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Heitere Löwenjagden

 

Heitere Löwenjagden. – Ein Eisenbahnbeamter in Tanga hatte das Glück, eines Vormittags dicht vor der Stadt einen Löwen, der gerade ein Stück Vieh in einem Dickicht verspeiste, aufzuscheuchen und durch ein paar gut gezielte Schüsse zur Strecke zu bringen. Da es sein erster Löwe war und er das seltene Ereignis gern im Bilde festhalten wollte, telephonierte er von der nächsten Station aus an einen Berufsphotographen nach Tanga und ließ durch diesen an der Schußstelle eine Aufnahme von sich und der Beute machen. Gleich darauf mußte er jedoch dienstlich zurück, nachdem er noch einigen Schwarzen Befehl gegeben hatte, den Löwen sorgfältig abzuhäuten und den Kadaver zu vergraben.

Als er nach drei Stunden zurückkehrte, um das Löwenfell mit nach Tanga zu nehmen, fand er zu seinem Erstaunen den Photographen mit dem Apparat noch immer in der Nähe der noch unabgehäuteten Jagdbeute vor. Und vergnügt schmunzelnd erzählte der Photograph, daß sich bereits sieben Europäer in schöner Pose mit dem Gewehr unter dem Arm neben dem Löwen hätten verewigen lassen und zwei weitere sehr bald zu demselben Zweck erscheinen würden. Trotzdem der Eisenbahnbeamte dieses glänzende Geschäft jetzt durch sein Dazwischenkommen störte, werden sich die bereits zusammen mit dem Löwen photographierten sieben Herren später fraglos ebenfalls als kühne Jäger und Erleger des Tieres ausgegeben haben. Kein Wunder, daß man auf diese Weise in Europa zu der Annahme gebracht wird, in den afrikanischen Kolonien liefen die Löwen ebenso zahlreich umher wie zum Beispiel in Berlin die Hunde. –

Zwei junge deutsche Kaufleute, die eben erst nach Daressalam gekommen waren, trafen eines Tages in einer Kneipe vor der Stadt einen alten Araber, der ihnen wehklagend erzählte, ein Löwe habe in der vergangenen Nacht den einen seiner beiden Lastesel zerrissen und würde sicherlich wiederkommen, um sich auch den zweiten zu holen. Sofort beschlossen die beiden Herren, die günstige Gelegenheit wahrzunehmen und dem Löwen den Garaus zu machen. Sie besorgten sich von Bekannten die notwendigen Gewehre und fanden sich noch an demselben Abend auf der kleinen Pflanzung des Arabers ein, der ihnen einen festen Schuppen mit einem Fenster nach dem Dickicht zu als den geeignetsten Ansitz zuwies. Hier in der sicheren Hut der Holzwände harrten die beiden klopfenden Herzens der Dinge, die da kommen sollten. Die Nacht war dunkel, da das Mondlicht durch dichtes Gewölk abgesperrt wurde. Den Herren wird schließlich die Zeit lang. Die mitgebrachte Flasche Kognak wird leerer und leerer. Endlich in weiter Ferne das Gebrüll eines Löwen. Krampfhaft umklammern die beiden ihre Gewehre und starren unausgesetzt durch das offene Fenster in die Dunkelheit hinaus. Immer näher kommt die drohende Stimme des Königs der Tiere. Anscheinend umschleicht er beutegierig das Gehöft. Und dann – dann im nahen Gebüsch ein Rauschen von Zweigen. Die Jäger sehen einen hellen Körper, und sofort krachen aus den Repetierbüchsen nacheinander sieben Schüsse. Noch eine Weile warten die beiden. Alles bleibt still. Trotzdem wagen sie nicht, den Schuppen zu verlassen, bis plötzlich des Arabers jammernde Stimme draußen laut wird.

„Mein Esel, mein armes Eselchen, tot – tot! Und gerade der wertvollste ist’s! Der, den der Löwe gestern zerrissen hat, war ja keine dreißig Rupien wert!“

Kleinlaut schlichen die kühnen Jäger aus ihrem Versteck hervor, um die „Beute“ zu besichtigen. Wahrhaftig – fünf Kugeln hatten das hellgraue Langohr niedergestreckt. Was blieb ihnen da anderes übrig als den Beutel zu ziehen und dem Alten den Schaden mit zweihundert Rupien, die der Esel wert gewesen sein sollte, zu ersetzen.

Erst ein halbes Jahr später erfuhren die Herren, die ihr Abenteuer natürlich verschwiegen hatten, zufällig im Deutschen Klub in Daressalam, daß sie nicht die einzigen Neulinge waren, die der Araber, der das Löwengebrüll vorzüglich nachzuahmen verstand und dessen besonders zu dem Zweck angekaufte Grautiere keine dreißig Rupien kosteten, auf diese Weise geleimt hatte.

[W. K.]

 

 

Anmerkung:

  1. Auch fast wortgleich erschienen unter dem Titel Heitere Löwenjagden in: Das Buch für Alle, Jahrgang 1915, Heft 1.
    Derzeit noch keine Vorlage vorhanden.