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Alexander der Große und die Katzen

 

Alexander der Große und die Katzen. Von W. K. Abel.

 

Eine krankhafte Abneigung gegen bestimmte, als harmlos bekannte Tiere findet man bei vielen Menschen. So soll Alexander der Große schon als kleiner Knabe eine lächerliche Furcht vor Katzen gehabt haben. Gelangte eine Katze in seine Nähe, so überfiel ihn ein Zittern, die Sprache versagte, und kalter Schweiß bedeckte den ganzen Körper. Ein griechischer Schriftsteller berichtete hierzu in seiner Lebensbeschreibung Alexanders:

Philipp, der König von Makedonien, ließ seinem Sohne Alexander als dem Erben seines Thrones eine äußerst strenge Erziehung angedeihen, die darin gipfelte, daß der königliche Knabe bei Zeiten lernen sollte, seine Leidenschaften zu zügeln, Schmerzen und körperliche Anstrengungen zu ertragen. Alexanders erster Erzieher war Leonidas, ein Verwandter des Königs. Als dieser die Abneigung seines Zöglings gegen Katzen merkte, wollte er ihn durch eine gewaltsame Kur von dieser Schwäche heilen. Eines Tages sperrte er den sechsjährigen Knaben in ein Zimmer des Palastes ein, in dem sich mehrere Katzen befanden. Er selbst blieb dicht vor der Türe stehen, um die Entwicklung der Dinge abzuwarten. Erst war es in dem Gemach eine Weile still, dann drang plötzlich immer lauter werdender Lärm heraus, der jedoch bald wieder verstummte. Als Leonidas dann nach zwei Stunden das Zimmer betrat, lag der kleine Alexander bewußtlos mit Schaum auf dem Munde auf dem Fußboden, neben ihm die Katzen, die der Knabe mit seinen Händen, welche von den Krallen der Tiere blutig zerkratzt waren, erwürgt hatte.

Seit diesem Tage war Alexanders Furcht vor Katzen nur noch schlimmer geworden. Als er 336 v. Chr. den Thron Makedoniens bestiegen hatte, befahl er deshalb sogleich, sämtliche Katzen in seiner Hauptstadt zu töten.

Zwei Jahre später schickte Alexander, von sämtlichen Griechenstämmen als Oberhaupt anerkannt, an den Perserkönig Darius Gesandte mit der Aufforderung, die Perser sollten den griechischen Kolonien Kleinasiens die Unabhängigkeit wiedergeben. Darius, der von Alexanders Katzenfurcht gehört hatte, ließ den makedonischen Boten eine Kiste überreichen, in der sich eine Katze befand, der man die Augen geblendet und Ohren und Schwanz abgeschnitten hatte, und rief ihnen verächtlich zu: „Wenn Euer Herr mein Reich angreift, so wird es ihm ergehen wie dieser Katze.“

Die Gesandten nahmen das verstümmelte Tier mit und richteten die Drohung des Perserkönigs aus. Alexander bestimmte, ohne sich seinen Zorn anmerken zu lassen, daß die Katze von seinen Dienern sorgsam verpflegt werden sollte. „Falls mein Eifer, mich an den Persern für die Schmach zu rächen, jemals nachlassen wird“, erklärte er, „so soll der Anblick dieses Tieres meinen Grimm aufs neue entflammen.“

Zwei Jahre später hatte Alexander nicht nur ganz Persien, sondern auch Ägypten erobert. Nachdem die Stadt Alexandria von ihm gegründet worden war, unternahm er einen Zug nach dem Heiligtum des Ammon in der Libyschen Wüste. Die Priester kamen ihm mit feierlichem Gepränge entgegen und führten ihn in das Innerste des Tempels, das bis dahin noch keines ungeweihten Mannes Fuß betreten hatte. Hier erwies ihm der Oberpriester göttliche Ehren und verkündete, daß Alexander als einem Sohne Ammons die göttliche Weihe für eine neuzugründende Weltherrschaft gespendet werde.

Aber ein Göttersohn, der sich vor einer Katze fürchtet, ist doch ein sonderbarer Held. Und es scheint, daß eine Katze dem kühnen Alexander dasselbe zu verkünden hatte, was die schreibende Hand dem verwegenen König Balthasar verkündet. Mitten während dieser feierlichen Theaterszene kam es nämlich zu einer unvermuteten Störung.

In dem Tempel wurden zahlreiche, dem Ammon geweihte, „heilige“ Katzen gehalten, von denen plötzlich eine dem auf einem Thronsessel sitzenden König auf den Schoß sprang. Entsetzt stieß Alexander sie mit der Hand herunter. Sie fiel in ein Becken mit glühenden Kohlen, verbrannte sich jämmerlich und erfüllte die Halle mit ihrem Schmerzensgeschrei.

Dieser Zwischenfall veranlaßte den Oberpriester zu der Prophezeiung, Alexander möge sich vor dem Feuer hüten, das seinen Körper einmal verzehren werde. Die Prophezeiung ist nun freilich nicht eingetroffen. Aber neun Jahre später (323) starb der große Eroberer an einem heimtückischen Fieber.