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Sprechende Hunde

 

Sprechende Hunde.

 

Unlängst ging die Nachricht durch die Zeitungen, daß ein amerikanischer Professor einem Terrier[*1] nach jahrelanger Dressur das Sprechen beigebracht habe. Diese Notiz werden die meisten wohl mit ungläubigem Kopfschütteln als echt amerikanische Zeitungsente hingenommen haben. Denn so oft man schon von Papageien, Staren und Raben als hochbegabten Nachahmern der menschlichen Stimme die erstaunlichsten Dinge gehört hat – von sprechenden Hunden weiß man bisher so gut wie nichts. Und doch hat es schon in früheren Zeiten Exemplare der Art canis familiaris gegeben, die auf ihre Sprechfähigkeit hin von wissenschaftlichen Instituten streng untersucht und über die lange, gelehrte Abhandlungen geschrieben worden sind. So berichtet der italienische Schriftsteller d’Arnuovo, einer der besten Sittenschilderer des italienischen Mittelalters, in seinem 1612 in Florenz erschienenen Werke „Italienische Bilder“ von einem dem Grafen Cerao gehörigen Windspiel, den der Kammerdiener des Grafen einen Wortschatz von fünfzehn italienischen und acht französischen Ausdrücken nach unendlicher Mühe beigebracht hatte. Die Fähigkeiten des seltenen Tieres wurden dann auch von einer wissenschaftlichen Kommission einer sorgfältigen, jeden Betrug ausschließenden Prüfung unterzogen. Leider ist das Windspiel, das man fraglos noch weiter hätte fortbilden können, bald darauf von italienischen Bauern als vom Teufel besessen eines Tages erschlagen worden. Wie d’Arnuovo schreibt, glaubten die Landleute nämlich, in dem ihnen unheimlich vorkommenden Tiere die Ursache für mehrere Orangenmißernten entdeckt zu haben.

In Deutschland ist es kein geringer als der große Philosoph Leibnitz gewesen, der uns eine einwandfreie Nachricht über einen redenden Hund gegeben hat. In der Geschichte der Pariser Akademie der Wissenschaften wird im Jahre 1715 von Leibnitz zum erstenmal dieses merkwürdige Tier erwähnt. Der Hund hielt sich mit seinem Herrn 1712 zu Schaustellungszwecken in Leipzig auf. Der Wortschatz des Tieres, das aus Zeitz stammte, betrug einige dreißig Worte. Ein Bauernjunge hatte ihn dressiert und am besten waren die Worte: „Fleisch“, „geben“, „König“, „Fasan“ zu verstehen. Jedes Wort mußte der Lehrer seinem vierbeinigen Schüler vorsagen, dann wiederholte dieser es. Da mit dem sprechenden Hunde natürlich viel Geld verdient wurde, waren die Messen bald mit Buden überschwemmt, in denen angeblich ebenso begabte Spitze, Pudel und Jagdhunde vorgeführt wurden. Doch sollen diese Schaustellungen zumeist auf großem Schwindel beruht haben, indem der Dresseur des Hundes als talentierter Bauchredner für seinen Schüler die Worte sprach und dieser nur insofern mitwirkte, als er stets gleichzeitig das Maul auf- und zuklappte. Im Jahre 1808, so erzählt die Gräfin Voß, die Oberhofmeisterin der Königin Louise von Preußen, gab ein Österreicher namens Wellner, ein verabschiedeter Offizier, dem beide Beine weggeschossen waren, vor der königlichen Familie in Berlin eine Vorstellung, bei der er unter anderen gut dressierten Tieren auch einen Pudel zeigte, welcher von 1 bis 30 zählen und das Alphabet hersagen, ebenso ganz deutlich „Gott grüß euch!“ sprechen konnte. Dieser Pudel wurde dann sogar das Thema für eine Doktordissertation[*2], mit der der Volksschul- und Taubstummenlehrer Horalny, der spätere Direktor der preußischen Taubstummenanstalt, den philosophischen Doktorgrad der Berliner Universität errang. Horalnys wissenschaftliche Arbeit gipfelt in dem Satze, man könne jedem Stummen, geradeso wie dem Wellnerschen Wunderpudel, durch verschiedene, mechanisch eingelernte Mundstellungen das Aussprechen verständlicher Laute beibringen.

W. Kabel

 

 

Anmerkungen des Verlages:

  1. ↑* Hunderasse
  2. ↑* schriftliche Arbeit für die Doktorsprüfung