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Kuriosum

 

Kuriosum.

 

Jakob Paul Freiherr von Gundling, königl. preuß. Kammer-, Ober-Appelations- und Kammergerichts-Rat, Ober-Zeremonienmeister, Rat des General-Directorii und Präsident der Akademie der Wissenschaften, am 19. August 1673 geboren und am 11. April 1731 zu Potsdam gestorben, erhielt alle seine hohen Titel und Würden lediglich aus Spott, denn er war im eigentlichen Sinne des Wortes Hofnarr und Lustigmacher, ohne jedoch diesen Titel zu führen. Sein pedantisches Wesen, verbunden mit einer grotesk-komischen Wichtigtuerei und einer lächerlichen Einbildung von seinen hohen Verdiensten, machten ihn zum Gegenstand des Spottes aller Hofleute. Beinahe zwanzig Jahre mußte er allen, selbst den fadesten Witzeleien, zum Stichblatte dienen, und er selbst brachte sich durch seine bis ans Übernatürliche grenzende Vorliebe für starke Getränke noch um den letzten Rest von Achtung. Endlich starb er, und bei Öffnung seiner Leiche fand man ein Loch in seinem Magen, das man dem übermäßigen Genuß von Spirituosen zuschrieb. Ein Leichnam ward in ein eigens für ihn erbautes Weinfaß gelegt; das Faß war schwarz angestrichen, oben war ein weißes Kreuz darauf gemalt, und auf beiden Seiten stand folgende Grabschrift:

„Hier liegt in seiner Haut,
Halb Schwein, halb Mensch, ein Wunderding;
In seiner Jugend klug, in seinem Alter toll,
Des Morgens voller Witz, des Abends toll und voll,
Bereits ruft Bachus laut:
„Das teure Kind ist Gundeling!“

„Gundeling hat nun ausgesoffen,
Und forthin nichts mehr zu hoffen
Von dem Wein in diesem Faß;
Auch beim Abschied schmerzt ihn das.
Drum war es sein letzter Wille,
Daß doch ja in aller Stille
Sein mit Wein gemäst’ter Bauch,
Kam in eben diesen Schlauch,
Daraus er sich unverdrossen
Oft die Nase hat begossen
Sage, Leser, wenn du’s ließ’st,
Ob das nicht ein Schweinpelz ist?“

In diesem Fasse wurde der Hohe in der Kirche zu Bornstädt unter zahlreichem Gefolge der angesehensten Personen feierlich begraben. – Übrigens hat der Freiherr von Gundling viele geschichtliche Werke geschrieben, und große Belesenheit und Gelehrsamkeit war ihm nicht abzusprechen, wohl aber klarer, bündiger und edler Vortrag. Schade um den Mann, der so wenig innere Würde, so wenig Selbstbeherrschung besaß, daß er sich zum Tiere herabwürdigte! – Bemerkenswert ist es noch, daß Gundling schon zehn Jahre vor seinem Tode ein mit großen Siegeln versehenes Schreiben erhielt. Hastig erbrach er es, und las schon damals folgende Grabschrift auf sich:

„Bewund’re, Leser, nicht, was uns die Fabel sagt,
Daß dort beim Lucian ein Mensch zum Esel worden.
Daß sich ein Jupiter zum Stier und Ochsen macht,
Und des Ulysses Koch tritt in der Schweine Orden.
Hier muß ein teures Haupt in dieser Gruft verwesen,
Das Esel, Schwein und Ochs zu gleicher Zeit gewesen!“

Walther Kabel.