Der Dichter Gotthold Ephraim Lessing kam eines Tages nach Hause und sann eben über ein Problem nach. Er klopfte an die Haustüre. Das Dienstmädchen öffnete das Fenster, konnte aber, da es schon dunkel war, den Ankömmling nicht erkennen und sagte: „Herr Lessing ist nicht zu Hause.“ „Schön“, erwiderte zerstreut der Angeredete, „dann komme ich ein anderes Mal wieder.“ Und der Dichter setzte seinen Spaziergang fort. –
[1][2] Newton war ein berühmter englischer Mathematiker und Naturforscher (1642–1727), er war nur ein bißchen zerstreut. Als es ihn an einem kalten Winterabend sehr fror, zog er seinen Stuhl ganz nahe an den Kaminrost, auf dem ein tüchtiges Feuer brannte. Nach einiger Zeit wird es dem Gelehrten unerträglich heiß. Er reißt voll Heftigkeit an der Schelle. Endlich erscheint der Diener. Der sonst so liebenswürdige Philosoph, der halb gebraten ist, schreit ihn an: „Schiebe den Rost weg, du fauler Lümmel, ehe ich verbrenne!“ „Aber, mein Herr“, erwidert der Diener, „könnten Sie denn nicht leichter Ihren Stuhl etwas zurückziehen?“ „Auf mein Wort“, antwortet Newton, „daran habe ich nicht gedacht!“ – Ein anderes Mal wollte Newton, weil er im Eifer des Studiums sein Frühstück vergessen hatte, sich ein Ei kochen. Es ging aber nicht ohne Mißgeschick; denn der Gelehrte hatte das Ei in der Hand behalten und dafür die Eieruhr ins kochende Wasser geworfen.
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Bei großen Geistern rührt diese Zerstreutheit in alltäglichen Dingen daher, weil sie zu sehr in ihre großen Aufgaben vertieft sind; bei kleineren Geistern ist die Zerstreutheit ein Zeichen von Willensschwäche. Der schwache Wille hat bei ihnen nicht die Kraft, die Gedanken zusammenzuraffen und zusammenzuhalten.
Man fragte einen weisen Mann nach einem Mittel gegen solche geistige Zerfahrenheit. Er gab dieses Elexier:
Alle Kraft will geübt sein, auch die Willenskraft. Wie ein Königstiger erfasse deine Pflicht! Wer etwas Großes leisten will, muß sich konzentrieren lernen.
Anmerkungen: