis hierhin hatten sie die Spuren der Flüchtlinge verfolgen können.

Dann war die Dunkelheit zu groß geworden.

Tom, der als Verwundeter erst als dritter die Wache übernehmen sollte, wurde jetzt von Felsenherz geweckt.

Er nahm seine merkwürdige Doppelbüchse in den Arm, die völlig einem dicken, langen Buchenknüttel glich, und schlenderte zu den Pferden hinüber, um ihnen frisches Laub vorzuwerfen.

Felsenherz streckte sich neben Chokariga aus und versuchte einzuschlafen.

Es gelang ihm nicht. So wurde er denn zu seinem Erstaunen Zeuge, wie Tom seinen Fuchs sattelte und ihn leise wegführte.

Der blonde Trapper begriff nicht, was Tom beabsichtigte. Als er ihn in dem Kanon verschwinden sah, erhob er sich, kroch im Schatten einiger Steine gleichfalls in den Kanon hinein, vernahm aber nur noch die Hufschläge eines trabenden Pferdes.

Er kehrte also zum Lagerfeuer zurück und hüllte sich wieder in seine Decke ein.

Chokariga war wach.

„Mein Bruder Harry traut Tom nicht?“ fragte der Häuptling leise.

„Ich traue ihm vollkommen, wenn er auch seine Geheimnisse hat,“ erwiderte Felsenherz.

„Und doch hätte er sich nicht entfernen dürfen,“ sagte der schwarze Panther ernst. „Die Moquis streifen gern bei Nacht herum. Es sind feige Kröten, die zwischen den Steinen umherkriechen und mit dem Pfeil dem Bergschaf die Fessel des Hinterfußes verletzen, damit sie das lahme Tier erschlagen können.“

Er wickelte sich aus seiner Decke und wollte nach der Doppelbüchse greifen.

Plötzlich zischte ein Pfeil – fuhr ihm in den rechten Arm.

Sofort riß er die Decke hoch, hielt sie schützend vor sich und den blonden Trapper.

Ein wahrer Pfeilregen folgte.

Aber die spitzen Geschosse konnten die Wolldecke nicht durchschlagen.

Felsenherz hatte schon seine berühmte, langrohrige Waffe in der Hand, stieß mit dem Kolben die Feuerbrände auseinander und war dann mit einem Sprung hinter einer verkrüppelten Tanne.

Die andere Seite der Schlucht lag in hellem Mondlicht da.

Kein Feind war zu entdecken.

Aber – dort hinter den Steintrümmern waren sie verborgen.

Dort ragte jetzt ein wenig ein Arm hervor.

Felsenherz’ nie fehlende Büchse entlud sich.

Ein gellender Schrei von drüben –

Ein wildes Geheul: das Kriegsgeschrei der Moquis.

Dreißig – vierzig blitzschnelle Gestalten huschten näher.

Tomahawks und Messer blitzten.

Felsenherz hatte die Büchse umgedreht, ließ sie als Keule im Kreis schwirren, hielt sich so die Moquis vom Leibe, sprang dann mitten unter sie, da er bemerkt hatte, daß ein Dutzend Feinde den Komanchen bedrängten, der nur den linken Arm benutzen konnte, da der Pfeilschuß den rechten gelähmt hatte.

Aber der blonde Trapper kam leider zu spät. Schon hatten die Moquis den Häuptling zu Boden gerissen.

Da erkannte Felsenherz, daß es besser sei, wenn wenigstens er sich die Freiheit bewahrte.

Mit furchtbaren Kolbenhieben schaffte er sich freie Bahn zu den Pferden hin, zu seinem braven Braunen. –

Jetzt jedoch griff jemand anderes in den ungleichen Kampf ein.

Der Galopp eines Pferdes dröhnte über den Steinboden des Kanons.

Ein Reiter hielt dort im hellen Mondschein.

Ein Reiter – ohne Kopf!

Und doch hatte er die Doppelbüchse wie ein Lebender quer über dem Sattel schußbereit.

Die Moquis erstarrten förmlich. Auch ihnen war der Geist der Wahsatsch-Berge seit Jahren bekannt. Keiner von ihnen wagte ein Glied zu rühren.

Selbst diejenigen Krieger, die den Komanchen in ihrer Übermacht niedergerungen hatten, ließen den Häuptling los.

Chokariga erhob sich rasch. Niemand kümmerte sich um ihn. Er raffte seine Waffen und die Wolldecken auf und lief zu Felsenherz hin, der bereits Pferde zu satteln begann.

Der gespenstische Reiter auf seinem Zebratier nahm jetzt langsam die Büchse in Anschlag.

Felsenherz schaute scharf hin. Dann – lächelte er plötzlich und flüsterte Chokariga etwas zu.

Auch des Häuptlings Mund verzog sich ein wenig.

Sie bestiegen nun ihre Pferde und ritten getrost an dem Geist vorüber in den Kanon hinein.

Hinter ihnen zwei Schüsse.

Zwei gellende Schreie – und zwei der Moquikrieger behielten als ernstes Andenken an diese Nacht ihr Leben lang ein steifes Bein: Die Kugeln waren ihnen gerade durch die Kniescheibe gegangen. –

Die beiden Freunde trabten im Mondlicht weiter, nachdem Felsenherz’ scharfe Augen aus geringen Anzeichen entnommen hatte, daß die Flüchtlinge diesen Weg ebenfalls eingeschlagen hatten.

Nach einer Stunde machte Chokariga plötzlich halt.

„Riecht mein Bruder etwas?“ fragte er leise.

„Ein Feuer, daß man mit Steinen zugedeckt hat, qualmt,“ erwiderte der blonde Trapper.

Der Häuptling nickte und sog nachdenklich prüfend die Luft ein, lenkte dann nach links in einer Seitenschlucht ein.

Hier fanden sie den frisch abgehäuteten Grisly und die Reste des Lagerfeuers Sturys und der beiden Rothäute.

Als sie noch über den toten Grisly sprachen und allerlei Vermutungen anstellten, wer das Untier erlegt haben könnte, trabte auch der rote Tom herbei.

„Hallo, Freunde!“ rief er atemlos. „Die drei Schufte sind ausgekniffen! Beinahe hätte ich sie noch erwischt. Sie werden wohl den selben Schuß gehört haben, den auch ich vernahm. Ich war noch ein Stück dort rechts in den Nebenkanon hineingeritten. Plötzlich kamen sie dahergesprengt, erblickten mich, bogen in ein Tal ab und waren verschwunden.“

Felsenherz berichtete kurz, was er und Chokariga mit dem Reiter ohne Kopf erlebt hatten.

„Unglaublich!“ meinte Tom. „Auch hier zeigt das Gespenst sich! – Vorwärts aber, bleiben wir den Burschen auf den Fersen. Der Mondschein ist uns ein guter Verbündeter!“

 

 

4. Kapitel

Ein weißer und ein roter Schurke.

Tom hatte richtig vermutet: Der Knall des Schusses, den Felsenherz auf den Arm des Moquikriegers abgegeben hatte, war von Owati wirklich gehört worden, da der vorsichtige Apache sich aus der Schlucht in den Kanon begeben hatte, um dort Umschau zu halten, und weil der Kanon den Schall wie ein Trichter fortpflanzte.

Owati war sofort zum Lagerplatz zurückgelaufen.

In wilder Hast brach man auf. Aber Stury ließ sich doch noch die Zeit, das Bärenfell mitzunehmen.

Owati verließ den Hauptkanon und bog in einen noch steileren Seitenschlucht ein.

Hier erblickten sie dann den roten Tom.

In Karriere ritten sie in ein Tal hinein, fanden hier eine Art Felsentor, das sie in den Hauptkanon zurückbrachte, nachdem sie in einem rauschenden Bach etwa zehn Minuten entlanggewatet waren, und setzten dann ihre Flucht vor.

Als der Morgen graute, erreichten sie eine kleine Prärie im Norden der Berge, verfolgten wieder in einem Bach, um ihre Fährte zu verwischen, nördliche Richtung und behielten sie bis zum Abend bei.

Ihre Pferde waren jetzt völlig abgehetzt. Sturys Gaul stolperte immer wieder und drohte zusammenzubrechen. Unter diesen Umständen mußten sie sich zum Lagern entschließen.

In einem dichten Gestrüpp am Rande einer Waldzunge, die sich in die Prärie hineinerstreckte, fanden sie eine offene Stelle, wo sie sich um so sicherer wähnten, als sie diesen Platz von Norden her im Bogen zurückreitend aufgesucht hatten.

Stury warf sich sofort in das Gras. All seine Zuversicht, Felsenherz und dessen Gefährten zu entgehen, war bald wieder geschwunden, als er nun merkte, daß das Packpferd, das er geritten hatte, mindestens sechs Stunden Ruhe brauchte.

Auch die Mustangs Owatis und Sukawis fraßen vor Übermüdung nicht einmal die saftigen Gräser, die hier halbmanneshoch standen.

„Wir müssen zu Fuß weiter,“ entschied der Apache. „Felsenherz und Chokariga sind so vorzügliche Fährtensucher, daß sie uns schließlich doch aufstöbern. Wir werden zwei Stunden ruhen. Dann nehmen wir die Mustangs am Zügel mit uns.“

Stury blickte finster vor sich hin.

„Glaubt ihr, auf die Weise zu entkommen?!“ meinte er fluchend. „Da kennt ihr die Teufel schlecht, diese beiden Westmänner, denen Tom fast gleichwertig ist. – Nein, wenn wir entwischen wollen, müssen wir es anders anfangen –“

Er schwieg plötzlich. Er hatte im Gestrüpp ein leises Rascheln vernommen.

Auch die beiden Rothäute horchten.

Sie hatten nicht gewagt, ein Feuer anzuzünden. Noch war der Mond auch nicht aufgegangen. Sie saßen auf der kleinen Lichtung im Dunkeln.

Nichts ließ sich mehr hören.

„Es kann nur eine Wühlratte gewesen sein,“ flüsterte John Stury, der Mörder.

Owati erwiderte noch leiser:

„Das Blaßgesicht hat die Ohren eines toten Präriehuhns! Eine Ratte würde nochmals in den Blättern geraschelt haben. Es war ein Späher: Ich werde ihn abfangen.“

Mit den Bewegungen einer flinken Eidechse huschte der verräterische Apache davon.

Er umrundete die Büsche, riß einen Grashalm aus und ahmte das Zirpen der Nachtgrille tadellos nach.

Nach einer Weile erklang aus dem Gestrüpp ein ebenso natürliches Zirpen.

Dann kroch ein Indianer lautlos aus den Dornen hervor – mit einer Gewandtheit, die diesen Krieger als vorzüglichen Kundschafter erwies.

Owati erkannte den Stammesgenossen, raunte ihm zu:

„Mein Bruder Mathehuala mag dem Oberhäuptling melden, daß wir unterwegs nach der Bonanza sind. Ikawiru soll Felsenherz, Chokariga und den roten Tom, die uns verfolgen, gefangen nehmen. –

Was tun meine Brüder jetzt?“

Mathehuala erwiderte:

„Ikawiru hat mit den Navajos die Friedenspfeife geraucht. Er hat dem Navajohäuptling zum Schein die Hälfte des Goldes der Bonanza versprochen. Zehn unserer Krieger und zehn Navajos sind bereits als Späher hinter Felsenherz, dem schwarzen Panther und dem roten Tom her. Wir werden sie bestimmt fangen. – Wir lagern dort weiter südlich in einem ausgetrockneten Flußbett.“

Dann huschte er davon.

Triumphierend kehrte Owati zu Stury und dem Navajo zurück.

Er ahnte nicht, daß ein Mann, einer der berühmtesten Trapper, am Rande des Gestrüpps gelegen hatte und daß dieser Trapper jetzt völlig lautlos sich bis auf die Lichtung hinausschob, um zu hören, was Owati seinen Gefährten verheimlichen würde.

Dieser Mann verstand es, auch das allergeringste Geräusch zu vermeiden.

Wenn der Nachtwind durch die Büsche strich, kroch er weiter. Schwieg der, blieb er still liegen.

So kam er fast bis in den Rücken des heimtückischen Apachen, der sich niedergesetzt hatte und eben sagte, indem er eine gleichgültige Handbewegung machte:

„Es war niemand da. Das Blaßgesicht hat doch bessere Ohren als Owati.“

Dann mahnte er zum Aufbruch.

Aber das Packpferd war nicht zum Aufstehen zu bewegen. Man mußte es zurücklassen.

Die drei begannen nun ihren Marsch durch die nächtliche Prärie den Südausläufern der Wahsatsch-Berge entgegen. Owati und der Navajo führten ihre müden Mustangs am Zügel.

Der Mond ging auf.

Stury fluchte darüber.

„Die Pest über die blanke Scheide! Fast taghell ist’s!“

So zogen sie langsam dahin. Als sie einen Bach erreichten, wateten sie darin fünf Meilen ostwärts, um die Verfolger irre zu führen.

Aber Owati hatte, als sie in das Bachbett hineinstiegen, rasch und heimlich am Ufer einen Zweig abgeknickt und ihn so gelegt, daß die Bruchstelle nach Osten deutete.

Er wußte ja: Ikawiru würde sich jetzt mit dem Apachen von den Navajos unter einem Vorwand trennen und Sturys Fährte folgen – nach der Bonanza, die das Blaßgesicht mittags zu erreichen hoffte. –

Der Mann, der die Flüchtlinge belauscht hatte, war Felsenherz gewesen.

Als die drei dann aufgebrochen waren, eilte er zu Chokariga und Tom zurück.

Diese erwarteten ihn weiter westlich am Rand des Waldes.

Sofort ritt man nun neben den Flüchtlingen her, die man bei dem hellen Mondschein vom Sattel aus leicht beobachten konnte.

Felsenherz war es dann auch, der morgens, als Stury und die beiden Indianer wieder scharf nach Norden abschwenkten, wobei sie einen steiniges Regental benutzten und die Hufe der Mustangs umwickelt hatten, hier am Bachufer in kluger List für Ikawiru den Zweig, den Owati ebenfalls hier niedergelegt hatte, mit der Spitze nach Süden richtete, so daß der Oberhäuptling das Tal in falscher Richtung verfolgen mußte.

Der rote Tom, der sein braves dickes Packpferd natürlich aus dem Dickicht abgeholt und auch durch schmeichelnde Worte zum Aufstehen bewogen hatte, geriet jetzt in eine gewisse Erregung, da nunmehr ja die Entscheidung nahte, ob die Goldschätze, das Erbteil und Geheimnis seines Bruders, ihm zufallen würde.

Mit größter Vorsicht setzte man jetzt am Tage den Ritt hinter den dreien fort.

Chokariga war meist einige hundert Meter voraus.

Felsenherz hatte soeben von einer bewaldeten Kuppe nach rückwärts über die wellige Prärie geschaut.

Da – er zuckte leicht zusammen – da ganz hinten am Horizont erkannte er eine lange Reihe sich vorwärtsbewegender Punkte.

Er zählte sie.

Es waren etwa vierzig solcher Pünktchen. Und – das waren Reiter, – Apachen.

Es mußte Ikawiru mit seinen Kriegern sein. Die List mit den anders gelegten Zweigen hatte also doch nicht bewirkt.

Felsenherz teilte Tom seine Beobachtung mit. Auch der war überzeugt, es müßten die Apachen sein.

Man ritt Trab und holte den schwarzen Panther ein. Der Komanchenhäuptlings fand es offenbar bedenklich, ob es ratsam sei, den dreien weiter zu folgen.

Auch der blonde Trapper meinte sehr ernst: „Wir setzen uns der Gefahr aus, von den –“

Da fiel ihm Tom ins Wort:

„Gefahr?! Oh – da seid ganz unbesorgt! Die Apachen werden wir schon verscheuchen. Ich werde zunächst mal zurückbleiben und sie beobachten. Reitet nur weiter.“

Chokariga und Felsenherz tauschten einen heimlichen Blick aus. Sie verstanden sich.

Der rote Tom übergab Felsenherz das Packpferd und schritt langsam wieder nach Süden zu, verschwand in der hier sehr buschreichen Steppe.

Aber die beiden Freunde – machten ebenfalls kehrt, verbargen die Pferde in einem Wäldchen und folgten Tom zu Fuß.

Sehr bald erblickten sie ihn.

Und – Tom stand in einer kleinen Sandschlucht und zeichnete gerade seinem Fuchs mit weißem Ton dicke weiße Striche auf den Leib.

Dann holte er aus seiner Satteltasche eine Art Gestell aus Draht hervor, bog es auseinander und warf dann die Jacke ab, stülpte sich das Gestell über den Kopf und zog die Lederjacke wieder an. –

Chokariga lächelte.

„Wir wußten, daß Tom das Gespenst ist,“ meinte er. „Mein Bruder Harry hat im Kanon durchschaut, wie Tom sich verwandelt.“

Tom Harpley stieg zu Pferd und erwartete die Apachen.

Felsenherz und der Komanche waren gespannt, ob Toms Erscheinen als kopfloser Reiter auch diesmal so stark wirken würde, daß die Apachen flohen.

Harpley hielt jetzt zu Pferde hinter ein paar Sträuchern.

Die Roten nahten. Die Spitze bildeten drei Späher. Ikawiru befand sich bei ihnen.

Nun ritt der Geist der Wahsatsch-Berge langsam um die Büsche herum.

Ikawiru gewahrte ihn, riß seinen Mustangs zurück.

Aber die Büchse Harpleys flog schon hoch, jetzt eine Büchse wie jede andere. Das merkwürdige Keulenfutteral hatte er entfernt.

Ein Schuß krachte.

Ikawirus Mustang sprang mit allen Vieren gleichzeitig hoch, stürzte zusammen.

Der Oberhäuptling war aus dem Sattel geglitten.

Ein neuer Schuß – und diesmal galt es Ikawirus Knie.

Der schwankte, hielt sich am Sattel eines seiner Krieger fest, zog sich empor.

Die drei Späher und der Oberhäuptling flohen.

Der Apachentrupp machte eilends, daß er dem Geist der Wahsatsch-Berge entging. In Karriere stoben die Rothäute davon – nach Süden zu.

 

 

5. Kapitel

Das Fallbeil der Vorsehung.

Als der rote Tom dann gerade die weißen Striche vom Fell seines braven Pferdes weg rieb, klopfte ihm jemand auf die Schulter.

Es war Felsenherz, und neben dem stand Chokariga.

„Tom, ihr seid ein Mordskerl!“ lachte der Trapper. „Viele Jahre ist kein Mensch hinter euer Geheimnis gekommen. Nun ist es entdeckt. Aber – wir werden den Mund halten! Übrigens: Die Idee ist glänzen, lieber Tom.“

Auch der rote Tom grinste vergnügt.

„Habe als Gespenst manchem das Leben gerettet,“ meinte er. „Als Indianerhändler durfte ich es nicht, konnte es mit den Rothäuten nicht verderben! –

So, nun wieder Stury gefolgt! Nun werden die Apachen uns nicht mehr stören.“ –

Mittag war’s am selben Tag.

Heiße Sonnenglut lag über dem kahlen Felsplateau, dessen Steingruppen, wirr umhergestreut, die Aussicht versperrten.

Im Schutz dieser Riesensteine krochen jetzt Felsenherz, Tom und Chokariga über die Ebene auf ein paar gewaltige Tannen zu, hinter denen Stury und die beiden Indianer soeben verschwunden waren, gleichfalls zu Fuß.

Dies Nadelbäume wuchsen am Rande einer kleinen Schlucht. Es war mehr eine Felsspalte, etwa drei Meter breit und acht Meter lang.

Und oben auf dieser Spalte lag wie ein Deckel – ein seltenes Spiel der Naturkräfte, ein ungeheurer kantiger Fels. –

Owati, der Apache, hatte sich lang hingeworfen und spähte zwischen diesem Steinblock und dem Rand der Spalte in die Tiefe hinab, während Stury einen harzigen Ast angezündet hatte, den er nun in die Spalte warf.

Das Fackellicht ließ dort unten den Boden in goldenem Glanz aufleuchten.

Goldkiesel lagen da – bis zu Faustgröße – alles reines Gold.

Millionen – Millionen, – ein Reichtum unschätzbar!

Auch Sukawi, der Navajo, hätte zu gern einen Blick auf all diese güldenen Schätze geworfen.

Aber es schien hier nur die eine kleine Stelle zu geben, wo man hinabspähen konnte.

Sukawi wurde ungeduldig.

Wollte ein anderes ähnliches Guckloch suchen, stieg auf den Deckelfelsen, turnte nach der anderen Seite der Spalte hinüber.

Da – plötzlich senkte sich dieser enorme Deckel nach links. Er hatte wie der Balken einer Wage gerade in der Schwebe gelegen.

Das Gewicht des Navajo drückte ihn herab, und eine vorspringende Kante schnitt wie das Messer eines Fallbeils Stury und Owati ins Genick.

Ein doppelter gellender Schrei.

Dann Stille.

Der ahnungslose Sukawi kam nachsehen, was geschehen sein könnte.

Da lagen Stury und der Apache.

Tot – mit halb abgequetschten Köpfen – blutend – regungslos.

Den Navajo packte das Grauen.

Wie wahnsinnig raste er davon, warf sich auf seinen Mustang, sprengte in die Prärie zurück. –

Auch Tom und die beiden berühmten Westmänner hatten mit Entsetzen hinter den Tannen hervor das Ende der beiden Schurken, die an Schlechtigkeit einander gleichwertig waren, beobachtet.

„Die Vorsehung hat eingegriffen!“ sagte Felsenherz da leise.

Tom Harpley war bleich geworden.

„Das Gold ist mir verleidet,“ meinte er. „Reiten wir davon. Ich will nichts – nichts mitnehmen – nicht einen Kiesel!“

„Das könntet ihr auch gar nicht, Tom,“ erklärte der blonde Trapper. „Ihr seht ja, daß der Steindeckel erst weggesprengt werden müßte.“

„Gut – begraben wir Stury und den Apachen, und dann – fort von hier!“

Doch – es war unmöglich, den Riesenblock wieder zurückzudrücken. Bei einem Versuch, die Leichen hervorzuziehen, kollerten die Köpfe in die Tiefe, rollten auf das Gold – auf die gleißenden Kiesel, um die John Stury so viele Menschen hingeschlachtet hatte.

Als die Gefährten nachmittags die Prärie durchritten, stießen sie auf Sukawis skalpierte Leiche.

Nun wußten nur sie drei von dem Geheimnis der Bonanza. Und sie haben es niemandem verraten, haben später noch Steine über dem Felsdeckel aufgehäuft, so daß niemand darunter die Bonanza vermuten kann.

Die Milliarden liegen noch heute dort irgendwo in den Wahsatsch-Bergen.

Und zwei grinsende Totenschädel bewachen die lockenden Schätze. –

Die drei Gefährten erreichten wohlbehalten die Komanchendörfer am Kanadian und ruhten sich da von den überstandenen Strapazen aus.

Bis dann eines Tages –

Doch – das bringt die nächste Erzählung.