(Nachdruck strengstens verboten.)
Daß Kaiser Wilhelm der Zweite ein großer Tierfreund ist und Hunde zu seinen verhätschelten Lieblingen gehören, dürfte allgemein bekannt sein. Die beiden kleinen Teckel des Monarchen sind ja bereits ebenso berühmt geworden, wie dies einst der Reichshund Bismarcks, eine Dogge, und der schwarze Pudel „Mohrchen“ des Fürsten von Bülow waren. Für den tierlieben, weichen Sinn des Kaisers sprechen besonders die folgenden kleinen Geschichten, die in der breiteren Öffentlichkeit noch wenig bekannt sein dürften. – Bei einem Morgenspazierritt durch den Tiergarten traf der Monarch an einem besonders heißen Sommertage am Großen Stern, dem Kreuzungspunkt der den Tiergarten durchschneidenden Hauptwege, den mit einem großen Bernhardiner bespannten, schwer beladenen Wagen eines Händlers. Mit weit offenem Maul und heraushängender Zunge keuchte der Hund, der vielleicht auch einmal bessere Tage gesehen haben mochte, offenbar vollständig erschöpft vor dem hoch mit alten Zeitungen, Eisenabfällen und ähnlichem Kleinkram bepackten Gefährt her. Der Händler selbst gab sich nicht die geringste Mühe, sein Tier im Ziehen zu unterstützen. Im Gegenteil, gerade als der Kaiser seitwärts seinen Weg kreuzte, trieb er den ermatteten Bernhardiner mit Schlägen und wüsten Schimpfworten zu einer letzten Kraftanstrengung an. Aber schon hatte den unbarmherzigen Tierschinder sein Schicksal ereilt. Der Monarch hatte blitzschnell seinen Schimmel herumgerissen und versperrte dem Wagen den Weg. Vor dem durchdringenden, empörten Blick des Kaisers zog der Händler verlegen die Mütze. In demselben Augenblick erschien auch schon einer der am Großen Stern stehenden Schutzleute, dem der Monarch befahl, die Personalien des Mannes festzustellen. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, setzte der Kaiser dann seinen Ritt fort. Und doch sollte dieses Zusammentreffen für den Händler noch einen unverdient günstigen Ausgang nehmen. Am nächsten Tage erschien nämlich bei dem Mann einer der Wärter der Kaiserlichen Meute und kaufte ihm den fünfjährigen, selten schön gezeichneten Bernhardiner im Auftrage Seiner Majestät für 250 Mark ab. Den Hund, der auf den klassischen Namen „Ajax“ getauft war, erhielt dann ein dem Kaiser befreundeter schlesischer Majoratsherr, ein großer Hundefreund, zum Geschenk. „Ajax“ lebt noch heute und dürfte in dem Schlosse des Grafen S. die traurige Berliner Zeit seines Hundedaseins längst vergessen haben. Der Händler aber wird über den 250 Mark die geringe Strafe, die ihn wegen Tierquälerei schließlich doch noch ereilte, längst vergessen haben.
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Bei dem ersten Jagdbesuche bei dem Fürsten von Fürstenberg wurde Kaiser Wilhelm II. von dem Jagdleiter einem fürstlichen Forstmeister, ein besonders günstiger Platz angewiesen, so daß der Kaiser nach Schluß des Treibens weitaus das beste Jagdresultat zu verzeichnen hatte. Als ihm deswegen einer der anderen Jagdgäste verschiedene Schmeicheleien sagte, wandte sich der Monarch ziemlich brüsk um und meinte zu dem in der Nähe stehenden Fürsten von Fürstenberg: „Nächstens lassen Sie mir bitte einen anderen Platz geben. Dort, wo ich heute stand, hätte auch ein Blinder mindestens ein Dutzend Treffer machen können. Sonst heißt es schließlich, ich schieße miserabel.“. W. K.
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Es war am 27. Januar 1859. Ein naßkalter Wind fegte durch die Linden, und wer es nicht nötig hatte, sich allzulange der unfreundlichen Witterung auszusetzen, flüchtete sich alsbald in die warme Stube. Indessen vor dem Palais des damaligen Prinzen Friedrich staute sich eine große Menschenmenge, die erwartungsvoll zu den Fenstern des Palais emporsah, Der naßkalte Wind bemühte sich umsonst, schon seit der Mittagsstunde, die in tiefes Schweigen versunkene Menge auseinanderzutreiben. Geheimnisvoll ging es im Palais zu. Dann und wann fuhr ein verschlossener Wagen auf der Rampe vor und zog geheimnisvoll wieder ab. Da, um dreiviertel drei Uhr nachmittags verbreitete sich die Nachricht, daß dem Prinzen soeben ein Sohn geboren sei. Kaum war die Menge von einer freudigen Bewegung ergriffen, als auf einmal eine ganz gewöhnliche Droschke dritter Güte, wie sie in dieser Ausgabe auf dem Straßenpflaster Berlins nicht mehr vorgefunden wird, sich einen Weg durch die hin und her wogende Menge zu bahnen suchte. Aber das war unmöglich, und darum verließ der Herr mit freudig glänzendem Gesicht den Wagen und nun erkannte man in ihm den Prinz-Regenten, unsern nachmaligen Kaiser Wilhelm I. Er wartete nicht erst ab, bis seine Equipage vorgefahren war, sondern sprang in die erste, beste Droschke, um so rasch wie möglich an die Wiege des neugeborenen Enkels zu gelangen. Gleich darauf erschien der Prinz-Regent mit seinem Sohne, dem jungen glücklichen Vater, einige hohe Damen und zuletzt auch Papa Wrangel auf dem Balkon und bestätigten durch Tücher schwenken die frohe Botschaft. Papa Wrangel aber trat an die Balkonbrüstung und rief zum Volke hinab: „Kinderkens, es is mich een tüchtiger Rekrut!"“ „Jarde?“ fragte ein Schusterjunge hinauf. „Jawohl Jarde! – Warte Junge, hier hast‘n Sechser!“
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Als Prinz Wilhelm, unser jetziger Kaiser, in Bonn studierte, lernte er einmal im Korps Borussia, dem er als Aktiver angehörte, einen reichen Griechen vornehmer Herkunft kennen. Der Grieche, ein Herr Maurovetos, der seine Ahnenreihe bis auf Alexander den Großen zurückführen zu können behauptete, sprach sich sehr begeistert über die französischen Offiziere aus, die damals im Jahre 1878 dem griechischen Heere als Instrukteure zugeteilt waren. Im Laufe der Unterhaltung meinte Prinz Wilhelm, seines Wissens hielten sich auch einige deutsche Offiziere in Griechenland auf, um dem hellenischen Heere die Grundbegriffe moderner Kriegstaktik beizubringen. Worauf der anmaßende Maurovetos zum Unwillen der anwesenden Borussen erwiderte: „Freilich, Königliche Hoheit, auch deutsche Instrukteure haben wir. Aber von denen können wir nichts lernen,“ „Eines jedenfalls“, meinte Prinz Wilhelm schlagfertig und jedes Wort besonders betonend, „nämlich das, was in Griechenland vorläufig noch unbekannt zu sein scheint: Bescheidenheit !" Maurovetos wurde dann sofort von dem Erstchargierten der Borussia bedeutet, daß seine Anwesenheit im Korpshause nicht weiter gewünscht werde, worauf der ebenso reiche wie taktlose Grieche für immer aus Bonn verschwand. W. K.
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Bei einer Probe im königlichen Opernhause in Berlin stand der Kaiser mit dem Generalintendanten im leisen Gespräch zwischen zwei Kulissen im Halbdunkel, als sich zwei Theaterarbeiter mit einem schweren Dekorationsstück näherten. Beim Anblick des Monarchen wollten die Leute einen Umweg machen, damit der Kaiser ihnen nicht aus dem Wege zu gehen brauche. Doch der Monarch winkte den unter ihrer Last keuchenden Männern eifrig zu, drückte sich dicht an die Kulissen und meinte scherzend: „Ihr werdet doch auf einen, der hier eigentlich nichts zu suchen hat, keine, Rücksicht nehmen!“ Worauf der eine Arbeiter treuherzig erwiderte: „Für Majestät hätten wir‘s wirklich schon janz jern jetan.“
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In Jägerkreisen hört man häufig angebliche Jagdabenteuer des Kaisers erzählen, die jedoch zum größten Teil stark nach Jägerlatein schmecken und, wenn nicht überhaupt frei erfunden, doch mindestens sehr stark übertrieben sind. Dagegen beruht das folgende Jagderlebnis des Monarchen, welches in dessen erste Regierungsjahre fällt, in allen Einzelheiten auf Wahrheit. Damals weilte der Kaiser zur Hirschjagd in Bückeburg, dessen weite Wälder noch heute einen wahren Prachtbestand an Hirschen besitzen. Der Monarch hatte eines Morgens auf dem Anstand einen starken Vierzehnender, ein als bösartig bekanntes Tier, angeschossen und war bei der Verfolgung des sich ins Dickicht zurückziehenden, anscheinend schwer weidwunden Tieres von seiner Begleitung abgekommen. Nur der Büchsenspanner befand sich noch bei dem Monarchen, als dieser den Hirsch in der Lichtung einer Tannenschonung entdeckte. Der Kaiser feuerte auf kürzeste Distanz. Auf den Schuß erhob sich das Tier und kam mit gesenktem Geweih auf den Schützen zu. In demselben Moment sprang auch schon der Büchsenspanner vor, um seinen Herrn mit seinem Leibe zu decken. Denn, um noch zum Schuß fertig zu machen, fehlte es an Zeit. Doch der Kaiser drängte ebenso blitzschnell den Mann bei Seite, riß ihm die Saufeder (ein Speer mit langer Stahlspitze), die der Büchsenspanner als Waffe bei sich trug, aus der Hand und war mit einem Satze neben dem anstürmenden Tier, das er dann durch einen gutgezielten Stich mitten aufs Blatt auf der Stelle hinstreckte. Das dieses Abenteuer durchaus nicht ungefährlich war, wird jeder, der mit der Jagd auf Hochwild vertraut ist, bestätigen. Es sei nur daran erinnert, daß wenige Wochen vorher der belgische Baron Barlieux, der in Bayern ein Jagdrevier gepachtet hatte, unter genau denselben Umständen von dem ihn angreifenden Hirsch aufs Schlimmste zugerichtet wurde und wenige Tage später an den erhaltenen Verletzungen starb. Nebenbei bemerkt ist dieses Jagderlebnis des Kaisers in Bückeburg das einzige geblieben, bei dem der Monarch in offenbarer Gefahr schwebte. In Zukunft wurden stets die weitgehendsten Vorsichtsmaßregeln getroffen, damit sich ähnliche Vorfälle nicht wiederholen konnten.
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In einer sehr bekannten rheinischen Stadt, die Kaiser Wilhelm vor mehreren Jahren berührte, war ein großer, festlicher Empfang geplant, bei dem natürlich die Ehrenjungfrauen nicht fehlen durften. Vor der geschmackvollen, mit Rosengirlanden geschmückten Ehrenpforte hält der kaiserliche Wagen an. Die Väter der Stadt schicken nun eine Avantgarde hinreichend schöner, in Weiß gekleideter Damen gegen den erwartungsvoll im Wagen sitzenden Kaiser vor. Der schönsten unter den Schönen, einer schlanken, bezaubernden Blondine mit wunderbaren Augen, war die Ehre zugefallen, das unvermeidliche Begrüßungsgedicht zu sprechen. Aber oh weh! Bei dem Anblick der Majestät ist dem schönen Kinde der Wortlaut des Gedichtes, das sie so fürsorglich gelernt hatte, gänzlich entfallen. Sie steht da, mit entzückender Purpurröte im Angesicht und kann den Anfang des Reims nicht finden. Ein unsagbar peinlicher Moment entsteht. Die Ehrenjungfrauen wollen in die Erde versinken, eine stürmische Unruhe ergreift die Stadtväter, sowie das sich herandrängende Publikum. Da reicht Kaiser Wilhelm die Hand dem schönen Fräulein und sagt in herzlichem Tone: „Ich bin erfreut über den liebenswürdigen Empfang. Wo so viel Jubel über mein Erscheinen durch die Lüfte rinnt, wo so viel Rosen mich grüßen, so viele Herzen und Augen mir huldigen, da bedarf es keiner Worte mehr. Wie oft sagt im Leben ein Händedruck mehr als die schönsten Worte.“ Unter dem Jubel des Publikums fuhr nun Kaiser Wilhelm durch die Ehrenpforte.
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Bei den Festspielen in Wiesbaden fand ein Herr aus Dresden einen glücklichen Moment, in welchem er Kaiser Wilhelm II. einen prachtvollen Rosenstrauch überreichen konnte. Der Kaiser dankte für die herrlichen Blumen mit seiner bekannten geistesfrischen Liebenswürdigkeit und erkundigte sich, wie ihm die Dichtung Laufs bei der gestrigen Aufführung gefallen habe? „Ich kann nicht sagen, Majestät, daß ich so sehr entzückt war“, versetzt der Herr aus Dresden, „so schwer habe ich mich mein Lebtag noch nicht geärgert wie hier in Wiesbaden.“ „Das Stück hat doch ungemein gefallen,“ versetzte der Monarch erstaunt, „die Darstellung war doch brillant ungewöhnlich." „Kann ich nicht jagen, Majestät.“ „Dann wäre es mir interessant zu erfahren, was Sie gegen die Aufführung oder gegen das Werk selbst für Bedenken haben?“ „Halten zu Gnaden, Majestät, meine Bedenken sind sehr groß und sehr ärgerlich, ich habe nämlich gar kein Billet kriegen können und mußte den ganzen Abend vor dem Theater stehen.“ Der Monarch lachte und schon nach einer Stunde erhielt der Herr aus Dresden auf Veranlassung des Kaisers ein Billet für die nächste Vorstellung zugestellt.
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Vor Helgoland passierte wieder der folgende, für die Tierfreundschaft des Monarchen ebenso charakteristische Zwischenfall. Die Kaiserjacht Hohenzollern fuhr bei stürmischem Wetter vorsichtig in den Hafen von Helgoland ein, als eine Welle vom Deck einer den gleichen Kurs haltenden Fischerbark einen Hund hinwegspülte. Mutig kämpfte das Tier in der hochgehenden See um sein Leben. Aber das Schicksal des Hundes konnte in der vor der Hafeneinfahrt stehenden Brandung nicht lange zweifelhaft sein. Mitleidig beobachtete der Kaiser mit dem Glase von der Hohenzollern aus das gegen die Wogen ankämpfende Tier, dessen Bewegungen schwächer und schwächer wurden. Da sprang plötzlich einer der Matrosen des Depeschenbootes Sleipner, das dicht hinter der Hohenzollern folgte, in die See, schwamm auf den Hund zu, ergriff das bereits versinkende Tier noch im letzten Moment und gelangte dann wieder mit Hilfe einer ihm zugeschleuderten Rettungsleine an Bord des Sleipner zurück. Kaum war die Hohenzollern im Hafen an der Mole vertaut, als auch schon jener Matrose auf das Kaiserschiff befohlen wurde. „War es nicht etwas leichtsinnig, wegen eines Hundes in der hochgehenden Brandung sein Leben aufs Spiel zu setzen?“ fragte der Kaiser, als der Matrose ihm gegenüberstand. „Majestät, ich bin ein sehr ausdauernder Schwimmer. In Korfu habe ich im vorigen Jahre sogar einen Ziegenbock, der beim Kentern eines Bootes ins Wasser fiel, aus der Brandung herausgeholt“, erwiderte der Matrose ohne Scheu. „Davon weiß ich ja gar nichts“, meinte der Kaiser schmunzelnd. „Da bist du wohl ein großer Tierfreund, mein Sohn?“ setzte er leutselig hinzu. „Zu Befehl, Ew. Majestät.“ „Na, dann kannst du den geretteten Hund zum Andenken behalten. Ich werde ihn dem Fischer abkaufen“. So geschah es auch. Der Kaiser, dem die frische, geweckte Art des Matrosen gefallen hatte, tat noch mehr: Er befahl, ihn in die Besatzung der Hohenzollern einzureihen und beförderte ihn bald darauf zum Obermatrosen. Den Hund aber schickte der junge Seemann zu seinen Eltern nach Bremen, wo das Tier, auf den Namen Wilhelm umgetauft, bald eine kleine Berühmtheit wurde.
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Bei einer Besichtigung des Fliegerkommandos auf dem Truppenübungsplatz Döberitz fragte der Kaiser einen der Fliegeroffiziere, ob dieser denn auch schon einen unangenehmen Zwischenfall während eines Fluges erlebt habe. Der Leutnant besann sich erst eine Weile. „Eigentlich nicht, Ew. Majestät.“ „Eigentlich‥? ! So ist Ihnen also doch schon einmal was passiert.“ „Zu Befehl, Ew. Majestät. Beim Aufsteigen setzte sich eine Biene auf meine Nase, und, da ich die Hände nicht von den Steuerhebeln fortnehmen konnte, blieb das Insekt längere Zeit sitzen.“ „Angenehm kann das nicht gewesen sein, das stimmt“, lachte der Kaiser. „Na, hoffentlich hat sie nicht gestochen.“ „Doch, Ew. Magjestät. Ich habe wegen des verschwollenen Gesichts drei Tage nicht Dienst tun können.“ „Also ein Fall von Rache an einem Konkurrenten im Reich der Lüfte!“, meinte der Kaiser. „Ja, ja, was der Neid nicht alles macht!“
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Der Besuch der Rennbahn zu Charlottenburg machte dem Kaiser oft Vergnügen, so daß er eines Tages die Rückkehr nach Berlin von Viertelstunde zu Viertelstunde aufschob, trotz der Andeutungen jener Umgebung, daß das Mittagsessen seiner warte. Da er sich sehr amüsierte, so hielt er seine Begleitung mit Scherzworten hin. Endlich erwähnte man, daß mit hereinbrechendem Abend die Wagenreihe eine so dichte sein würde, daß der königliche Wagen vielleicht auf Hindernisse stoßen möchte. Der Kaiser anwortete darauf lächelnd: „Ach wo, das weiß ich besser, die Berliner lassen doch ihren König durch.“
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Welche Spielkarte der Kaiser benutzt, verrät Heinrich Lee in einer Plauderei, die die Überschrift führt: „Im Kartenland“. Damit ist natürlich die klassische Heimat des Skatspiels, Sachsen-Altenburg, gemeint. Die hier hergestellte Karte, die sogenannte sächsische Doppelkarte, die in den naiveren Figuren von der preußischen abweicht, wird auch an den Berliner Hof geliefert. Der Kaiser spielt mit dieser Karte Skat. Bei einem Besuch am Altenburger Hof hatte sie sein Gefallen erweckt. Der Rücken dieser Karte ist nach der besonderen Angabe des Kaisers hergestellt, blaue Schraffierung mit einem Pferdekopf in der Mitte. Zu den Nordlandreisen macht das Hofmarschallamt immer besonders zahlreiche Bestellungen. Im Handel kostet diese Karte eine Mark das Spiel. Zu andern Spielen benutzt der Kaiser französische Karten. Auch diese bezieht das Hofmarschallamt aus der Altenburger Fabrik, „und zwar eine besonders schön und reich ausgestattete und geschmackvolle Spezies, im Handel unter dem Namen „Kaiserkarte“ bekannt. Die Figuren sind genaue Kopien nach Porträts aus der französischen Geschichte, der Druck sechzehnfarbig, die ganze Ausführung, Charakteristik und künstlerische Wirkung vorzüglich. Pique-König ist Ludwig der Vierzehnte, seine Dame mit dem Fächer eine wirklich pikante Dame. Der Bube ein Getreuer im Sturmhut und mit Arkebuse, der seinen König schützt. Coeur-König ist Franz der Erste, Carreáu-König ist Karl der Siebente, seine Dame die aus Schillers Jungfrau von Orleans allbekannte holde Agnes Sorel. Kreuz-König ist Ludwig der Fromme; züchtig und sittsam reicht ihm seine Dame den Kranz.
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Nach den ersten aufsehenerregenden Fahrten der Zeppelin-Luftschiffe traf der Kaiser auf der Nordlandreise in einem Fjord mit einem reichen Engländer zusammen, dessen prachtvolle Privatyacht in der Nähe der Hohenzollern vor Anker lag. Der Engländer, der dem Kaiser schmeicheln wollte, meinte im Laufe des Gesprächs, England habe sich das Weltmeer erobert, Deutschland aber würde sich jetzt zur Beherrscherin der Luft aufschwingen. „Lieber wäre mir doch das Meer,“ entgegnete der Kaiser lachend, „in der Luft ist nichts zu holen. Wohl nur aus diesem Grunde dürfte Ihr Vaterland uns dies Gebiet noch übriggelassen haben.“ W. K.
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Bei Gelegenheit der Besichtigung der Kruppschen Werke in Essen unterhielt der Kaiser sich leutselig mit einem Ingenieur, der infolge seiner verschiedenen Verbesserungen, die er für moderne Geschütze erfunden hatte, bei Krupp besonders angesehen war. „Welchen Geschütztyp halten Sie für den besten?“ fragte der Kaiser im Laufe der Unterhaltung. „Den, mit dem es möglich wäre, von unseren deutschen Strandbatterien an der Nordsee aus England zu beschießen“, erwiderte der Ingenieur ehrlich. „Sie lieben England nicht?“ meinte der Kaiser ernst, von dieser Antwort anscheinend unangenehm berührt „Nein Majestät.“ „Und warum nicht?“ „Weil der englische Stahl immer noch viel zu gut ist. Wäre er schlechter, so würde unsere Firma bald die ganze Welt beherrschen. So aber müssen wir uns mit der halben begnügen.“ Der Kaiser lachte, schüttelte dem Ingenieur kräftig die Hand und setzte seinen Rundgang fort. W. K.
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Während eines gefechtsmäßigen Scharfschießens, das ein Garderegiment auf dem Truppenübungsplatz in Döberitz abhielt, erschien plötzlich der Kaiser und schloß sich dem Zuge einer Kompagnie an, der, geführt von einem Reserveoffizier, sprungweise gegen den durch Scheiben markierten Gegner vorging. Der „Sommerleutnant“ ließ sich jedoch durch die Anwesenheit des Monarchen nicht im geringsten stören, gab ruhig und klar seine Kommandos ab und nahm auch Gelegenheit, ein paar von den Leuten, die im Übereifer kurz vor sich in den Sand schossen, gehörig abzukanzeln. Nachher bei der Kritik lobte der Kaiser das kaltblütige Kommando des Reserveoffiziers, meinte anderseits aber auch, daß ein allzuscharfer Tadel Mannschaften in der Feuerlinie nur verwirren würde. „Also – nicht zu viel tadeln, Herr Leutnant,“ wandte er sich an den Offizier, der mit der Hand am Helm stramm vor ihm stand. „Was sind Sie übrigens im Zivilberuf, Herr Leutnant?“ fügte er dann hinzu. „Oberlehrer, Ew. Majestät.“ „Ach so! Na – dann sind Sie ja genügend entschuldigt,“ lachte der Kaiser gutgelaunt.
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Der Zufall wollte es, daß an demselben Tage, an dem der kaiserliche Dulder Friedrich III. den Geist aushauchte, auch der bisherige Friseur seines ältesten Sohnes, unseres jetzigen Kaisers, an den Folgen einer Operation verstarb. Der junge Monarch war also gezwungen, sich nach einem neuen Haarkünstler umzusehen, dessen Händen er sich fernerhin vertrauensvoll überlassen konnte. Auf Empfehlung des damaligen Adjutanten des Kaisers wurde ein in Hofkreisen recht viel beschäftigter Berliner Friseur R. zur frühen Morgenstunde des 17. Juni 1888 ins Königliche Schloß befohlen. R. erschien pünktlich, hatte aber den schweren Fehler begangen, sich für den wichtigen Moment, wo er an dem neuen deutschen Kaiser seine Kunst beweisen sollte, in eine seiner Ansicht nach durchaus notwendige Galatoilette zu werfen: Er erschien vor dem jungen Monarchen in Frack und Zylinder und hatte sich außerdem noch die Finger mit Ringen besteckt. Der Kaiser musterte den Friseur, der sich mit Bücklingen garnicht genug tun konnte, erst eine Weile kritisch und fragte dann kurz: „Wollen Sie mich etwa in dem Anzug frisieren?! – Haben Sie denn Ihren Friseurkittel nicht mit.“ „Majestät – ich bedaure – ich glaubte…“ stotterte der niedergeschmetterte Haarkünstler verlegen. „Dann bedaure ich auch.“ Und zu dem Kammerdiener gewendet: „Schnell einen anderen Friseur.“ Nach einer halben Stunde war der Friseur H. zur Stelle, den man durch einen Eilboten hatte holen lassen. Er erschien in weißer Jacke, bescheiden, ohne allen unnötigen Putz. Nach einem Monat war H. Hoffriseur, nach zwanzig Jahren aber ein schwerreicher Mann, der sich als Rentier ins Privatleben zurückziehen konnte. W. K.