Von W. K. Bel.
Dieses merkwürdige Gebäude ist unlängst von dem französischen Kolonialoberst Gontard in einem längeren Artikel beschrieben worden. Daß nicht nur frühere Offiziere, Ärzte und Juristen, sondern auch Künstler und Architekten in der Fremdenlegion ebenso wie jedes Handwerk und jedes Gewerbe vertreten sind, ist bekannt. Sogar namhafte Künstler haben, nachdem ihr Lebensschifflein meist infolge allzu großen Leichtsinns kläglich gescheitert war, in dieser Truppe Zuflucht gesucht, nur um nicht verhungern zu müssen. So lebte auch in Paris in den achtziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts ein Bildhauer namens Pegrier, der gleich für seine erste Statue, die die französische Republik verkörperte, die große goldene Staatsmedaille und ein zehnjähriges Stipendium von 8000 Franken erhielt. Das Frauenbildnis auf den französischen Briefmarken ist eine getreue Wiedergabe jener Statue. Pegrier, der wie so viele Künstler das Geld nicht festzuhalten verstand und nebenbei noch ein leidenschaftlicher Spieler war, schien nach diesem großen Erfolg jeden Halt verloren zu haben und sah sich bald genötigt, sein Staatsstipendium zu verpfänden, nur um nicht wegen unsauberer Geldgeschäfte ins Gefängnis zu wandern. Völlig mittellos meldete er sich nach einer letzten durchwüsteten Nacht zum Eintritt in die Fremdenlegion. Vier Jahre später – 1887 – war er bereits infolge seiner Tapferkeit zum Korporal aufgerückt. In dieser Stellung, wo er mehr freie Zeit übrig hatte, kam ihm die Idee, in seinem Garnisonsorte Sidi-bel-Abbes in Algier, wo das erste Fremdenregiment noch heute steht, einen „Salle d’honneur“, eine Ruhmeshalle der Fremdenlegion zu erbauen. Nachdem er mit Hilfe eines gleich ihm im Lebenskampfe niedergegangenen Architekten den Entwurf des Gebäudes mit allen Einzelheiten fertiggestellt hatte, legte er die Zeichnungen seinem Regimentskommandeur vor, der die Sache dann der zuständigen Stelle in Paris unterbreitete. Der Gedanke, der bisher in aller Welt verachteten Fremdenlegion durch diese Ruhmeshalle, die in allen ihren Teilen lediglich von Legionären erbaut werden sollte, ein größeres Ansehen zu verschaffen, schmeichelte der französischen Eitelkeit so sehr, daß man umgehend die Mittel zum Ankauf der nötigen Materialien bewilligte. Zum Bauleiter ernannte man den Bildhauer Korporal Pegrier, während der frühere Architekt und jetzige Gemeine im Ersten Fremdenregiment Bauxchamps ihm als Sachverständiger zur Seite gestellt wurde. In nicht ganz einem Jahre war der sechseckige, aus Granitquadern hergestellte Kuppelbau, der seinen Platz in einem parkähnlichen Garten hat, dank der geradezu begeisterten Schaffensfreudigkeit der Legionäre vollendet, die sich jedoch nur in ihrer dienstfreien Zeit und an den Feiertagen mit dieser Arbeit beschäftigen durften.
Der Eingang zu der Ruhmeshalle ist von zwei in Sandstein gehauenen, wirklich künstlerisch ausgeführten Statuen flankiert, von denen die eine einen verwundeten Legionär, die andere den Orient in einer weiblichen Phantasiefigur darstellt. Pegrier hatte sie in monatelanger Arbeit in dem ihm zur Verfügung gestellten Mannschaftspeisesaal der Kaserne bei ganz unzureichenden Lichtverhältnissen geschaffen. Der „Salle d’honneur“ selbst bildet eine einzige gewaltige Halle von 15 Meter Durchmesser, die mit wunderbar fein abgetönten farbigen Steinen mosaikartig verkleidet ist. Die Entwürfe dieser Mosaikmuster stammen von einem Schweizer namens Bellinger her, der wegen eines Totschlags, den er als Schüler der Züricher Kunstakademie verübt hatte, flüchten mußte und sich in die Legion einreihen ließ. Bellinger ist auch der Schöpfer der meisten, jetzt noch in der einzigartigen Ruhmeshalle hängenden Porträtbilder. Das Dach des Gebäudes besteht aus fünf Kuppeln, deren zwiebelförmige Mittelkuppel aus Kupfer getrieben ist. Diese wird gekrönt von einer mächtigen Statue, die gleichfalls von Pegrier hergestellt wurde und die französische Republik in Gestalt einer Schwert und Lanze schwingenden Amazone verkörpert.
Der riesige Innenraum ist mit Gemälden übersät. Neben den Porträts von einigen Kommandeuren und gefallenen Offizieren der Fremdenlegion findet man viele Schlachtenbilder, die Episoden aus den Kämpfen der Truppe in Afrika, Mexiko und Indochina darstellen. Geschmackvoll angebrachte Waffenarrangements aus aller Herren Länder sorgen dafür, daß jede Eintönigkeit vermieden wird. In den Ecken sind kolossale Ehrentafeln errichtet, auf denen die Namen sämtlicher Offiziere eingemeißelt sind, die in den Gefechten der Legion den Tod gefunden haben. Unter den Bildern der früheren Kommandeure findet man auch Porträts von Männern vertreten, die sich später einen berühmten Namen schufen: Mac Mahon, Bazaine und Canrobert – nachher Marschälle von Frankreich und als solche Heerführer im Kriege 1870/71. In der Reihe der Namen der gefallenen Offiziere stößt man auf manchen deutschen und österreichischen Adelsnamen von gutem Klang: von Mollenbeck, von Hülsen, von Eckenstein, von Palutzki und andere mehr.
Hiermit ist die Reichhaltigkeit des Innenschmuckes jedoch noch lange nicht erschöpft. Zu erwähnen ist noch der Fußboden der Halle, den vier im Daseinskampf unterlegene ehemalige Holzschnitzer hergestellt haben. Er besteht aus Tausenden von kleinen, verschiedenfarbig gebeizten Holzplättchen, die zu einer genauen Landkarte von Frankreich zusammengefügt sind. Ferner gibt es dort noch kunstvoll gewebte Teppiche, Holzskulpturen, künstlerische Schmiedearbeiten und – mit die größte Sehenswürdigkeit – eine riesige Uhr in Gestalt eines fünf Meter hohen Fremdenlegionärs, der sein Gewehr, das den Pendel vertritt, unaufhörlich in der Hand schwenkt. Auf der Schulter dieser Figur sitzt eine Eule, die die Stunden mit hohlklingendem Schuhu – Schuhu … abruft. – Jedenfalls gibt dieses einzigartige Museum einen erstaunlichen Ausblick auf die Vielseitigkeit dieser aus dem Auswurf der Menschheit sich rekrutierenden Truppe, in der der gewöhnliche Mann ein Leben führt, gegen welches das eines chinesischen Kulis noch angenehm genannt werden muß.
Bei der im Herbst 1888 erfolgten Einweihung des „Salle d’honneur“, zu der sich sogar einige Vertreter der französischen Regierung eingefunden hatten, wurden der Bildhauer Pegrier und der Architekt Bauxchamps auf direkten Befehl des Präsidenten in Anerkennung ihrer Verdienste um die Errichtung der Ruhmeshalle aus den Listen der Legion gestrichen und mit einem namhaften Geldgeschenk entlassen. Trotzdem vermochte sich keiner von diesen beiden wirklich mit seltenem Talent begabten Leuten wieder aufzuraffen und in ehrlicher Arbeit sein Brot zu verdienen. Sie landeten in kurzer Zeit hinter Gefängnismauern und sind längst verdorben und gestorben – ein weiterer Beweis, daß das Leben in der Fremdenlegion auch noch den letzten Rest von Charakterfestigkeit vernichtet und nicht etwa, wie gestrandete Existenzen nur zu leicht hoffen, Aussicht auf Besserung und Gelegenheit zum Wiederhochkommen bietet.