Doktor der Medizin und Scharfrichter. – In der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts übten in Stuttgart die vier Brüder Markus, Jakob, Andreas und Johann Bickel das Scharfrichteramt aus. Sie benützten stets das selbe breite, nach ihren Angaben besonders gefertigte Richtschwert, auf dem der Spruch „Tue nichts Böses, so geschieht dir nichts Böses“ eingeätzt war.
Als Kaiser Leopold I. im Jahre 1680 auf einer Reise durch die deutschen Lande sich Stuttgart näherte, wollte es der Zufall, daß gerade auf dem Richtplatz außerhalb der Stadt zwei Mörder vom Leben zum Tode geführt werden sollten. Der Kaiser ritt mit seinem Gefolge dicht an die Richtstätte heran, um sich das traurige Schauspiel anzusehen. Dieses Mal hatten die Brüder Markus und Jakob Bickel das Scharfrichteramt übernommen. Sie erledigten unter den Augen des Herrschers ihre Aufgabe mit so großer Geschwindigkeit und so großem Geschick, daß der Kaiser ihnen die medizinische Doktorwürde verlieh. In den Doktorbriefen war ausgedrückt, daß des Kaisers Majestät, da die Scharfrichter ihres Amtes „so fürtrefflich und sonder Plagh für die armen Sünder“ gewaltet hätten, ihnen als Anerkennung diese Würde zuerkannt habe.
Die beiden Brüder Bickel sind die einzigen Scharfrichter geblieben, die den Titel eines Doktors der Medizin führen durften. Sie hatten, da mit dieser Würde zugleich die Berechtigung zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit verbunden war, großen Zulauf von Heilungsuchenden. Beide sind als reiche Leute hochbetagt gestorben.
[W. K.]
Anmerkung: