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Felsenherz der Trapper
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Elisabeth-Ufer 44
Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin
Felsenherz, der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten
erzählt von
Kapitän William Käbler.
Heft: 29
1. Kapitel
Billy und Jimmy.
Am buschreichen Ufer einer der weiten Prärien am Unterlauf des Kimarron-Flusses lagerten an einem heißen Frühherbsttag etwa achtzig Rothäute, die soeben von Norden her einer dem anderen folgend zu Fuß durch die grasreiche Savanne gekommen waren – waffenlos, ohne Pferde, nur ausgerüstet mit Steinbeilen, die sie sich aus Not höchst primitiv hergestellt hatten.
Diese achtzig Apachen samt ihrem Oberhäuptling Mattari, dem starken Büffel, waren vor einer Woche weiter nördlich hauptsächlich durch das Eingreifen des berühmten Trappers Felsenherz und seines roten Bruders, des Komanchenhäuptlings schwarzer Panther, gezwungen worden, sich zu ergeben und unter Verlust ihrer Pferde und Waffen den Heimweg nach ihren Dörfern am Rio Pecos zu Fuß anzutreten.
Mattari, der den Kriegsnamen starke Büffel mit Recht verdiente, da seine hühnenhafte Gestalt ungeheure Kraft verriet, schaute jetzt finster zu, wie seine Krieger den Bach durch einen Damm von Strauchwerk absperrten, um so in dem trocken gelegten Bachbett die hier reichlich vorhandenen Fische leichter fangen zu können.
In der Brust des Apachenhäuptlings, der nach dieser Niederlage bei den Seinen sehr an Ansehen eingebüßt hatte, keimten von Tag zu Tag blutigere Rachegedanken auf.
Ein unauslöschlicher Haß gegen Felsenherz und den schwarzen Panther ließ ihn stets neue Rachepläne entwerfen, die jedoch vorläufig sämtlich undurchführbar waren, da er mit seinen Kriegern ohne Pferde und Schußwaffen nicht daran denken durfte, umzukehren und den Trapper und dessen roten Freund und Bruder aufzusuchen und in seine Gewalt zu bringen. Im Gegenteil: Hier im Jagdgebiet der Sioux mußte er lediglich darauf bedacht sein, mit seinen Kriegern unbemerkt den beschämenden Rückmarsch fortzusetzen. Nur der Hunger hatte ihn und seine Schar gezwungen, an diesem Bach halt zu machen.
Neben Mattari hockten mit untergeschlagenen Beinen ebenfalls in finsterem Brüten die drei ältesten Krieger der Abteilung. Zwei von ihnen bemühten sich, mit Hilfe des Präriefeuerzeugs einen Haufen trockener Zweige in Brand zu setzen. Der dritte aber, seit langem Mattaris heimlicher Rivale um die Häuptlingswürde, schnitzelte mit einem schmalen scharfkantigen Steinstück an einer schlanken dünnen Tanne, um daraus eine Lanze zu fertigen.
Mattari hatte rund um den Lagerplatz auf den nächsten Hügeln der Prärie Posten aufgestellt, um vor jeder Überraschung durch die Sioux sicher zu sein. –
Es war jetzt gegen zehn Uhr vormittags.
Die Sonne brannte heiß vom wolkenlosen Himmel hernieder. In der durchsichtigen klaren Luft schwebten wie dunkle Punkte ein paar Adler, die im nahen Felsengebirge ihre Horste haben mochten.
Der schlanke, grauhaarige Apache, der sich eine Lanze herzustellen suchte, war jetzt mit seiner Arbeit soweit fertig, daß er sich eine passende Steinspitze für die Lanze suchen mußte. Er erhob sich und schritt langsam am Bach abwärts, um ein paar westlich gelegene Felshügel zu erreichen, wo er ein geeignetes Steinstück zu finden hoffte.
Ocaropa, der flüchtige Hirsch, hatte sehr bald die Hügel dicht vor sich. Mit größter Behutsamkeit näherte er sich den zerklüfteten, zum Teil bewaldeten Anhöhen. Nachdem er eine Schlucht durchquert und die höchste Erhebung der kleinen Hügelkette erklommen hatte, ließ er die Blicke spähend über das Grasmeer nach Westen hinschweifen, wo einzelne Trupps von Büffeln friedlich grasten.
Damals gab es in den endlosen Prärien des amerikanischen Westens noch Büffel zu Millionen. Damals hatte die Massenschlächterei noch nicht eingesetzt, die dreißig Jahre später den wilden Büffel völlig ausrotten sollte.
Ocaropas scharfe Augen gewahrten sehr bald noch etwas anderes, das sein rotbraunes, faltiges und narbiges Gesicht vor Staunen völlig veränderte.
Drei Auswandererwagen, jeder mit acht Maultieren bespannt, waren da soeben aus einem Tal der Savanne aufgetaucht und hielten, begleitet von einem Dutzend Reiter, auf die Hügelkette zu.
Ocaropa eilte plötzlich in langen Sprüngen nach dem Bach zurück. Diese Sprünge machten seinem Namen flüchtiger Hirsch alle Ehre. Als er das Lager erreichte, arbeiteten seine Lungen und sein Herz kaum lebhafter als bisher. Trotz seiner sechzig Jahre hatte er sich eine bewundernswerte körperliche Frische erhalten.
Nun stand er vor dem finsteren Mattari, der soeben durch einen jungen Krieger sich ein paar der gefangenen Fische hatte bringen lassen.
„Mattari mag den Hunger vergessen,“ sagte Ocaropa in den tiefen Kehllauten der Apachensprache. „Drei Wagen und zwölf Reiter erblickte der flüchtige Hirsch. Es sind Blaßgesichter, die nach dem Felsengebirge ziehen. Das Gold lockt die Bleichgesichter herbei wie der Honig die Bienen. Die tapferen Krieger der Apachen werden Büchsen und Pferde haben, wenn sie auf Ocaropas Stimme hören.“
Ein dichter Kreis von Rothäuten hatte sich um das flackernde Lagerfeuer gebildet.
Mattari erwiderte kurz:
„Will Ocaropa die Blaßgesichter mit den Steinbeilen angreifen, die wir uns notdürftig zurechtgemacht haben?! Die Kugeln würden uns fressen, bevor wir noch ein einziges Bleichgesicht niedergeschlagen hätten.“
Der flüchtige Hirsch erklärte ebenso kurz:
„Mattari vergißt die Nacht. Die Blaßgesichter werden lagern. Ihre Wachen werden sterben, ohne die anderen warnen zu können. Verbergen wir uns.“
Der Oberhäuptling hörte das Beifallsgemurmel seiner Krieger, die Ocaropas Vorschlag auf diese Weise ihre Billigung erteilten.
Obwohl er aus Neid und Mißgunst am liebsten dem flüchtigen Hirsch, der sich hier jetzt die Rechte eines Häuptlings anmaßte und ihn gleichsam bevormundete, grob zurückgewiesen hätte, wagte er es angesichts der vor einer Woche erlittenen Schlappe doch nicht, seine wahre Gesinnung zu verraten, sondern erteilte rasch die nötigen Befehle, um den Blaßgesichtern unbemerkt folgen zu können. –
*
Die drei großen, mit Leinwanddächern versehenen Auswandererwagen hatten inzwischen nach Norden zu die felsigen Hügel umrundet und fuhren jetzt weiter in flottem Schritt durch die Prärie nach Osten zu.
Etwa hundert Meter vor den Wagen ritten zwei Männer, deren seltsame Erscheinungen wohl wert sind, eingehender geschildert zu werden.
Beide waren lang und abschreckend mager, ritten ebenso dürre Klepper und trugen von der Sonne völlig verfleckte, einst rot gewesene Uniformröcke, dazu Hosen aus Leder, lange Stiefel, Hüte aus dickem Filz und unter den weit offenstehenden Röcken blaue derbe Wollhemden.
Während der eine jedoch über einen dünnen Vollbart verfügte, war der andere glatt rasiert. Trotzdem sah man auf den ersten Blick, daß die beiden Zwillingsbrüder sein mußten, denn bis auf den Bart glichen sich ihre Gesichter so vollkommen, wie dies eben nur bei Zwillingen der Fall ist. Die Gesichter sonnengebräunt wir altes Leder, waren alles andere als schön. Die langen spitzen Nasen, die geradezu riesigen Ohren, die kleinen lästigen Schweinsäuglein und die Mundpartie mit den dicken Wulstlippen wirkten überaus komisch.
Auch ihre Bewaffnung war die gleiche: Doppelbüchse, Messer, Tomahawk und doppelläufige, klobige Pistolen.
Mochten die beiden in diesem Aufzug auch mehr Ulkfiguren aus einem Witzblatt als Savannenläufer gleichen, so waren sie doch im wilden Westen überall bekannt und gefürchtet.
Billy und Jimmy stellten eben jene damals so häufige Gattung von Westmännern dar, die auf Äußerlichkeiten nicht das geringste gaben und die es für eine Ehrenpflicht hielten, ihr wunderliches Kostüm nie zu wechseln.
Vor vier Wochen hatten sie sich von dem Auswanderertrupp als Fährtensucher und Jäger in einem kleinen Städtchen am Arkansas anwerben lassen und ihre Schutzbefohlenen denn auch bisher glücklich durch das Indianergebiet bis hier her ohne ernstliche Zwischenfälle geleitet.
Die Auswanderer bestanden aus vier Familien, die bis vor kurzem in einem Ort am Missouri gewohnt, dann aber beschlossen hatten, ihr Heil als Gambusinos[1] in den San Juan-Bergen zu versuchen, wo vor kurzem reiche Goldfunde gemacht worden waren. Die zehn erwachsenen Männer, die zu den vier Familien gehörten, waren als Farmer gute Schützen, und auch die Frauen wußten recht sicher mit einer Büchse umzugehen, so daß man im Notfall über achtzehn Verteidiger, die beiden Westläufer eingerechnet, verfügte. –
Der rothaarige Billy sagte jetzt zu seinem Bruder, der behaglich eine kurze Pfeife rauchte:
„Nun Jimmy, was hältst du von dem Mexikaner, der sich uns gestern angeschlossen hat? Der Mann will Trapper sein, nennt sich Radocho. Mir gefällt er nicht. Ich schätze, es ist einer der Kerle, die jetzt hier die Prärien unsicher machen und ernten, wo sie nicht gesät haben.“
„Bruder Billy,“ erwiderte der Glattrasierte, „ich schätze dasselbe. Es treibt sich jetzt in den Savannen allerlei Gesindel umher, dem ‛s in den Städten zu heiß geworden und die den Richter Lynch zu fürchten haben. Dieser Radocho macht ganz den Eindruck eines Menschen, die man tagelang gehetzt hat. Daß die Sioux hinter ihm drein gewesen sein sollen, wie er behauptet, glaube ich nicht. Die Sioux sind um diese Jahreszeit stets weiter nördlich auf der Büffeljagd. Wir werden ein wachsames Auge auf diesen Mexikaner haben müssen, Bruder Billy.“
„Stimmt, Bruder Jimmy, – ein sehr wachsames Auge!“
2. Kapitel
Der Mexikaner.
Der Mann, über den die Zwillingsbrüder hier in so wenig günstiger Weise sprachen, ritt ganz allein ein Stück hinter dem Wagenzug drein.
Er war in einen sauberen Jagdanzug aus Hirschleder gekleidet, trug dazu einen breitbandigen Filzhut und ritt einen Braunen von starkem Gliederbau und doch zierlichen Formen, hatte am Sattel eine in ein selbstgenähtes Lederfutteral gehüllte lange Büchse hängen und im Gürtel einen Tomahawk und ein Jagdmesser stecken.
Sein Gesicht war von Wind und Wetter fast kupferrot gefärbt. Ein breiter blonder stattlicher Vollbart umgab dieses sympathische offene Gesicht, in dem für einen besseren Menschenkenner, als Billy und Jimmy es in diesem Fall waren, ebenso viel Ehrlichkeit und Treuherzigkeit lagen wie in dem ernstsinnenden Ausdruck der blaugrauen, lebhaften Augen.
Dieser Radocho hatte sehr wohl gemerkt, daß die beiden Fährtensucher ihm mit Mißtrauen begegneten. Er hatte dazu nur heimlich gelächelt. Auch jetzt, wo Billy und Jimmy sich da weit vorn so eifrig unterhielten, ahnte er, daß ihr Gespräch sich um seine Person drehte. –
Er war jetzt absichtlich etwa zweihundert Meter zurückgeblieben. Als der Wagenzug vor ihm über eine Anhöhe hinweg verschwunden war und er selbst sich mit seinem Braunen in einer Talmulde befand, sprang er rasch aus dem Sattel und zog aus der Tasche seines Jagdrockes sechs kurze Zweige hervor, die er vorhin an einem Strauch abgeschnitten hatte.
Diese Zweige bohrte er jetzt auf dem Sandhügel des Erdbaus einer Prärieratte in den Boden und zwar in ganz bestimmte Art, so daß sie eine besondere Figur bildeten.
Dann bestieg er seinen Braunen wieder und folgte den Wagen jetzt im Trab, holte sie sehr bald ein und lenkte sein Pferd neben den Führer der Goldsucher, einem Mann namens Smithson, der, obwohl bereits über fünfzig Jahre alt, noch von jugendlicher Rüstigkeit und Frische war.
Inzwischen hatte Jimmy, der Bartlose, sich von seinem Bruder getrennt und war seitwärts in ein schluchtartiges Tal abgebogen. Die Brüder hatten nämlich, durch das zurückbleiben Radochos argwöhnisch gemacht, beschlossen sich davon zu überzeugen, ob der Mexikaner nicht etwa für seine Gefährten, die sie in der Nähe vermuteten, ein Zeichen zurückgelassen hätte.
Jimmy ließ jetzt den Zug an sich vorüber und galoppierte dann unbemerkt im Bogen nach jenen Felsenhügeln zurück, denen man soeben nach Norden ausgewichen war.
Als er sie erreichte, hatte Mattari mit seinen Kriegern sich bereits von dem Bach entfernt und in einer nahen buschartigen Senkung sich verborgen, an deren Rand er nur ein paar Wachen zurückgelassen hatte.
Der dürre Jimmy merkte nichts von der bedrohlichen Nähe der Apachen, hielt von einem der Hügel Ausschau, fand die Prärie ringsum scheinbar nur von weidenden Büffeln belebt und sprengte auf der Fährte des Wagenzuges wieder nach Osten, indem er scharf nach den Spuren Radochos ausspähte, der zuletzt mehr seitlich geritten war.
So konnte ihm die aus den Aststückchen hergestellte Figur auf dem Sandhügel nicht entgehen.
Im Nu war er aus dem Sattel, betrachtete das Bild der Holzzweiglein sehr genau und nahm sie dann an sich.
Dann jagte er nach rechts in einer Talsenkung weiter, um wieder vor den Wagenzug zu seinem Bruder zu gelangen, ohne daß der Mexikaner merkte, was inzwischen geschehen.
Billy sah jetzt den glattrasierten Jimmy von rechts aus einem ausgetrockneten Regenbett auftauchen.
„Na, Bruder Jimmy, was gibt’s denn?“ fragte er gespannt. „Du machst ein Gesicht wie ein Advokat, der einen fetten Prozeß wittert.“
Und Jimmy erzählte.
„Ich schätze, Bruder Billy,“ fügte er zum Schluß hinzu, „daß nun erwiesen ist, daß Radocho zu einer Buschklepperbande gehört, wie wir ja gleich vermuteten. Was die Figur der Zweige bedeutet, weiß ich zwar nicht. Jedenfalls war sie aber ein Zeichen für die edlen Verbündeten des Mexikaners. Wir werden daher abends das Lager an einem Platz aufschlagen, wo wir so leicht nicht anzugreifen sind.“
„Stimmt, Bruder Jimmy, das tun wir! Und den Radocho werden wir dann sehr höflich –“ – er klopfte dabei an den Kolben seiner Büchse – „fragen, für wen er die Figur hergestellt hatte. Du siehst, Bruder Jimmy, wir beide haben doch noch immer recht brauchbare Grütze im Schädel, obwohl uns die Sonne nun bereits etliche vierzig Jährchen auf das Hirn brennt.“ –
Tagsüber ereignete sich dann nichts von Wichtigkeit mehr.
Als die Sonne im Westen hinter den fernen Kuppen des Felsengebirges versank, hatte der Wagenzug einen breiteren Präriebach erreicht, dessen hohes, steiles Westufer an einer Stelle ein Stück vorsprang und so eine halbkreisförmige, nur nach Osten hin zugängliche Plattform bildete, die den Brüdern als Lagerplatz außerordentlich geeignet schien.
Als sie dem Führer der Goldsucher ihre Absicht mitteilten, dort zu lagern, war Radocho in der Nähe und meinte dann warnend:
„Gewiß, der Platz ist nur von Osten her anzugreifen und deshalb leicht zu verteidigen. Aber – vergeßt nicht, daß er aus demselben Grund auch eine Falle für uns werden kann. In der offenen Prärie ist es weit leichter sich durchschlagen, falls dies nötig sein sollte.“
Der bärtige Billy glaubte jetzt die Gelegenheit gekommen zu sehen, den Mexikaner zu entlarven.
Plötzlich legte er auf Radocho an und rief:
„Schweigt, Mann! – Ihr seid ein Verräter! Wir haben euer Hinweiszeichen im Sand bemerkt und zerstört, das ihr für eure Freunde aufgebaut hattet! Auch wir kennen diese Art, Signale zu setzen.“
Die Goldsucher umdrängten jetzt die kleine Gruppe, und Smithson, der Anführer, meinte finster:
„Verteidigt euch, Radocho! Was ist’s mit dieser Figur?“
Der Mexikaner zeigte keinerlei Verlegenheit.
„Ich gebe zu,“ erwiderte er, „daß zwei Freunde von mir wahrscheinlich mich suchen werden. Ich wollte ihnen durch die Aststückchen allerdings etwas mitteilen.“
Billy und Jimmy triumphierten.
„Hört ihr’s, Leute!“ rief Jimmy. „Er leugnet nicht, weil er nicht leugnen kann! Aber er lügt trotzdem! Es werden nicht zwei Freunde sein, sondern – eine ganze Bande von Präriestrolchen, die es auf euer Eigentum abgesehen haben!“
Radochos Gesicht blieb unberührt von dieser Anschuldigung.
„Ich nehme euch diesen Argwohn nicht weiter übel,“ sagte er nur. „Die Zukunft wird euch beweisen, ob ich’s ehrlich meine oder nicht.“
„Oho!“ lachte der etwas hitzige Billy. „Die Zukunft wird euch lehren, daß ihr hier keine Dummköpfe vor euch habt! In der offenen Prärie sollen wir lagern! Das könnte euch so passen! Dann hätten’s eure Kumpane leicht, uns zu überfallen.“
Die Geldsucher nahmen jetzt gleichfalls eine drohende Haltung an.
„Liefert sofort eure Waffen aus!“ befahl Schmithson.
Da flammten die Augen des Mexikaners einen Moment auf, erloschen jedoch sofort wieder. Und Radocho lächelte:
„Ein Trapper gibt seine Waffen nie her, Mr. Smithson!“ –
Das klang so ruhig und gelassen, als ob all die Flintenläufe nicht vorhanden wären, die jetzt Radocho bedrohten.
Smithson brauste auf.
„Ihr werdet gehorchen, Mann! Oder –!“
Da geschah etwas, womit niemand auch nur im entferntesten gerechnet hatte.
Der Mexikaner hatte seinen Braunen neben Billys Fuchsstute gedrängt, hatte zugepackt und den dürren Billy blitzschnell aus dem Sattel gerissen und im Schwung vor sich über den Hals seines Pferdes geworfen.
Diese Kraftprobe wirkte derart verblüffend, daß für Sekunden die Zuschauer völlig stumm blieben. Auch Billy war so erschrocken, daß er sich in keiner Weise wehrte.
„Ich könnte jetzt mit Billy als Schild gegen eure Kugeln davonjagen,“ meinte Radocho. „Doch – ich verzichte darauf!“
Und er ließ Billy auf die Füße ins Gras gleiten, sprang aus dem Sattel und setzte sich auf einen nahen Stein. Sein Brauner begann sofort friedlich zu grasen.
Billy schnappte vor Wut förmlich nach Luft. Er fühlte sich blamiert, hätte zu gern seinem Ärger wortreich Ausdruck verliehen, hielt es aber doch für ratsamer, zu schweigen, da des Mexikaners ihn seltsam durchdringend musterte.
Auch Jimmy und den Goldsuchern hatte Radochos Kraftstück imponiert. Man ließ ihn also ungeschoren, schob die Wagen im Halbkreis nach Osten zu an die vorspringende Uferwand und begann mit den Zurüstungen zum Abendessen.
Als nachher für die Nacht die Wache verteilt wurden, mischte Radocho, der bisher stumm am Lagerfeuer gesessen, sich abermals ein.
„Die Ruhe in der Prärie ist trügerisch,“ sagte er ernst. „Dort im Südosten sind die Büffel sämtlich verschwunden. Irgend etwas hat sie davongescheucht. Es müssen Menschen gewesen sein – Rothäute in größerer Zahl. Verlegt das Lager, rate ich euch! Dieser Platz ist nicht gut!“
„Haltet das Maul!“ brüllte Billy da. „Seid froh, daß wir euch noch nicht gefesselt haben, wie ihr’s verdient!“
Der Mexikaner schüttelte nur den Kopf.
„Eure Grobheit wird sich selbst bestrafen, Billy!“ meinte er. „Ich werde nach Mitternacht mit die Wache übernehmen. Es sind Apachen in der Nähe.“
„Apachen?! Hier nördlich des Kanadian?!“ höhnte Billy. „Mann, ihr sei nicht recht gescheit!“
Radocho schwieg. Als dann aber gegen ein Uhr morgens die drei draußen vor den Wagen stehenden Wachen abgelöst wurden, verließ auch der Mexikaner seinen Lagerplatz, nachdem er seine Büchse von dem Lederfutteral befreit hatte.
Jimmy, der jetzt einen der Goldsucher ablöste, beobachtete mißtrauisch, wie der Mexikaner im dichten Gras bis zu dem Stein kroch, auf dem er vorhin gesessen hatte. Da jedoch Radochos Pferd sich in der Wagenburg befand, hoffte er, jeden heimtückischen Streich des Mexikaner verhindern zu können. Er legte sich unweit des Steines auf einen kleinen Hügel, das Gesicht nach Osten gerichtet, und behielt auch, so gut wie es bei der Dunkelheit möglich war, Radocho im Auge, von dem er nur den über den Stein hinwegragenden Filzhut wahrnehmen konnte.
3. Kapitel
Die Belagerung.
Radocho hatte sehr bald vorsichtig seinen Hut abgenommen und ihn so auf die Kante des Steines gelegt, daß es so aussehen mußte, als läge er selbst noch an dieser Stelle.
Dann war er mit einer Gewandtheit, die ein Trapper nur durch jahrelange Übung erreicht, lautlos weitergekrochen, so an den Boden geschmiegt, daß er ungesehen sich entfernen konnte.
Eine Viertelstunde lang bewegte er sich in derselben Weise nach Südost zu, wo ein Wäldchen wie eine dunkle Insel über die nächtliche Savanne hinwegragte.
Er vermutete, daß die Apachen dort in dem Wäldchen steckten, dieselben Apachen, deren Spuren er vor zwei Tagen weiter nördlich in den steinigen Big Fork-Bergen verloren hatte.
Da plötzlich hinter ihm vom Lager her ein Schuß – noch einer.
Dann schon das gellende Angriffsgeheul der Apachen, – neue Schüsse.
Der Trapper lief in langen Sprüngen zurück, spannte die Hähne seiner Doppelbüchse, sah bald die zusammengeschobenen Wagen vor sich und einen dichten Haufen von Rothäuten, der durch die Freiräume zwischen den plumpen Fahrzeugen einzudringen suchte.
Seine Büchse flog empor.
Zwei der Apachen, die bereits das eine Wagendach erklettert hatten, stürzten nach vorn wieder hinab.
Dann riß er den Tomahawk heraus, stürmte weiter.
Mattari, der Oberhäuptling, sah ihn kommen, erkannte die hohe stattliche Gestalt.
„Felsenherz!“ gellte sein Ruf. „Felsenherz! Stirb – stirb durch die Kugel aus der Büchse deines feigen Bruders, des schwarzen Panthers, den wir heute nachmittag samt dem kleinen Trapper Tom Einaug gefangen genommen haben!“
Die mächtige Stimme der starken Büffel hatte selbst das Angriffsgeheul seiner Krieger übertönt.
Ein paar Minuten verstummte jetzt jeder Laut.
Hinter dem dichten, windgejagten Gewölk war soeben die Mondscheibe hervorgetreten.
Mattari hob die Büchse, die er dem Komanchen geraubt hatte, zielte.
Felsenherz – denn der angebliche Mexikaner war kein anderer als der berühmte Jäger! – stand hoch aufgerichtet keine fünfzehn Schritt vor seinem erbitterten Feind.
Im selben Moment, als Mattari dann abdrückte, hatte der Trapper sich jedoch zur Seite geworfen.
Und schon flog auch der Tomahawk, durch blitzschnelle Armbewegung geschleudert, aus des Jägers Hand, wirbelte durch die Luft und schlug dem Apachenhäuptlings die Büchse aus der Hand. Die Schneide des Wurfbeiles war tief in den linken erhobenen Unterarm eingedrungen, und der jähe Schmerz ließ Mattari die Waffe entgleiten.
Felsenherz war schon neben ihm.
Bevor noch ein einziger der anderen Apachen ihren Anführer beispringen konnte, hatte der Trapper mit der Faust ausgeholt und ihn mit einem Schlag zu Boden gestreckt, Büchse und Wurfbeil aufgerafft, Mattari in den linken Arm genommen und sich bis zum nächsten Wagen durch die wie erstarrt verhaltenden Apachenkrieger einen Weg gebahnt.
Auch Billy hatte den Ruf ‚Felsenherz – Felsenherz!‛ vernommen.
Urplötzlich begriff er da, wer der angebliche Mexikaner Radocho in Wahrheit war. Er hatte seine Büchse inzwischen wieder geladen, und gerade zur rechten Zeit konnte er jetzt zwei Apachen durch wohlgezielte Kugeln niederstrecken, die nun auf Felsenherz eindrangen.
Die Goldsucher, die im ersten Schreck über den unvermuteten Angriff recht kopflos sich verteidigt hatten, begannen jetzt gleichfalls mit größerer Ruhe die Angreifer unter Feuer zu nehmen.
Glücklich gelangte Felsenherz so in das Lager hinein, ließ Mattari zur Erde fallen und lud rasch seine Büchse, um die Rothäute völlig zu verscheuchen, deren Hoffnung, die Goldsucher unvermutet überfallen zu können, durch Jimmys Wachsamkeit zu Schaden geworden war.
Die Apachen fluteten denn auch sehr bald zurück und verschwanden nach Osten zu.
Leider hatte der Angriff jedoch auch fünf der Goldsucher das Leben gekostet. Außerdem wurde sehr bald festgestellt, daß die Apachen sowohl die Büchsen der beiden von ihnen draußen niedergemachten Posten als auch noch sechs andere Flinten in der Verwirrung des Kampfes aus einem Wagen, nebst zwei Pulverhörner und zwei Kugelbeuteln mit sich genommen hatten.
Im Lager herrschte noch Bestürzung, nun kam die Wut – und die Trauer. Die fünf Toten, alles jüngere Söhne der Familien, waren sogar skalpiert worden, ein Beweis, daß die Apachen sich auch die Messer des Komanchenhäuptlings und Tom Einaugs angeeignet hatten.
Felsenherz half zunächst die Verwundeten verbinden. Im ganzen waren noch sechs Personen, vier Männer und zwei Frauen, durch Steinwürfe verletzt worden. Die Apachen hatten eben mangels anderer Waffen sich Felsbrocken als Geschosse bedient.
Billy und Jimmy wollten sich bei dem berühmten Trapper wortreich entschuldigen, weil sie ihn doch irrtümlicherweise für einen Buschklepper gehalten hätten.
Er unterbrach den redseligen Billy jedoch sofort, indem er meinte: „Im Grunde bin ich ja selbst schuld daran, daß ihr mir mißtrautet. Ich hätte mich sofort zu erkennen geben sollen, nachdem ich gesehen, mit wem ich’s zu tun hatte. – Chokariga, der schwarze Panther der Komanchen, Tom Einaug und ich wollten den achtzig entwaffneten Apachen auf der Spur bleiben, da wir ihnen nicht recht trauten. Sie verstanden es jedoch, ihre Fährten so gründlich zu verwischen, daß ich mich von meinem Gefährten trennte, damit wir einzeln nach den Apachen suchten. Nun sind mein roter Bruder Chokariga und Tom Einaug in einen Hinterhalt geraten und in der Gewalt der Apachen, die den beiden aber vorläufig kein Haar krümmen werden, da wir den Oberhäuptling Mattari als Geisel bei uns haben. Warten wir ab, was die Roten unternehmen werden.“
Die Leichen der im Kampf gefallenen elf Apachen wurden nun zusammengetragen, neue Wachen aufgestellt und vor den Wagen drei große Feuer angezündet.
Mattari war an einen der Wagen gefesselt worden. Mit frechem Hohn hatte er, kaum wieder zum Bewußtsein gekommen, Felsenherz zugerufen:
„Ihr alle werdet sterben, bevor die Sonne zum zweiten Mal untergegangen ist! Mattari hat Befehl gegeben, den Hund von Komanchen und das einäugige Blaßgesicht zu töten, falls der Angriff mißlingt!“
Der blonde Trapper würdigte den Oberhäuptling keiner Antwort. Er wußte, daß Mattari log und ihn nur einschüchtern wollte.
Bald zeigte sich, daß die Apachen um die Wagenburg einen dichten Halbkreis gezogen hatten, der von der einen Stelle des Steilufers im Bogen um das vorspringende Plateau nach einem mehr nördlichen Punkt verlief. Da sie jetzt genügend Gewehre zur Verfügung hatten, feuerten sie hinter schnell hergestellten Steindeckungen hervor auf jeden, der sich außerhalb der Wagenburg zeigte. Man merkte, daß sie von einem listenreichen Krieger befehligt wurden, denn noch vor Morgengrauen hatten sie diese Steinbrustwehren bis auf fünfzig Meter an das Lager vorgeschoben, ohne daß es gelingen wollte, sie durch Schüsse hieran zu hindern. Sie im offenen Angriff zu vertreiben, war unmöglich, da dies fraglos neue Tote und Verwundete gekostet hätte.
Was Felsenherz vorausgesehen, war jetzt eingetreten: Der von Billy und Jimmy gewählte Lagerplatz war zu einer Falle geworden!
Nach Westen zu stürzte das Steilufer, aus lehmiger harter Erde bestehend, gut dreißig Meter tief ab, ebenso zum Teil nach Norden und Süden. Nach der andern Seite aber hatten die Apachen sich so sicher als Belagerer eingenistet, daß ihnen mich beizukommen war.
Als die Sonne aufging, nahte plötzlich Ocaropa, der flüchtige Hirsch, einen grünen Zweig schwingend und unbewaffnet als Unterhändler der Wagenburg.
Felsenherz, den die Goldsucher ohne weiteres als Führer anerkannt hatten, ließ den Apachen in das Lager ein.
Die Verhandlungen verliefen ergebnislos, da Ocaropa im Vertrauen auf die überlegene Anzahl seiner Krieger von den Goldsuchern die Auslieferung des blonden Trappers und die Freilassung Mattaris verlangte. Dafür wollte er den übrigen Weißen freien Abzug gewähren.
Smithson, der Älteste der Gambusinos, lehnte dieses Ansinnen natürlich entrüstet ab. So schritt Ocaropa denn wieder von dannen, nachdem er noch gefragt hatte, ob er die Leichen seiner Krieger holen dürfe. Dies wurde ihm gestattet.
Eine Stunde später wurden auch innerhalb der Wagenburg die fünf weißen Toten beerdigt.
Dann tauchten unten nach Westen zu am Bach mehrere Apachen auf, die nun auch von dort das hochgelegene Lager im Auge behielten.
Der Ring um die Belagerten war jetzt also geschlossen.
4. Kapitel
Ocaropas Plan.
Die Apachen hatten in einem nahen Tal ein Lager bezogen. Von hier aus war auf Ocaropas Befehl inzwischen eine Steinmauer aufgehäuft worden, die sich von Brustwehr zu Brustwehr weiterzog, so daß die Ablösung der Wachen vollständig unbemerkt erfolgen konnte. Alle Anordnungen des flüchtigen Hirsches bewiesen, daß er tatsächlich an Klugheit und Umsicht dem Oberhäuptling weit überlegen war. Die Krieger ordneten sich ihm gerne unter, denn auch sie hofften, die verhaßten Weißen dort in der Wagenburg aushungern zu können.
Der Komanchenhäuptling und Tom Einaug waren inmitten der von den Apachen rasch errichteten Laubhütten gefesselt an Pfähle gebunden, die man tief in die Erde gerammt hatte.
Ocaropa hockte jetzt regungslos an einem kleinen Feuer, über dessen Glut am Spieß die Lende eines vorhin erlegten Büffels schmorte.
Sein Blick glitt immer wieder zu den Gefangenen hinüber, die in der prallen Sonne alle Qualen des Durstes durchmachen mußten, ohne auch nur ein Glied rühren zu können.
Ocaropa überlegte, ob er die beiden nicht irgendwie dazu benutzen könnte, die Blaßgesichter schneller zu überwinden.
Dann erschien einer der Posten von der andern Seite des Baches und flüsterte Ocaropa hastig etwas zu. Dieser junge Krieger war des flüchtigen Hirsches jüngerer Sohn, der es mit seinem Vater an Verschlagenheit in jeder Beziehung aufnehmen konnte.
Ocaropa stand auf und folgte dem Krieger, durchschritt den Bach und befand sich bald gegenüber dem Lager der Blaßgesichter in den dichten Büschen des flachen westlichen Bachufers.
Vor ihm, etwa vierzig Meter entfernt, ragte der vorspringende Teil des Steilufers in die Höhe. Der Bach, der ein starkes Gefälle hatte, umspülte den Fuß dieser riesigen Lehmwand.
Der junge Krieger, hinter dem Vater stehend, erläuterte diesem nochmal seinen Plan.
Ocaropas Augen leuchteten triumphierend auf. Er erkannte, daß der Gedanke seines Sohnes ausführbar war. Man brauchte hier an dieser Stelle das Bachtal nur zu verengen, und die Strömung würde den Lehmberg drüben rasch unterwaschen und schließlich zum Einsturz bringen, wenn genügend Erdreich weggespült war. –
Oben am Rand des Steilufers beobachteten Felsenherz und die Zwillingsbrüder, ein paar Holzkisten als Deckung benutzend, gegen Mittag mit einiger Unruhe, daß die Apachen dort in der Tiefe, durch das dichte Buschwerk geschützt, immer mehr Steine und ganze Felsblöcke in den Bach wälzten.
Zunächst wurden sie sich über die Absichten der Rothäute nicht klar. Erst als eine Hälfte des Baches durch einen Steindamm gesperrt war und so eine doppelt scharfe Strömung unausgesetzt den Fuß des Lehmberges traf, als das abfließende Wasser völlig gelb gefärbt war und kleine Einstürze der unterspülten Teile sich bis oben durch lautes Poltern bemerkbar machte, durchschaute der blonde Trapper das Vorhaben der Apachen. Er sah auch sofort ein, daß der ebenso schlaue wie teuflische Plan glücken mußte, daß der ganzen vorspringenden Wand der Einsturz drohte und daß Wagen, Menschen und Tiere dann mit hinab in die Tiefe sausen würden.
Durfte er unter diesen Umständen irgendwelche Rücksichten nehmen? Mußte er nicht den blutgierigen Feinden deutlich vor Augen führen, daß auch ihr Oberhäuptling Mattari dann mit verloren sei?
Kurz entschlossen befahl er, Mattari loszubinden und ihm einen Lasso unter den gefesselten Armen durchzuziehen.
An diesem Lasso wurde Mattari ein Stück über den Rand der über–hängenden Steilwand hinab in die Tiefe gelassen, so daß er nun frei in der Luft schwebte, nur durch den Lederriemen gehalten.
Kaum hatten die Wachen der Rothäute, die drüben im Gebüsch steckten, ihren Oberhäuptling dort oben bemerkt, als sie auch sofort einen Boten nach dem Lager zu Ocaropa schickten.
Der flüchtige Hirsch rief die ältesten Krieger zusammen und fragte bei dieser Beratung mit kalter Ruhe, ob man Mattaris wegen die Blaßgesichter schonen solle. Nicht einer der Krieger wollte den verheißungsvollen Plan aufgegeben wissen. Nicht einer sprach für Mattari, der ja ohne Zweifel unter den einstürzenden Erdmassen begraben werden würde.
Ocaropa kostete es Mühe, seine Freude zu verbergen. Nun würde er den Rivalen für alle Zeit loswerden! Dann würde man ihn selbst, wenn er mit der reichen Beute der Auswandererwagen heimkehrte, zum Oberhäuptling erwählen. –
Felsenherz hatte mit banger Erwartung bis drei Uhr nachmittags vom Rand des Abhangs hinabgespäht, ob die Apachen nicht den Bach ableiten würden, um Mattari nicht der Gefahr auszusetzen, den tödlichen Sturz in die Tiefe mitzumachen.
Doch nichts geschah.
Nein, er beobachtete sogar, daß die Rothäute weiter unterhalb das Bachbett durch kleine Dämme verändert hatten, damit die Strömung immer stärker wurde.
Die Abstürze der unterspülten Teile erfolgten jetzt immer häufiger. Felsenherz konnte sich leicht berechnen, daß der Lehmberg am Fuß bereits völlig unterhöhlt sein mußte.
Noch andere Sorgen bedrückten ihn: Die Angst um das Leben seines roten Bruders Chokariga und des wackeren Tom Einaug, der ihm ebenfalls seit Wochen ein treuer Gefährte gewesen.
Umsonst zermarterte er sich den sonst so erfindungsreichen Kopf, ob er nicht irgend ein Mittel fände, die beiden zu retten und die drohende Gefahr von den Goldsuchern abzuwenden. Er wußte, daß er nicht mehr lange zögern dürfe, irgend etwas zu unternehmen. Auch Billy und Jimmy, ebenfalls von dem furchtbaren Ernst der Lage überzeugt, rieten hin und her, ob es denn nicht einen Weg gäbe, die Pläne der rachgierigen und beutelüsternen Feinde zu vereiteln.
Sinnend ruhte des blonden Trappers Blick jetzt auf seinem edlen, schnellen Pferd.
Schon einmal hatte er daran gedacht, mit dem Braunen nach Westen durchzubrechen. Aber – die hinter den Steinhaufen versteckten Apachen würden ihm fraglos das kostbare Tier erschießen, das ihn schon so manches Mal durch seine Ausdauer und Schnelligkeit gerettet hatte.
Dann – plötzlich wie mit einem Schlag hatte Felsenherz das einzige Mittel gefunden, den Apachen einen Streich zu spielen, der die Sachlage mit einem Mal zu Gunsten der Weißen ändern mußte.
Hastig rief er die Männer des Lagers herbei, hastig ward alles aufs genaueste vereinbart.
Jimmy bewies jetzt, daß er seinen Ruf als tüchtiger unerschrockener Westmann verdiente. Er erbot sich freiwillig, die gefährliche Aufgabe zu übernehmen, die Apachenwachen draußen zu täuschen.
Zwei der Wagen wurden jetzt so weit auseinandergeschoben, daß ein Reiter gerade zwischen ihnen hindurchkonnte.
Sofort eröffneten die Rothäute auch hinter den Brustwehren hervor ein unregelmäßiges Feuer auf diesen Zugang zu der Wagenburg, das sie freilich bald wieder einstellten, als sie sahen, daß niemand sich ins Freie wagte.
Was im Lager geschah, konnten sie nicht sehen, da man rasch vor den Zugang ein paar Pferdedecken gehängt hatte und da der freie Raum zwischen dem Wagenkasten und dem Boden durch eigens dazu bestimmte Bretter zaunähnlich ausgefüllt war.
Jimmy bestieg jetzt eines der Maultiere, das unbedingt dem Tod geweiht war. Man hatte denn auch das schlechteste herausgesucht.
Der dürre Westmann trug als Schutz gegen die Kugeln einen aus drei Wolldecken hergestellten Umhang, der für Geschosse aus Vorderladergewehren so gut wie undurchdringlich war. Wenn Jimmy nicht gerade einen Kopfschuß erhielt, mußte das Wagnis für ihn ohne schwerwiegende Gefahr ablaufen.
Auch Felsenherz hatte seinen Braunen bereits bestiegen, hatte die Doppelbüchse quer über dem Sattel und Jimmys und Billys Doppelpistolen im Gürtel.
Sechs der Goldsucher wieder standen ebenfalls bereit, sofort hervorzubrechen.
Nochmals schärfte Felsenherz allen genau ein, was sie zu tun hätten.
Dann wurden die Decken vor dem Zugang gelüftet, und – nun sollte sich zeigen, ob des blonden Trappers List Erfolg haben würde.
5. Kapitel
Mattaris Ende.
Jimmy drängte sein Maultier rasch durch die schmale Öffnung. Sofort knallten auch drei – vier Schüsse.
Das Maultier zuckte zusammen, tat einen Satz vorwärts.
Wieder mehrere Schüsse.
Abermals getroffen, wollte die arme Kreatur nun in wilder Todesangst davonstürmen.
Jimmy aber riß die Zügel so fest an, daß das Maultier nur zwei kurze Sprünge machte.
Die übereifrigen Apachen feuerten nun nochmals.
Das Maultier brach zusammen.
In demselben Augenblick sprengte Felsenherz hinaus ins Freie. Nur noch eine Kugel begrüßte ihn, ging fehl. Die Apachen mußten erst wieder laden. Hiermit hatte der blonde Trapper gerechnet.
Im Galopp jagte er nach Osten zu.
Und hinter ihm stürmten die Goldsucher, Jimmy und Billy vorwärts, schossen die flüchtenden Wachen nieder und kehrten mit acht auf diese Weise erbeuteten Doppelbüchsen ins Lager zurück.
Nun hatten die Apachen nur noch eine einzige Feuerwaffe. Der erste Teil der List hatte also vollen Erfolg gehabt.
Inzwischen war Felsenherz mitten in das Lager der Apachen hineingaloppiert, hatte vom Sattel aus zwei Rothäute durch Kugeln niedergestreckt und scheuchte die anderen durch Pistolenschüsse so lange zurück, bis er Chokarigas und Toms Fesseln durchschnitten hatte.
Die beiden auf diese Weise Befreiten hielten sich am Sattel fest und ließen sich halb von den kräftigen Braunen mit fortziehen.
So gelangten sie mit ihrem Retter wohlbehalten in das Lager zurück, wo man sie mit großem Jubel empfing.
Seit dem Moment, wo Jimmys Maultier die ersten Kugeln erhalten hatte und dem Eintreffen des blonden Trappers und der beiden auf so schnelle Art ihren Feinden Entführten waren kaum fünf Minuten vergangen.
Die allgemeine Freude sollte jedoch eine jähe Unterbrechung erfahren.
Plötzlich ging es durch den ungeheuren Lehmberg wie ein Zittern.
Deutlich spürten die oben auf dem Steilhang Stehenden immer stärkere Erschütterungen.
„Die Wagen vorwärts schieben!“ brüllte Felsenherz. „Der Berg stürzt ein –!“
Alle Hände griffen zu.
Die Frauen nahmen die Pferde und Maultiere an Zügel. Selbst die Kinder halfen Kessel und anderes bergen, das man zum Kochen der Mahlzeit gebraucht hatte.
Kaum war das Lager so etwa fünfzig Meter weiter ostwärts verlegt worden, kaum hatte sich Felsenherz, der jetzt erst an Mattari dachte, nochmals bis zum Rand des Abhangs vorgewagt, als der Berg ins Rutschen kam.
Der blonde Trapper machte kehrt, sprang mit langen Sätzen über den unter ihm fortgleitenden Boden, wäre mit in die Tiefe gestürzt, wenn Chokariga ihm nicht im letzten Augenblick eine Lassoschlinge zugeworfen und ihn mit mächtigem Ruck auf festes Land hinübergerissen hätte.
Lautlos zuerst sank die Erdmasse nach vorn über.
Mattaris gellender Angstschrei trieb den Zuschauern dieses gewaltigen Naturereignisses das Blut aus den Wangen.
Dann ein donnerähnlicher Krach – eine Staubwolke, und dort, wo sich soeben noch die Wagenburg befunden hatte, die nun dem Verhängnis entgangen, war nichts als leerer Luftraum. Das Steilufer hatte eine neue Fluchtlinie erhalten. Der Vorsprung war verschwunden.
Aber auch der Bach war auf gut fünfzig Meter Länge völlig verschüttet. Sein Wasser staute sich bereits, suchte dann einen neuen Abfluß. –
Von einer mehr südlich gelegenen Uferstelle hatten auch Ocaropa und die Apachen den Einsturz des Berges mit angesehen, hatten Mattaris Todesschrei vernommen und standen, nunmehr wieder bis auf eine Büchse waffenlos, wie gelähmt da, sehr wohl ahnend, daß auch über sie nun das Strafgericht hereinbrechen würde.
Felsenherz ließ ihnen denn auch keine Zeit, sich von ihrem panischen Schrecken zu erholen.
Der Komanche, die beiden Zwillingsbrüder und vier der Goldsucher folgten zu Pferd dem voransprengenden blonden Trapper.
Ocaropa, der die eine noch vorhandene Büchse an sich genommen hatte, hielt als einziger stand, legte auf Felsenherz an und – erhielt, bevor er noch abdrücken konnte, eine Kugel gerade vor die Stirn.
Jählings schlug er hintenüber.
Die Waffe entfiel seinen Händen.
So endete hier auch Mattaris Rivale, ein Apache, nicht weniger wild und grausam als der unter der Lehmwand vergrabene Oberhäuptling. –
Es war den Goldsuchern, die hier fünf ihrer hoffnungsvollen jungen Leute verloren hatten, nicht zu verdenken, daß sie die Apachen nicht schonten.
Die meisten entrannen freilich der Wut der Gambusinos, indem sie in das Uferdickicht des Baches flüchteten. –
Chokariga, Tom Einaug und Felsenherz hatten sich an diesen blutigen Szenen, über denen als ehernes Gesetz der alte Präriespruch ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‛ stand, nicht beteiligt.
Langsam ritten sie der Wagenburg wieder zu, wo die Verwandten der fünf in dem jetzt zerstörten Lehmberg beerdigten Gefallenen inzwischen beschlossen hatten, auf dem Schutthügel im ehemaligen Bachbett ein großes Holzkreuz zu errichten.
Die Nacht verbrachte man noch an derselben Stelle. Am Morgen fand man von den erschossenen Apachen nicht einen einzigen mehr vor. Die anderen hatten die Leiche mitgenommen und wohl irgendwo in der Prärie verscharrt.
Dann wurde das Holzkreuz hergestellt und auf dem Lehmhügel eingegraben. Zur dauerhaften Standfestigkeit häufte man um das Kreuz eine Menge Steinblöcke auf.
Am Nachmittag setzten die Goldsucher wie Billy und Jimmy ihre Fahrt gen Westen fort.
Felsenherz, der Komanche und der kleine hakennasige Tom Einaug gaben ihnen noch bis zum Abend das Geleit.
Der Abschied war überaus herzlich.
Besonders Billy und Jimmy drückten dem blonden Trapper immer wieder die Hand.
Dann ritten die drei Freunde langsam nach Süden davon, während der Wagenzug die westliche Richtung, dem Felsengebirge entgegen, beibehielt.
Kaum waren die Wagen verschwunden, als Felsenherz seinen Braunen wieder nach Osten lenkte – dorthin, woher sie soeben gekommen.
Tom rief denn auch in seiner lebhaften Art erstaunt aus:
„He – was bedeutet das?! Wollt ihr nochmals etwa nach Mattaris Grab zurück, Felsenherz?“
„Ja, lieber Tom. Ich will euch dort etwas zeigen. Etwas sehr merkwürdiges. Ein solcher Erdrutsch wie dort enthüllt oft seltsame Dinge –“
Chokariga schien zu wissen, was sein weißer Bruder meinte.
Aber Tom bestürmte den blonden Trapper ganz umsonst mit Fragen.
„Geduldet euch nur!“ war Felsenherz stete Antwort. –
Fußnote:
1 Goldsucher