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Felsenherz der Trapper
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Elisabeth-Ufer 44
Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin
Felsenherz, der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten
erzählt von
Kapitän William Käbler.
Heft: 23
Erstes Kapitel
Der lange Jeremi.
Der auf dem nordamerikanischen Felsengebirge entspringende Kanadian-River durchströmt auf seinem Lauf nach Osten ausgedehnte wellige Prärien, weite Wälder und hügelige Landschaften von abwechslungsreicher Schönheit.
Dieser Fluß war zu jener Zeit, als die ersten Ansiedler von Osten her über den Arkansas und Missouri in die Indianergebiete eindrangen, etwa die Mittellinie der Jagdgründe der Komanchen, jenes Reitervolkes, dem alle Kenner westamerikanischer Indianerstämme Edelmut, Kühnheit, Intelligenz und praktischen Sinn nachrühmen.
Das Jagdgebiet dieses Stammes begann, von Osten gerechnet, etwa am Ute-Bach, einem linken Nebenflüßchen des Kanadian. Zwischen dem Ute-Bach und dem Felsengebirge und weiterhin nach Südwest bis zu den Quellflüssen des Rio Pecos, an dem hauptsächlich die Apachen hausten, zog sich ein breiter Landstreifen neutralen Gebietes, der weder von den Komanchen noch den Apachen als fester Besitz in Anspruch genommen werden konnte. –
Dies sei zum Verständnis des Folgenden vorausgeschickt. –
An einem prachtvollen Julimorgen kam ein einzelner Reiter vom Felsengebirge her durch die Prärie getrabt, die sich, ein bares Blumenmeer, bis zum Ute-Bach entlangstreckte.
Dieser Reiter ritt ein Maultier von geradezu unglaublicher Häßlichkeit, eins von jenem Viechern, die alle Schönheitsfehler des Pferdes und der Esel, seiner Stammeltern, in sich vereinen.
Der unglaublich große Schädel saß auf einem dürren Hals, der aus einem noch dürreren Leib emporwuchs. Die Beine waren wie Stöcke, die man mit Haut überzogen hatte, und schon auf weite Entfernung hätte man jede Rippe dieser Kreatur bequem zählen können.
Immerhin: der dazugehörige Reiter war seines Reituntersatzes durchaus würdig.
Unter den Trapper und Fallenstellern des Westens gab es gewiß manch komischen Kauz. Aber dieser riesenlange, hagere Mensch mit der mächtigen Hakennase, dem dünnen Tartarenschnurrbart und dem fast von Ohr zu Ohr reichenden Mund, gekleidet in die Art verschossene, einst rote gewesene Uniform eines englischen Infanteristen, auf dem absolut kahlen Schädel einen verbeulten grauen Zylinderhut, an dem hinten als Sonnenschutz ein Stück weißes Fell mit dünnen Lederriemen befestigt war, – diese Karikatur eines Westmannes wirkte so unglaublich komisch, daß auch der ernsteste Griesgram bei seinem Anblick hätte lachen müssen.
Hinter dem Reiter trabte noch ein zweites Maultier her, offenbar der Bruder des anderen. Es war hoch beladen, lief jedoch ganz von selbst dem ersten nach, wobei es fast haarscharf seine Hufe in die Fährte des vorderen setzte.
Der Reiter, der mit zwei doppelläufigen Pistolen, einer verrosteten Flinte, Tomahawk und Jagdmesser bewaffnet war, hatte offenbar die Angewohnheit, sich mit seinem Klepper zu unterhalten.
Auch jetzt tat er es, indem er schmunzelnd sagte:
„Ja, ja, Old Nelson, diesmal haben wir die roten Spitzbuben noch feiner als sonst an der Nase herumgeführt. Die Apachenbande und ihr Oberhäuptling Ikawiru hätten zu gern Wellingtons Ladung mit nach Hause genommen. Na – wir drei sind ihnen in dieser schönen Gegend nun schon drei Jahre lang stets entwischt, und so wird es wohl auch weiter bleiben, kalkuliere.“
Der Maultierhengst Nelson wackelte zustimmend mit den Riesenohren, und auch sein Bruder Wellington ließ ein vergnügtes Wiehern hören, das wie ein Kreischen verrosteter Türangeln klang.
Der glückliche Besitzer dieser beiden vierbeinigen, hautüberzogenen Skelette wandte sich nach einer Weile im Sattel um und schaute nach rückwärts, wo im bläulichen Dunst die fernen imposanten Bergspitzen der Rocky Mountains, des Felsengebirges, zu erkennen waren.
Plötzlich stieß er einen leisen Pfiff aus.
„Old Nelson,“ rief er, „diesmal haben die Apachenspitzbuben doch bessere Augen als sonst gehabt – weit besserer Augen – verdammt auch!“
Er hatte allen Grund zu dieser neuen Ansprache an sein Reittier, denn dort hinten waren soeben über einer Bodenwelle einige achtzig Reiter aufgetaucht, alles Indianer, die im Galopp auf der Fährte des Trappers daherkamen und noch etwa zweitausend Meter entfernt sein mochten.
„Nelson und Wellington,“ fügte der schnurrige Mann hinzu, „ich bitte euch, eure Lauchstelzen gehörig in Bewegung zu setzen. Bis zu dem Flußbett ist’s noch eine nette Strecke.“
Nelson begann denn auch sofort zu galoppieren.
Und wie galoppierte dieses Knochengerüst! Und tadellos hielt Wellington mit ihm gleichen Schritt!
Niemand hätte diesen beiden häßlichen Viechern so eine Schnelligkeit zugetraut. Sie reckten sich im Sprung ganz langen. Ihre Hufe schienen kaum den Boden zu berühren. Und dabei arbeiteten ihre Lungen so ruhig, als wanderten sie nur gemächlich im Schritt einher.
Der Trapper blickte nach fünf Minuten abermals rückwärts und schätzte erneut die Entfernung. Er nickte befriedigt. Er hatte gut fünfhundert Meter gewonnen.
Nach einer Viertelstunde senkte sich die Blumenprärie, wie die Komanchen diesen Teil der Grassteppe nannten, ganz allmählich zu einem seltsamerweise ganz unfruchtbaren, steinigen und felsigen Tal abwärts, das in vielen Windungen meilenweit sich bis zum Ute-Bach hinzog.
Kaum hatte der Trapper den harten Boden erreicht, als Nelson und Wellington ganz von selbst stehen blieben.
Der putzige Reiter sprang aus dem Sattel.
In wenigen Minuten hatte er seinen Tieren sogenannten Hufschuhe angeschnallt, lederner Kappen, die jede Fährte auf steinigem Terrain vermeiden halfen.
Der Trapper ritt dann im Schritt weiter, erst ein Stück nach Nordwest, dann nach Südost.
Sehr bald war er hinter der ersten Talkrümmung verschwunden.
Kaum fünf Minuten drauf erschienen auch die Verfolger an dieser Stelle, wo der Weiße soeben seinen Kleppern die Lederschuhe übergezogen hatte.
Den Apachen voraus ritten Ikawiru, der Oberhäuptling, und ein älterer, grauhaariger Krieger.
Dieser sagte jetzt zu dem breitschultrigen Häuptling:
„Diesmal werden wir das Blaßgesicht fangen, das uns bisher stets entschlüpft ist. Ikawiru mag den besten Fährtensuchern befehlen, die Spur des Jägers zu prüfen.“
Aber auch die drei Apachen, die Ikawiru hierzu bestimmte, versagten.
Sie fanden zwar geringe Anzeichen dafür, daß der Trapper sich nach Nordwest gewandt hatte, aber diese geringfügigen Spuren – verschobene Steine und kleine, zermalmte Geröllteilchen – hörten auf dem glatten Steinboden schon nach fünfzig Meter völlig auf.
Ikawiru und der alte Krieger suchten jetzt selbst nach irgend welchen Anhaltspunkten, ob der Weiße wirklich das Tal in nordwestlicher Richtung verfolgt hätte.
Schließlich sahen sie ein, daß sie nur unnütz Zeit vergeudeten. Ikawiru ließ daher die Hälfte seiner Krieger nach Südost, die andere nach Südwest weiterreiten. Er und der grauhaarige Apache, dessen Kriegsname Opodepe, der weiße Fuchs, lautete, schlossen sich der nach Süden zu davongaloppierenden Abteilung an.
Nach einer Stunde erklärte Opodepe dem Häuptling:
„Ikawiru wird sehr bald an dem Ute-Bach seinen Mustang tränken können. Opodepe ist bereits dreimal hier gewesen, stets hinter dem Blaßgesicht her, das die anderen Trapper den langen Jeremi nennen. Das letzte Mal jagte Opodepe vor sieben Monaten dem Blaßgesicht mit zehn Kriegern nach. –
Dort ist schon die Hütte der alten Komanchin sichtbar, die hier als Ausgestoßene ihres Stammes wohnt, weil Manitu ihr den Aussatz in den Leib geschickt hat.“
An der rechten, steilen Talwand erhob sich wirklich eine aus Zweigen geflochtene, größere Hütte, vor der eine in zerlöcherte Decken gehüllte Indianerin hockte, die sich vor den unteren Teil des Gesichts einen schmierigen Lappen gebunden hatte, während ihre Hände, von deren Fingern das Fleisch zum Teil schon abgefallen war, in ihrem Schoß lagen.
„Reiten wir an der anderen Talwand rasch vorüber,“ sagte Opodepe hastig, als er die Alte gewahrte. „Der Aussatz kriecht auch anderen leicht in den Leib. Manitu hat ihn und die Pocken seinen roten Kindern als schrecklichste Strafen gesandt.“
Das alte Weib, der die Haarzotteln tief ins Gesicht hingen, hob jetzt den rechten Arm und machte eine flehende Gebärde.
Ikawiru erblickte zu seinem Entsetzen, daß auch an dem Unterarm stellenweise die hellen Knochen hervorschauten.
Im Galopp sprengte er vorüber. Seine Krieger warfen dem Weib einige Streifen gedörrten Fleisches zu, aber keiner von ihnen näherte sich der Aussätzigen allzu sehr.
Aussatz und Punkten schreckten die Rothäute noch mehr ab als etwa ein Grisly, ein Graubär, das gefährlichste Raubtier Nordamerikas.
Bald war der Ute-Bach erreicht. Ikawiru bestieg hier eine der uralten Buchen, um nach dem langen Jeremi auszuspähen.
Plötzlich kletterte er sehr rasch herab und rief den Seinen zu:
„Zwei Blaßgesichter kommen am Bach entlang! Verbergt euch!“
Im Nu waren die Apachen in den Büschen verschwunden.
2. Kapitel
Der Retter in der Not.
Die beiden Reiter, auf die der Oberhäuptling soeben aufmerksam geworden war, nahten von Norden her am rechten Bachufer.
Der eine, ein stämmiger Mann mit dunklem Vollbart, trug die Kleidung der Ansiedler: Lederjacke, Wollhemd, derbe Leinenhosen und hohe Stiefel.
Der andere dagegen sah wie ein Tramp, einer jener Vagabunden aus, die zumeist wegen irgend welcher Schandtaten in die Prärien flüchten, wo sie vor der Polizeigewalt sicher zu sein hoffen.
Dieser Mensch in seinem zerlöcherten städtischen Anzug, mit dem schwarzen Stoppelbart, den stechenden Augen war gefesselt, was dem Oberhäuptling infolge der weiten Entfernung entgangen war.
Die Hände waren ihm so vor den Leib geschnürt, daß er zur Not sein Pferd lenken konnte. Außerdem hatte er noch an den Füßen Lederriemen, die seine Fußgelenke mit den Steigbügeln fest verbanden.
Schweigend ritt das ungleiche Paar nebeneinander her, bis der Tramp in frechem Ton sagte:
„Mr. Olbin, ihr werdet es bereuen, mich so behandelt zu haben. Ich weiß nicht, wer den Juwelier Dogler in St. Louis erschlug – bei Gott, ich war es nicht! Habt ihr denn auch nur ein Stück der geraubten Kostbarkeiten gefunden?! Nein – nichts! Ich werde Klage gegen euch wegen Freiheitsberaubung erheben, und –“
„Halt das Maul!“ unterbrach der Beamte Olbin ihn grob. „Ich weiß, daß ihr nicht nur Dogler sondern auch euren Genossen Griblay ermordet habt. Die Beute, die ihr vor vier Wochen dort in St. Louis machtet, werde ich schon finden, wenn ich euch im nächsten Komanchendorf zurücklasse und dann in aller Ruhe nach den Kostbarkeiten und der Leiche Griblays dort im Norden dieser wundervollen Prärie suche, wo ich euch in eurem Versteck überraschte. Ihr seid ein so übel berüchtigter Mensch, John Hiller, daß man euch alles zutrauen kann.“
Hiller lachte hämisch auf.
„Zutrauen ist noch nicht bewiesen, noch lange nicht! Es wird euch verdammt schwer fallen, Olbin, mir etwas am Zeuge zu flicken!“
Der wollte etwas erwidern.
Plötzlich sprengten jedoch vor ihm aus den Uferbüschen zehn – zwölf Apachen hervor.
Ikawiru brüllte ihm zu, indem er seine Büchse halb in Anschlag brachte:
„Das Blaßgesicht ist unser Gefangener. Er mag seine Flinte wegwerfen und vom Pferd steigen. Er schaue sich um. Vierzig tapfere Krieger der Apachen haben ihn umzingelt!“
John Hiller grinste höhnisch.
„Aha – Apachen! Seht ihr, Olbin, das habt ihr davon, daß ihr mich von St. Louis bis hierher verfolgt habt. Nun werdet ihr am Marterpfahl schmoren. Ich aber werde frei sein!“
Ikawiru hatte Hiller scharf beobachtet.
„Das gefesselte Blaßgesicht mag sein Pferd hier zu den Apachenkriegern lenken,“ rief er. „Er wird Ikawiru erzählen, weshalb er ein Gefangener ist.“
Fred Olbin erkannte, daß jeder Widerstand hier zwecklos war.
Er gehorchte daher, warf seine Doppelbüchse weg und sprang aus dem Sattel.
Aber – er war ein kühner Mann, war der Beste der Polizei von St. Louis.
Linker Hand war der Ute-Bach, der an dieser Stelle gut fünfzig Meter Breite hatte, ihm ganz nahe.
Mit drei Riesensätzen brach er durch die Büsche und sprang ins Wasser, tauchte sofort und schwamm in langen Stößen nicht etwa mit der Strömung bachabwärts, sondern gegen die Strömung einer kleinen Insel zu, die er mit raschem Blick als günstiges Versteck erspäht hatte.
Ein Hagel von Kugeln und Pfeilen war rings um ihn in den Bach eingeschlagen. Er hatte Glück: Nicht eines der Geschosse traf!
Obwohl ihm nun die Luft bereits sehr knapp wurde, arbeitete er sich doch unter Wasser bis an das Inselchen heran, dessen Durchmesser kaum acht Meter betrug. Es war mit Buchen, zwei Eichen und Gestrüpp so dicht bewachsen, daß er rasch eine Stelle fand, wo er unter dem weggespülten Erdreich hinter dem Wurzelvorhang der Bäume den Kopf aus dem Wasser stecken und Luft schöpfen konnte.
Ein Blick zeigte ihm, daß die Apachen keine zehn Meter bachabwärts ins Wasser hineingeritten waren und da nach ihm suchten.
Schnell watete er, stets im Schutz der Wurzeln, um das Inselchen herum und erkletterte hier an der Nordseite gewandt eine Eiche, die von wildem Hopfen völlig eingesponnen war.
In dem grünen Blätterdach durfte er sich vorläufig sicher fühlen.
Er hörte die Roten brüllen, hörte dann auch John Hillers Stimme:
„Die Krieger der Apachen tun besser, bachaufwärts zu schauen. Dieser Schuft von Olbin ist klug und listenreich.
Olbin hätte in diesem Moment den Verbrecher kaltblütig niederschießen können. Aber – er besaß ja an Waffen nur noch sein Messer und eine durchnäßte Pistole.
Die Apachen ritten jetzt auch wirklich auf das Inselchen zu.
Olbin glaubte sich verloren. Schon suchten die Indsmen am Inselufer nach Spuren, und unfehlbar mußten sie auch die Stelle bemerken, wo der Flüchtling sich an Land gearbeitet und auf der Eiche Schutz gefunden hatte.
Er zog sein Messer. Er wollte sein Leben so teuer wie möglich verkaufen.
Da – im kritischsten Augenblick erhielt er unerwartet Hilfe.
Am Ostufer des Baches war ein Reiter erschienen, ein blondbärtiger, stattlicher Trapper, der einen Braunen von kräftigstem Gliederbau ritt.
„Felsenherz – Felsenherz!“ gellte der Ruf der Apachen.
Drei – vier Schüsse.
Nicht einer traf den berühmten Jäger, neben dem jetzt auch auf einem Rappen ein schlanker Komanche aufgetaucht war.
Es war dies kein anderer als Chokariga, der schwarze Panther, Felsenherz’ Freund und Bruder.
„Die Apachen mögen die Blumenprärie verlassen!“ rief der Komanchenhäuptling drohend. „Die Blumenprärie gehört meinen Kriegern. Wenn Ikawiru heute, sobald die Sonne hoch über uns steht, noch in dieser Gegend weilt, werden die Komanchen ihn fangen und –“
Abermals blitzten da aus den Uferbüsche Schüsse gegen die beiden berühmten Jäger auf.
Chokariga riß seinen Rappen herum und sprengte zurück. Felsenherz aber hatte jetzt Fred Olbin in der Krone der Eiche erspäht, der ihm mit der Hand zuwinkte.
Er wollte den ihm Fremden retten. Es war ja ein Weißer. Und ein Mann wie Felsenherz fürchtete sich selbst vor hundert Apachen nicht.
Blitzschnell schwang er sich aus dem Sattel. Sein edles Pferd, das beste indianische Dressur hatte, folgte auf einen kurzen Befehl dem Komanchenhäuptling.
Der blonde Trapper aber watete und schwamm zu dem Inselchen hinüber, befand sich dort sehr bald im Schutz der Büsche und feuerte rasch zwei Schüsse aus seiner nie fehlenden Büchse ab.
Zwei Apachenmustangs brachen zusammen, warfen ihre Reiter in das Wasser.
Die übrigen Krieger Ikawirus beeilten sich, aus der Nähe der verderblichen Büchse eines der berühmtesten Trapper des Westens zu entkommen.
Im Nu lag der Ute-Bach scheinbar wieder still und einsam da.
Aber in dem Uferwäldchen drüben hielt jetzt Ikawiru mit dem alten Opodepe eine kurze Beratung ab. Sie ahnten, daß Chokariga Hilfe herbeiholen würde. Sie mußten sich also beeilen, wenn sie ihren Gegner Felsenherz, der ihnen bisher immer wieder entschlüpft war, wenn sie ihn bereits gefangen und fest zu haben glaubten, in ihre Gewalt bringen wollten. Ikawiru wußte, daß es ohne Tote und Verwundete bei einem Angriff auf die Insel nicht abgehen würde. Er scheute diese Opfer, denn zu viel Krieger waren bereits von Felsenherz bei ähnlichen Gelegenheiten getötet worden. Hatten doch die Apachen gerade den blonden Jäger stets mit einem blinden Haß verfolgt und immer wieder versucht, ihn im Triumph nach ihren Dörfern und an den Marterpfahl schleppten zu können.
Während der Oberhäuptling noch erwog, ob man nicht durch List den blonden Jäger überwältigen könnte, trat John Hiller, den die Apachen losgebunden hatten, an ihn heran, weil er Ikawiru heimlich etwas Besonderes versprochen hatte.
Hiller wollte sich den Rothäuten nach Kräften nützlich erweisen und erbot sich nun, auf eine recht heimtückische Art Felsenherz zu entwaffnen. –
Der berühmte Jäger hatte inzwischen mit Fred Olbin, der schnell von der Eiche herabgekommen war, sich verständigt, wie man hier auf dem Inselchen sich verteidigen könnte, bis Chokariga mit seinen Kriegern nahte, die keine vier Meilen weiter östlich Büffel jagten.
Er reichte Olbin sein Büchse und behielt für sich sein zweites Gewehr, einen sogenannten Bärentöter, eine besonders schwere Waffe.
Plötzlich schalten von Westufer her Schreie und einige Schüsse herüber.
Dann stürmte John Hiller in den Bach, tauchte und erreichte auch die Insel, während die Apachen ihn eifrig beschossen, freilich so, daß alle Kugeln daneben gingen.
3. Kapitel
Matta Tschiwar.
Keuchend und von Wasser triefend stand Hiller nun vor Felsenherz und Olbin.
„Endlich!“ rief er. „Mr. Olbin, die roten Schufte hätten mich ja doch umgebracht. Da war es besser, daß ich wieder zu euch zurückkehrte!“
Felsenherz schaute den Verbrecher durchdringend an.
„Wenn ihr treu zu uns stehen wollt,“ sagte er bedächtig, „so werde ich später, falls ihr wirklich unschuldig seid, bei Olbin ein gutes Wort für euch einlegen.“
Hiller hob theatralisch die Hand.
„Ich schwöre beim Andenken an –“
Doch der Trapper fiel ihm ins Wort:
„Schwüre sind Worte, nichts weiter! Eure Taten werden für euch sprechen. Da – nehmt Olbins Pistole. Sie ist wieder gebrauchsfähig. Bewacht die Südseite der Insel.“
Hiller nickte eifrig.
„Oh – das will ich gern tun, Mr. Felsenherz. Ihr sollt mit mir zufrieden sein.“
Dann geschah etwas, worauf weder der Trapper noch Olbin auch nur im entferntesten vorbereitet waren.
Hiller packte mit frechem Griff die Büchsen der beiden Männer, entriß sie ihnen und schnellte sich durch die Sträucher in den Fluß.
Im selben Moment, wo er ins Wasser sprang, eröffneten die Apachen auf die Insel ein lebhaftes Feuer, so daß Felsenherz, der dem Verbrecher sofort gefolgt war, sich schleunigst wieder in Sicherheit bringen mußte.
Hiller aber erreichte das Ufer und zeigte triumphierend dem Oberhäuptling die beiden Gewehre.
Ikawiru schickte jetzt die Hälfte seiner Krieger an das Ostufer des Ute-Baches hinüber, so daß die beiden auf der Insel befindlichen Männer nicht mehr entfliehen konnten.
Dann ritt er ein Stück in den Bach hinein und brüllte:
„Felsenherz mag sich gefangen geben!! Die Krieger der Apachen werden ihn niederschießen, wenn er sich noch wehrt!“ –
Der blonde Jäger schaute Fred Olbin achselzuckend an.
„Die Partie ist vorläufig für uns verloren, Mr. Olbin,“ meinte er, „wir tun am klügsten, zu gehorchen und auf meinen Freund Chokariga zu hoffen.“
Fünf Minuten später waren Felsenherz und Olbin gefesselt und an zwei Bäume gebunden, die am Rand des Wäldchens standen, das sich ein Stück in das steinige Tal hineinzog.
Ikawiru trat jetzt vor den blonden Trapper hin.
„Das Bleichgesicht ist wie ein elender Coyote, der den Büffel nur angreift, wenn er in der Überzahl ihn einkreisen kann. Felsenherz hat nur Mut, solange der Komanche mit dem Weiberhaar –“ – er meinte Chokariga, der das Haar lang trug – „bei ihm ist. Jetzt denkt er, Chokariga wird ihn befreien. Aber er ahnt nicht, daß noch zweihundert Krieger mir folgen, und das vierzig meiner Krieger ebenfalls sehr bald hier erscheinen werden. Unsere Kundschafter hatten erfahren, daß jetzt in den Dörfern der Komanchen nur achtzig Krieger zurückgeblieben sind. Alle übrigen sind weit nach Norden geritten, um die Sioux zu bestrafen, die den Komanchen Pferde geraubt haben. Felsenherz erkennt also, daß Chokariga ebenfalls sehr bald mein Gefangener sein wird. Das Blut der Komanchen wird die Blumen der Prärie rot färben, und die Dörfer am Kanadian werden in Flammen aufgehen.“
Er machte eine stolze Handbewegung.
„So wird es sein! Und Felsenherz, Chokariga und dieses Blaßgesicht –“ – er deutete auf Olbin – „werden noch heute hier den Martertod sterben.“
Der blonde Trapper hielt all diese Drohungen des Apachenhäuptlings zunächst nur für zum Teil leere Worte. Aber daß Ikawiru nicht umsonst mit so satanischem Grinsen von der Einäscherung der Komanchendörfer und der erwarteten Verstärkung gesprochen hatte, zeigte sich jetzt sofort: Durch das steinige, kahle Tal, das in all dieser üppigen Farbenpracht der Blumenprärien wie ein grauer, häßlicher Strich auf einem schönen Teppich wirkte, nahte eine endlose Schlange von Apachen, einer hinter dem anderen reitend, wie dies Indianerart ist.
Felsenherz erschrak nun doch.
Freilich: das waren jetzt insgesamt mindestens zweihundertachtzig Krieger, und Ikawiru wußte auch leider vollkommen richtig über die geringe Anzahl der am Kanadian zurückgebliebenen Komanchen Bescheid! –
Felsenherz begann sich also mit Recht um das Wohl und Wehe seines roten Bruders die ernstesten Sorgen zu machen.
Er kannte ja Ikawiru. Dieser herkulisch gebaute Rote hatte, was Intelligenz, Grausamkeit und Hinterlist anbetraf, vieles vor seinen Stammesgenossen voraus.
Felsenherz nahm daher auch mit aller Bestimmtheit an, daß Ikawiru dem schwarzen Panther einige Späher nachgeschickt hatte und daß er den heranrückenden Komanchen einen Hinterhalt legen würde.
Während er sich jetzt den Kopf zermarterte, wie er den Freund warnen könnte, fiel ihm eine seltsame Geschichte ein, die Chokariga und einige Komanchenkrieger ihm von diesem Tal der Blumenprärie unlängst erzählt hatten.
Die Komanchen betraten dieses Tal, ein früheres Flußbett, niemals mehr, seit sie die alte Indianerin vor zwanzig Jahren etwa hingebracht hatten, um eine Ansteckung durch die Aussätzige zu verhüten.
Diese Indianerin, die den Namen Matta Tschiwar, Mutter der Toten, führte, hatte stets als Zauberin gegolten. Man fürchtete sie und schrieb ihr allerlei geheime Künste zu. Sie hatte sich den Namen Matta Tschiwar selbst gegeben, nachdem ihre vier Söhne gleichzeitig bei einem Kampf mit den Apachen gefallen waren.
Dreimal hatte der Komanche, der die Alte alle drei Tage mit Lebensmitteln versah, die er an der Felswand gegenüber der Hütte niederlegte, bereits in dem Tal die Leichen einiger Apachen gefunden, deren Körper nicht die allergeringste Verletzung aufwiesen.
Chokariga selbst hatte noch vor einem halben Jahr ein paar dieser auf so rätselhafte Weise ums Leben gekommenen Feinde untersucht. Niemand konnte sich erklären, woran die Apachen gestorben waren. Man hatte sie begraben, und allgemein ging nun im Komanchenstamm das Gerücht, daß Matta Tschiwar hier irgendwie an den Apachen sich für den Tod ihrer Söhne gerächt hatte.
Die Alte selbst konnte man nicht mehr fragen, da der untere Teil ihres Gesichts durch den Aussatz völlig zerstört war und da sie auch das Gehör verloren hatte.
Chokariga hatte nun seinem weißen Bruder Felsenherz gegenüber, als man diese Dinge besprach, geäußert, er glaube nicht an eine Rache der alten Komanchin, halte es vielmehr für wahrscheinlicher, daß die Apachen durch Blitzschlag umgekommen seien, obwohl auch diese Deutung, da ja bereits dreimal zu verschiedenen Zeiten Apachenleichen im Tal bemerkt worden waren, wenig wahrscheinlich sei. –
An all dies dachte Felsenherz jetzt, während er die nahenden Apachen beobachtete.
Die Krieger Ikawirus eilten nun ihren Stammesbrüdern entgegen. Bei Felsenherz und Olbin blieben nur die drei für die Gefangenen bestimmten Wächter zurück, außerdem John Hiller, der sich in das Gras geworfen hatte und die beiden an die Bäume Gefesselten höhnisch musterte.
Plötzlich geschah etwas, das so sonderbar – ja unheimlich war, daß Felsenherz geradezu der Herzschlag vor Grauem stockte.
Hiller lag im Schatten eines Gebüsches, das ein paar Felsblöcke umgab, die hier einzeln und in Gruppen überall am Ufer des Ute-Baches sich vorfanden.
Der Verbrecher schnellte mit einem Mal hoch empor und sank dann vornüber wieder zu Boden.
Einer der Wächter schritt auf den jetzt regungslos Daliegenden zu und hob ihn etwas empor.
Hillers Augen waren glasig.
Es war kein Leben mehr in ihm.
Der Wächter starrte dem toten Blaßgesicht fassungslos in das verzerrte Gesicht.
Auch die beiden anderen Wächter traten hinzu.
Alle drei kehrten jetzt Felsenherz und Olbin den Rücken und flüsterten miteinander. Der Tod Hillers hatte sie ängstlich gemacht.
Da –: Felsenherz fühlte, wie ein Messer seine Fesseln zertrennte.
Auch Olbin wurde losgeschnitten.
Und schon huschten beide lautlos hinter ihrem endlos dürren Befreier dem Bach zu.
Und dieser Befreier war kein anderer als der lange Jeremi! –
Jeremias Poltrix, so hieß der ulkige Trapper mit seinem vollen Namen, führte sie dann bachaufwärts bis zu einem Gestrüpp, in dem zwei gesattelte Indianermustangs standen.
„So, nun mach, daß ihr verschwindet!“ brummte Jeremi. „Ich muß erst noch meinen Nelson und den Wellington holen. Rasch – verduftet! Ihr hört die Bande ja schon brüllen. Eure Flucht ist entdeckt.“
Dann eilte er davon und kroch in ein anderes Dickicht hinein.
Felsenherz traute seinen Augen nicht: Neben den Mustangs lagen all seinen Waffen! Auch die des Polizeiagenten Olbin fehlten nicht.
„Vorwärts!“ meinte der blonde Trapper und schwang sich auf den Indianergaul. „Es wird eine wilde Hetze werden, Mr. Olbin! Erst noch ein Stück bachaufwärts! Folgt mir nur!“
Felsenherz lenkte dann, während hinter ihnen das Wutgeheul der Apachen immer lauter anschwoll, zu Olbins Erstaunen im Bogen nach Nordwest auf das kahle Tal zu.
Als sie es erreicht hatten, ritt der Trapper nach Norden weiter. Hier, wo der harte Boden keine Hufabdrücke annahm, sprengten sie in Karriere davon. Dann ging es wieder in die Prärie hinein und nach Osten zu. Diese List hatte auch den gewünschten Erfolg. Die Apachen mußten sich in dem Tal längere Zeit mit dem Suchen nach der Fortsetzung der Fährte der beiden Flüchtlinge aufhalten. So gewannen Felsenherz und Fred Olbin gut eine halbe Stunde Vorsprung.
4. Kapitel
Felsenherz opfert sich.
Inzwischen hatte Chokariga auf seinem leichtfüßigen Rappen, den Braunen seines Freundes am Zügel mit sich nehmend, im schärfsten Tempo die andere Prärie östlich des Ute-Baches durchquert.
Anderthalb Stunden brauchte er, bis er die Komanchen fand, die bereits ein Dutzend erlegte Büffel abgehäutet und zerlegt hatten.
Im ganzen standen ihm jetzt einundachtzig Krieger zur Verfügung, von denen jedoch die Hälfte ganz junge Burschen waren, die als Waffen nur Pfeil und Bogen, Tomahawk und die lange Stoßlanze führten.
Chokariga traf seine Anordnungen wie stets mit größter Umsicht. Zehn der jüngsten Krieger schickte er nach den einen Tagesritt entfernten Dörfern und ließ durch sie die Frauen und Kinder in ein für ähnliche Fälle der Not längst vorbereitetes Tal der Kanadian-Berge bringen, das leicht zu verteidigen und mit Lebensmitteln reich versehen war.
Drei der zuverlässigsten Krieger aber mußten, jeder mit zwei Reservepferden versehen, nach Norden zu der Hauptmacht der Komanchen reiten, die sie in zwei Tagen erreichen konnten.
Zehn andere sandte er als Späher in Richtung auf den Ute-Bach voraus, indem er ihnen angab, er selbst würde mit dem Rest der Krieger in großem Bogen von Süden her den Bach zu gewinnen suchen.
Die verschiedenen Abteilungen trennten sich.
Der schwarze Panther und zwei Krieger galoppierten zuerst davon. Sie wollten für den nachfolgenden Trupp die Kundschafter spielen.
Da Chokariga damit rechnete, daß Ikawiru ihm zum mindesten Späher nachgeschickt hätte, beobachtete er die Umgebung aufs schärfste. Nichts entging seinen geübten Augen. Das Leben in der Wildnis erforderte es, daß Auge und Verstand sich ergänzen.
So gewahrte der Komanchenhäuptling denn auch sehr bald über einem Waldstück, in dem eine Krähenkolonie hauste, wie ihm bekannt war, einen ungeheuren Schwarm dieser scheuen, schlauen Vögel.
Sofort sagte er sich, daß die Tiere nur durch Menschen, die sich in dem Wald aufhielten, aufgescheucht sein konnten.
Mit größter Vorsicht näherte er sich daher jetzt allein von Südwest her, indem er den Wald umritt, dem Rand des Buchen- und Kieferngehölzes.
Da bemerkte er eine Fährte, die von Westen durch das hohe Präriegras wie ein Strich entlanglief.
Er untersuchte die Spuren und sah, daß es sich um zwei Mustangs handelte, also zwei Apachen wahrscheinlich.
Kaum war er wieder in den Sattel gestiegen und hatte seine Büchse schußbereit zur Hand genommen, als aus einem Gebüsch am Waldrand ein Schuß fiel. Die Kugel traf jedoch nicht, pfiff dem Häuptling nur warnend am Ohr vorüber.
Blitzschnell riß er seinen Rappen herum.
Noch drei Schüsse.
Und jetzt hatten die in den Büschen steckenden fünf Apachenspäher, die von verschiedenen Seiten in den Wald eingedrungen waren, besser gezielt.
Chokariga spürte einen harten Schlag gegen den rechten Unterarm. Eine Kugel war da eingeschlagen, so daß der Arm sogleich wie gelähmt herabsank, die Büchse nicht mehr halten konnte. Sie entglitt ihm.
Im selben Moment sprengten hinter einem hohen Dickicht drei andere Apachen hervor, während die fünf übrigen sich ebenfalls im Galopp nahten.
Chokariga, nur noch auf seinen linken Arm angewiesen, riß den Tomahawk aus dem Gürtel, lenkte den Rappen durch Schenkeldruck, hielt auf die drei zu und schleuderte dann das schwere Wurfbeil, das wirbelnd und im Sonnenlicht blinkend dahinsauste.
Der Wurf war gut berechnet. Das Beil schmetterte einem der Angreifer gerade vor die Stirn.
Die beiden anderen feuerten aus dem Sattel, trafen jedoch nicht.
Doch selbst des schwarzen Panthers Tapferkeit sollte hier nicht viel nützen. Einer der Fünfergruppe war ihm bereits so nahe gekommen, daß er den Lasso jetzt durch die Luft schwirren ließ. Die Schlinge fiel Chokariga über den Kopf. Er fühlte es; er wollte sich nicht erwürgen lassen, ließ sich aus dem Sattel gleiten, indem er gleichzeitig sein Jagdmesser faßte.
Der Lassowerfer sprengte, das Kriegsgeschrei der Apachen ausstoßend herbei.
Chokariga wartete. Dann fuhr sein linker Arm empor, schleuderte das Messer, dessen haarscharfe Klinge den Lasso bereits zertrennt hatte.
Mitten ins Herz getroffen sank der Apache vom Pferd. Mit zwei Sätzen war Chokariga neben ihm, griff nach des Feindes Tomahawk und Büchse.
Zu spät –!
Schon drangen drei andere auf ihn ein, schon holte der eine zum tödlichen Hieb mit dem Schlachtbeil aus.
Der edle Komanchenhäuptling schien verloren.
Dann – zwei Schüsse.
Noch zwei.
Und vier Apachen rollten in das dichte Präriegras.
Felsenherz und Olbin jagten hinter der nächsten Baumgruppe hervor.
Die noch unverletzten beiden Apachenspäher suchten nach Osten zu entkommen, liefen so Chokarigas Abteilung gerade in die Arme, wurden umzingelt und gefangen genommen. –
Felsenherz hatte rasch seines roten Bruders Schußwunde verbunden, nachdem er die Kugel entfernt hatte.
Hastig berichtete er, daß jetzt drüben am Ute-Bach gegen dreihundert Apachen versammelt seien und was sie im Schilde führten.
Der schwarze Panther blickte ernst vor sich hin. Er dachte an die Weiber und Kinder seines Stammes, die, falls Ikawiru den Zufluchtsort am Kanadian mit dieser Übermacht angriff, verloren waren.
Felsenherz sah, welche Sorgen die Seele seines roten Bruders quälten.
„Chokariga mag mit seinen Kriegern zum Kanadian reiten,“ sagte er nach kurzem Nachdenken. „Er mag mir seinen Rappen geben. Dann werde ich die Apachen hinter mir her nach Osten locken. Wenn sie mich fangen können, werden sie alles übrige vergessen.“
Der schwarze Panther, der ja mit seinem gelähmten Arm vorläufig sich schonen mußte, erwiderte herzlich:
„Mein Bruder Harry soll meinen Rappen haben. Kein Apachenmustang holt ihn damit ein. Ich danke meinen Bruder für diesen Rat und nehme seinen Vorschlag an.“
Olbin ritt ebenfalls mit dem Komanchen davon. Chokariga, der einen der Gäule der Apachen bestiegen hatte, blieb noch bei Felsenherz zurück und besprach mit ihm, wie er am besten das Tal in den Kanadian-Bergen verteidigen könnte.
„Mein Bruder soll ja vorsichtig sein,“ fügte er noch hinzu. „Felsenherz darf den Apachen nicht in die Hände fallen. Ich könnte jetzt nichts zu seiner Befreiung tun.“
„Chokariga mag getrost den Seinen folgen,“ lächelte der blonde Trapper. „Er vergißt das Rätsel der Blumenprärie. Wenn mir etwas zu stößt, wird Matta Tschiwar mich retten, oder der lange Jeremi vielleicht, der sich dort am Ute-Bach verborgen hält.“
Der schwarze Panther blickte den Freund fragend an.
„Felsenherz hat besondere Gedanken,“ meinte er sinnend. „Will er sie Chokariga nicht mitteilen?“
„Später! – Lebe wohl, mein roter Bruder! Wir sehen uns in den Kanadian-Bergen wieder!“
Der Häuptling sprengte den Seinen nach.
Felsenherz aber blieb noch einige Minuten an derselben Stelle und lud seine Büchse, lächelte wieder und dachte an John Hillers plötzlichen Tod.
5. Kapitel
Der Knochenarm.
Ikawiru, der Oberhäuptling der Apachen, war durch die Flucht des Trappers und Olbins in förmliche Raserei geraten. Die drei Wächter, die den Gefangenen durch ihre Unachtsamkeit das Entkommen erleichtert hatten, sollten zur Strafe aus dem Stamm ausgestoßen werden. Als dann auch die Verfolgung der beiden Flüchtling durch Felsenherz’ List so sehr erschwert worden war, hatte Ikawiru sich zugeschworen, nicht eher zu ruhen, bis er den blonden Trapper wieder in seine Gewalt gebracht hätte.
Jetzt folgte er mit dreißig seiner bestberittenen Krieger der wiedergefundenen Spur der Entwichenen über den Ute-Bach nach Osten zu.
Kaum hatte er etwa eine Meile in schärfstem Galopp zurückgelegt, als er durch den Zuruf eines Kriegers auf einen Hügel zur Linken aufmerksam gemacht wurde.
Und dort – dort oben hielt hoch zu Pferd Felsenherz!
Ikawiru gab seinem Mustang die Hacken, rief den Seinen einige Befehle zu. Sie verteilten sich, schnitten so dem Trapper den Weg nach Osten ab.
Felsenherz ließ sie bis auf dreihundert Meter herankommen.
„Bantri!“ flüsterte er dann dem Rappen zu.
Und das tadellos dressierte Tier trabte hinkend von dannen – gen Westen, nach dem Ute-Bach.
Ikawiru war seinen Kriegern weit voraus. Bald hatte er Felsenherz beinahe eingeholt.
Der Trapper blickte zurück. Der Rappe stand still.
Felsenherz’ Büchse flog an die Schulter.
Ein Schuß donnerte über die Prärie hin, und des Oberhäuptlings Mustang brach mit Stirnschuß zusammen.
Weiter trabte der hinkende Rappe, bis eine Waldzunge ihn und seinen Reiter den Blicken der Apachen entzog.
„Itu dari!“ rief Felsenherz jetzt.
Und der Rappe streckte sich lang, begann zu galoppieren.
Ikawiru aber hatte den Mustang eines seiner Krieger bestiegen. Der Oberhäuptling merkte in seiner blinden Rachgier nicht, daß Felsenherz doch offenbar eine bestimmte Absicht im Auge hatte, da er nicht einmal den Versuch machte, nach Osten durchzubrechen.
Die Verfolgung ging weiter.
Aber auch für den kühnen Trapper sollten jetzt noch recht bedenkliche Minuten kommen.
Inzwischen hatte nämlich der Haupttrupp der Apachen durch Späher erfahren, daß Felsenherz auf den Ute-Bach zu flüchtete.
Da hatte der Unterhäuptling Shimaru, der Präriewolf, die Krieger sofort in langer Kette in den Büschen am linken Bachufer verteilt.
Diese Falle, mit der Felsenherz nicht gerechnet hatte, klappte denn auch wirklich zu.
Plötzlich sah der Trapper sich von allen Seiten umzingelt. Dennoch behielt er dieselbe Richtung bei, galoppierte kühn auf die Apachen los und bog erst im letzten Moment nach Süden ab, wo die Linie der Feinde weniger eng war.
Wildes Geheul erklang.
Felsenherz’ Büchse sprach ein gewichtiges Wort: Die nächsten beiden Reiter sanken mit Kugeln in der Schulter aus dem Sattel.
Der Weg zum Bach war frei.
Aber – keine sechzig Meter hinter Felsenherz setzten auch die Apachen in das hoch aufspritzenden Flüßchen.
Dort rechts lag das kahle Tal. Dorthin wandte der Flüchtling sich. Der Rappe zeigte jetzt doch schon durch kürzere Sprünge und keuchendes Atmen, daß seine Kräfte nachließen.
Felsenherz bog in das Tal ein. Nach vier Minuten bereits tauchte die Hütte der Aussätzigen auf. Einige Krümmungen des ehemaligen Flußbettes verbargen den Flüchtling den Apachen.
Nun hielt er vor der Hütte, sprang ab.
Nahm den Rappen am Zügel, führte ihn durch die breite Tür, die durch ein paar alte Decken verhängt war, in das Innere der Hütte.
Die alte Komanchin hockte in einer Ecke vor einem Herd aus Steinen.
Klare, scharfe Augen musterten Felsenherz.
Schweigend erhob sie sich dann, ging hinaus und setzte sich draußen nieder.
Die Apachen nahten. Wieder erblickte Ikawiru die fleischlosen, scheußlichen Hände des Weibes.
Und eine dieser Hände drohte nun den dahinsprengenden Rothäuten.
Dabei fiel ein Stück des Tuches zurück und entblößte den Arm bis zur Achsel.
Ikawiru graute: Der Oberarm war der eines Skeletts!
Auch die übrigen Apachen warfen scheue Blicke auf die zottelige Alte.
Der Trupp verschwand nach Norden zu.
Die Aussätzige stand auf und begab sich wieder in die Hütte.
Hier hatte Felsenherz inzwischen bereits unter dem Graslager der Komanchin eine kurze Lanze mit einer langen, nadeldünnen Spitze gefunden.
Er hielt sie noch in der Hand, als das Weib eintrat, sagte nun mit feinem Lächeln:
„Jeremias, euer Geheimnis ist entdeckt! Diese Lanze hat die Apachen und auch John Hiller durch einen Stich ins Genick, ins Lebensmark, getötet. Diese Wunden waren unsichtbar.“
Ein ärgerliches Brummen folgte.
„Verdammt!“ meinte das Weib in gutem Englisch, „nun hab ihr das Rätsel der Blumenprärie also gelöst!“
Er riß sich die Perücke und das Gesichtstuch ab, warf die künstlich angebrachten Knochenarme beiseite und stand bald in seinem verschossenen Uniformrock vor dem Trapper.
Es war der lange Jeremi!
Schmunzelnd reichte er Felsenherz die Hand.
„Vor drei Jahren schon ist die Alte gestorben,“ erklärte er. „Ich hatte ihr gelegentlich Fleisch und Fische gebracht. Wir waren fast befreundet gewesen. Sie hatte mir einmal durch Zeichen klargemacht, daß die Rückseite ihrer Hütte den Eingang in eine große Höhle verberge, die sich bis zum Ute-Bach hinziehe. So hielt ich es denn für praktisch, hier meine Pelzvorräte zu verbergen.
Ich spielte die Komanchin, wenn ich nicht gerade auf der Jagd war. Meinen Nelson und den Wellington konnte ich ebenfalls in der Höhle unterbringen. Hier war ich ganz sicher. –
Versprecht mir, daß ihr nur Chokariga dieses Geheimnis mitteilt. Ich mag meine Höhlenwohnung nicht aufgeben.“ –
Die Apachen kehrten nicht mehr zum Ute-Bach zurück.
Der drohende Skelettarm der Aussätzigen schien ihnen ein schlimmes Vorzeichen gewesen zu sein. Unverrichteter Sache ritten sie heim nach ihren Felsenwohnungen am Rio Pecos.
Der berühmte Trapper fand seinen Braunen und Olbins Pferd noch im Ufergebüsch vor. Er half dem Polizeiagenten dann nach den Kostbarkeiten des ermordeten Juweliers suchen, fand sie und auch die Leiche des anderen Mörders, den John Hiller offenbar heimtückisch beseitigt hatte.
Chokarigas Wunde heilte nach kurzer Zeit. Die Apachen mieden die Blumenprärie fortan, und der ulkige Jeremi hat noch manches Jahr die Matta Tschiwar gespielt, bis er durch die Pelzjagd ein wohlhabender Mann geworden war.