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Der Kundschafter am Kimarron

 

Nachdruck verboten. Alle Rechte. einschließlich Verfilmungsrecht, vorbehalten. Copyright 1922 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin.

 

Felsenherz der Trapper

Zu beziehen durch alle Buch- und Schreibwarenhandlungen, sowie vom

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO 26

Elisabeth-Ufer 44

 

Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin

 

Felsenherz, der Trapper

Selbsterlebtes aus den Indianergebieten

erzählt von

Kapitän William Käbler.

 

Heft: 27

Der Kundschafter am Kimarron.

 

 

1. Kapitel

Ein glühend heißer Augusttag war’s.

Über der endlosen welligen Prärie nördlich des Kimarron-Flusses flimmerte die erhitzte, von keinem Windhauch bewegte Luft wie über dem Schlot eines abfahrbereiten Dampfers.

So weit das Auge reichte, dehnte sich die einförmige Grassteppe mit einzelnen Gebüschgruppen und kleinen Wäldchen aus, die wie grüne Inseln über das ausgedörrte Grasmeer hinwegragten.

Büffelherden weideten in den Tälern, wo sich noch stellenweise grüne Flächen, in der durch Bodenfeuchtigkeit, trotz der wochenlangen Dürre, erhalten hatten.

Nur weit im Süden zog sich am Horizont ein dunkler bewaldeter Höhenzug hin, neben dem der Kimarron seine klaren Wasser, umgeben von buschreichen Ufern, dem fernen Arkansas zuschickte. –

Hier am Südufer des Kimarron lagerten in einer kleinen Lichtung der Büsche drei Reiter, zwei Weiße und ein Indianer. Der Leser kennt sie bereits: Es waren Felsenherz, sein roter Bruder Chokariga, der Komanchenhäuptling, und der einäugige kleine Trapper Tom Harper, stets Tom Einaug genannt.

Tom war eifrig damit beschäftigt, eine Büffellende über dem Feuer am Spieß gar zu braten, während der blonde sehnige Felsenherz seine Doppelbüchse reinigte und aufs neue lud.

Der Komanche war soeben von einer nahen Anhöhe zurückgekehrt. Er hatte dort Ausschau gehalten, ob sich nirgends etwas Verdächtiges zeigte.

Wenn die drei Gefährten sich hier auch im Jagdgebiet des Siouxstammes befanden, mit dem sie in Frieden lebten, so wollten sie doch nichts versäumen, was ihnen für ihre Sicherheit notwendig erschien. Das Leben in der Wildnis verlangte stets Wachsamkeit, da jeden Augenblick entweder Rothäute oder auch Weiße auftauchen konnten, denen gegenüber Vorsicht ratsam erschien.

Der Komanche lehnte jetzt seine Büchse gegen einen Busch, nahm am Feuer Platz und sagte in seiner wortkargen Art:

„Eine Büffelherde trabte nach Norden zu davon. Wir werden das Feuer auslöschen. Der Rauch zieht nach Nordwest.“

Tom Einaug nickte. „Der Braten ist fertig. – Aus euren Worten schließe ich, Häuptling, daß ihr dort im Nordwesten Reiter vermutet, vor denen die Büffel flohen.“

„Es ist so,“ erklärte der Komanche. „Es müssen mehrere Reiter sein. Sie sind zwar noch weit entfernt, aber sie halten westliche Richtung ein und nähern sich dem Kimarron.“

Felsenherz zog sein Jagdmesser aus der Scheide.

„Essen wir also!“ meinte er.

Die Mahlzeit war bald beendet. Gerade als Tom die Reste der Büffellende in die großen Blätter des Seifenkrautes einhüllte und sie dann in seine Satteltasche schob, hörte man am Nordufer des hier etwa sechzig Meter breiten Kimarrons ein Pferd wiehern.

Wie der Blitz waren die drei Freunde da auf den Beinen.

Felsenherz bog die Zweige der Büsche behutsam auseinander und sah drüben drei Indianer, die ihre Mustangs im Kimarron tränkten.

Auch Tom und Chokariga spähten hinüber.

„Teufel – das sind ja Apachen!“ flüsterte der kleine Tom. „Wie kommen die Halunken hier so weit nach Norden?!“

Die drei Apachen schwangen sich schon wieder in den Sattel und verschwanden in dem Uferwäldchen.

Auch Felsenherz meinte jetzt kopfschüttelnd:

„Tom hat recht. Es ist unbegreiflich, daß Apachen hier nördlich der Llano Estacado sich umhertreiben. Das muß einen besonderen Grund haben.“

Die Reittiere der drei Westmänner, ein Fuchs, ein Rappe und ein Maultier, standen auf derselben Lichtung und ließen sich das saftige Gras schmecken. Jetzt stießen die beiden Pferde, die eine vorzügliche indianische Dressur besaßen, ein warnendes Schnauben aus.

Felsenherz und der Komanche, denen der Fuchs und der Rappe gehörten, ergriffen auf dieses warnende Zeichen hin sofort ihre Büchsen. Auch Tom Einaug nahm seine lange Kentucky-Flinte zur Hand. So verharrten sie eine Weile regungslos, horchten mit angespannten Sinnen auf das geringste Geräusch und ließen die Augen fortgesetzt mißtrauisch durch die Büsche schweifen.

Die Pferde und das Maultier Tom Einaugs verhielten sich jetzt ganz still. Nur die Ohren der drei Tiere waren ununterbrochen in Bewegung, und Marry, die Maultierstute, pendelte noch aufgeregt mit dem nur dünn behaarten Schweif hin und her.

Dann gab der blondbärtige Trapper seinen Freunden ein Zeichen und kroch lautlos durch das Buschwerk nach Westen zu davon, denn aus dieser Richtung drohte offenbar Gefahr, da die drei Reittiere ihre Köpfe dorthin gedreht hatten.

Felsenherz hatte den Buschstreifen bald hinter sich.

Da gewahrte er auch schon einen einzelnen Reiter, einen wie ein Trapper gekleideten Weißen mit dunklem Vollbart und großer Hakennase, der etwa fünfzig Meter entfernt am Boden kniete und eine Fährte zu untersuchen schien. Sein Pferd, ein großer Brauner, stand mit hängendem Kopf neben ihm.

Diese Fährte, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte, war die des Komanchenhäuptlings, der ja vorhin den nächsten Hügel erstiegen hatte.

Felsenherz beobachtete den Fremden hinter einem Busch hervor mit großem Interesse. Der Mann dort hatte sich jetzt aufgerichtet und seine Doppelbüchse vorsichtig gespannt. Die Fährte Chokarigas mußte ihn mißtrauisch gemacht haben.

Der blonde Trapper hatte diesen wahrhaft athletisch gebauten Mann noch nie gesehen. Etwas in dem Gesicht dieses Menschen gefielen ihm nicht. Vielleicht waren es die halb zugekniffenen Augen, die Felsenherz nicht behagten.

Der Fremde schwang sich jetzt in den Sattel. Daß es ein erfahrener Westmann war, merkte man schon an der Art, wie er sich hinter dem Hals seines Pferdes zu decken suchte.

Felsenherz trat rasch hinter dem Busch hervor und winkte dem Fremden zu, der jetzt derart hinter dem Leib seines Braunen hing, daß man das Pferd für reiterlos hätte halten können.

Diese übergroße Vorsicht des Hakennasigen machte ganz den Eindruck, als ob er sich hier schwer bedroht fühlte. Noch seltsamer war es aber, daß er sein offenbar tadellos dressiertes Pferd jetzt in leichtem Trab nach Osten zu lenkte und zwar so, daß der Leib des Tieres ihn auch weiter gegen jede Kugel schützte.

Felsenherz fand dies Benehmen so sonderbar, daß er den Mann am liebsten angerufen und zum Haltmachen gezwungen hätte. Doch die Nähe der drei Apachen, die soeben am anderen Ufer des Kimarron sich gezeigt hatten, machte ihm dies unmöglich. So mußte er sich denn damit begnügen, den Fremden mit den Augen weiter zu verfolgen, bis dieser hinter einem Ausläufer des Höhenzuges verschwunden war.

Plötzlich stand jetzt Chokariga neben dem blonden Trapper. Er war so lautlos herbeigeschlichen, daß selbst Felsenherz sein Nahen nicht bemerkt hatte.

„Mein weißer Bruder kennt das Bleichgesicht noch nicht,“ sagte der Häuptling leise. „Chokariga aber weiß, wer es ist. Während des Krieges zwischen Texas und Mexiko vor vier Jahren war dieser Mann Kundschafter auf Seiten der Mexikaner. Man nennt ihn allgemein El Diabolo, den Teufel. Er ist der beste Fährtensuchen hier im Norden, dazu ein vorzüglicher Reiter und Schütze. Chokariga sahen ihn zum letzten Mal vor zwei Jahren.“

„Und was hält mein roter Bruder von El Diabolos Charakter?“ fragte Felsenherz gespannt.

Der Häuptling machte eine verächtliche Handbewegung.

„El Diabolo ist überall gleich verhaßt – bei Blaßgesichtern und Indianern! Er liebt das Feuerwasser und das Würfelspiel – und dient jedem. Während des Krieges soll er auch von den Texanern Geld genommen haben.“

Der blonde Trapper schaute nachdenklich vor sich hin.

„Ob El Diabolo gut Freund mit den Apachen ist?“ meinte er dann. „Wäre dies der Fall, so könnte man annehmen, Diabolo und die drei Roten da gehörten zueinander.“

Der Komanchenhäuptling antwortete nicht, sondern zog Felsenherz mit kräftigem Ruck in den Schutz der Büsche.

„Er kommt zurück!“ flüsterte er dabei.

Wirklich – da galoppierte El Diabolo genau auf seiner ersten Fährte wieder dem Fluß zu.

Nur wenige Minuten später hielt er dann vor Felsenherz und dem Komanchen, die ihr Versteck verlassen hatten.

Seine schmalen listigen Augen ruhten eine Weile prüfend auf dem berühmten Freundespaar. Dann sagte er kurz:

„Hätte ich gewußt, daß der Oberhäuptling der Komanchen hier in der Nähe ist, dann würde ich auch Felsenherz vorhin erkannt haben. So aber glaubte ich irgend einen Trapper vor mir zu haben, nach dessen Gesellschaft ich mich nicht weiter gesehnt hätte.“

Er sprang aus dem Sattel und trat auf Felsenherz zu.

„Ich sehe euch heute zum ersten Mal,“ meinte er mit einer Art Verbeugung. „Man nennt mich El Diabolo, Mr. Felsenherz. Ich freue mich, eure Bekanntschaft zu machen!“

Er streckte dem blonden Trapper die Hand hin, der jedoch nur zögernd die seine hineinlegte, da sich das Gefühl der Abneigung, das er schon vorher empfunden, jetzt bei ihm noch verstärkt hatte.

Chokariga beobachtete den Kundschafter still und fragte nun:

„Weshalb ist El Diabolo umgekehrt? Weshalb ritt er nicht weiter nach Osten hin?“

„Weil ich plötzlich dreißig Apachen bemerkte, die von Norden dem Höhenzug zuritten,“ erklärte der Fährtensuchen achselzuckend. „Ich hatte keine Lust, mich mit den Pimos[1] herumzuschlagen. Sie sind nie meine Freunde gewesen.“

Kaum hatte er das letzte Wort ausgesprochen, als Tom Einaug hastig sich durch die Büsche einen Weg bahnte und dann den Freunden zurief:

„Jenseits des Kimarron brennt die Prärie! Das Feuer muß eine sehr große Ausdehnung haben. Der Wind, der vor kaum fünf Minuten aufkam, treibt den Brand gerade nach Westen!“

Dann wandte er sich dem Kundschafter zu.

„Ah – sehen wir uns auch mal wieder, El Diabolo!“

Und er schüttelte dem Fährtensucher kräftig die Hand.

„Was treibt ihr jetzt eigentlich?“ fragte er darauf. „Letztens erzählte man mir, ihr wäret der Schwiegersohn des Apachenhäuptlings Mattari, des starken Büffels, geworden und hättet euch ganz bei den Apachen am Rio Pecos niedergelassen.“

El Diabolo lachte.

„Tom, da hat man euch ja einen netten Bären aufgebunden! Ich soll eine Apachin geheiratet haben?! Lieber ließe ich mich skalpierten!“

Felsenherz wurde bereits ungeduldig.

„Jetzt gibt es anderes zu besprechen,“ sagte er hastig. „Ich bin überzeugt, daß die Apachen die Prärie zu einem bestimmten Zweck angezündet haben. – Wir sahen vorhin drei von ihnen am Nordufer, El Diabolo, und diese drei werden wohl mit zu dem Trupp gehört haben, dem ihr jetzt ausgewichen seid.“

„Mag schon stimmen!“ nickte der Kundschafter. „Es dürfte sich überhaupt empfehlen, diese Gegend zu verlassen. Seit vier Tagen hetzen mich die Apachen nämlich ununterbrochen. Ich kam von Westen her aus den Kostilla-Bergen, als die Pimos, an die zweihundert Mann stark, mich erspähten. Seitdem sind sie ununterbrochen hinter mir geblieben. Freilich – seit gestern abend hoffte ich, sie abgeschüttelt zu haben. Ist aber ein Irrtum gewesen, wie man sieht. Ich schlage vor, in den Uferbüsche des Kimarron zwei Meilen nach Westen zu reiten und dann nach Süden abzubiegen. So gelangen wir an schnellsten in die kahlen Goßwrater-Berge, wo man keine Spuren zurücklassen und die Apachen leicht für immer los werden!“

Dieser Vorschlag fand die Zustimmung der drei Freunde, und so brach man denn wenige Minuten später nach Westen auf, während am Nordufer des Kimarron der Präriebrand immer weiter um sich griff und der rasch an Stärke zunehmende Wind das ungeheure Flammenmeer und dicke Rauchwolken langsam gleichfalls nach Westen trieb.

 

 

2. Kapitel

El Diabolo hatte sich erboten, den drei Gefährten ein Stück voraus zu reiten, um rechtzeitig jede etwa auftauchende Gefahr melden zu können. Felsenherz wieder wollte ein paar hundert Meter zurückbleiben, damit man auch nach dieser Seite hin geschützt war.

Der blonde Trapper hatte dann Chokariga und Tom kaum aus dem Gesicht verloren – El Diabolo war schon vorher im Galopp davongeritten –, als er seinen Fuchs der offenen Savanne zu lenkte und nun auf der Fährte des Kundschafters bis an jenen Ausläufer des Höhenzuges sprengte, wo El Diabolo vorhin verschwunden und dann wieder aufgetaucht war.

Felsenherz’Abneigung gegen den Kundschafter hatte sich nämlich in Mißtrauen verwandelt, als dieser von seiner Flucht vor den Apachen erzählt hatte. Der berühmte Trapper hielt es für ausgeschlossen, daß es einem so erfahrenen Westläufer, wie El Diabolo es war, in vier Tagen nicht gelungen sein sollte, die Apachen von seiner Spur abzubringen. Außerdem hatte auch Chokariga ihm, als sie ihre Pferde rasch gesattelt hatten, leise zugeflüstert:

„El Diabolo lügt!“

Nun wollte Felsenherz feststellen, ob des Kundschafters Angabe, er sei vor dreißig Apachen umgekehrt, auf Wahrheit beruhte.

Jetzt hatte er in einem bewaldeten Tal die Stelle erreicht, wo El Diabolo kehrt gemacht hatte.

Er beugte sich tief aus dem Sattel herab und musterte die Spuren, die in dem weichen Talboden deutlich zu erkennen waren.

Was er hier sah, bestätigte nur seine Vermutung: El Diabolo war abgestiegen und hatte mit einem Mann, der Mokassins trug und von der anderen Talseite im Schritt herangeritten war, dicht beisammen gestanden und sich mit ihm unterhalten. Dieser Mann konnte nur eine Rothaut, wahrscheinlich ein Apache, gewesen sein.

Der Kundschafter war jetzt tatsächlich als Lügner entlarvt. Und dies bestimmte Felsenherz dazu, auch noch der Fährte des Indianers eine Strecke zu folgen.

Die Spuren des Mustang dieses Roten führten in ein Nebental und dann nach Süden in die bewaldeten Anhöhen hinein.

Als Felsenherz jetzt gerade nach dem Fluß zurückkehren wollte, bemerkte er, daß noch zwei weitere Reiterfährten sich mit der anderen vereinigten. Nun unterlag es keinem Zweifel mehr, daß dies die drei Apachen waren, die am Nordufer des Kimarron ihre Mustangs getränkt hatten.

Der blonde Trapper entschloß sich daher, dieser Spur zu folgen, da er jetzt mit voller Gewißheit annahm, daß El Diabolo und die Apachen hier irgend etwas im Schilde führten. Umsonst fragte Felsenherz sich jedoch, gegen wen sich dieses Unternehmen des Kundschafters und seiner Verbündeten richten könnte. Handelte es sich etwa um einen Angriff auf die Siouxdörfer? –

Felsenherz bezweifelte dies. Die Sioux waren den Apachen an Kopfzahl weit überlegen und auch besser bewaffnet. Noch nie hatten die Apachen einen Raubzug bis in das Jagdgebiet dieses Stammes gewagt. Nein – dieses Unternehmen mußte jemand anders gelten! Aber wem?!

Des Trappers Gedanken wurden dann plötzlich, als er soeben ein langes Tal basiert hatte, durch eine Schar von Krähen abgelenkt, die im nächsten Tal aufgeregt über dem bewaldeten Abhang kreiste.

Felsenherz wußte: Dort befanden sich jetzt Personen, deren Erscheinen die Krähen aufgescheucht hatte.

Sofort sprang er ab, führte sein Pferd in ein Dickicht und schlich dann zu Fuß weiter.

Als er jetzt in dem eben erreichten Wald lautlos von Baum zu Baum huschte, wurde er gerade noch Zeuge, wie einige dreißig Apachen dieses Tal nach Süden zu verließen.

Sehr bald hatte er auch die Stelle gefunden, wo sie gelagert hatten.

Zu seinem Entsetzen entdeckt er nun hier an einem Baum die Leiche eines jüngeren, mit einem ledernen Jagdanzug bekleideten Mannes, der erst vor kurzem von den Apachen durch Tomahawkhiebe getötet worden sein mußte. Die Leiche hing noch in Riemen an dem Baum – war noch warm. Der Skalp fehlte. Neben dem Baum aber lagen eine Spitzhacke und ein starker Spaten, wie die Goldsucher sie bei ihrer Arbeit gebrauchten.

Der Tote war also wohl ein Goldsucher gewesen.

Felsenherz konnte sich hier nicht lange aufhalten. Er schnitt die Leiche los und häufte Steine darüber. Dann holte er sein Pferd und machte sich wieder hinter den Apachen drein.

Nach einer halben Stunde bog die Fährte der dreißig Apachen in die offene Prärie ein und dann scharf nach Westen ab.

Felsenherz ahnte bereits, welch ungeheurer Schurkerei er hier auf die Spur gekommen war. Ohne Zweifel wollte El Diabolo, dieser leibhaftige Teufel, ihn, Chokariga und Tom Einaug den Apachen in die Hände spielen, gerade den Apachen, den Todfeinden der beiden berühmten Westmänner.

Aber – was plante der verräterische Kundschafter sonst noch?! Er hatte doch unmöglich wissen können, daß sie hier am Kimarron gelagert hatten? War er nur zufällig hierhergekommen und hatte er dann erst, als er Felsenherz erkannte hatte, mit den Apachen alles weitere vereinbart?!

So blieb der blonde Trapper auch jetzt über El Diabolos Hauptabsicht im unklaren. Die aufgefundene Leiche konnte ihm über diese Frage ebenfalls keinerlei Aufschluß geben. Der Goldsucher mochte aus Unvorsichtigkeit in die Gewalt der Rothäute geraten sein, die ihn dann kaltblütig gemordet hatten.

Freilich geschah es höchst selten, daß sich ein einzelner Goldsucher in die Wildnis hineinwagte. Meist vereinigten sie sich zu Trupps von acht bis zwölf Mann, die dann später ihren gesamten Gewinn teilten. –

Der berühmte Trapper hielt jetzt von der Spitze eines Hügels Ausschau.

Weit vor sich erblickte er nach Westen zu, nur noch wie dunkle Punkte erkennbar, die Apachen. Nach rechts hin, wo der Kimarron zu suchen war, hatte sich am Himmel dichtes schwarzes Gewölk zusammengeballt, die Folge des Präriebrandes.

Felsenherz munterte seinen Fuchs jetzt zu einem leichten Galopp auf. Das edle Tier jagte leichtfüßig von dannen. –

Aber auch die Apachen, die sich jetzt in den Tälern der endlosen Savanne hielten, schienen es eilig zu haben. Ihr Anführer war ein breitschultriger, baumlanger Krieger mit narbenbedeckten Oberleib. In die Skalplocke waren Adlerfedern und Mähnenhaare des Büffels eingeflochten.

Es war dies kein anderer als Mattari, der starke Büffel, der Oberhäuptling der Apachennation. An seinem Gürtel hing ein noch blutiger, frischer Skalp: der des jungen Goldsuchers!

Mattari blieb jetzt eine Strecke zurück, ritt dann aus dem Tal nach Norden zu in die Prärie hinaus und erblickte in etwa dreitausend Meter Entfernung den grünen Uferstreifen des Kimarron. Der Höhenzug, der bisher die Aussicht nach dem Fluß versperrt hatte, war allmählich niedriger geworden und hatte sich völlig in der Savanne verloren.

Dann gewahrte der Apachenhäuptling mehr nach Westen zu vor den Uferbüschen eine einzelne Rauchsäule, die trotz des durch den Präriebrand umwölkten Himmels deutlich zu erkennen war.

Mattari lächelte zufrieden, wandte seinen Mustang und sprengte seinen Kriegern wieder nach.

Als er sie eingeholt hatte, bog der Trupp nach rechts in eine Bodenvertiefung ein, die ihn und die seinen gut gedeckt bis an die Uferböschung brachte.

Mattari hatte die Richtung so tadellos eingehalten, daß er genau an die Stelle gelangte, wo El Diabolo vorher das Feuer angezündet hatte, um seinen Verbündeten den Ort anzugeben, der sich am besten zum Hinterhalt eignete. Dann war er umgekehrt und hatte etwa fünfhundert Meter weiter westlich in den Uferbüschen auf die vier Männer gewartet, die er so den Apachen ausliefern wollte.

Chokariga und Tom Einaug hatten inzwischen ebenfalls über El Diabolo ihre Ansichten ausgetauscht. Tom fand an dem Kundschafter nichts auszusetzen, kannte ihn freilich nicht näher. Als der Komanche geäußert, daß El Diabolo seiner Ansicht nach die Unwahrheit gesprochen habe, was seine Flucht vor den Apachen anbetraf, war auch Tom stutzig geworden.

„Ihr habt recht, Häuptling,“ hatte er nach kurzem Nachdenken erklärt, „man wird sich vor dem Kundschafter in acht nehmen müssen.“

Chokariga war daher durchaus nicht so vertrauensselig dem vorausreitenden El Diabolo gefolgt, wie dieser es gehofft hatte.

Aus der Fährte des Kundschafters war genau zu ersehen, daß er stets in gestrecktem Galopp geritten war. Er mußte also sehr bald vor Chokariga und Tom einen großen Vorsprung erlangt haben, da die zwei zumeist nur im Trab ihren Weg fortsetzten.

Gerade dieser Umstand, nämlich El Diabolos offenbares Bestreben, den anderen weit vorauszukommen, genügte dem Komanchenhäuptling und Tom vollständig, ihre Vorsicht jetzt zu verdoppeln.

Als sie nach etwa einer Stunde des Kundschafters wieder ansichtig wurden, der von dem Braunen gestiegen war und an seinem Sattelgurt die Schnallen fester zog, hatten Chokariga und Tom ihre Doppelbüchsen mit gespannten Hähnen schußbereit in der rechten Hand.

„Alles sicher!“ rief El Diabolo ihnen entgegen. „Weit und breit ist nichts von den Apachen zu spüren. Ich war noch etwa eine halbe Meile weiter flußabwärts geritten.“

Chokariga behielt den Kundschafter scharf im Auge.

„Reiten wir also weiter,“ sagte er kurz. „Mein Bruder Felsenherz wird uns schon einholen.“

Dies paßte nun El Diabolo durchaus nicht.

Er warf sich ins Gras und meinte gähnend:

„Gönnt mir eine Stunde Ruhe. Bedenkt, daß ich seit vier Tagen kaum geschlafen habe.“

Der Komanchenhäuptling merkte, was der Verräter beabsichtigte.

Mit einem wahren Panthersatz war er aus dem Sattel und hatte des Kundschafters Büchse aus dem Gras an sich genommen.

El Diabolo kam dies so überraschend, daß er sekundenlang wie versteinert dasaß.

„Steig’ auf!“ befahl Chokariga schon. „Gehorche!!“

Er winkte Tom zu, der denn auch sofort auf El Diabolo anlegte.

Der Häuptling schwang sich wieder auf seinen Rappen, nahm die beiden Gewehre in die linke Hand und zog den Tomahawk aus dem Gürtel.

„Sobald das verräterische Blaßgesicht zu fliehen wagt,“ drohte er jetzt, „wird mein Schlachtbeil ihm in den Schädel fahren! Der Tomahawk tötet geräuschlos! – Also noch einmal: Gehorche!“

 

 

3. Kapitel

Inzwischen war jedoch bereits Mattari, der starke Büffel, seinen Kriegern vorausgeschlichen und unbemerkt Zeuge dieser für den Kundschafter so demütigenden Szene geworden.

Sofort kehrte er um. Der heisere, gut nachgeahmte Schrei des jagenden Habichts rief seine Krieger herbei.

So kam es, daß die kleine Lichtung, auf der El Diabolo nun zähneknirschend seinen Braunen bestiegen, bereits umstellt war, als Chokariga und Tom mit dem gefangenen Verräter umkehren und Felsenherz entgegenreiten wollten.

Mattaris dreißig Krieger waren sämtlich mit Flinten bewaffnet und die besten und erprobtesten des Stammes. Er hätte jetzt den Komanchen und Tom einfach aus dem Hinterhalt niederschießen lassen können. Doch das wollte er nicht. Lebend sollten sie in seine Hände fallen.

So rief er denn jetzt aus dem Gestrüpp heraus Chokariga zu:

„Der langhaarige stinkende Coyote des Komanchenstammes mag sich ergeben! Er und das Blaßgesicht sind umzingelt! Wenn er auch nur die Hand hebt, wird er von Kugeln durchlöchert werden!“

Chokariga zweifelte keinen Augenblick daran, daß Mattari seine Drohung wahrmachen würde. Er hätte vielleicht trotz der Übermacht der Gegner zu entkommen gesucht und sein Leben aufs Spiel gesetzt, wenn er nicht überzeugt gewesen wäre, daß Felsenherz den Feinden entgehen und ihn und Tom sehr bald befreien würde.

Deshalb erwiderte er denn auch auf Mattaris Anruf mit stolzer Gelassenheit:

„Die Apachen mögen mich gefangen nehmen. Chokariga verachtet sie. Sie sind wie die Pekaris[2], die zu fünfzig den edlen Hirsch einkreisen und sich an seinen Läufen festbeißen.“

Er ließ die Büchsen ins Gras fallen, ebenso den Tomahawk, stieg ab und erwartete mit kalter Ruhe die jetzt heranstürmenden Feinde.

Auch Tom Einaug war gleich darauf mit Lassos im Sattel seines Maultieres Marry festgebunden.

El Diabolo hatte sich um die Gefangenen nicht weiter gekümmert, sondern war mit Mattari weitergeritten.

So wurden denn der tapfere Komanche und Tom von den Apachen in die Mitte genommen und sprengten als wehrlose Gefangene nach Westen zu am Kimarron entlang.

Die Apachen hatten jedoch kaum ein dichtes Brombeergestrüpp, das sich um eine schräge Eiche hochrankte, hinter sich, als zwischen den stacheligen Zweigen der große Schlapphut und das blondbärtige, tiefgebräunte Gesicht des Trappers Felsenherz sichtbar wurde, der den Rothäuten finster nachblickte.

„Habe ich also doch recht gehabt,“ murmelte er vor sich hin. „Leider bin ich zu spät gekommen! –

Nun – ich bin frei, und die Apachen sollen sich ihrer Gefangenen nicht allzu lange erfreuen!“

Dann überlegte er, was er nun weiter tun sollte. Er sagte sich sehr richtig, daß El Diabolo und Mattari alles versuchen würden, auch ihn einzukreisen und gefangenzunehmen. Dies konnten sie am leichtesten, wenn sie einen Teil ihrer Krieger nach Osten wieder am Fluß entlang ihm entgegenschickten, da sie ja vermuteten, er würde seinen Freunden auf diesem Weg folgen.

Seine Vermutung traf auch zu. Sehr bald sah er von links her abermals zwanzig Apachen auftauchen, die dann wieder dicht an seinem Versteck vorüberkamen und flußabwärts verschwanden. Er erkannte auch, daß diese zwanzig Krieger nicht zu dem Trupp gehört hatten, der soeben Chokariga und Tom gefangen fortgeführt hatte. Mithin mußte dort nach Westen zu und zwar in nächster Nähe noch eine Apachenabteilung gelagert haben.

Um dies genau festzustellen, schlich der Trapper jetzt, seinen Fuchs in dem Dickicht zurücklassend, mit größter Behutsamkeit nach Westen weiter.

Er hatte so kaum tausend Meter zurückgelegt, als er vor sich das Schnauben von Mustangs vernahm.

Dann war er ganz nahe heran, bog die Zweige einer umgestürzten Erle auseinander und sah nun unter sich in einer muldenartigen Vertiefung der Uferböschung zehn rote Krieger neben den beiden am Boden liegenden Gefangenen hocken.

Er kroch um die Mulde herum und überzeugte sich, ob die übrigen Rothäute und der verräterische Kundschafter noch in der Nähe seien.

Dies war nicht der Fall. Eine breite Fährte von mindestens hundert Reitern lief nach Westen zu und bog dann rechts in den Fluß ein. Hier hatten die Apachen und El Diabolo also den Kimarron überquert.

Felsenherz kehrte um.

Zehn Wächter saßen bei den Gefangenen – zehn ältere Krieger!

Und doch – es mußte gewagt werden! Chokariga und Tom sollten um jeden Preis recht bald wieder frei sein!

Der berühmte Trapper näherte sich wieder der Mulde, schob sich auf allen Vieren vorwärts.

Neben den Gefangenen und ihren Wächtern standen zehn Mustangs und des Komanchen edler Rappe und Toms brave Marry.

Da die Mulde nur klein war, versperrten die Tiere den zehn Wächtern die Aussicht nach der einen Seite vollständig.

Felsenherz wußte, daß die Indianerpferdchen für jeden sich nahenden Weißen eine sehr feine Witterung hatten. Zum Glück war die Mulde jedoch am Rand mit blühendem Ginster dicht bewachsen, und der scharfe Geruch der gelben Büsche mußte die eigene Ausdünstung, die den Trapper den Mustangs verraten hätte, übertäuben.

So konnte er sich denn mit größter Behutsamkeit dicht hinter die Indianergäule durch das Gestrüpp schieben.

Sein langes Jagdmesser hielt er schon bereit. Sein Plan war fertig. Ob er gelingen würde, hing von Zufällen ab.

Die Mustangs waren mit den Zügeln aneinander gebunden. Chokarigas Rappe und das Maultier standen etwas abseits.

Felsenherz langte jetzt mit dem messerbewaffneten Arm durch die Zweige hindurch, stieß zweimal zu – stieß den beiden ihm zunächst stehenden Tieren gerade dort in die Hinterschenkel, wo der Hauptnervenstrang entlanggeht.

Die beiden Mustangs machten vor Schmerz wilde Sätze nach vorwärts, keilten aus, rissen sich los und jagten aus der Mulde zum Fluß hinab.

Sofort rannten vier der Wächter hinterdrein. Die übrigen sechs hatten Mühe, den Rest zu beruhigen.

Dies war der Moment, den Felsenherz ausnutzen mußte.

Mit kraftvollem Schwung sprang er hinab in die Mulde, schlug zwei der Apachen mit dem Büchsenkolben nieder und schmetterte zwei anderen die Faust derart unter das Kinn, daß sie ebenfalls betäubt umsanken. Die beiden noch Unverletzten, die ihre Flinten nicht zur Hand hatten, entflohen eilends nach dem Kimarron hinab.

Ein paar Schnitte – und der Komanche und Tom erhoben sich, rafften ihre Waffen auf und führten ihre Reittiere hinter dem vorauseilenden Felsenherz drein in die Prärie hinaus. Der blonde Trapper hatte die acht Apachenmustangs an den Zügeln mitgezerrt, schwang sich nun auf eins der Tiere und jagte dem Dickicht zu, wo sein Fuchs verborgen war.

Dann setzten die drei Freunde eine Strecke weiter ostwärts über den Fluß, gelangten in einen langgestreckten Wald, gaben die Indianermustangs frei und galoppierten dann in Richtung Norden.

Hier hatte der Präriebrand, der längst vorübergezogen war, aber noch nach Westen zu weiter wütete, die ausgedörrten Gräser in eine schwarze Schicht von Asche verwandelt. Nicht ein einziger Halm war stehen geblieben. Kleinere Gebüsche hatte die Feuersbrunst ebenfalls vernichtet. Nur dort, wo infolge stärkerer Bodenfeuchtigkeit Waldinseln entstanden waren, hatten die von Wind gejagte Brandwelle diese grünen Inseln nur teilweise geschwärzt.

An der Westseite eines dieser Waldstücke machten die Freunde jetzt halt. Bisher hatte Felsenherz sich noch keine Zeit genommen, Chokariga und Tom über seine ferneren Absichten aufzuklären. Nun sagte er, indem er nach Westen deutete:

„Mattari, El Diabolo und etwa hundert Apachen sind über den Kimarron in jener Richtung davongeritten. Dort also planen sie irgend einen Schurkenstreich. Ich glaube auch bereits zu wissen, was sie vorhaben. Ich fand dort im Südosten in einem Tal des Höhenzuges einen ermordeten und skalpierten Goldsucher. Ich nehme an, daß dieser Mann zu einem größeren Trupp von Gambusinos gehört hat, die den Kundschafter zu ihrer Sicherheit in Dienst genommen hatten. Die Gambusinos werden sich mit der Ausbeute ihrer Arbeit auf dem Rückweg vom Felsengebirge nach den Ansiedlungen im Osten befinden und jetzt dort irgendwo lagern –“ –

Wieder zeigte er nach Westen über die schwarze Savanne hin.

„El Diabolo aber hat die Apachen irgendwie herbeigerufen,“ fuhr er schnell fort. „Er ließ durch sie die Prärie anzünden, damit die Goldsucher vielleicht in dem Flammenmeer umkämen. Er selbst wird mit dem Toten, den ich entdeckte, vorher angeblich als Späher vorangeritten sein. –

Nur so, denke ich, läßt sich das alles folgerichtig erklären, was wir heute erlebt haben.“

Der Komanche nickte.

„Mein Bruder besitzt die Weisheit eines alten Kriegers. Chokariga ist in allem seiner Ansicht.“

„Dann wollen wir jetzt in großem Bogen nach Norden zu die Gambusinos suchen und ihnen Hilfe bringen,“ meinte Felsenherz kurz, gab seinem Fuchs die Hacken und sprengte in einem Tal nach Nordwest weiter.

 

 

4. Kapitel

Zu derselben Zeit waren etwa zwei Meilen nördlich des Kimarron zehn Männer mit genauer Not der Gefahr, die ihnen durch den Prärieband gedroht hatte, entgangenen.

Sie hatten mit ihrem großen plumpen Wagen, der von acht Zugpferden vorwärtsbewegt wurde, in einer dünnen Buschinseln mittags ein Lager aufgeschlagen gehabt.

Dann war der Kundschafter, den sie vor zwei Wochen als Jäger und Späher angeworben hatten, mit ihrem Gefährten Parker zum Kimarron weitergeritten, um dort ein Wild zu schießen. –

Diese elf Gambusinos waren vor acht Monaten ausgezogen, um in den östlichen Randbergen des Felsengebirges nach Gold zu suchen. Sie waren sämtlich Neulinge im wilden Westen, und nur dem Zufall war es zu danken gewesen, daß sie bisher von Rothäuten unbelästigt geblieben waren. Sie hatten Glück gehabt: In ihrem Reisewagen führten sie jetzt vier Ledersäcke mit Goldstaub und Nuggets mit sich. –

Dann hatte ihr Anführer, ein gewisser Rallay, heute noch gerade zur rechten Zeit den nahenden Präriebrand bemerkt.

In aller Eile legten die Gambusinos dann etwa tausend Meter vor ihrem Lager ein Gegenfeuer an, ebenso ein zweites dicht vor dem Buschstreifen. So schufen sie vor sich einen bereits niedergebrannten Streifen, auf dem die Flammen keine Nahrung mehr fanden. Trotzdem wurden sie, als das Brandmeer an ihnen vorüberzog, durch die Hitzewellen fast erstickt.

Nun war die Gefahr glücklich vorüber. Nun durften sie sich aus den Büschen wieder ins Freie wagen. Dort nach Westen zu wälzte sich die ungeheure Flammenlinie weiter. Der Himmel hatte sich durch die Rauchmassen verfinstert. Von der Nordecke des Buschstreifens lief eine tiefe, breite Schlucht durch die jetzt völlig versengte Savanne. Und diese Schlucht kamen jetzt drei Reiter entlanggaloppiert, sprangen, als die Gambusinos ihnen entgegenreiten wollten, von den Pferden und winkten ihnen zu, den Lagerplatz nicht zu verlassen.

Der Anführer der Goldsucher allein begab sich jetzt zu den dreien. Wie freudig erstaunt war er, als der eine der drei sich ihm als der Trapper Felsenherz zu erkennen gab und den berühmten Komanchenhäuptling und den kleinen tapferen Tom Einaug als seine Gefährten vorstellte.

Der Gambusino machte dann jedoch ein höchst bestürztes Gesicht, als Felsenherz hinzufügte:

„Master Rallay, der bekannte Kundschafter El Diabolo gehört wohl mit zu euch? – Nun, da habt ihr einen gefährlichen Schurken in eure Dienste genommen. Dieser Mensch hat euch in den Flammen des Präriebrandes umkommen lassen wollen, hat euren Gefährten durch Apachen hinmorden lassen und wird jetzt, da ihr dem Brand entgangen seid, neue Teufeleien ersinnen, um euch berauben zu können. Wir werden euch jedoch beistehen. Bringt jetzt eure Reit- und Zugpferde da in die Schlucht, damit unsere Tiere da inmitten der anderen unbemerkt mit in die Büsche geführt werden können. Diese Vorsicht ist nötig, da euer Lager fraglos von den Apachen von weitem beobachtet wird.“

„Alles soll geschehen, was ihr anordnet, Mr. Felsenherz,“ erklärte Rallay eifrig.

Eine Stunde später befanden sich die drei Westmänner mit ihren Tieren im Lager der Goldsucher. –

Es war jetzt gegen sechs Uhr nachmittags. Wie stets nach einem größeren Präriebrand hatte sich auch hier infolge der nach oben steigenden Hitzewellen über der verbrannten Steppe dunkle Gewitterwolken zusammengezogen.

Gerade als ein erstes Grollen des Donners das nahende Unwetter anmeldete, kam der Kundschafter El Diabolo allein vom Kimarron her auf das Lager zugetrabt.

Der Umstand, daß der Kundschafter sich hierher wagte, bewies ja am besten, daß er von der Anwesenheit der drei Westmänner im Lager nichts ahnte.

Felsenherz selbst und seine Freunde verbargen sich in dem großen mit einem Leinwanddach versehenen Planwagen.

Frech und mit heuchlerischer Miene nahte El Diabolo, sprang vom Pferd und rief:

„Ich bringe schlechte Nachricht! Siouxkrieger haben Parker und mich gejagt und Parker erschossen. Ich entging ihnen mit genauer Not. Wir müssen daher jetzt diesen Platz, der sich zur Verteidigung nur schlecht eignet, schleunigst verlassen.“

Die erbitterten Goldsucher waren jetzt nicht länger imstande, die Harmlosen und Leichtgläubigen zu spielen. Sie hatten den Schurken umringten. An ihren wutverzerrten Gesichtern erkannte er, daß er durchschaut war.

Zur Flucht war es zu spät. Schon warfen sich die kräftigen Männer auf ihn, rissen ihn zu Boden und hätten ihn vielleicht getötet, wenn Felsenherz nicht rasch dazwischen getreten wäre.

Beim Anblick des berühmten Trappers wurde El Diabolo aschfahl. Felsenherz würdigte ihn keines Wortes, ließ ihn fesseln und vorn auf dem Wagen festbinden.

Dann befahl er den sofortigen Aufbruch. Da die zehn Gambusinos tadellos bewaffnet waren – jeder besaß eine Doppelbüchse und zwei Pistolen –, brauchte man jetzt am Tage einen Angriff der Apachen nicht zu fürchten.

Als die ersten Regentropfen fielen, setzte sich der Zug nach Osten in Bewegung. Sehr bald goß es in Strömen.

Felsenherz ließ die Pferde, die den Wagen zogen, ihr letztes hergeben. So bewegte sich der Transport im Galopp über die feuchte Savanne, eingehüllt in die schützenden Schleier des Gewitterregens.

Von den Apachen merkte man nichts. Eine Stunde drauf war das Gewitter vorüber. Felsenherz hatte inzwischen längst die Marschrichtung geändert und war direkt südwärts zum Kimarron abgebogen. Man erreicht ihn, als die Dunkelheit anbrach. Auf einem steilen Hügel dicht am Ufer wurde ein neues Lager bezogen. Man mußte nun abwarten, ob es den Apachen gelingen würde, die Flüchtlinge hier aufzustöbern.

Unterhalb des Hügels hatte sich im Fluß ein förmlicher Wall von entwurzelten Baumstämmen angehäuft, die durch die Strömung im Lauf der Zeit hierher geführt worden waren. Aus dünneren Stämmen wurde nun die Spitze des Hügels mit einer Art Brustwehr umgeben, so daß, falls ein Angriff erfolgen sollte, die Apachen durch dieses Hindernis aufgehalten werden würden.

Die Nacht verging jedoch, ohne daß sich etwas ereignete.

Doch weder Felsenherz noch Chokariga und Tom ließen sich durch diese trügerische Ruhe täuschen. Sie kannten die Apachen und ihre Hinterlist.

Und wirklich: Kaum eine halbe Stunde später näherte sich ganz plötzlich ein einen grünen Zweig schwingender bewaffnete Apachen dem Hügel als eine Art Unterhändler.

Felsenherz und der Komanchen gingen ihm ein Stück entgegen.

Der Apache, ein Unterhäuptling, forderte die Freilassung El Diabolos. Dann würden die Gambusinos und die drei Westmänner unbelästigt bleiben. Sollte der Kundschafter nicht freigegeben werden, so würde Mattari mit seinen hundertfünfzig Kriegern das Lager der Blaßgesichter stürmen.

Die Klugheit verbot es Felsenherz, dem Unterhändler die einzig passende Antwort zu geben. Er erwiderte daher, er müsse erst mit den Goldsuchern sich beraten, und der Apache solle sich nach drei Stunden wieder einfinden.

 

 

5. Kapitel

Der blonde Trapper hatte bereits vorher erwogen, wie man im Fall der Not den Apachen entgehen könnte.

Als er jetzt seinen beiden Gefährten und den Gambusinos seinen Plan auseinandersetzte, wurde dieser allseits gebilligt, da jeder einsah, daß man sich hier auf dem Hügel der Übermacht der Apachen gegenüber nicht lange würde halten können.

Man mußte auch sofort ans Werk gehen, bevor die Feinde noch aufmerksam würden.

Sechs der Goldsucher und Felsenherz stiegen nun auf den schwimmenden Baumverhau unten im Fluß hinab und stellten, gedeckt durch die Baumkronen der entwurzelten Stämme, ein primitives Floß her, indem sie die Stämme, die nur lose angetrieben waren, durch Stricke und Riemen zusammenbanden.

In kaum drei Stunden war dieses Floß fertig. Es war noch an verschiedenen Stellen mit Brustwehr aus starken Ästen versehen, hinter denen die Pferde stehen sollten.

Nun wurde der Wagen auseinandergebaut und die Teile einzeln auf das Floß geschafft, wo man ihn wieder zusammensetzte.

Mittlerweile hatten jedoch ein paar Apachenspäher vom anderen Ufer das Treiben der Flüchtling bemerkt.

Der Oberhäuptling Mattari schickte einen neuen Unterhändler. Felsenherz wies diesen jedoch von dannen, ohne ihn anzuhören. Während der Apache davoneilte, wurden rasch die Reitpferde auf das Floß geschafft. Die Tiere, die den Wagen gezogen hatten, mußte man zurücklassen, da das Floß diese Last nicht mehr hätte aufnehmen können.

Als man das plumpe, über acht Meter lange und fast sechs Meter breite Fahrzeug nun mit Stangen zu der Mitte der Strömung dirigierte, begannen die Apachen von beiden Ufern aus den Büschen zu feuern. Ihre miserablen Steinschloßflinten richteten jedoch nichts aus, da ein bewegliches Ziel bessere Schußwaffen und Schützen verlangte.

Die Gambusinos und die drei Westmänner dagegen hatten mit ihren Kugeln weit mehr Erfolg. Als das Floß dann erst in der Hauptströmung flußabwärts glitt, stellten die Apachen das nutzlose Feuer ein. Gleich darauf sahen die Floßfahrer sie nach Osten zu davonsprengen.

Felsenherz und Chokariga ahnten, was Mattari jetzt plante. Der Oberhäuptling wollte fraglos weiter stromabwärts selbst ein Floß bauen, mit diesem die Ankunft der Gegner erwarten und sie zu Wasser angreifen. Felsenherz ließ daher das Floß durch weitere Stämme, die man unterwegs auffischte, verstärken und die Brustwehren noch dichter bauen.

Eine Stunde später nahte die Entscheidung. Als das Floß eine scharfe Krümmung gerade hinter sich hatte, erkannte man das Apachenfloß hundert Meter weiter mitten in der Strömung liegen, wo es scheinbar irgendwie verankert worden war.

Rasch befahl Felsenherz, jetzt aus Lassos und zusammengebundenen Spitzhacken ebenfalls einen Anker herzustellen, denn er wollte verhindern, daß ihr Fahrzeug gegen das Floß der Apachen rannte, wobei diese dann leicht in Überzahl hätten herüberspringen können.

Vierzig Meter vor dem Apachenfloß faßte dieser Anker, und ihr Fahrzeug lag still in den vorüberströmenden Fluten. Nun kam es lediglich darauf an, welche Partei dem Gegner zuerst durch Kugeln größere Verluste beibrachte.

Felsenherz, Chokariga und Tom zielten mit größter Ruhe auf die hinter der Brustwehr drüben immer wieder auftauchenden Köpfe und Arme. Auch die Gambusinos bewiesen hier, daß sie mit ihren Büchsen umzugehen wußten.

El Diabolo, der Verräter, lag gefesselt im Wagen. Auch von den Ufern feuerten die Apachen jetzt, und zumeist auf den Wagen, da dieser über die Brustwehr hinausragte. Plötzlich nun auf dem Floß der Goldsucher der gellende Todesschrei eines Getroffenen – ein Schrei, der durch das Leinwanddach des Wagens kaum gedämpft wurde, – denn der schurkische Kundschafter war es, den soeben eine Kugel seiner Verbündeten durch die Brust gegangen war.

Kaum war dieser Schrei verklungen, als vom Nordufer her das wilde Angriffsgeheul der Sioux erscholl. Eine streifende Abteilung dieses Stammes war durch die Schüsse herbeigelockt worden und fiel jetzt mit vernichtender Wut über die Apachen her, die sich erfrecht hatten, hier in das Jagdgebiet der Sioux einzudringen.

Der Kampf dauerte nur kurze Zeit. Mattari und achtzig Krieger entkamen nur infolge der Schnelligkeit ihrer Mustangs. Die übrigen sahen ihre Heimat am Rio Grande nie wieder. –

El Diabolo lebte noch zwei Tage. Felsenherz hatte ihn sachgemäß verbunden gehabt und edelmütige wie stets alles getan, um den seine Schandtaten ehrlich Bereuenden zu retten. Die Kugel hatte jedoch die Lunge durchschlagen, und menschliche Pflege vermochte nichts mehr auszurichten.

Die Goldsucher langten vierzehn Tage später unter Felsenherz und seiner Freunde Schutz wohlbehalten in den nahen Ansiedlungen an.

 

 

Fußnoten:

1 Schimpfname für die Apachen

2 eine kleine Wildschweinart, die rudelweise auftritt und selbst größere Tiere anfällt