Der alte Lorenz war zwar im Armenhaus untergebracht, aber die Pfründe, die ihm damit überwiesen wurde, kam ihm etwas mager vor und schien ihm durchaus nicht dem zu entsprechen, was er als ehemaliger Landstreicher an Verdiensten um die Menschheit sich erworben hatte. Insbesondere beklagte er das Fehlen jeglicher Schnapskompetenz bei seiner Pfründe. Um diese Lücke auszufüllen, pflegte er unentwegt Besenreis zu stehlen, um die Hausfraun der Gemeinde mit echten deutschen Besen und sich selbst mit edlem Kartoffelschnaps zu erquicken. Leider aber wurde er beim „Saufen“ erwischt und vor den Oberförster geladen. Dieser, ein „sozial orientierter“ moderner Mann, hatte Mitleid mit dem alten Knaben und fühlte Lust, den Diebstahl nach der heute herrschenden Mode auf das soziale Milieu des Angeklagten zu schieben.
„Lorenz,“ sagte er gütig, „Ihr seid zwar beim Naschen von Besenreis erwischt worden und ich müßte Euch eigentlich strafen. Weil Ihr aber ein armer Mann seid, will ich Gnade für Recht ergehen lassen. Nur müßt Ihr schön drum bitten, damit ich vor dem Waldhüter bestehen kann, der Euch angezeigt hat. Wollt Ihr?“
Aber damit kam er beim alten Lorenz übel an. Der war noch aus der alten, stolzen, starren Gesetzesschule und nicht neumodisch „sozial orientiert“. Er schüttelte gekränkt den kahlen Schädel. Sein Besenbindergefühl rumorte gewaltig.
„Herr Oberförster, halten zu Gnaden und nehmen Sie es mir nicht für in übel. Aber ich will nichts umsonst, so arm ich auch bin. Ehrlich hab’ ich’s mein Lebtag gehalten, und dabei will ich leben und versterben. Alles soll in der gehörigen Ordnung geschehen, wie es recht und Gesetz ist: Ich stehl’ ehrlich mei’ Holz und zahl’ ehrlich mei’ Strof’, Adies, Herr Oberförster!“ W. K.