Das hereingefallene Publikum

Das hereingefallene Publikum. – Im Breslauer Theater hatte eines Abends der berühmte Schauspieler Mevius in dem Lustspiel „Die Drillinge“ einen jungen Neger darzustellen. Mevius war zu spät gekommen und fand nicht mehr genügend Zeit, sich auch die Hände dunkel zu schminken. Er mußte daher mit weißen Händen die Szene betreten. Das erregte bei einem Teile der Zuschauer Mißfallen. Man zischte, und Mevius wußte sich schließlich nicht anders zu helfen, als die Hände ständig auf dem Rücken zu halten, wodurch gerade die lustigsten Situationen des ersten Aktes sehr verloren.

Zum höchsten Unwillen der Zuschauer erschien der junge Mohr jedoch auch im zweiten Akte wieder mit weißen Händen. Allgemein wurde dies als eine Verhöhnung des Publikums aufgefaßt, und es kam daher zu den lautesten Mißfallensäußerungen.

Allein Mevius spielte kaltblütig seine Rolle weiter. Als zu seinem Herrn und Gebieter zu äußern hatte, er finde es heute sehr heiß, fügte er aus dem Stegreif hinzu: „Ja, Herr, sogar so heiß, daß ich mir doch lieber meine Handschuhe ausziehen will.“ Und gleichzeitig streifte er die fleischfarbenen Handschuhe, die er sich in der Pause besorgt hatte, von den Fingern, so daß nun die glänzend schwarzen, inzwischen geschminkten Mohrenhände zum Vorschein kamen, die er sich dann, dicht an die Rampe tretend, aufmerksam betrachtete, indem er hinzufügte: „So, jetzt ist mir wohler und vielen anderen auch!“

Sofort schlug die Stimmung im Zuschauerraum um. Mevius hatte die Lacher auf seiner Seite und erntete reichen Beifall für diese witzige kleine Rache.

[W. K.]

Anmerkung:

1. Auch erschienen unter dem Titel Das hereingefallene Publikum in: Das Buch für Alle, Jahrgang 1914, Heft 15, S. 341. Diese Fassung hier ist leicht gekürzt und etwas geändert.