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Erlaß des XI. Armeekorps – Cassel (15. Januar 1916)

 

Erlaß des XI. Armeekorps – Cassel.

 

Bekämpfung der Schundliteratur.

Cassel, den 15. Januar 1916.

Stellv. Genkdo. XI. A.-K.

Presse-Abteilung.

Ic. Nr. 81.

 

Die gegenwärtige Rechtslage – Belagerungszustand und Aufhebung der Pressefreiheit – gibt den stellvertretenden Kommandierenden Generälen die Möglichkeit, eine schon in Friedenszeiten von allen Freunden der Jugend erhobene und jetzt erst recht dringlich gewordene Forderung zu verwirklichen: die Unterdrückung der Jugend-Schundliteratur. Die Aufgabe ist von größter Wichtigkeit. Vor allem der Jugend selbst wegen: wurde schon bisher ihre Phantasie durch die Verherrlichung von Verbrechen, durch Schilderung der unmöglichsten „Heldentaten“ und Gruseligkeiten in ungesunder Weise erhitzt und vergiftet, so werden jetzt, nachdem der Geschäftssinn der Schundvorleger die Machwerke durch Umhängung eines vaterländischen Mäntelchens zeitgemäß gestaltet hat, durch diese Schundliteratur die Großtaten unseres Heeres und Volkes der Jugend unter dem Gesichtswinkel der verrücktesten und gefährlichsten Abenteurerphantasie geschildert. So wird die jugendliche Unternehmungslust auf falsche Bahnen gelenkt und den Bestrebungen, die eine Verwilderung der Halbwüchsigen verhindern wollen, entgegengearbeitet. Daneben kommt noch eine andere Seite in Frage: Die großen Summen von Geld und Arbeitskräften, die durch die Herstellung, den Vertrieb und den Kauf der Schundliteratur besseren und nötigeren Zwecken entzogen werden.

Es ist danach notwendig, die Jugend-Schundliteratur mit allen Mitteln zu unterdrücken.

Deshalb wird angeordnet:

  1. Der Vertrieb der in Anlage I verzeichneten Schriften, ebenso ihre öffentliche Ankündigung oder Auslegung in Schaufenstern, auf Ladentischen, in Lesehallen und dergl., wird verboten.
  2. Die Polizeibehörden haben das Verbot den Inhabern der in Betracht kommenden Buchhandlungen, Papiergeschäfte, Zigarrenläden und sonstiger Verkaufsstellen, herumreisenden Händlern usw. bekanntzugeben und für seine Durchführung, erforderlichenfalls durch Beschlagnahme der aufgefundenen Bestände, zu sorgen.
  3. Etwa weiter auftauchende Schriften, die sich ihrer äußeren Aufmachung nach als Erzeugnisse der Schundliteratur darstellen und nicht in den Anlagen I (Verbotene Schriften) oder II (Zugelassene Schriften) verzeichnet stehen, sind, wenn möglich in drei Abdrucken, hierher zur Prüfung einzureichen. Das Generalkommando wird die Entscheidung nach Anhörung des Prüfungsausschusses für Jugendschriften und etwaiger sonstiger geeigneter Stellen treffen. Bis zum Eingang der Entscheidung ist der Verkauf vorläufig zu verhindern.
  4. Diese Anordnung tritt sofort in Kraft.

Die Ministerien und Regierungen werden gebeten, das stellv. Generalkommando in seinen Bestrebungen mit allen Mitteln zu unterstützen und zum 1. März 1916 gefälligst zu berichten, welche Erfahrungen gemacht wurden und welche Wünsche vorliegen. – Es wird insbesondere gebeten, die Prüfungsausschüsse für Jugendschriften und ähnliche Vereinigungen, sachverständige Buchhändler und andere geeignete Stellen von Vorstehendem in Kenntnis zu setzen und sich ihrer Mitarbeit zur Durchführung der Anordnung zu versichern.

Die Garnisonkommandos werden dafür verantwortlich gemacht, daß die Verbreitung der verbotenen Schundschriften unter den Militärpersonen unbedingt verhindert wird. Über die getroffenen Maßnahmen ist ebenfalls zum 1. März 1916 zu berichten.

Der Kommandierende General:

von Haugwitz,

General der Infanterie.

 

Anlage I. Verbotene Schriften.

I. Detektiv-, Verbrecher-, Reiseromane u. dergl.

Lord Listor, genannt Raffles, der große Unbekannte. Aus den Geheimakten des Weltdetektivs. Klaus Störtebecker. Rolf Rodewalds Reise um den Erdball. Aus fremden Landen. Um den Erdball. Texas Jack. (Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst, Berlin SW 61, Gitschiner Str. 13.) Jugendpost. (Verlag der Jugendpost, Berlin SW 61, Gitschiner Str. 13.) Lord Percy vom Exzentric-Club. (Mignon-Verlag, Dresden-A. I, Seidnitzer Str. 9.) Florian Geier, Kämpfe mit den Raubrittern. Mädchenhändler. Ein neuer Robinson. (Verlag moderner Lektüre, Berlin S 14, Dresdener Str. 88/89.) Ethel King, ein weiblicher Sherlock Holmes. Nat Pinkerton, der König der Detektive. Der neue Lederstrumpf. (Dresdener Roman-Verlag, Dresden-A., Maxstr. 5.) Nick Carter. Buffalo Bill. Durch Länder und Meere. Jürgen Peters, der Schiffsjunge. Prinzessin Übermut. (A. Eichler, Dresden, Rosenstraße 107.) Hurra! Soldatenstreiche aus Krieg und Frieden. (H. G. Münchmeyer, Dresden-Niedersedlitz.) Bibliothek der Abenteuer. (Verlagsgesellschaft Berlin, Berlin W 57.) Rund um die Welt. (Ig. Goldblatt, Wien II/3, Haasgasse 10.) Hans Stark, der Fliegerteufel. (Willi Pinkert, Berlin N 4, Chausseestr. 8.) Minx, der Geistersucher. (Neuer Verlag, Berlin SW 68, Lindenstr. 3.)

 

II. „Patriotische“ Schundliteratur aus der Zeit vor dem Kriege.

Erlebnisse deutscher Fremdenlegionäre. Unter deutscher Flagge. [Behandelt den Krieg 1870/71.] Unter Fahnen und Standarten [Behandelt den Krieg 1813/14.] Von deutscher Treue. (Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst, Berlin SW 61, Gitschiner Str. 13.) Horst Kraft, der Pfadfinder. Heinz Brandt, der Fremdenlegionär. Konrad Götz, der Wandervogel. (Mignon-Verlag, Dresden-A., Seidnitzer Str. 9.) Zehn Jahre in der Fremdenlegion. (Georg Streicher, Dresden I, Maxstraße 5.)

 

III. „Kriegs“-Schundliteratur (seit 1914).

Mit fliegenden Fahnen. Kriegsfreiwillig. [Erlebnisse eines Primaners.] Krieg und Liebe. (Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst, Berlin SW 61, Gitschiner Str. 13.) Unsere Feldgrauen. Spione. Im Kugelregen. (Mignon-Verlag, Dresden-A, Seidnitzer Str. 9.) Das eiserne Kreuz. Um Deutschlands Ehre. (Verlag moderner Lektüre, Berlin S 14, Dresdner Str. 88/89.) Der Krieg. (Dresdener Roman-Verlag.) In Feindesland. (Heilbrunn u. Co., Berlin W 30, Schwäbische Str. 25.)

 

Anlage II. Zugelassene Schriften.

I. Empfehlenswerte ältere Sammlungen billiger guter Hefte, die sich nicht auf den jetzigen Krieg beziehen, aber u. a. auch Kriegserzählungen bieten und nach ihrem Äußeren zum Teil mit der Schundliteratur verwechselt werden können.

Deutsche Jugendbücherei. (H. Hillger, Berlin.) Bunte Bücher. Bunte Jugendbücher. (Enßlin u Laiblin, Reutlingen.) Volksbücher der Deutschen Dichter-Gedächtnis-Stiftung. [Ausgabe mit farbigem Titelbild.] (Deutsche Dichter-Gedächtnis-Stiftung in Hamburg-Großborstel.)

 

II. Billige zuzulassende (wenn auch zum Teil nicht gerade hervorragende) Hefte und Heftreihen, die sich auf den jetzigen Krieg beziehen.

Krieg und Sieg nach Berichten von Zeitgenossen. (H Hillger, Berlin.) Feinde ringsum. (Enßlin u. Laiblin, Reutlingen.) Des deutschen Volkes Kriegstagebuch. (Reclam, Leipzig.) Kriegsbuch für Jugend und Volk [Zeitschrift]. (Kosmos, Stuttgart.) E. Niederhausen, Der Weltkrieg. (Eulitz, Lissa i. P.) Heymann, Unsere feldgrauen Helden. Bd. 1: Tagebuch des Grenadiers St., Preis 20 Pf. (Reclam, Leipzig.) Unsere Flieger im Kriege, Preis 30 Pf. (Schaffstein, Cöln.) Kriegsnovellen, Bd. 1. Preis 20 Pf. (Reclam, Leipzig.)