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Fettlebe in Schleckershausen

 

 

Muckimaki

der lustige Kobold

 

Fettlebe in Schleckershausen

 

von

W. Reynold

 

Sechzehnter Band

 

Alle Rechte, besonders das der Übersetzung und Verfilmung, vorbehalten.
Das Führen der Bandreihe „Muckimaki“ in Leihbibliotheken wird vom Verlag untersagt.

Nachdruck verboten. – Printed in Germany.

Copyright 1935 in U.S.A. by Verlagshaus Freya G. m. b. H., Heidenau, Germany

Druck und Verlag: Verlagshaus Freya G. m. b. H., Heidenau 1 bei Dresden.

 

     
 
   

Muckimaki sitzt und sinnt
Was er heute wohl beginnt.
Halt, er hat’s, da fällt’s ihm ein:
Es muß ein Vergnügen sein,
Wenn er Quak und Schnattermann
Etwas Neues zeigen kann.
Weil sie eines Sinnes sind,
Sucht er beide auf geschwind.

 
   

Spricht: „Es ist die höchste Zeit;
Habt ihr Lust, macht euch bereit!
Führe euch nach Schleckershausen,
Wo die Bretzelbäcker hausen.
Gern geh’ ich mit euch zu dritt,
Denn ihr macht ja alles mit.“
So, von Mucki angeführt,
Sind sie spornstreichs abmaschiert.

 
   

Auf verschwiegner Waldesblöße
Liegt ein Städtchen kleinster Größe,
Lange mag es da schon stehen,
Nie hat es ein Mensch gesehen.
Muckimaki hat’s entdeckt
Und ein Plänchen ausgeheckt.
Hier gibt’s keine armen Schlucker,
Alle Häuser sind aus Zucker.

 
   

Zögernd stehn sie vor dem Tor;
Muckimaki tritt hervor,
Klopft, weil Einlaß er begehrt,
Und sein Klopfen wird gehört.
Schon macht man das feste Schloß,
Wie es scheint, von innen los.
Gleich wird’s Stadttor offen sein,
Und dann läßt man sie herein.

 
   

Doch, o weh, ein Kettenhund
Springt hervor mit offnem Mund,
Und mit wütendem Gebelle
Scheucht er sie von dieser Stelle,
Die als Wächter er betreut.
Hier braucht’s keine fremden Leut’!
Mögen sich zum Teufel scheren,
Wer und was sie immer wären!

 
   

Hieraus leider sich ergibt,
Daß Besucher unbeliebt;
Doch betrachtet man’s genauer,
Ist kein Hindernis die Mauer.
Unbeachtet und geschwind
Geht’s hinüber wie der Wind,
Und schon in der nächsten Gasse
Trifft man Nahrung eine Masse.

 
   

Diese saftigen Bananen
Lassen die Genüsse ahnen,
Die sich in dem Städtchen finden;
Mehrere davon verschwinden
In der drei gesunden Magen.
Nur der Händler hat zu klagen,
Der aus seinem Laden sieht,
Welches Unrecht ihm geschieht.

 
   

Seinen schweren Holzpantoffel
Wirft der ungeschlachte Stoffel
Nach dem Kleeblatt, das da saß
Und von seinen Früchten aß.
Sie verlassen diesen Ort,
Denn ein Endchen weiter fort
Sehen sie ein Fenster offen;
Und auf Beute darf man hoffen.

 
   

Leise schleichen sie heran,
Sehen einen dicken Mann;
Dieser macht mit sauren Schweiß
Das berühmte Pücklereis.
Er verziert’s, gleich wie die Torten,
Mittels mürb’ gebackner Borten.
Fertig; und den kühlen Kleister
Leckt vom Finger sich der Meister.

 
   

Er ist ganz allein im Haus,
Und er muß einmal hinaus,
Denn es macht die Ladenklingel
Unaufhörlich pingel-pingel.
Keinen Kunden läßt man warten,
Darum muß der Meister starten;
Niemand kommt ja hier heran,
Der sein Werk zerstören kann.

 
   

So beruhigt, geht der Gute;
Aber ach, mit frechem Mute
Steigen drei ins Fenster ein,
Die da niemals dürften sein.
Da der Tag ein wenig heiß,
Schmausen sie vom Pücklereis,
Müssen auch die Mürbekuchen,
Womit es verziert, versuchen.

 
   

Der Geschmack wird fein und feiner,
Und das Kunstwerk immer kleiner.
Schnattermann wetzt seinen Schnabel,
Und im Eis sitzt bis zum Nabel
Quak, der Kühle haben muß;
Es ist wahrlich ein Genuß!
Und es ist ein wahres Glück,
Daß der Mann nicht kommt zurück.

 
   

Doch da hat man falsch geschlossen;
Wie ein Pfeil kommt angeschossen
Der Konditor, dessen Blick
Gleich erkannt sein Mißgeschick.
Schnell entspringt, enteilt, entflattert
Man mit dem, was man ergattert.
Erst als man in Sicherheit,
Ist man wieder tatbereit.

 
   

Hier, wo Zuckerblümchen stehen,
Ist ein kleiner Teich zu sehen,
Bis zum Rand voll Schokolade.
Oh, wie wär’ es jammerschade,
Würde man hier überrascht,
Eh’ man alles ausgenascht!
Plumps – der fette Schnattermann
Taucht hinein, so tief er kann.

 
   

Wie ein Schokoladenmohr
Taucht er wiederum empor,
Zu dem Sahneberg daneben
Wird er sich sogleich begeben.
Muckimaki wie auch Quak
Teilen Schnattermanns Geschmack,
Sie vergessen Zeit und Raum,
Tauchen in den weißen Schaum.

 
   

Sahneklümpchen sie umgeben,
Als sie sich vom Mahl erheben.
Quak leckt Muckimaki ganz
Sauber seinen Ringelschwanz.
Mucki hat jetzt keine Zeit,
Denn mit Schnattermann zu zweit
Kostet er vom Marzipan,
Den sie lockend hängen sahn.

 
   

Beide sind drauf wie versessen.
Ei, das ist ein Götteressen!
Kirsche, Apfel, Birne, Pflaume
Wächst vereint auf einem Baume.
Muckimaki, der sich trudelt,
Fühlt sich förmlich wie genudelt,
Nur für etwas Flüssigkeit
Wär’ er noch empfangsbereit.

 
   

Doch auch diese soll ihm werden;
Tropfen fallen auf die Erden
Und, o ungeahnter Segen,
Nieder rauscht ein Honigregen!
Mit weit aufgesperrten Mündchen
Schwelgen sie ein Viertelstündchen.
Honig trieft von Nas’ und Ohr,
Als der Regen sich verlor.

 
   

Einer leckt den andern ab;
Doch schon nähern sich im Trab
Der Bewohner breite Massen,
Um die Diebe abzufassen,
Die man wandeln sieht zu dritt.
Mucki nahm den Kuchen mit,
Den er mit geübter Hand
Irgendwo am Wege fand.

 
   

Wie sie eilen, wie sie laufen,
Wie sie schwitzen, wie sie schnaufen!
Auch der Wächterhund, der schnelle,
Ist bei dieser Jagd zur Stelle.
Hätt’ er sie gleich totgebissen,
Würd’ er jetzt nicht laufen müssen.
Es ist seine eigne Schuld;
Aber wartet, nur Geduld!
[1]

 
   

Langsam, langsam, nur gemach!
Muckimaki steigt aufs Dach,
Quak hält ängstlich ihn umklammert,
Schnattermann bekümmert jammert.
Weil er keine Rettung sieht,
Ist verdüstert sein Gemüt.
Auf dem allerhöchsten Haus
Ruhen sie ein wenig aus.

 
   

Hinterm Schornstein still sie sitzen,
Wo sie ihre Ohren spitzen,
Glauben sich hier gut versteckt,
Da sie ja der Schornstein deckt,
Finden es hier wunderschön;
Doch man hat sie schon gesehn.
Muckimaki darum spricht:
„Hier ist unsres Bleibens nicht!“

 
   

Flugs darum aufs Nachbardach,
Denn schon klettert einer nach!
Jetzt kann Mucki seinen Kuchen
Gleich als Wurfgeschoß versuchen.
Bums, der Kuchen fliegt dem Tropf
Unversehens auf den Kopf,
Daß der so behelmte Mann
Vor der Hand nichts sehen kann.

 
   

Hilflos steht er auf der Leiter,
Und die Freunde flüchten weiter,
Denn schon kommt ein Zweiter quer
Von der andern Seite her.
Quak, der Frosch, und Schnattermann
Schließen sich an Mucki an;
Ein solennes Kirchturmrennen
Könnte man die Dachflucht nennen!

 
   

Über Pfefferkuchenziegel
Geht’s wie über Tal und Hügel,
Huckepack, von Dach zu Dach;
Die Verfolger setzen nach.
Tellergroße Kuchenstücken
Fliegen wild um Brust und Rücken;
Brenzlig wird es in der Tat,
Wenn nicht schleunigst Rettung naht.

 
   

Und sie naht, denn ein Gewimmel
Von Rosinen fällt vom Himmel.
Diese preschen hart und schwer
Auf die Schleckerhäuser her,
Die, von Schmerz gepeinigt, heulen;
Ihre Schädel kriegen Beulen.
Hageln tut es immer mehr,
Bald sind alle Straßen leer.

 
   

Den entwischten Kameraden
Tat das Wetter keinen Schaden,
Und sie brachten manches Stück
Honigkuchen mit zurück
Aus dem süßen Schleckershausen,
Das daheim sie können schmausen.
Muckimakis Frau und Kinder
Schätzen dies Gebäck nicht minder.

 
   

Muckimaki hat zur Nacht
Ihnen etwas mitgebracht,
Woran mit vergnügtem Plappern
Seine Kleinen eben knappern.
Doch er selbst huscht still abseits,
Weil ein neuer Streich bereits
Ihn beschäftigt, und dazu
Braucht er ungestörte Ruh’.

     
 

 

 

 

 

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Titelverzeichnis der ersten Bände:

 
  1. Eigner Herd – Goldes wert
  2. Der gereizte Kaktusfreund
  3. Das große Los
  4. Im dunklen Erdteil
  5. Die Schatzinsel
  6. Ein Überfall oder der heißersehnte Baumkuchen
  7. Die Wunderkugel
  8. Das Vogelnest im Vollbart
  9. Mundraub oder der berauschende Likör
  10. Der Tatzelwurm
  11. Die verlegten Täuflinge
  12. Eine gut gebratene Gans
  13. Das Wasserklavier
  14. Das wunderbare Haarwuchsmittel
  15. Die verschleppte Posaune
  16. Fettlebe in Schleckershausen

 

 

Anmerkung:

  1. In der Vorlage sind die nachfolgenden zwei Bilder vertauscht. Man sieht dort zuerst, wie sie sich hinter dem Schornstein verstecken, dann erst, wie sie aufs Dach klettern.