Von W. K. Bel.
Daß die Falschmünzerei sozusagen auch als „Gewerbe im Umherziehen“ ausgeübt werden kann, zeigt ein Kriminalfall, der vor wenigen Jahren in England passierte. Mark Leclerque war Besitzer eines Wachsfigurenkabinetts, mit dem er die kleineren Städte besuchte. Leclerque führte seine Requisiten in zwei großen gedeckten Wagen mit, in einem dritten wohnte er mit seiner aus fünf Köpfen bestehenden Familie. Jahrelang hat er, wie er später eingestand, mit Hilfe von Gußformen in seinem Wohnwagen Falsifikate von kleineren Silbermünzen hergestellt, die den Leuten, die an der Kasse seiner Schaubude Geld wechselten, geschickt angedreht wurden. Wenn Leclerque die Falschmünzerei auch nur in bescheidenem Umfange betrieb, so muß er dadurch doch einen recht erklecklichen Gewinn erzielt haben. Jedenfalls hinterließ er, als er im Gefängnis von Liverpool 1910 starb, laut Testament seiner Familie, deren Mitglieder wegen Teilnahme an dem Münzverbrechen zu geringeren Freiheitsstrafen als Leclerque selbst verurteilt worden waren, außer dem Wachsfigurenkabinett das nette Sümmchen von 120 000 Mark, Ersparnisse, die ein wandernder Schausteller nicht oft zurücklegen dürfte.
Im Dezember 1910 waren vier Häftlinge des Militärgefängnisses in Algier von einem Aufseher dabei überrascht worden, wie sie nächtlicherweile in einer der Zellen, in denen sie untergebracht waren, falsche Frank- und 25-Zentimes-Stücke fabrizierten. Die näheren von der Gefängnisverwaltung nun angestellten Nachforschungen ergaben, daß die Soldaten eine ganze Falschmünzerwerkstatt in ihrer Zelle eingerichtet hatten. Aus dem Boden einer alten Flasche war ein Rezipient hergestellt worden, in den die Falschmünzer etwas Mörtel gebracht hatten. Dieser diente als Gußform und trug einen Rand aus gekautem und angefeuchtetem Papier. Oben in der Form war ein kleines Loch angebracht, durch das die flüssige Metallmasse eingegossen wurde. Als Material dienten zinnerne und kupferne Uniformknöpfe, die die Leute von überall zusammenstahlen. Aus einer alten Konservenbüchse und einer Spiralfeder, die man aus einer Bettmatratze gezogen hatte, wurde dann kunstgerecht eine zwar ebenfalls recht primitive, aber den an sie gestellten Ansprüchen doch immerhin genügende Gießlampe gefertigt. In einen anderen Konservenbüchsenboden kam das zu schmelzende Metall. Es wurde, wie gesagt, nur nachts gearbeitet. Aus dichten Bettdecken hatten sich die Leute eine Art Zelt gemacht, damit die Aufseher den Lichtschein der Lampe nicht durch das Guckloch der Türe sehen konnten. Die auf diese Weise hergestellten Geldstücke sahen auf den ersten Blick gar nicht so übel aus, ließen sich aber durch ihr falsches Gewicht und durch den Klang leicht als nachgemachte erkennen. Trotzdem haben die Gefangenen eine große Menge der Falsifikate in Umlauf gesetzt, da sie bei den gemeinsamen Erdarbeiten Gelegenheit fanden, von vorübergehenden eingeborenen Händlern allerhand Waren einzukaufen. Die Soldaten mußten ihren erfinderischen Sinn vor dem Militärgericht bitter büßen.
[1]Der Leuchtturm von Shesterland an der Südküste der Halbinsel Florida gehört zu den übelberüchtigtsten Bauwerken dieser Art. Trotzdem er erst im Jahre 1902 allen modernen Anforderungen entsprechend ausgeführt und mit hervorragenden maschinellen Einrichtungen versehen ist, halten die beiden dort stationierten Beamten es nie länger als ein knappes halbes Jahr auf dem einsamen Posten aus. Der Turm steht nämlich dicht an der sumpfigen Küste, die wegen ihrer Fieberluft gerade so wie ganz Florida den allerschlechtesten Ruf genießt. So waren denn im Frühjahr 1906 die Stellen der Leuchtturmwärter wieder frei geworden, da die letzten beiden Inhaber am gelben Fieber kurz hintereinander gestorben waren. Wochen vergingen jedoch, ehe sich bei dem Hafenamt Miami, dem die Verwaltung des Shesterland-Turmes obliegt, zwei neue Anwärter meldeten. Bis dahin mußte der Leuchtturm von Mitgliedern der Lotsenstation Miami bedient werden. Diese beiden Bewerber um die ebenso mäßig besoldeten wie lebensgefährlichen Posten wiesen sich durch Zeugnisse als gelernte Mechaniker aus und wurden nach kurzer Probezeit fest angestellt. Anscheinend hatte die Behörde mit ihnen auch eine recht gute Wahl getroffen. Denn sie versahen ihren Dienst aufs pünktlichste, schienen auch gegen die Einflüsse des mörderischen Klimas völlig gefeit zu sein. Erwähnt muß noch werden, daß die Verproviantierung der Turmbewohner von Miami aus durch eine Dampfpinasse erfolgte, die regelmäßig in den ersten Tagen jedes Monats den 50 englischen Meilen langen Weg nach Shesterland zurücklegte, um nach Ausschiffung ihrer Ladung sofort zurückzudampfen. So vergingen beinahe zwei Jahre. Die beiden Wärter dachten auch nicht im entferntesten daran, sich ablösen zu lassen – sehr zum Erstaunen des Hafendirektors von Miami, der schon daran gewöhnt war, mit den Shesterland-Männern allerhand Scherereien zu haben. Da erhält der Hafendirektor in den ersten Tagen des Januar 1908 den Besuch eines glattrasierten Herrn, der sich zunächst als New Yorker Detektiv legitimiert und dann dem aufs höchste überraschten Beamten mitteilt, welch raffinierte Gauner der Shesterland-Leuchtturm zurzeit beherbergt.
In Nordamerika waren nämlich seit einem Jahre tadellos gefälschte Geldstücke ebenso wie auch Banknoten in großen Mengen aufgetaucht, ohne daß es gelingen wollte, die Herkunft der Falschstücke zu ermitteln. Die Polizei entwickelte eine fieberhafte Tätigkeit. Alles umsonst. Und dabei handelte es sich um so glänzend gelungene Fälschungen, daß die Falschmünzer fraglos mit größeren Maschinen arbeiten mußten, um derartig saubere Falsifikate herstellen zu können. Endlich gelang es dem erwähnten New Yorker Detektiv, die Fährte eines Mannes namens Burkins, der sich in New Orleans und den benachbarten Ortschaften durch Ausgabe falscher Dollars verdächtig gemacht hatte, aber klugerweise nicht sofort verhaftet worden war, bis Miami zu verfolgen. Der Betreffende war in Miami in dem ersten Hotel abgestiegen und vertrieb sich anscheinend durch Jagd auf Seevögel aufs angenehmste die Zeit, blieb oft zwei bis drei Tage mit seinem kleinen gemieteten Kutter, den er stets allein bediente, unterwegs, um dann regelmäßig mit spärlicher Beute an Möven, Reihern und wilden Enten von seiner Küstenfahrt zurückzukehren. Der Detektiv ließ sich jedoch durch dieses harmlose Verhalten des englischen Ingenieurs Thomas Burkins nicht täuschen, besonders da er sehr bald durch vorsichtige Nachfragen bei den Hotelbedienten festgestellt hatte, daß Burkins seit etwa zwei Jahren regelmäßig jeden Monat für einige Zeit nach Miami zu kommen pflegte, anscheinend um seiner Jagdleidenschaft zu frönen, und daß es einen Ingenieur dieses Namens in Ohio, wo Thomas Burkins Mitinhaber einer Maschinenfabrik sein wollte, überhaupt nicht gab.
Diese Tatsachen teilte der Geheimpolizist dem Hafendirektor mit und bat ihn zugleich, ihm eines der Motorboote der Hafenverwaltung zur Verfügung zu stellen, damit er den eifrigen Nimrod auch auf See ständig im Auge behalten könne. Er habe nämlich den Verdacht, Burkins unternähme diese Segelfahrten ohne jede Begleitung nur deswegen, um die irgendwo in der Nähe gelegene Werkstatt der Falschmünzer möglichst unauffällig zu besuchen und die neuen Münzvorräte abzuholen. Trotzdem der Beamte gegen diese Annahme mancherlei einzuwenden hatte, beharrte der Detektiv doch auf seiner Bitte. Und bereits am nächsten Morgen folgte das Motorboot dann in vorsichtiger Entfernung dem Kutter des angeblichen Ingenieurs, der völlig ahnungslos nach anfänglich südlichem Kurs plötzlich scharf nach Südwest steuerte, wo in weiter Ferne durch das Glas deutlich die Spitze des Shesterland-Turmes über dem Meere sichtbar war.
An demselben Tage gegen 10 Uhr abends näherte sich völlig geräuschlos eine Dampfpinasse mit abgeblendeten Lichtern der Anlegetreppe des Leuchtturmes von Shesterland, an deren Eisenringen der kleine Kutter Burkins noch immer friedlich vertaut lag. Der Pinasse entstiegen eiligst der New Yorker Detektiv, der Hafendirektor und zwei handfeste Lotsen. Mit ein paar Sprüngen die Steinstufen hinauf erreichten die Männer die Eingangstür zum Turm, die zum Glück nur eingeklinkt war, und schlichen nun behutsam die Wendeltreppe des ganz aus Eisenplatten zusammengenieteten Bauwerks empor. Die Überraschung der drei Verbrecher gelang vollkommen. Sie saßen gerade in dem Wohngemach um den großen Tisch, der mit allerhand Papieren, mehreren Rollen von falschen Dollarstücken, Kupferplatten und Papierproben zur Herstellung von Banknoten bedeckt war. Nachdem die Gauner, die gegenüber den drohend auf sie gerichteten Revolvermündungen keinen Widerstand wagten, gefesselt waren, begann man sämtliche Gelasse des Leuchtturmes genau zu durchsuchen. Hierbei entdeckte man dann, eine wie vielseitig und reichhaltig ausgestattete Falschmünzerwerkstatt sich die harmlosen Leuchtturmwächter hier eingerichtet hatten. Das interessanteste war dabei aber zweifellos, daß die Gauner sich mit Hilfe der maschinellen Anlage, die nachts zur Drehung des Leuchtfeuers diente, einen vollständigen Prägstock hergestellt hatten, aus dem die Falschstücke mit erstaunlich scharfer Prägung des Münzbildes herauskamen. Die „Seele des Ganzen“ war Thomas Burkins, ein früherer Graveur, gewesen, der wirklich seine harmlosen Jagdausflüge nur dazu benutzte, um die „fertige Ware“ abzuholen und die Genossen mit den notwendigen Instrumenten, Chemikalien und Metallen stets aufs neue zu versorgen.
Anmerkung: