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Die Sterbestätten der Elefanten

 

Die Sterbestätten der Elefanten. Von W. Kabel.

 

Bereits in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als waghalsige Forscher die Gebiete des „schwarzen Erdteils“ zu erschließen suchten, gelangte bisweilen die Kunde nach Europa, daß es in Afrika bestimmte, versteckt liegende Örtlichkeiten gebe, wohin die altersschwachen Elefanten sich zurückzögen, um dort ungestört zu sterben. Die Nachricht wurde anfänglich nur für ein Märchen der abergläubischen Eingeborenen gehalten.

Mit der zunehmenden Erforschung Innerafrikas mehrten sich jedoch die Beweise für die Wahrheit dieses eigentümlichen Verhaltens der stoßzahnbewaffneten Dickhäuter. Selbst vielerfahrenen Jägern gelang es nie, irgendwo einen einzelnen Elefanten zu finden, der eines natürlichen Todes gestorben war. Dagegen entdeckte man häufig an unzugänglichen Stellen gewaltige Mengen Stoßzähne und Knochenreste von Elefanten. Lenard, einer der berühmtesten Elefantenjäger, der in der Nähe von Timbuktu auf ein solches Elfenbeinlager stieß, äußert sich in seinen Erinnerungen über diesen Fall folgendermaßen:

„Ich hatte mir schon oft von meinen schwarzen Jagdgenossen erzählen lassen, daß es Elefanten-Friedhöfe geben sollte, aber nie an diese phantastisch ausgeschmückten Berichte geglaubt. Jetzt stand ich selbst an einer derartigen Stelle, die man nach der Unzahl der Skelettreste kaum treffender bezeichnen konnte. Der Boden des engen Tales, in dem zwischen den mächtigen Knochenresten das wertvolle Elfenbein hervorleuchtete, war buchstäblich mit Elefantengerippen bedeckt. Einige davon schienen erst kürzlich durch die Ameisen von dem anhaftenden Fleische befreit worden zu sein, andere lagen fraglos schon ungezählte Jahre dort. Jedenfalls widerlegte das, was ich hier mit eigenen Augen schaute, die so häufig aufgestellte Ansicht vollkommen, daß die sogenannten Elefanten-Friedhöfe nichts als Örtlichkeiten seien, an denen entweder die Eingeborenen ihr Elfenbein zu späterer Verwendung aufgespeichert hätten oder aber, wo eine ganze Herde der Dickhäuter durch irgend ein Naturereignis urplötzlich und gleichzeitig vernichtet worden wäre. Ich machte mir die Mühe, aus den Knochenüberresten die ungefähre Anzahl der in dem Talkessel verendeten Tiere festzustellen, und rechnete dabei über zweihundert heraus. Der Gewinn, den ich durch den Verkauf des so mühelos erworbenen Elfenbeins herausschlug, setzte mich in den Stand, eine neue Jagdexpedition nach dem Oberlaufe des Niger auszurüsten, mit der ich volle zwei Jahre, bis zum Frühjahr 1891, das Land kreuz und quer durchzog. Hierbei fand ich noch zwei weitere Elefanten-Friedhöfe, deren Ausbeute es mir gestattete, mein beschwerliches Gewerbe gegen das angenehmere eines Pariser Rentners einzutauschen.“

Auch der berühmte Emin Pascha entdeckte eine derartige Örtlichkeit. Er erfuhr aber auch von völlig glaubwürdigen Jägern, daß es im Sudan viele Elefanten-Friedhöfe gäbe, die jedoch von den Eingeweihten als Stätte leichten Verdienstes geheim gehalten werden.

Neuerdings hat nun der englische Afrikaforscher Sir Howard Campbell, der 1909 von einem mehrjährigen Aufenthalte im Süd-Sudan heimkehrte, wichtige Aufschlüsse über diese interessante Frage gegeben.

„Nachdem ich selbst auf ein riesiges Elfenbeinlager in einer Urwaldlichtung gestoßen war, unterlag es für mich keinem Zweifel mehr, daß all die früheren Berichte über Elefanten-Friedhöfe auf Wahrheit beruhten. Ich zählte an jener Stelle nicht weniger als 216 Stoßzähne; es mußten dort also notwendig 108 Tiere verendet sein. Das bemerkenswerteste für mich aber war die Tatsache, daß ich zwischen mehr oder minder gut erhaltenen Skeletten Leichname von fünf Elefanten fand, die kaum länger als ein halbes Jahr in der Lichtung gelegen haben konnten. Aus dieser Urwaldblöße führte ein vielleicht drei Meter breiter, meilenlanger Pfad bis in die hügelige Grassteppe hinaus. Es war der Eingang zu dem Sterbehaus der gewaltigen Tiere, die ein für uns Menschen unbegreiflicher Instinkt beim Herannahen des Todes in die Stille jener Waldlichtung leitet, wo sie den Tod erwarten.“ –

Merkwürdigerweise scheint der indische Bruder des afrikanischen Elefanten diese Neigung für eine bestimmte Todesstätte nicht zu teilen. Wenigstens liegen aus Indien keinerlei Berichte vor, aus denen man auf das Bestehen von Elefanten-Friedhöfen schließen könnte.