Von W. Belka.
Über die Aufgaben und Leistungen der Militärflieger im Kriege vermag man schon jetzt, nachdem der italienische Feldzug in Tripolis und die letzten Kriege auf dem Balkan reichlich Gelegenheit zur Verwendung von Flugmaschinen boten, ein ziemlich zuverlässiges Urteil zu fällen. So schildert der italienische Fliegerleutnant Camonieri einen seiner Flüge gegen den Feind folgendermaßen: „Am Tage des Gefechtes ‚bei den zwei Palmen‘ war ich mit zwei anderen Kameraden, die gleich mir Eindecker steuerten, ständig als Kundschafter herumgeflogen. Wir brachten fast alle halbe Stunde neue Nachrichten nach unserem Generalkommando, die sich auf Truppenverschiebungen beim Gegner bezogen und äußerst wertvoll waren. Von der Flugmaschine aus bot die Schlacht einen prachtvollen Anblick. Der Donner der Geschütze, sehr wohl vernehmbar in den Lüften, das Pfeifen der Kugeln, der Niederblick auf die vielen Menschenknäuel, die bald laufen, bald stillstehen oder sich aufeinander zum Nahkampf stürzen, erregten mich ebensosehr, als ob ich mitten im Getümmel stände. Von oben gesehen ist das Schlachtbild ein ständiges Sichbewegen von Massen und Gruppen im Rahmen eines riesigen Gemäldes. Als wir uns dann am Abend bei dem Divisionskommandeur meldeten, befahl dieser, daß am nächsten Morgen bei Tagesanbruch zwei Flieger den Feind im Lager aufsuchen und mit Bomben belästigen sollten. Die Wahl fiel auf mich und den Schiffsleutnant Roberti. Noch am Abend machte ich meinen Bleriotapparat in Ordnung, mit dem ich den ganzen Tag geflogen war, befestigte auch zwei schwere Bomben darauf, von der Art, wie sie die Lenkballons werfen. Bei Tagesanbruch stiegen wir beide in weiten Spiralen auf. In einer Höhe von 700 Metern traf ich auf starken Nordwind, der in heftigen Stößen mein Flugzeug tüchtig schüttelte. Plötzlich sah ich, daß Roberti zurückkehrte. Sein Apparat widerstand dem Winde nicht. Ich konnte es meinerseits nicht über mich gewinnen darauf zu verzichten, dem Feind einen blutigen Gruß zu entbieten. In etwa 800 Meter Höhe flog ich auf sein Lager zu, das im Morgengrauen ruhig dalag. In kurzer Zeit befand ich mich über den Zelten, stark mit dem Winde kämpfend. Und nun warf ich die erste Bombe. Der Krach der Explosion drang zu mir hinauf, ich sah eine Feuergarbe aufschießen, und acht Mann wälzten sich am Boden. Andere lagen unbeweglich. Es erfolgte dann in Lager ein wildes Durcheinander und plötzlich erhoben sich Hunderte von Gewehrläufen. Man fing an, auf mich zu feuern. Während ich die zweite Bombe zu werfen mich anschickte und deswegen die Lenkstange einen Augenblick loszulassen mußte, stürzte mit einem Male mein Flugzeug um mehrere hundert Meter abwärts. Mehrere Schüsse durchbohrten die Flügel meiner Maschine und eine Kugel fuhr mir in die Wade. Es war das Ende … Aber mit aller Kraft drückte ich gegen den Hebel, mit dem gesunden Bein konnte ich die Lenkstange richten und in vollem Fluge ging’s die fünfzehn Kilometer zu unserem Lager zurück, wo mein Bruder den Halbtoten in die Arme schloß.“
Ein bulgarischer Fliegeroffizier wieder erzählt folgendes: „Mit dem Bombenwerfen aus Flugzeugen hat es seine besondere Bewandtnis. Erst nach einigen Versuchen erlangte ich genügende Erfahrung über die rechte Art und Weise des Vorgehens. Ich hatte mir eine Tabelle angefertigt über die Neigungswinkel, unter denen die Geschosse während des Fluges fallen. Ich warf regelmäßig meine Bombe ein wenig vor dem Eintreffen an dem von mir berechneten Ziele und erreichte fast immer eine nützliche Wirkung. Ein Techniker meiner Abteilung hatte eine praktische Kiste für die Bomben hergestellt. Mit der gefüllten Kiste flog ich jeweils um den von mir gewählten Angriffspunkt herum und ließ versuchsweise die erste Bombe fallen, machte dann einen Kreisflug und kehrte zum ersten Angriffspunkt zurück, indem ich die zweite Bombe warf. Fast immer warf ich die Geschosse über die Zelte, die Wirkung beobachtete ich ebenfalls durch Kreisflüge. Der Krach der Bombe ist sehr stark und gut vernehmlich, trotz dem Lärm des Motors. Nach dem Wurf sah ich fast immer ein großes Durcheinanderlaufen von Menschen und einen leeren Raum, wo vorher Menschen gestanden hatten. Eines Tages wurde ich plötzlich durch kleine Wölkchen heimgesucht, die unter dem Apparat auftauchten. Ich begriff, daß ich von Schrapnells beschossen wurde. Deutlich hörte ich das Pfeifen der Schrapnells, das so verschieden ist vom Miauen der Mauserkugel. Die Geschosse explodierten etwa zehn Meter unter mir. Plötzlich sah ich die Wölkchen auch neben mir in der Entfernung von etwa fünfzig Metern. Der Apparat stürzte infolge der durch die Schüsse bewirkten Lufterschütterung tief abwärts. Aber ich hatte ihn bald wieder in der Hand und fuhr fort, Bomben zu werfen. Später erfuhr ich durch Spione, daß ich an jenem Tage doch nur vier türkische Artilleristen verwundet hatte. Dagegen waren meine Beobachtungen über die neuen Standorte der feindlichen Batterien sehr genau und gelangten stets rechtzeitig in Besitz unserer Kommandeure, die danach ihr Feuer und ihre Angriffsbewegungen einrichteten und regelmäßig damit Erfolg hatten. – Ich persönlich bin der Meinung, daß man durch Bombenwürfe aus Flugmaschinen nur selten dem Feinde wirklichen Schaden zufügen wird. Größer schon ist die moralische Wirkung der aus der Luft herabfallenden Sprengkörper. Das militärische Flugzeug hat seine große Zukunft als Mittel zur schnellen Erkundigung der feindlichen Stellungen und Truppenverschiebungen. Hierin wird es bald unerreicht dastehen.“
Dieses Urteil bestätigen auch die Versuche im Frieden, die bisher von anderen Ländern, so auch von Deutschland, mit Militärfliegern unternommen wurden. So sagt z. B. auch Oberst Marleaux, der Inspekteur der französischen Fliegertruppen: „Für den Bombenwurf eignen sich lediglich die lenkbaren Luftschiffe, die fähig sind, an einer beliebigen Stelle im Äther plötzlich haltzumachen, um dann die Projektile mit größerer Aussicht auf Erfolg herabschleudern zu können. Aus der dahinrasenden Flugmaschine ist nur auf Zufallstreffer zu rechnen.“