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Die Luft- und Schlammvulkane von Turbaco

 

Die Luft- und Schlammvulkane von Turbaco.

 

In der südamerikanischen Republik Kolumbien liegt 27 km südöstlich von der Hafenstadt Cartagena das Indianerdorf Turbaco, das sich trotz seiner Weltabgeschiedenheit in den Kreisen der Gelehrten einer großen Berühmtheit erfreut, und dies nicht nur wegen der von dem Forschungsreisenden Webster dort entdeckten Trümmer einer uralten, sehr ausgedehnten Indianerstadt mit zahlreichen Grabstätten, in denen viele kostbare Goldgeräte gefunden wurden, sondern hauptsächlich wegen der in seiner Nähe vorkommenden Luft- und Schlammvulkane. Nördlich von Turbaco zieht sich ein wildzerklüfteter, felsiger Höhenzug hin, dessen höchste Erhebung ungefähr 500 m über dem Meeresspiegel liegt. Die meisten der Bergkuppen dieses Höhenzuges sind, wie aus der besonderen Formation der Gipfel und den die Abhänge bedeckenden Lavaströmen festgestellt wurde, in früheren Zeiten feuerspeiende Vulkane gewesen. Jetzt sind außer den Krateröffnungen, von denen einige sich bis zu 350 m tief in die Erde hineinziehen, nur noch die nicht minder interessanten Luft- und Schlammvulkane Zeugen des vulkanischen Charakters dieser Gegend.

„Neben den erloschenen Kratern,“ so berichtet der englische Mineraloge Hobster, der 1910 Kolumbien zu Studienzwecken bereiste, „hat der Druck der unterirdischen Feuer sich neue Auswege in Gestalt meist runder, senkrecht hinabgehender Felslöcher von verschiedenem Durchmesser (1 – 5 m) gebahnt, aus denen auffallenderweise nichts als heiße Luft, oder ein Gemenge dünnen, grauen Schlammes hervortritt. Ich habe im ganzen sechs solcher Luftvulkane und vier Schlammvulkane gezählt. Bei ersteren entströmt den Öffnungen ununterbrochen mit ohrenbetäubendem Zischen ein unsichtbarer Strahl eines Gasgemenges, das nach meinen Untersuchungen die meiste Ähnlichkeit mit unserer atmosphärischen Luft hat. Der Druck dieser Luftsäule, deren Wärmegrad zwischen 200 und 80 Fahrenheit schwankt, ist derart stark, daß leichtere, in die Öffnung geworfene Gegenstände – Baumäste, kleine Steine usw. – mindestens 8 m hoch geschleudert werden. Leichtere Sachen, z. B. größere, leicht zusammengedrückte Papierkugeln treibt der Luftstrom bis zu 15 m hoch, woraus man entnehmen kann, daß die heiße Luftsäule selbst ungefähr dieselbe Höhe haben wird. Diese Luftvulkane sind, wie ich durch Umfragen bei den Indianern feststellte, offenbar seit undenklichen Zeiten in Tätigkeit. Sie spielten auch bei den religiösen Gebräuchen der Indianer früher eine bedeutende Rolle, indem einmal die verschiedenen, durch die Luftströme hervorgerufenen Zischtöne als Orakel und dann der heißeste dieser Luftvulkane, der sogenannte „Vapitulitel“, als Opferstätte für die unterirdischen Dämonen benutzt wurde, und zwar derart, daß die Priester Kriegsgefangene unter schaurigen Zeremonien in die Öffnung des Vapitulitel hineinstießen. – Augenblicklich ist eine amerikanische Firma daran, die Kraft dieser Luftvulkane industriell auszunutzen. Man montiert über den Ausströmlöchern Schaufelräder, die durch den Luftstrom in fortdauernder Umdrehung gehalten werden, und gedenkt auf diese billige Weise verschiedenen Fabrikanlagen, so auch einem Elektrizitätswerk, die notwendigen maschinellen Kräfte zu geben.

Die Schlammvulkane von Turbaco sind insofern bemerkenswert, als bei ihnen die ausgeworfene Schlammasse ebenfalls ohne Unterbrechung bis zu einer ständig wechselnden Höhe von 7 bis 9 m herausgeschleudert wird, wobei der größte Teil dieses siedend heißen, dampfenden Gemenges wieder in die Öffnung zurückfällt. Der Durchmesser dieser Schlammsäulen ist im Mittel 2 m. Die umwohnenden Indianer benutzen den abfließenden Schlamm zur Anlage von Feldern, indem sie den Schlammstrom auf ein flaches Terrain hinleiten, wo er sich dann von selbst verteilt. Auf diesen Feldern gedeihen sämtliche Pflanzen in ganz vorzüglicher Weise, wovon ich mich selbst überzeugt habe. Der Schlamm muß also Stoffe enthalten, die in geringen Mengen auch in unserem modernen Kunstdünger vorkommen. Als ich Turbaco verließ, verhandelte gerade ein Vertreter einer deutschen Firma mit einem kolumbischen Regierungskommissar an Ort und Stelle über den von der Firma beabsichtigten Ankauf des Ausnutzungsrechtes der Schlammvulkane zur Gewinnung von Kunstdünger. Es dürfte demnach sehr wahrscheinlich bald ein neues Produkt dieser Art auf dem Weltmarkt erscheinen – Marke Turbaco.“

W. K. Bel.