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Die Fluggeschwindigkeit der Tiere

 

Achtung!

Der Schriftsteller Walther Kabel schrieb diesen Artikel im Jahre 1912 entsprechend dem damaligen Wissensstand von vor über 100 Jahren. Viele dieser Informationen sind nach den heutigen Erkenntnissen inzwischen völlig überholt.
Heute aktuelle Daten findet man zum Beispiel auf Wikipedia: Mauersegler

 

Die Fluggeschwindigkeit der Tiere.

Von W. Kabel.

 

Der Flug der Tiere verdient gerade in heutiger Zeit, wo menschliche Intelligenz uns ebenfalls langsam den weiten Äther als bequemste Fahrstraße mit Hilfe aller Arten von Luftschiffen und Flugzeugen erobern will, ein besonderes Interesse. Der schnellste Aeroplan, den wir augenblicklich besitzen, legt in der Stunde, bei günstigsten Windverhältnissen, 130 km zurück, in der Sekunde also, rund gerechnet, 36 Meter. Wie gering diese Leistung im Vergleich zu der Geschwindigkeit der Vögel ist, zeigen die folgenden Zahlen.

Als die schnellsten Vögel galten bisher allgemein die Schwalben und die Tauben. Neuere Untersuchungen, besonders die Gätkes, haben jedoch den beiden, uns so wohlbekannten Luftseglern diesen Ruhm vollständig genommen. Das höchste in dieser Beziehung leistet der Mauersegler, der die 3000 km lange Strecke von Nordafrika bis Norddeutschland in sechs Stunden zurückgelegt, also in der Stunde 500 km, in der Sekunde 137½ Meter. An zweiter Stelle rangiert der virginische Regenpfeifer. Er durchmißt auf Grund sorgfältiger Beobachtungen die 6000 km betragende Entfernung von Labrador bis zur Nordküste von Brasilien in einer Nacht, also 415½ km in der Stunde, was eine sekundliche Geschwindigkeit von 115½ m ergibt. Brachvögel aber fliegen, wie dies häufig nachgeprüft ist, von der Insel Helgoland bis zur Austernbank, eine Strecke von 6700 m, in einer Minute, das sind 112 m in der Sekunde. Das Blaukehlchen bewältigt beim Frühlingszuge den über 3000 km weiten Weg von Ägypten nach Helgoland in neun Stunden, was einer Schnelligkeit von 93 m in der Sekunde entspricht. Gegenüber diesen Leistungen treten die der Brieftaube mit 35 m, und der Schwalbe mit 52 m in der Sekunde weit zurück. So sind z. B. auch der Wanderfalke (75 m), die Nachtigall (58 m) und die Nebelkrähe (55 m) schnellere Flieger, als Schwalbe und Taube. Der langsamste Vogel ist die Saatkrähe mit 12 m in der Sekunde.

Als das ausdauerndste aller fliegenden Tiere gilt der Albatros, jener gewaltige Sturmvogel, der mit seinen bis zu 2 Meter breiten Schwingen weite Gebiete des Ozeans durchstreicht und den Schiffen unermüdlich Hunderte von Meilen in majestätischem Fluge folgt. Mit ihm kann allein noch der Storch konkurrieren, der ebenfalls zu den besten Fliegern gehört.

Die Geschwindigkeit der übrigen, mit Flugwerkzeugen versehenen Tiere ist bedeutend geringer, als die der Vögel. Am nächsten kommen ihnen noch die Fledermäuse mit 38 m und die „fliegenden Hunde“ mit ungefähr 45 m in der Sekunde. Dagegen sind die fliegenden Insekten zum größten Teil viel langsamer. So leistet die Stubenfliege in der Sekunde nur 1,6 m, die Libelle 4 m, die Hummel 12 m, die Wespe 14 m, und die Biene bis zu 20 m. – Daß die Fluggeschwindigkeit völlig unabhängig von der Anzahl der Flügelschläge ist, vielmehr in der Hauptsache durch die Bauart der Flügel bedingt wird, beweist die nachstehende Zusammenstellung. Die Biene, die es auf 400 Flügelschläge in der Sekunde bringt, gehört zu langsameren Fliegern, während der Mauersegler mit nur 8 das schnellste fliegende Tier überhaupt ist. Von den Vögeln erzielt der Sperling den Rekord mit 13 Flügelschlägen in der Sekunde. Die Wildente leistet 9, die Haustaube 8, die Brieftaube sogar nur 3½ Flügelschläge. Unter den Insekten „schwirrt“ die Wasserjungfer mit ihren metallisch-steifen Flügeln nur 28 mal und steht mit dieser Zahl untenan. Die Wespe bringt es auf 200, die Hummel auf 300, und unsere mit Recht als Trägerin unzähliger Krankheitskeime viel angefeindete Stubenfliege auf 350 Flügelschläge.

Zum Schluß seien hier noch, was des Vergleichs wegen ganz interessant sein dürfte, einige andere Geschwindigkeitsziffern erwähnt. Die größte bisher gemessene Geschwindigkeit überhaupt ist die der Elektrizität in einem 1,7 mm starken Kupferdraht mit 450 Millionen Meter in der Sekunde. Die Schnelligkeit, mit der sich das Licht im Äther fortpflanzt, ist um 150 Millionen m geringer. Die Erde in ihrer Bahn um die Sonne legt 29 761 m, ein Geschoß des neuesten Kruppschen 34 cm Geschützes 1200 Meter in der Sekunde zurück. Der Schall hat nur eine Geschwindigkeit von 330 Meter, eine amerikanische elektrische Schnellbahn, die bisher den Weltrekord hält, von 56 m in der Sekunde.