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Felsenherz der Trapper
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Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO 26
Elisabeth-Ufer 44
Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin
Felsenherz, der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten
erzählt von
Kapitän William Käbler.
Heft: 26
1. Kapitel
An einem glühend heißen Sommertag ritten drei Männer in flottem Trab auf einer breiten Fährte dahin, die sich wie ein dunkler Strich durch das üppige Gras einer der endlosen Prärien südlich des Kimarron-Flusses hinzog.
Zwei der Reiter waren Weiße, der dritte ein schlanker Indianer mit edlen Zügen und langem blauschwarzem Haar, das Adlerfedern und bunte Glasperlen als besonderen Schmuck zeigte.
Die breite Fährte, die sie dann bemerkt hatten, war noch recht frisch. Chokariga, der Oberhäuptling der Komanchen hatte nach kurzer Prüfung der Spuren erklärt:
„Hier sind vor zwei Stunden zwölf Blaßgesichter vorübergekommen. Ihre Pferde waren beschlagen. Es sind keine Westmänner. Nur Greenhorns reiten in einer so gefährlichen Gegend, wie es hier diese Prärien sind, nebeneinander und verursachen eine Fährte, die jedem auffallen muß.“
Worauf der eine der Weißen, ein stattlicher blondbärtiger Trapper hinzugefügt hatte:
„Mein Bruder Chokariga mag diese Hufeindrücke dort noch beachten. Die zwölf haben noch zwei unbeschlagene Indianermustangs bei sich. Aus der Lage dieser Eindrücke sieht man, daß die Mustangs nicht geritten, sondern am Zügel geführt wurden, obwohl nach der Tiefe der Spuren Reiter auf den Mustangs saßen. Die zwölf dürften also zwei Gefangene mit sich führen.“
„Donnerwetter, Felsenherz! Das ist ja gerade, als ob ihr das aus einem Buch vorlest!“ rief da der dritte Reiter, ein kleiner hagerer, einäugiger Trapper, der überall nur Tom Einaug genannt wurde.
„Ich habe mir doch auch seit fünfzehn Jahren den Wind der Prärien tüchtig um ein großes Riechorgan wehen lassen! Aber –– meiner Seel’! – das habe ich niemals herausgefunden. Es wird jedoch stimmen: zwei Gefangene sind dabei, und Greenhorns sind’s auch! Weiß der Teufel, was die Kerle hier mitten im Jagdgebiet der blutigen Sioux zu suchen haben! Scheinen ihre Skalpe loswerden zu wollen! Können sie billig haben, das Vergnügen! – Was sagst du dazu, Marry?“
Diese Frage galt seinem hochbeinigen Maultier.
Marry wackelte denn auch verständnisvoll mit den langen Ohren.
„Aha!“ lachte Tom Einaug. „Aha – Marry meint, wir sollen uns diese zwölf Herrschaften mal genauer ansehen. Gut – machen wir!“
Sie sprengten auf der breiten Fährte weiter. Nach einer Stunde näherten sie sich einem kleinen Wäldchen, an dessen rechter Ecke sich ein Hügel von kahlen Felsen erhob, von Dornengestrüpp und wildem Hopfen dicht umwuchert.
Jetzt machten sie halt.
„Wartet!“ meinte Felsenherz.
Und er galoppierte nach rechts um das Wäldchen herum, um festzustellen, ob die Fährte jenseits des Waldes weiterlief oder die zwölf etwa noch unter den Bäumen steckten.
In wenigen Minuten hatte der blonde Trapper die Gewißheit erlangt, daß der Reitertrupp seinen Weg weiter Richtung Westen fortgesetzt hatte.
Felsenherz ritt nun von Westen her in den Wald hinein, der zumeist aus alten Buchen bestand und wenig Unterholz hatte. Er wollte ihn durchqueren und dann Chokariga und Einaug herbeiwinken.
Aus allerlei Spuren ersah er, daß die zwölf hier kurze Zeit gelagert hatten.
Plötzlich glitt er dann blitzschnell aus dem Sattel und sprang hinter einem Baum, indem er beide Hähne seiner Doppelbüchse spannte.
Er hatte dort links zwischen den grauschwarzen Buchenstämmen einen Mustang bemerkt, dessen Reiter tief gebückt auf dem Hals des Tieres ruhte.
Und – dieser Reiter war ein Indianer, der langen Skalplocke nach ein Sioux!
Felsenherz schaute schärfer hin.
Seltsam: der Mustang knabberte von einem Strauch gemächlich die frischen Blätter ab, und der Reiter behielt unbeweglich dieselbe merkwürdige Haltung bei.
Der blonde Trapper schüttelte verwundert den Kopf.
Was bedeutete das?! Sollte der Indianer etwa tot sein?!
Langsam schlich Felsenherz näher heran.
Dann hatte der Mustang ihn bemerkt, wollte davontraben. Der Trapper war schneller, packte den Zügel und sah nun, daß seine Vermutung richtig gewesen: Der Indianer hatte im Hinterkopf eine Schußwunde, die noch blutete!
Als der Trapper den Mustang dann an einem Baum festgebunden hatte, löste er die Lassoriemen, mit denen der Sioux – es war ein Sioux, wie Felsenherz jetzt bestätigt fand – auf dem Mustang festgebunden gewesen, hob die Leiche aus dem Sattel und legte sie auf den Rücken ins Gras.
Der Sioux war von hinten erschossen worden, als er noch gefesselt auf dem Mustang saß. Die Leiche war noch warm. Der Tod konnte etwa vor einer Stunde eingetreten sein. –
War es ein Mord gewesen?! Weshalb hatten die zwölf ihren Gefangenen erschossen? –
Vielerlei Fragen tauchten in des blonden Trappers Hirn auf. Aber niemand gab ihm Antwort darauf.
Während er noch so in den Anblick des Toten versunken dastand und mit stillem Grauen das Antlitz der Leiche betrachtete, daß noch im Tod einen Ausdruck wildesten Hasses beibehalten hatte, wurde er durch einen Schnauben seines Pferdes gewarnt, dessen indianische Dressur sich auch hier wieder einmal bewährte.
Mit einem wahren Panthersatz suchte Felsenherz hinter der Buche Deckung, an die er den Mustang gebunden hatte.
Und – keine Sekunde zu früh hatte er sich in Sicherheit gebracht!
Haarscharf an seinem rechten Ohr pfifft ein gefiederter Pfeil vorüber und bohrte sich weiter hinten in die Rinde einer schlanken Tanne ein.
Vorsichtig spähte Felsenherz jetzt nach dem Schützen aus, indem er seinen großen Filzhut etwas hinter der Buche hervorschob und den Hut als Schild benutzte.
Nirgends war etwas von dem Schützen zu bemerken.
Und doch mußte es ein Indianer, ein Sioux sein, der dort geradeaus irgendwo in den Büschen steckte.
Der blonde Trapper rief jetzt laut:
„Der rote Krieger mag sich zeigen! Ich bin Felsenherz, und der Sioux hat von mir nichts zu fürchten!“
Keine Antwort.
Da feuerte der Trapper kurz entschlossen den einen Laub seiner Büchse in die Luft ab, um Chokariga und Einaug herbeizurufen.
Sie kamen denn auch nach wenigen Minuten herbeigesprengt. Felsenherz rief ihnen schon von weitem zu:
„Herunter von den Pferden! Deckung!“
Die beiden waren wie der Blitz aus dem Sattel und hatten sich in das Gras geworfen.
Chokariga kroch schlangengleich auf die Buche zu, hinter der Felsenherz stand. Ein paar Worte genügten ihnen, die Sachlage aufzuklären.
Auch der Trapper Tom Einaug beteiligte sich jetzt an der Suche nach dem inzwischen geflüchteten Schützen. Der Komanche hatte sehr bald dessen Fährte gefunden. Diese lief nach Norden durch das Wäldchen auf jenen Felshügel zu, der sich an der Waldecker erhob.
Man umging jetzt den Hügel. Nach Norden zu führte die Spur eines einzelnen Unberittenen in die Prärie hinein und bog dann in einem Tal nach Südwest scharf ab.
Der blonde Trapper schwang sich jetzt in den Sattel.
„Der Sioux wird sich den Mustang holen und zu entkommen suchen,“ meinte er hastig. „Vorwärts – Galopp! Ihm nach –!“
Chokariga sprengte ganz von selbst im Bogen nach Osten um das Wäldchen herum, während Felsenherz und Tom es nach Westen umritten. Der Komanchenhäuptling wurde als erster des Sioux ansichtig, der tatsächlich auf dem Mustang des erschossenen Stammesgenossen nach Süden zu entkommen suchte. Der Häuptling sah aber auch zu seinem Erstaunen, daß der Flüchtling sich den Toten vorn quer über den Sattel gelegt hatte. Der strubbelige kleine Indianergaul, der so eine doppelte Last zu tragen hatte, konnte den geringen Vorsprung von kaum dreihundert Meter gegenüber dem edlen Rappen Chokarigas natürlich nicht vergrößern. Im Gegenteil – jeder Galoppsprung des Rappen brachte den Komanchen näher an den Flüchtling heran.
Der Sioux wandte den Kopf zurück und erkannte so, daß er den drei Westmännern nicht mehr entgehen konnte. Er zügelte sein Reittier, glitt aus dem Sattel und griff nach Bogen und Pfeil, um sein Leben, das er wohl ernstlich bedroht glaubte so teuer wie möglich zu verkaufen.
Chokariga winkte ihm jetzt mit der Hand zu.
„Der Krieger der Sioux steht dem Oberhäuptling der Komanchen gegenüber. Er mag seinen Pfeil wieder in den Köcher tun. Chokariga ist sein Freund.“
Diese Worte übten denn auch auf den tapferen Flüchtling eine besondere Wirkung aus. Er warf Bogen und Pfeil auf die Erde und kam langsam auf die drei Gefährten zu.
Jetzt erst bemerkt diese, daß der Sioux eine sehr zierliche, wenn auch kräftige Gestalt und frauenhaft weiche Züge hatte. Obwohl er nur eine Skalplocke trug, konnte doch kein Zweifel darüber bestehen, daß man hier ein junges Indianerweib vor sich hatte.
Sie verriet in Gang und Haltung ein Selbstbewußtsein und eine Energie, die zu dem scharfen, offenen Blick der dunklen Augen vortrefflich paßten. Ihre ganze Erscheinung hatte daher auch etwas so sympathisches an sich, daß Tom Einaug leise flüsterte:
„Verdammt – wer mag das sein?! Das ist doch keine gewöhnliche Indianersquaw!“
2. Kapitel
Da sagte Chokariga denn auch schon mit einer gewissen Ehrerbietung: „Patoma, die Tochter Mattaloas, des Oberhäuptlings der Sioux, mag uns berichten, wer ihren Mann erschossen hat und weshalb er ermordet wurde.“
Die Indianerin stand jetzt dicht vor den drei Westmännern. In ihren Augen glomm ein drohendes Leuchten auf. Ihre Rechte fuhr unwillkürlich nach dem Gürtel, in dem neben einem Tomahawk ein langes Jagdmesser steckte.
„Der schwarze Panther der Komanchen und seine Freunde sollen alles erfahren,“ erwiderte sie dann. „Patoma weiß, daß Chokariga sie schützen wird. Hätte ich gewußt, daß Chokarigas Bruder Felsenherz es war, der meinen Mann auffand, dann würde ich mich sofort gezeigt haben. Aber Patomas Augen hatten den berühmten Jäger noch nie gesehen.“
Sie erzählte dann folgendes:
Ihr Gatte, der Unterhäuptlings Sapitaua, der große Bär, war vor vier Monaten durch Beschluß der ältesten Krieger aus dem Stamm ausgestoßen worden, weil er bei einem Kriegszug gegen die nördlich wohnenden Navajos eine blutige Schlappe erlitten hatte. Patoma war mit ihrem Mann dann nach Osten zu bis an den Salt Fork und die Salt Fork-Berge geritten, wo sie in der Einsamkeit allein für sich hausten und von der Jagd und dem Fischfang lebten. Als Sapitaua eines Tages wieder im Salt Fork fischte, fand er im Bett des Baches eine Vertiefung, die vollständig mit Goldkörnern ausgefüllt war, wie dies bei goldhaltigen Strömen mit felsigen Bett häufiger vorkommt, daß sich die größeren Goldkörner infolge ihrer Schwere in solchen Vertiefungen von selbst ablagern.
Er füllte einen Teil des Goldes in einen Lederbeutel und brach mit seinem Weib nach den nächsten Ansiedlungen auf, um dort eine Büchse, Pulver und Blei einzuhandeln.
Kaum waren die beiden dann einen halben Tag unterwegs, als sie einem Trupp von zwölf Weißen begegneten, die den Siouxkrieger zuerst recht freundlich behandelten und ihm eine Doppelbüchse versprachen, falls er sie durch die Prärien bis ans Felsengebirge bringen würde. Sie sagten, sie seien Prospekters[1], die jetzt ihr Glück in den Indianergebieten versuchen wollten. Sie waren sämtlich bis an die Zähne bewaffnet, gut beritten und hatten einen schwarzbärtigen Mann zu ihrem Anführer gewählt, der sich Sappary nannte. –
Als Patoma mit der Schilderung ihrer Erlebnisse so weit gekommen war, rief Tom Einaug plötzlich:
„Sappary – Sappary?! Hatte der Kerl eine breite rote Narbe quer über der Stirn?“
Die Siouxsquaw bejahte.
„Ah – dann ist es derselbe Schurke, der mich einmal den Apachen auslieferte!“ meinte Tom ergrimmt. „Sappary und ich hatten uns zufällig am Westrand der Llano Estacado getroffen. Es war damals schon Prospekter. Das sind nun an die sechs Jahre her. Die Apachen spürten uns auf und hetzten uns zwei Tage. Als wir sie endlich abgeschüttelt zu haben glaubten, lagerten wir am Rio Pecos in einer Schlucht, um uns etwas auszuruhen. –
In der Nacht aber verschwand Sappary und nahm sowohl meine Büchse als auch meine Marry mit, die damals noch nicht so schlau wie heute war. So mußte ich denn vor den plötzlich wieder auftauchenden Apachen auf Schusters Rappen flüchten. Oh – an jenen Tag werde ich denken! Hätte ich nicht das Glück gehabt, im Rio Pecos durch Tauchen mich den Apachenhunden unsichtbar machen zu können, so würde mein Skalp heute wohl am Gürtel eines der Pimos hängen –
Ja – so ein Lump ist dieser Sappary!“
Auch Patoma hatte Toms Erzählung mit sichtbarer Spannung gelauscht und rief nun, während sie in jäh aufloderndem wilden Haß den Tomahawk aus dem Gürtel riß und um den Kopf wirbelte:
„Sappary ist der Mörder Sapitauas, meines Gatten! Wir hatten den zwölf Blaßgesichtern den Lederbeutel mit den Goldkörner nicht gezeigt. Aber dort in dem Wäldchen, wo der berühmte blonde Trapper meinem Pfeil nur mit genauer Not entging, entdeckte Sappary den Beutel, als wir Rast gemacht hatten. Er schoß Sapitaua von hinten nieder. –
Auch mich wollte er aus Goldgier ermorden. Ich entfloh, kletterte auf eine Eiche und schwang mich von Baum zu Baum bis an den felsigen Hügel, wo ich mich verbarg.“
Sie ließ die blinkende Streitaxt jetzt wieder sinken und fügte mit unheimlicher Ruhe zu:
„Patoma wird das Blaßgesicht Tom begleiten. Nicht eines der zwölf Blaßgesichter wird das Felsengebirge erreichen. Patomas Hand weiß den Zügel eines Mustangs ebenso gut zu führen wie die Büchse, den Tomahawk und den Bogen!“
Tom Einaug reichte der Indianerin die Hand.
„Gut denn, Patoma,“ sagte er feierlich. „Wir beide sind fortan Verbündete!“
Nachdem man Sapitauas Leiche in einem nahen Tal begraben hatte, brach man unverweilt auf und ritt in scharfem Trab auf der deutlich sichtbaren Fährte der zwölf Goldsucher nach Westen weiter.
Es war jetzt etwa drei Uhr nachmittags.
Der Tag war heiß, und am blauen Himmel segelte nicht das kleinste Wölkchen. Kein Luftzug regte sich. Dicht nebeneinander galoppierten die beiden berühmten Jäger dahin. Die Fährte der Prospekters führte südlich von dem mit Buschwerk und einzelnen Bäumen bestandenen Berg vorüber.
So gelangten die beiden Westmänner denn in kurzem an den Fuß des Berges, sprangen ab und begannen ihn, die Büchsen schußbereit im Arm, zu erklimmen. Ihre Pferde hatten sie unten an eine verkrüppelte Buche angebunden.
Der Berg stieg terrassenartig an. Als sie nun fast den Gipfel erreicht hatten, als sie über eine steinige Regenrinne sprangen und die Büchsen dabei im ausgestreckten Arm weit von sich hielten, als sie im Sprung noch in der Luft schwebten, da wurden sie aus dem Gestrüpp dicht vor ihnen angerufen.
„Halt – werft eure Schießprügel weg!“ brüllte jemand in tiefem Baß.
Vier Büchsenläufe waren plötzlich zwischen den grünen Zweigen sichtbar geworden.
Felsenherz um Chokariga wußten, daß ihnen hier eine Kugel sicher war, wenn sie nicht augenblicklich gehorchten. So ließen sie denn ihre Doppelflinten fallen und standen nun wehrlos einem Mann gegenüber, der sich rasch aus dem Gestrüpp hervorgearbeitet hatte.
Dieser Mann trug einen zerrissenen Filzhut weit ins Genick zurückgeschoben und enthüllte so auf der Stirn eine fingerbreite blutrote Narbe. Sein Gesicht war von einem schwarzen Bart umrahmt, und unter dicken Brauen blitzten tückisch ein paar halb zugekniffene Augen.
In der Rechten hatte er eine sehr lange Doppelbüchse, die er nun rasch in die Schulter zog.
„Macht keine Dummheiten!“ meinte er höhnisch. „Hinter euch stehen noch ein paar von uns. –
Wer seid ihr?“
Felsenherz ahnte bereits, daß der Schwarzbärtige jener Sappary war, dem Tom und Patoma Rache geschworen hatten. Er erwiderte deshalb, indem er den Ängstlichen spielte:
„Schont uns! Wir sind Fallensteller, Trapper.“
„Wer ist denn die verdammte Rothaut da neben euch, Master?“
„Ein Siouxkrieger,“ erklärte Felsenherz.
Da lachte der Schwarzbärtige schallend auf. „Mann, haltet ihr Jack Sappary für ein Greenhorn? Ihr irrt euch! Der rote ist ein Komanche. Nur die Komanchen tragen das Haar lang. Denkt ihr denn, ich hätte noch nichts von euch beiden gehört?! Felsenherz und Chokariga seid ihr!“
„Weshalb fragt ihr dann, Jack Sappary?“
Der Prospekter grinste hämisch.
„Was hat euch denn die Siouxsquaw Patoma von uns erzählt – he? – Wir sahen euch dort von Osten heranreiten – auf unserer Fährte. Wir hatten absichtlich kehrt gemacht, um Patoma abzufangen, die uns, wie wir annehmen, verfolgen würde. –
Nein, Master Felsenherz, der Jack Sappary ist wirklich kein Dummkopf! Wolltet ihr uns etwa wieder den Beutel Goldkörner abjagen, den wir den Sioux abgenommen haben?! – Natürlich wolltet ihr’s!“
Im Nu waren der Trapper und der Häuptling von den angeblichen Prospekters aufs brutalste gefesselt.
„So,“ meinte Sappary dann, „nun kommen eure Gefährten und Patoma an die Reihe! – Wer ist denn der dritte, der so einen Schinder von Maultier reitet?“
Felsenherz schwieg.
Sappary gab ihm einen Fußtritt.
„Wirst das Maul schon aufmachen!“ sagte er drohend. „Mir scheint, der dritte ist ein alter Bekannter von mir, Tom Einaug! Der kommt mir gerade recht! Einaug hat euch beiden wohl auch schon sein Leid geklagt, wie?! – Na – er wird sich über das Wiedersehen kaum freuen!“
In diesen Worten lag eine versteckte Drohung, die der blonde Trapper gut verstand. Er traute es diesem rüden Menschen sehr wohl zu, Patoma und Tom einfach niederknallen zu lassen und auch ihn und Chokariga stumm zu machen, damit diese Bande von verkommenen Schurken sie nicht mehr zu fürchten brauchte.
Denn daß diese zwölf niemals das waren, wofür sie sich ausgaben, erkannte Felsenherz ja auf den ersten Blick. Die Anzüge dieser Banditen waren so bunt zusammengewürfelt, daß der Verdacht nahe lag, sie hätten nicht nur ihre Bekleidungsstücke, sondern auch ihre Waffen und Pferde irgendwo gestohlen. Selten hatte der Trapper eine solche Anzahl wahrer Galgenvogelgesichter zusammen gesehen. Er hielt sie für Verbrecher, die aus einer der größeren Grenzstädte aus dem Gefängnis ausgebrochen waren.
3. Kapitel
Sappary befahl jetzt einigen seiner Leute, Felsenherz und den Häuptling aufrecht an die nächsten Bäume zu binden.
Bevor dies geschah, flüsterte der Trapper dem neben ihm im Gras liegenden Komanchen zu:
„Nichts von der Bonanza des Sioux verraten!“
Er dämpfte dabei seine Stimme so wenig, daß Sappary die Worte notwendig verstehen mußte.
Sofort rief der Anführer dieser Banditen denn auch hastig:
„He – was redet ihr da?! Goldmine?! – Heraus mit der Sprache!“
Er beugte sich tief über den blonden Trapper, der nach einigem Zögern wohlüberlegt erwiderte:
„Ihr habt mich falsch verstanden. Von einer Goldmine war hier keine Rede.“
„So?!“ brüllte der Schwarzbärtige wütend, während in seinen Augen die Habgier flackerte. „So?! Nichts von Goldmine?! Oh – ich habe sehr gute Ohren!“
„Nun – dann fragt nur Tom Einaug und Patoma!“ meinte Felsenherz verächtlich. „Von uns beiden erfahrt ihr nichts!“
Sappary und seine elf Begleiter umstanden jetzt in engem Kreis die beiden Gefangenen. Das Wort ‚Goldmine‛ hatte sie förmlich elektrisiert. Alles andere war vergessen. Sie dachten nur an den Lederbeutel mit Goldkörner, die sie dem Sioux durch feigen Mord geraubt hatten. Sie hofften, daß diese Goldkörner der Goldmine entstammten, die der berühmte Trapper soeben erwähnt hatte.
Sappary wußte, daß er den beiden Westmännern gegenüber durch Drohungen nichts ausrichten würde. Er ahnte nicht, daß Felsenherz lediglich Zeit gewinnen wollte. Er war verblendet genug anzunehmen, Felsenherz und Chokariga würden ihm die Lage der Goldmine verraten, wenn er sie frei zu lassen versprach.
So begann er den mit dem blonden Jäger zu verhandeln.
„Wenn ihr uns die Lage der Mine genau beschreibt,“ sagte er eindringlichen Tones, „so wollen wir euch die Freiheit schenken.“
Felsenherz gab sich alle Mühe, diese Unterhandlungen nach Möglichkeit in die Länge zu ziehen. Ihm kam es darauf an, die zwölf Banditen hier so lange festzuhalten, bis Tom und die Siouxsquaw aus der Fährte der zwölf ersahen, daß diese kehrtgemacht hatten und diesem Berg zugeritten waren. Dann würde Tom wohl merken, daß seine beiden Freunde hier in einen Hinterhalt geraten waren, würde die Bergspitze mit aller Vorsicht erklimmen und schon Mittel und Wege finden, die Gefangenen zu befreien.
Hierbei kam Felsenherz die Habgier dieser Banditen insofern sehr zu statten, als sie jetzt gar nicht daran dachten, Tom und Patoma weiter zu beobachten.
So gab er sich denm den Anschein, als ob er gar nicht abgeneigt wäre, Sapparys Vorschlag anzunehmen. Anderseits verstand er es auch, die Goldgier der zwölf durch Andeutungen über den Reichtum der Mine noch weiter zu steigern.
Jetzt erklärte er auf eine neue Frage Sapparys:
„Wenn ihr uns nicht die Waffen belaßt, verrate ich euch nichts über die Bonanza. Wir werden euch nicht verfolgen, falls ihr einwilligt.“
Chokariga, der sich genau wie Felsenherz aufrecht gesetzt hatte, hüstelte jetzt in besonderer Weise.
Der blonde Trapper begriff sofort, was dies bedeutete: Der Häuptling hatte fraglos Tom irgendwo in den Büschen bemerkt.
Daß diese Vermutung richtig war, wurde sofort durch Toms tiefe Baßstimme bestätigt.
„Hände hoch!“ brüllte Tom Einaug aus dem nahen Gestrüpp. „Hände hoch – oder meine Riffle[2] spuckt euch mit Bleikugeln an, ihr Halunken!“
Jetzt zeigte sich so recht, welch jämmerliches Gesindel diese zwölf waren.
Von dem ungeschriebenen Gesetz der Wildnis kannten sie doch so viel, daß sie genau wußten, was dieser Befehl ‚Hände hoch!‛ bedeutete.
Mit ängstlicher Hast reckten sie denn auch ihre Arme empor. Die meisten von ihnen hatten ihre Flinten in der Hand gehabt, ließen die Waffen auf einen neuen Anruf Toms aber gehorsam fallen.
Dann glitt schon Patoma, die tapfere Siouxsquaw, aus den Büschen hervor und durchschnitt mit ihrem haarscharfen Jagdmesser Felsenherz’ und Chokarigas Fesseln.
Die beiden Westmänner griffen sofort zu ihren Büchsen und spannten die Hähne.
„Patoma mag die Flinten der zwölf sammeln!“ sagte der blonde Trapper nun, indem er Sappary scharf im Auge behielt.
Die Indianerin tat es.
Auch Tom Einaug trat jetzt hervor und stellte sich Sapparys gegenüber auf.
„Erkennst du mich, Schurke?!“ fragte er drohend. „Denkst du noch an jene Nacht, als du mir meine Marry stahlst, damit ich den Apachen in die Hände fiele?! – Jack Sappary, – Auge um Auge, Zahn um Zahn! Eine Kugel bist du nicht wert! Aber mein Messer wird dich fressen!“
Felsenherz hatte Patoma bereits einen Wink gegeben, die Banditen jetzt zu fesseln.
Tom half ihr dabei. Die zwölf wagten keinen Widerstand angesichts der beiden schußbereiten Büchsen der berühmten Westmänner.
Nun standen die zwölf mit auf dem Rücken gebundenen Armen dicht beieinander, und Squaw sagte anklagend, indem sie auf Sappary zeigte:
„Dieses Blaßgesicht hat Sapitaua, meinen Gatten, ermordet. Dieses Blaßgesicht ist mein!“
Tom wollte widersprechen. Da fuhr Patoma schon fort:
„Die beiden berühmten Jäger mögen entscheiden, ob Sappary mir gehört – meiner Rache! Patoma wird mit dem Mörder ihres Mannes kämpfen, wie dies im unserem Stamm Brauch ist.“
Chokariga nickte ernst.
„Die Tochter Mattaloas, des Oberhäuptlings der Sioux, soll ihren Willen haben! Ihr Verlangen ist gerecht.“
So wurde denn Sappary der rechte Arm losgebunden. Er erhielt sein Jagdmesser in die Hand und sollte sich nun gegen die ebenfalls nur mit dem Messer bewaffnete Squaw verteidigen.
Die Bergterrasse bot den beiden Kämpfenden genügend Raum, sich frei zu bewegen.
Man sah es Sappary an, daß er wieder Hoffnung geschöpft hatte. Er glaubte wohl, mit Patoma leichtes Spiel zu haben.
Jetzt rief er jedoch Felsenherz noch hastig zu:
„Werdet ihr uns freilassen, falls ich Patoma besiege?“
„Ja,“ erwiderte der Trapper kurz. „Aber ohne eure Waffen und Pferde! Dabei bleibt es. Ihr verdient keine Schonung! Seht zu, wie ihr euch bis zu den Ansiedlungen durchschlagt.“
Sappary schien froh zu sein, daß er und seine Spießgesellen noch so glimpflich davonkommen sollten.
Mit typischen Augen musterte er jetzt Patoma, die fünf Schritte vor ihm stand, das lange Jagdmesser wie zum Wurf erhoben.
Patoma tat jetzt auch so, als würde das lange Jagdmesser von ihr mit kräftigem Schwung geschleudert werden. Sie ahmte die Armbewegung so geschickt nach, daß Sappary sich wirklich täuschen ließ und blitzschnell zur Seite sprang.
Hierauf hatte Patoma gerechnet. Kaum wandte Sappary jetzt den Kopf zur Seite, um zu sehen, wohin das Messer geflogen sei, als sie es nunmehr wirklich ihrer Hand entgleiten ließ.
Mit unfehlbarer Sicherheit fuhr die blitzende Klinge Sappary – nicht in die Kehle, nein, in den rechten Handrücken, durchbohrte ihn und blieb, bis ans Heft hineingetrieben, stecken.
Sappary schrie vor Schreck und Schmerz auf. Sein Messer entfiel ihm.
Patoma war mit zwei Sätzen dicht daran, hob das Jagdmesser des Mörders auf und wollte es ihm gerade ins Herz stoßen, als sie plötzlich wie erstarrt die Blicke auf eine nahe Gruppe von Felsblöcken richtete.
Im selben Augenblick wurde es auch in den Büschen lebendig.
Wie durch Zauberschlag wimmelte die Lichtung jetzt von Siouxkrieger, die sich sämtlich auf Felsenherz und den Komanchenhäuptling warfen.
Die Terrasse hallte wider von dem schrillen Kriegsgeschrei der Rothäute, deren Oberhäuptling Mattaloa den beiden berühmten Jägern stets auf den Fersen geblieben war, nachdem sie die Ansiedlung am Arkansas verlassen hatten.
Der blonde Trapper und der schwarze Panther hatten sich rasch Rücken an Rücken gestellt. Ihre Büchsenkolben als Keulen benutzend, hielten sie sich die Andrängenden vom Leibe.
Dann schwirrte jedoch eine Lassoschlinge durch die Luft und bevor Chokariga sie noch wieder über den Kopf zurückstreifen konnte, wurde er schon nach vorn zu Boden gerissen.
Felsenherz merkte, daß, wenn er seinem roten Bruder jetzt beispringen wollte, auch er verloren wäre.
So wandte er sich denn, gegenüber den Sioux mit ihren kleinen hageren Gestalten ein wahrer Goliath, mit wuchtigen Kolbenstößen und Fausthieben einen Weg durch die Feinde, stürmte in das tiefe Dickicht hinein, feuerte beide Läufe seiner Büchse auf die nächsten Verfolger ab und erreichte den steilen Abhang einer Schlucht, rutschte an der Felswand abwärts und tauchte in den nächsten Büschen unter.
Das Wutgeheul der enttäuschten Sioux gellte dicht hinter ihm. Alles hing jetzt davon ab, daß er noch seinen Fuchs und Chokarigas Rappen am Fuß des Berges vorfand. Mit langen Sprüngen jagte er weiter.
Nun sah er die Buche, an der sie vorher die Pferde festgebunden hatten.
Aber er erkannte, daß dort nun auch die Mustangs der Sioux, von acht Kriegern bewacht, standen.
Er stieß einen gellenden Pfiff aus.
Sein braver vierbeiniger Freund kam auch sofort angaloppiert.
Die Pferdewächter feuerten.
Felsenherz schwang sich in den Sattel, hörte Kugeln und Pfeile an seinem Ohr vorbeisausen.
Der Fuchs trug ihn bereits in die offene Prärie hinaus. Hier zügelte er sein schnelles, ausdauerndes Roß und blickte zurück.
Da kam als vorderster der Verfolger Mattaloa angesprengt. Hinter ihm einige zwanzig Krieger in langer Linie.
Der blonde Trapper jagte weiter – nach Süden zu. Schon oft hatte er im Vertrauen auf die überlegene Schnelligkeit seines Pferdes die Feinde meilenweit hinter sich hergelockt. Auch heute wollte er dies versuchen.
Mattaloa hatte jedoch Vorsorge getroffen, daß die verhaßten Gegner ihm diesmal nicht entkommen sollten. Nur mit fünfzig seiner Krieger war er, nachdem Späher ihm die Anwesenheit der Westmänner auf dem Berg gemeldet hatten, zum Gipfel emporgeschlichen. Die dreifache Anzahl hatte er in kleinen Trupps rund um den Berg verteilt.
So sah sich Felsenherz dann plötzlich in einem buschreichen Tal einigen dreißig Sioux gegenüber, die ihm jetzt den Weg versperrten.
Ein Ausbrechen nach der Seite hin war hier nicht möglich, es sei denn, daß er es auf einen Kampf hätte ankommen lassen.
Mattaloas Triumphgeschrei gellte ihm schon in die Ohren. Da riß er seinen Fuchs herum, jagte direkt auf den Oberhäuptling der Sioux zu. Wenn er Mattaloa rasch überwältigte und mit sich nahm, würde er ihn gegen Chokariga und Tom austauschen können.
Doch – diesmal hatte das Glück den berühmten Jäger verlassen. Als er dicht an einem einzelnen Busch vorbeigaloppierte, schleuderte ein dort versteckter Sioux so geschickt seinen Lasso, daß der Fuchs mit dem linken Hinterbein in die Schlinge trat und sich beim nächsten Sprung rückwärts überschlug.
Felsenherz kam halb unter sein Pferd zu liegen, war auch durch den jähen Sturz halb betäubt und wurde schon von mehreren Sioux mit Riemen gefesselt. Die Füße band man ihm in der Weise zusammen, daß er bequem gehen konnte. Dann legte Mattaloa ihm eine Lassoschlinge um den Hals und befahl ihm, neben seinem Mustang herzutraben.
Der Oberhäuptling der Sioux schlug so die Richtung zurück nach dem Berg ein, gefolgt von seinen frohlockenden Kriegern.
4. Kapitel
Die anderen Sioux, die sich nicht an der Verfolgung des Trappers beteiligt hatten, lagerten jetzt am Südabhang des Berges inmitten einer Waldlichtung. Als Felsenherz, den der Oberhäuptling durch häufige Stöße mit dem Flintenkolben absichtlich gepeinigt hatte, jetzt seine an die Bäume festgebundenen Gefährten, den tapferen Komanchen und Tom Einaug gewartet, bemerkte er auch sofort, daß Sappary und dessen elf Gesellen von den Sioux offenbar als Verbündete behandelt wurden, daß sie mit den älteren Kriegern um ein Feuer herumsaßen.
Von Pataloa war nirgends etwas zu sehen. Felsenherz kannte die Gebräuche der Rothäute genügend, um sich selbst sofort zu sagen, daß Mattaloa seine Tochter, die durch das Festhalten an ihrem Gatten der Stammeszugehörigkeit gleichfalls verlustig gegangen war, einfach in die Prärie hinausgejagt hatte.
Als Jack Sappary den blonden Trapper erblickte, stand er sofort auf und kam ihm entgegen. In seinem bärtigen Gesicht lag ein Ausdruck höhnischen Triumphes, und seine Stimme klang ebenso höhnisch und haßerfüllt, als er Felsenherz nun zurief:
„Ah – der dritte im Bunde –! Grüß Gott, Master Felsenherz! Ihr seht, daß Blättchen hat sich gewendet!“
Er erhob seine rechte verbundene Hand.
„Hieran seid ihr Schuld – ihr allein!“ fügte er hinzu. „Die Sioux finden es nur richtig, daß ich Sapitaua erschoß. Außerdem ist Mattaloa ein alter Bekannter von mir. Nun werdet ihr ja sehr bald merken, wie es einem Mann zu Mute ist, der am Marterpfahl steht!“
Felsenherz würdigte den Elenden keiner Antwort. Er wurde dann an eine dritte dünne Buche am Rand der Lichtung aufrecht neben Chokariga gefesselt.
Vor jedem der drei Gefangenen hockten vier Wächter. Die Buchen, an die man die drei Westmänner gefesselt hatte, standen etwa einige Meter auseinander.
Der blonde Trapper beobachtete alles was ringsum geschah, mit scharfem Blick. Er zweifelte nicht daran, daß Patoma, die kühne Indianersquaw, versuchen würde, ihn und seine Gefährten zu befreien.
Die Dunkelheit nahm rasch zu. Von Westen her zog eine schwarze Wolkenwand herauf. Hin und wieder flog ein heller Schein über sie hin – die ersten Anzeichen des nahenden Gewitters.
Jetzt war auch die Beratung der Sioux zu Ende. Mattaloa kam langsam auf die Gefangenen zu.
„Ihr werdet noch heute sterben,“ sagte er finster. „Die Blaßgesichter droben am Arkansas verdanken euch ihrer Rettung. Mattaloa vergißt nichts! Felsenherz hat vorhin zwei meiner Krieger durch Kugeln verwundet und sechs andere durch Keulenhiebe schwer verletzt. Chokariga, der Hund von Komanche, hat sich mit den Blaßgesichtern gegen uns verbündet gehabt. Und Tom Einaug erschoß vor Jahren fünf tapfere Sioux.“
„Ja – nachdem ihr mir ein Auge durch einen Pfeilschuß geraubt hatte!“ rief Tom ärgerlich. „Wollte ich dein Sündenregister aufzählen, Mattaloa, so käme mehr zusammen, als auf eine Büffelhaut hinaufgeht!“
Mattaloa spie den kleinen kecken Trapper an.
„Schweig’, du stinkende Kröte!“ brüllte er.
„Manitu, der Gott der Rothäute, wird dich strafen, Mattaloa!“ sagte Tom unbekümmert. „Du hast deine Tochter durch die zwölf weißen Verbrecher dort in die Prärie hinauspeitschen lassen, hast sie ohne Waffen, ohne Mustang davongejagt! –
Manitous sieht alles, Mattaloa!“
Des Oberhäuptlings Hand fuhr nach dem Jagdmesser.
„Hund, du wirst als erster sterben!“ knirschte er ingrimmig. „Zündet noch ein paar Feuer an!“ befahl er seinen Kriegern. „Dann sollen die jüngsten von euch ihre Messer nach diesem Blaßgesicht schleudern und sein verbliebenes Auge zu treffen suchen.“
Tom schwieg jetzt. Er sah, daß Mattaloa ernst machte.
Felsenherz schaute sehnsüchtig der Gewitterwolke entgegen, die immer höher stieg.
Jetzt grollte auch der erste Donner. Schon nahte aber auch Sappary und half scheinbar beim Aufschichten der Reisighaufen, flüsterte dabei Felsenherz zu:
„Wenn ihr uns die Goldmine verratet, retten wir euch! Wir werden dann die Mustangs der Sioux entführen.“
Der blonde Trapper hätte am liebsten Sappary eine Antwort erteilt, wie sie diesem jämmerlichen Verräter gebührte. Aber er erkannte nur zu gut, daß seiner Freunde und sein eigenes Leben diesmal aufs schwerste bedroht waren. Schon wollte er deshalb zustimmend nicken, als er hinter sich von der steilen dicht bewaldeten Talwand her den heiseren Schrei des Nachtfalken vernahm.
Seinem geübten Ohr entging es nicht, daß dieser Vogelruf nachgeahmt war. Sofort dachte er an Patoma, die tapfere Squaw.
Sappary wiederholte seine Frage. Aber Felsenherz schüttelte energisch den Kopf.
„Dann fahrt zur Hölle!“ raunte der Schurke ihm zu und kehrte an das Feuer zurück, wo seine Spießgesellen hockten.
Er setzte sich gleichfalls und meinte leise:
„Boys, es ist nichts bei dem Trapper zu erreichen. Unter diesen Umständen tun wir gut, von hier zu verschwinden. Mattaloa ist nicht zu trauen.“
Gleich darauf hatten die zwölf sich in den Schatten der Büsche zurückgezogen.
5. Kapitel
Schneller, als selbst Mattaloa geglaubt hatte, war das Gewitter mit sausender Windsbraut, stürzenden Wassermassen und ganzen Bündeln von Blitzen herbeigekommen und machte die sofortige Marterung der Gefangenen unmöglich. Im Nu hatte der jäh niederprasselnde Regen die Feuer gelöscht.
Und im selben Moment fühlte Felsenherz auch, daß seine Fesseln plötzlich sich lockerten. Er versuchte, ob sie völlig durchtrennt waren.
Ja – er war frei! –
Dann erreichte auch schon Patomas leise Stimme sein Ohr:
„Nach Norden die Talwand hinauf!“
Die tapfere Squaw hatte gerade den richtigen Zeitpunkt für ihren Befreiungsversuch gewählt, denn ein paar gellende Schreie und Schüsse auf der Nebenlichtung, wo die Mustang standen, lenkten jetzt auch die Aufmerksamkeit der Wächter der Gefangenen für kurze Zeit ab. Außerdem war es völlig finster geworden. Bei diesem wolkenbruchartigen Regen konnte man kaum die Hand vor Augen sehen.
Felsenherz richtete sich nicht nach Patomas Worten. Ihm kam es darauf an, seine Waffen zurückzuerhalten. Als er merkte, daß er sich ungehindert bewegen konnte, trat er rasch hinter den Baum, duckte sich und kroch am Boden um die Wächter herum. Dann lief ihm ein Sioux in den Weg, der sich zum Schutz gegen den Regen in seine Satteldecke gehüllt hatte.
Ein Fausthieb – ein Griff, und Felsenherz nahm dem Bewußtlosen die Decke ab, warf sie sich über den Kopf und schritt der Stelle zu, wo vorhin die Waffen der Gefangenen gelegen hatten. Er fand sie dort auch vor, griff zu und hörte da neben sich Chokarigas Stimme:
„Mein Bruder mag die Waffen nach der Talwand tragen und dann mit Tom und Patoma südwärts in die Prärie hinaus bis zu der einzelnen Buche eilen. Ich werde unsere Pferde holen.“
Die Sioux waren sämtlich auf die Schreie und Schüsse hin nach der Lichtung gestürmt, allen voran Mattaloa, der bereits irgendeine Schurkerei von Seiten Sapparys ahnte.
Ein blendender Blitz erhellte sekundenlang die Finsternis und enthüllte Mattaloa so die Leichen von fünf der Pferdewächtern und die im bereits Sattel sitzenden zwölf Blaßgesichter, die gerade die Masse der Mustangs durch Keulenhiebe nach der Prärie zu davonscheuchten.
Mattaloa schnellte sich vorwärts. Sein Tomahawk wirbelte durch die Luft. Doch Sappary, der ihn ebenfalls bemerkt hatte, war auf der Hut, riß seinen Gaul zur Seite und überritt den Oberhäuptling, den dann ein anderer der zwölf bewußtlos in den Sattel hob und mit ihm davonsprengte. Zu allem Unheil für die Sioux schlugen jetzt noch zwei Blitze kurz hintereinander in die nächsten Bäume ein und jagten die Mustangs in toller Flucht nach allen Seiten auseinander. Nur Felsenherz’ Fuchs, Chokarigas Rappe und Toms Maultier waren abseits stehen geblieben.
In diesem Augenblick jetzt vom Lager her der schrille Alarmruf der Wächter der Gefangenen, deren Flucht nun bemerkt worden war.
Da tauchte auch schon Chokariga neben den drei Tieren auf, schwang sich auf seinen Rappen, ergriff die Zügel der beiden anderen Tiere und galoppierte, geschützt durch die Dunkelheit, von dannen – nach Süden zu.
Fünf Minuten drauf waren die drei Westmänner und Patoma an der einzelnen Buche wieder vereint. Patoma hatte für sich einen der durchgehenden Mustangs eingefangen, so daß alle vier beritten waren.
Kaum hatten nun auch Felsenherz und Tom ihre Tiere bestiegen, als Patoma erklärte:
„Sappary und die elf Blaßgesichter sind nach Westen zu entflohen und haben meinen Vater als Gefangenen mit sich genommen. Patoma wird ihnen folgen.“
Schon jagten die vier denn nun ebenfalls nach Westen davon. Fast im selben Moment hörte der Regen auf, und ein paar neue Blitze zeigten Felsenherz und seinen Freunden den Trupp Sapparys, der gerade über eine ferne Anhöhe verschwand.
In Karriere ging es hinter ihnen drein. Chokariga, der die besten Augen hatte, ritt ein Stück voraus.
So blieb man den weißen Banditen stets dicht auf den Fersen, ohne von ihnen bemerkt zu werden.
Zwei Stunden drauf glaubten die zwölf sich völlig sicher vor jeder Verfolgung und lagerten in einer tiefen Schlucht der Kimarron-Berge, zündeten ein paar mächtige Feuer an und trockneten ihren nassen Kleider, während der Oberhäuptling Mattaloa unter einer überhängenden Stelle der Felswand an einen Stein gefesselt in dumpfer Wut dem Treiben der Verräter zuschaute.
Am Osteingang dieser Schlucht trennte Patoma sich von den drei Westmänner, da sie die Lagernden beschleichen und dann melden wollte, was sie beobachtet hatte.
Die Siouxsquaw kannte die Schlucht von früheren Jagdausflügen ganz genau.
All ihre Gedanken galten jetzt einzig und allein ihrer Rache. Lautlos glitt sie vorwärts, erreichte den Rand der schroffen Felswand gerade über dem Lagerplatz der zwölf Verbrecher und hatte auch sofort erkannt, wie sie diese sämtlich auf ein Mal ihrer Rache opfern könnte.
Denn da stand oben am Schluchtrand eine uralte mächtige Eiche, die der soeben beendete tolle Gewitterregen fast völlig entwurzelt hatte. Sie hing bereits halb über der Schlucht und stützte sich nur noch auf einen losen Steinblock, den man nur ins Gleiten zu bringen brauchte, um den Baum mit seiner riesigen Krone in die Tiefe sausen zu lassen. –
Felsenherz, Chokariga und Tom, die von fern beim Licht des soeben aufgetauchten Vollmondes beobachteten, wie die Eiche plötzlich mit lautem Krachen in die Schlucht hinabglitt, vernahmen jetzt auch die kurzen gellenden Todesschreie der unter der Last der gewaltigen Baumkrone begrabenen Banditen, eilten näher und wurden nur noch Zeugen des letzten Aktes dieses Dramas: Patoma hatte ihren Vater losgeschnitten, und Mattaloa war mit Messer und Tomahawk über Sappary hergefallen, der als einziger der zwölf nur von einem Ast gestreift worden war.
Mattaloa schwang jetzt Sapparys blutigen Skalp durch die Luft und reichte die grausige Trophäe nun seiner Tochter.
„Patoma ist wieder ein Kind der großen Siouxnation!“ sagte er feierlich.
Dann wandte er sich an die vier Westmänner.
„Das Kriegsbeil sei für alle Zeit zwischen uns begraben,“ fügte er ebenso feierlichen hinzu. „Mattaloa wird mit euch die Pfeife des Friedens rauchen, und die Krieger der Sioux werden fortan eure Brüder sein. Mattaloas Herz war hart geworden, weil Patoma ihrem Mann in die Verbannung gefolgt war. Mattaloa hat jetzt seine Tochter wiedergefunden und ist stolz auf sie.“ –
So kam es, daß die drei Westmänner am folgenden Abend nach herzlichem Abschied von Patoma unangefochten ihren Weg nach den Dörfern der Komanchen am Kanadian fortsetzen konnten. Von Seiten der Sioux drohte ihnen keine Gefahr mehr.
Und doch sollten sie ihr Reiseziel nicht ohne neue gefährliche Abenteuer erreichen.
Fußnoten:
[1] Goldsucher
[2] Büchse