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Ein verfehmtes Regiment

 

Ein verfehmtes Regiment. Von W. Kabel.

 

Wenn man den englischen Armeekalender durchsieht, so stößt man auf die auffällige Erscheinung, daß auf das 4. Dragonerregiment[1] sofort das 6. folgt, d. h., daß es ein Dragonerregiment mit der Zahl 5 nicht gibt. Diese merkwürdige Tatsache ist auf ein besonderes Ereignis zurückzuführen.

Während des langjährigen Krieges, der am Ausgang des 18. Jahrhunderts zwischen England und Frankreich geführt wurde, landete im Sommer 1798 ein französisches Expeditionskorps ganz überraschend in Irland, um hier einen festen Stützpunkt für weitere militärische Unternehmungen zu gewinnen. General Humbert, der dieses Korps befehligte, warf die sich ihm in den Weg stellenden Truppen in mehreren Gefechten zurück und marschierte dann in Eilmärschen auf die befestigte Stadt Castlebar zu, wo die Hauptmacht der Engländer stand.

Vor den Toren von Castlebar – dort lag unter anderen auch das 5. Dragonerregiment in Garnison – kam es zur Entscheidungsschlacht, in der das genannte Kavallerieregiment die sehr günstigen französischen Artillerie-Stellungen angreifen sollte. Bei dieser Attacke benahmen sich die 5. Dragoner nun sehr wenig ruhmvoll, machten bereits nach den ersten auf sie gerichteten Kartätschen-Schüssen Kehrt und richteten bei ihrer wilden Flucht in den eigenen Linien eine so tolle Verwirrung an, daß der Kampf mit einer völligen Niederlage der Engländer endigte. Trotzdem mußten die Franzosen die Stadt bereits nach zwei Monaten wieder räumen, da durch Nelsons Sieg bei Abukir die französische Flotte fast vollständig vernichtet wurde und General Humbert es unter diesen Umständen für ratsam hielt, schleunigst nach der Heimat zurückzukehren, bevor ihm der Seeweg durch die englischen Kriegsschiffe versperrt wurde.

Sofort nach Abzug der französischen Truppen ereilte das 5. Dragonerregiment ein hartes Strafgericht. Durch kriegsgerichtlichen Spruch wurden der Kommandeur und sieben Offiziere zum Tode des Erschießens verurteilt. Weiter bestimmte König Georg III. von England, daß das Regiment aufzulösen und für alle Zeiten aus der Armeeliste zu streichen sei. Dieser Befehl hat bis heute Geltung behalten. Noch der heutige englische Soldat kennt keine größere Beleidigung, als die auf die oben geschilderte Geschichte des Regiments anspielende Frage, ob er vielleicht zu den 5. Dragonern gehöre. Dieser versteckte Vorwurf jämmerlicher Feigheit wird stets mit ein paar kunstgerechten Boxhieben beantwortet.

 

 

Anmerkung:

  1. „Dragonerregiment“ / „Dragoner-Regiment“ – Beide Schreibweisen vorhanden. Alles einheitlich auf „Dragonerregiment“ geändert.