Raubtiere als Beschützer ihrer Herren. – In den Tropen, besonders in Südafrika, hat der Reisende häufig Gelegenheit, Mitglieder der Familie der großen Katzen als zahme Hausgenossen anzustaunen. So werden auf den Burenfarmen in Transvaal vielfach Leoparden an starken, eisernen Halsbändern wie Hofhunde gehalten.
Auf der Farm des Buren van Hoeften, die am Zandflusse dicht an der Grenze des Matabelelandes liegt, fand sich eines Tages eine Schar von acht Schwarzen ein, die Pulver und Blei einhandeln wollten. Da van Hoeften mit seinen beiden Knechten gerade einen Transport Getreide nach dem nahen Städtchen brachte, wollte seine Frau, die mit ihren halbwüchsigen Kindern und zwei farbigen Dienerinnen ohne jeden männlichen Schutz zurückgeblieben war, die dem übel berüchtigten Stamme der Matabele zugehörigen Schwarzen möglichst schnell wieder los werden und händigte ihnen das Verlangte trotz der dürftigen Bezahlung, die in schlechtgegerbten Tierfellen bestand, ohne Widerrede aus. Anscheinend wußten die Matabele aber, daß van Hoeften und seine Leute nicht anwesend waren und auch erst nach einigen Tagen zurückerwartet wurden. Sie zeigten sich immer zudringlicher und frecher, verlangten schließlich sogar, die Farmerfrau solle ihnen auch die an der Wand hängenden Schußwaffen „eintauschen“. Einige der schwarzen Spitzbuben hatten inzwischen ihnen nützlich scheinende Gegenstände schon einfach verschwinden lassen. Die Kerle fühlten sich offenbar ganz sicher. Sie hatten bereits die Gewehre von der Wand genommen, sich übergehängt und begannen eben nach den nötigen Patronen zu suchen, als der Farmerfrau ein rettender Gedanke kam.
Im Wirtschaftshofe wurden in einem Verschlage zwei zahme, ausgewachsene Leoparden gehalten. Die schwarze Bande war gerade dabei, den in dem großen Wohnraum stehenden Schreibtisch aufzubrechen, da erschien Frau van Hoeften in der Tür, gefolgt von den beiden Leoparden, die sie seinerzeit mit der Flasche großgezogen hatte und die ihrem leisesten Winke gehorchten. Ein Zuruf, und die gelben Körper schnellten durch die Luft – zwei Schreie, ein Angstgebrüll, splitternde Fensterscheiben. Zwei der Matabele lagen am Boden, die anderen hatten sich durch die Fenster schleunigst davongemacht. –
Die meiste Gelegenheit, das Anhänglichkeitsgefühl mancher Raubtiere zu erproben, ist wohl berufsmäßigen Tierbändigern gegeben. Diese wissen denn auch allerlei ebenso aufregende wie rührende Erlebnisse zu berichten.
So hatte einmal der Menageriebesitzer Helfort einen ihm als völlig zahm angepriesenen Bären gekauft und in einem aus zwei Abteilungen bestehenden Raubtierwagen untergebracht. In der anderen Abteilung befand sich eine dressierte Hyäne. Der Bär fing nun sofort an, die die beiden Abteilungen trennende Schiebetür mit Zähnen und Krallen zu bearbeiten, um sich zu der von ihm gewitterten Hyäne einen Zugang zu verschaffen. Am nächsten Morgen war das Loch bereits so groß, daß der Bär den Kopf bequem hindurchstecken konnte. Als durch das angstvolle Heulen der Hyäne das Menageriepersonal aufmerksam geworden war, begab sich Helfort in den Käfig des Bären, um diesen anderswo unterzubringen. In demselben Augenblick aber stürzte sich der Bär auf ihn und warf ihn zu Boden. Von dem zu Hilfe eilenden Personal wurde das wütende Tier von außen mit Eisengabeln und Stangen bearbeitet, ohne daß es gelang, es von seinem Opfer abzubringen. Da zwängte sich die Hyäne, die von dem Menageriebesitzer dressiert war und mit großer Liebe an ihm hing, durch die Öffnung in der Schiebetür hindurch und stürzte sich wütend auf den Angreifer ihres Herrn. Wirklich ließ der Bär von Helfort ab und wandte sich gegen die Hyäne, die er dann auch mit wenigen Bissen abtat. Inzwischen gelang es den Leuten aber, ihren Direktor in Sicherheit zu bringen.
[W. K.]
Anmerkung: