Aus den Kinderjahren der Porzellanfabrikation. Von W. Kabel.
Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, berüchtigt durch seinen Menschenhandel, indem er 1776 im nordamerikanischen Kriege ein Korps von 12000 Mann an die Engländer verkaufte, zeigte wie viele der Fürsten jenes Jahrhunderts eine besondere Vorliebe für chemische Experimente, die ja zumeist darauf hinausliefen, das heißbegehrte Allerweltsmachtmittel Gold auf künstlichem Wege herzustellen. Eines Tages ließ sich ein eleganter Franzose namens Baron de Saint-Boeuf bei dem hessischen Bergrat Fulda melden und teilte ihm in einer geheimen Unterredung mit, daß er zufällig in den Besitz der Fabrikationsgeheimnisse der Pariser Porzellanbrennerei, die damals als die beste galt, gelangt sei. Fulda, sonst eine ziemlich mißtrauische Natur, ließ sich von dem zungenfertigen Franzosen überreden, für ihn eine Audienz bei dem Landgrafen auszuwirken. Dieser erhielt ebenfalls den allerbesten Eindruck von dem Baron, der ihm allerhand Porzellan-Mischrezepte sowie Zeichnungen von besonders konstruierten Brennöfen vorlegte und sich erbot, danach für den Fürsten eine der Pariser völlig gleichwertige Porzellanfabrik anzulegen. Friedrich II., der sich zumeist in Geldverlegenheit befand, sah hier eine neue Möglichkeit, seine Kasse zu füllen. Auf dem bei Kassel gelegenen Landgut Lundstädt wurde dem Franzosen eine Wohnung angewiesen, damit er dort, vor den Augen der Welt verborgen, zunächst einen kleineren Versuchsofen errichte. Der Baron begann denn auch sofort mit allem Eifer ans Werk zu gehen. Während draußen die Maurer an dem Brennofen arbeiteten, stellte er in seinem in dem Gutshause eingerichteten Laboratorium Porzellanmischungen her. Der Bergrat Fulda, dem der Landgraf heimlich den Auftrag gegeben hatte, den Franzosen zu überwachen, konnte über den Fortgang des Werkes nur Gutes berichten. So verschwand das leise Mißtrauen, das der Fürst zuerst doch noch gehegt hatte, schließlich vollständig, und willig zahlte er dem Franzosen die Summen aus, die dieser für die von ihm beschäftigten Arbeiter sowie notwendige Anschaffungen forderte. Nach zwei Monaten war der Versuchsofen fertig, und eines Tages konnte Fulda seinem Fürsten melden, daß die erste Partie Porzellansachen dem Ofen übergeben sei, wo sie nach Saint-Boeufs Anweisung drei ganze Tage der Hitze ausgesetzt bleiben müßte. Friedrich versprach hocherfreut, selbst nach Lundstädt hinauskommen zu wollen, wenn die fertigen Erzeugnisse aus der Glut herausgeholt werden sollten.
Der wichtige Tag war da. In einer eleganten Karosse fuhr Friedrich vor dem Gutshause vor. Merkwürdigerweise wurde er jedoch von dem Bergrat allein empfangen, der dazu noch ein Gesicht machte, das nichts Gutes verhieß. Friedrich hörte dann zu seiner nicht geringen Bestürzung, daß der Franzose urplötzlich spurlos verschwunden sei. Jetzt erst ahnte der Fürst, daß er einem Betrüger in die Hände gefallen war. Er ließ den Ofen öffnen und das Porzellan – Vasen, Krüge, Teller und Tassen – herausnehmen. Die Stücke waren vollkommen unbrauchbar, rissig, verbogen, ohne Glasur. Nur eine einzige Tasse war einigermaßen gelungen, hatte aber mit gutem Porzellan auch nicht die entfernteste Ähnlichkeit.
Friedrich tat alles, um des Schwindlers habhaft zu werden. Aber der angebliche Baron von Saint-Boeuf blieb verschwunden. Es kam noch besser. Einige Tage darauf meldeten sich alle die Handwerker und Lieferanten, die von dem Franzosen in Lundstädt beschäftigt worden waren, auf der Hofkanzlei des Fürsten, um ihre Bezahlung entgegenzunehmen. Man wies sie ab mit dem Bemerken, der Baron habe das notwendige Geld von dem Fürsten empfangen und Quittungen vorgelegt, daß alles beglichen sei. Die Quittungen waren natürlich gefälscht. So kam es, daß die einzige Tasse Friedrich das nette Sümmchen von 12000 Taler kostete. Die kostbare Tasse befindet sich noch heute im Museum im Kassel.