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Das Verhalten der Tiere gegenüber Luftfahrzeugen

 

Das Verhalten der Tiere gegenüber Luftfahrzeugen. – Bereits einer der ersten begeisterten Ballonführer, Hans Lingker, hat in seinem Werkchen „Was ich bei meinen fünfzig Ballonaufstiegen beobachtete“ seine Erfahrungen über das genannte Thema mitgeteilt. Einmal im Jahre 1878 wurde er bei einem Aufstiege mit dem Freiballon von Breslau aus durch widrigen Wind in ganz geringer Höhe über den Erdboden dahingetrieben und schwebte so auch über den zu den Besitzungen des Grafen v. D. gehörenden Tierpark hinweg. Lingker erzählt nun, wie die Hirsche, Hasen und auch zwei Füchse vor dem lautlos dahinstreichenden Ballon mit allen Zeichen höchster Furcht geflohen seien, wobei einer der Hirsche in seinem Entsetzen mit ganzer Kraft gegen die Umzäunung anrannte und anscheinend schwer verletzt liegen blieb.

Auch der schwedische Luftschiffer v. Hofsten berichtet von einem ähnlichen Ergebnis mit Elchen, wobei die plumpen Tiere sich in ihrer Angst in einen Fluß stürzten, um sich vor dem unheimlichen gelben Riesenvogel in der Luft zu retten. Ebenso sollen auch Hunde ihre Furcht beim Anblick eines Ballons durch langgezogenes Heulen verraten. Öfters ist es vorgekommen, daß sonst ganz lammfromme Pferde vor einem ihren Weg in geringer Höhe kreuzenden Luftballon durchgegangen sind.

Die Vögel scheinen im Ballon einen gefährlichen Mitbewerber zu erblicken und bleiben ihm fern. Bisweilen gehen sie aber doch in blinder Wut angriffsweise gegen diese Riesenkonkurrenten vor. So wurde einst der Pariser Ballon „Fallières“ auf seiner Fahrt durch die Bretagne von einem großen Habicht unausgesetzt angegriffen. Und trotzdem die Insassen, die eine Beschädigung der Hülle befürchteten, den wütenden Vogel durch lautes Geschrei zu verscheuchen suchten, flog er immer wieder wie rasend gegen die schwebende Kugel an, bis er sich mit den Fängen derart in dem Seidenstoff verfing, daß er nicht mehr loskam. Der Ballon landete bald darauf, und es gelang auch, den selten schönen Habicht lebend zu fangen, der dann dem Tiergarten von Rouen einverleibt wurde.

Ähnliche Abenteuer werden von Ballonführern häufig berichtet. So verwickelte sich einmal in Norditalien ein angriffslustiger Adler in dem Netzwerk eines Ballons, und er würde sicher die Hülle aufgerissen haben, wenn nicht einer der Insassen der Gondel ihn durch einen Revolverschuß getötet hätte.

Vor den modernen Lenkballonen flüchten die Vögel jedoch sämtlich. Wahrscheinlich setzt sie hier das Surren der Propeller in Schrecken. Wenigstens ist bisher noch kein Fall bekannt geworden, in dem ein Lenkballon durch einen Vogel angegriffen worden wäre. Dagegen hatte der Aviatiker Delagrange einst bei einer Fahrt mit seinem Motorflieger ein Abenteuer, das leicht für ihn hätte verhängnisvoll werden können. Delagrange begegnete einem ungeheuren Schwarme von Staren, der dem Luftfahrzeuge nicht auswich, so daß der Aeroplan sich buchstäblich einen Weg durch die schwarzen Vögel bahnen mußte. Und nur der großen Geschwindigkeit des Fahrzeuges und dem Umstande, daß keines der Tiere in die Maschinerie des Motors geriet, war es zuzuschreiben, daß Delagrange nicht abstürzte. Der Flugapparat war beim Landen völlig mit blutigen Resten von Staren, die durch die Propeller zerschmettert worden waren, bedeckt. Ebenfalls ist es des öfteren vorgekommen, daß Schwalben durch die Propeller der Aeroplane getötet wurden, wie sich aus den an den Propellerflügeln haften gebliebenen blutigen Federn feststellen ließ.

[W. K.]

 

 

Anmerkungen:

  1. Auch erschienen unter dem Titel Das Verhalten der Tiere gegenüber Luftfahrzeugen in der Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1911, Band 1, S. 221–223.
  2. Ebenfalls erschienen unter dem Titel Tiere und Flugfahrzeuge in: Deutscher Hausschatz, Illustrierte Familienzeitschrift, 37. Jahrgang (Okt. 1910 – Okt. 1911), Heft 18, S. 839–840.
  3. Weiterhin erschien dieser Artikel ebenfalls unter dem Titel Tiere und Flugfahrzeuge in: Illustriertes Sonntagsblatt, Beilage zur Greifswalder Zeitung. Nr. 15, S. 119.