Sparende Tiere. Von W. Kabel.
Im Jahre 1911 ging im Londoner Zoologischen Garten der älteste der dortigen Elefanten, Jumbo, der erklärte Liebling aller Besucher, an den Folgen eines Halsgeschwüres im Alter von 52 Jahren ein. In dem Magen dieses riesigen Dickhäuters fand man nun nicht weniger als 12 Mark nach unserem Gelde in kleinen Münzen vor. Die unverdauliche Last schien dem gewaltigen Tiere jedoch keinerlei Beschwerden verursacht zu haben.
Wie Jumbo zu diesen Spargroschen gekommen war, ist nicht weiter verwunderlich, da er die Gewohnheit hatte, alles, was ihm die Tiergartenbesucher reichten, mit dem Rüssel an sich zu nehmen und in den Mund zu stecken. Unter diesen Gaben befanden sich häufig auch Münzen, die ihm zum Scherz entgegengestreckt wurden und die Jumbo dann ebenfalls hinunterschlang.
Einen ganz ähnlichen Fall berichtet Dr. Forret von einem Strauß des Pariser botanischen Gartens.
Dieser Strauß, ein außergewöhnlich großes Tier, begann mit einem Mal zu kränkeln und ging bald darauf trotz der besten Pflege ein. Als man ihn untersuchte, entdeckte man in dem Magen, außer verschiedenen anderen festen Körpern, z. B. einer kleinen Porzellanpuppe, nicht weniger als 4½ Frank in Kupferstücken, die sich an der Magenwand zu einem Klumpen zusammengeballt, festgesetzt und schließlich schwere Entzündungen verursacht hatten, an denen das Tier dann auch zu Grunde ging.
Auch hier hatte der Strauß in derselben Weise wie Jumbo sich in seinem Magen eine Sparbüchse für die ihm dargereichten Geldstücke eingerichtet.
An dieser Stelle sei auch erwähnt, auf welche Weise die heutige Marlay-Diamantmine in Südafrika entdeckt worden sein soll.
Im Jahre 1882 ließ sich an dem kleinen Flüßchen Salpon an der Grenze von Transvaal ein Engländer namens Marlay nieder und begann mit Hilfe seiner rüstigen Frau und einiger Eingeborener einen bescheidenen Farmbetrieb. Unweit der Farm zog sich das breite, mit Geröll angefüllte Bett eines längst ausgetrockneten Flusses hin. Diesen Ort benutzten viele Strauße als ständigen Aufenthaltsort, und dort gelang es auch Marlay des öfteren, einen der schönen Riesenvögel mit der Büchse zu erlegen.
Zufällig öffnete der Farmer eines Tages den Magen eines eben geschossenen Tieres, um zu sehen, was der Strauß an unverdaulichen Dingen zu sich genommen hatte. Unter diesen fand Marlay nun einige kleine Steine, die bei näherem Zusehen eine auffallende Ähnlichkeit mit rohen Diamanten hatten. Er nahm diese Steinchen an sich und ließ sie dann in Panfontain, der nächsten Stadt, von einem Sachverständigen untersuchen.
Es waren wirklich Diamanten.
Marlay sagte niemanden, wie er zu den Edelsteinen gekommen war, begann nun aber einen Verfolgungskrieg gegen die Strauße, da er hoffte, auf dieselbe leichte Art noch mehr der kostbaren Diamanten zu erbeuten. Und tatsächlich erlegte er in kurzer Zeit sechs weitere Tiere, die sämtlich in ihrem Magen einige der glitzernden Steinchen mit sich herumgetragen hatten. Dieser Erfolg machte den Farmer stutzig. Er wußte, daß Strauße die Angewohnheit haben, jeden glänzenden Gegenstand, den sie finden, hinunterzuwürgen. So nur konnten die Tiere auch zu den Diamanten gekommen sein. Diese mußten mithin irgendwo in der Nähe offen herumliegen.
Marlay suchte nunmehr das ausgetrocknete Flußbett sehr genau ab, da dieses ja von den Vögeln als Standort bevorzugt wurde.
Die Mühe war nicht umsonst. Das Flußbett beherbergte tatsächlich in seinen obersten Sand- und Geröllschichten Diamanten in recht beträchtlichen Mengen. Aus dem einfachen Farmer wurde in kurzer Zeit ein millionenreicher Minenbesitzer, und die Marlay-Diamantmine liefert noch heute, wenn auch nicht mehr so mühelos und reichlich wie in der Anfangszeit, gute Ausbeute.
Auch Affen hat man in Zoologischen Gärten vielfach als heimliche Sparer entlarvt. Im Dresdener Tiergarten lebte Ende des vorigen Jahrhunderts ein gelehriger Schimpanse mit dem berühmten Namen Nelson, der von jung und alt mit Näschereien geradezu überfüttert wurde.
Häufig reichten Leute Nelson nun auch Geldstücke hin, die dieser ebenso gierig wie alles andere ergriff und blitzschnell oben in einer Ecke unter dem Käfigdach auf einem Balken in Sicherheit brachte. An manchen Sonntagen im Sommer hat der Schimpanse auf diese Weise bis zu einer Mark verdient. Wollte sein Wärter, an dem er sonst mit großer Liebe hing, ihm diese Schätze fortnehmen, so geriet Nelson stets in größte Wut, biß und kratzte und verteidigte seine Sparbüchse oben auf dem Dachbalken aufs äußerste.
Als der Wärter ihm dann eines Tages heimlich über seine Sparpfennige ging und sie als willkommenen Gehaltszuschuß einsteckte, ließ Nelson sich dies zur Warnung dienen und suchte sich nun für seine Münzen einen anderen, besseren Aufbewahrungsort und zwar ... die Regenrinne, die außen am Dachrande des Affenhauses entlang lief und die er nur mit weit ausgestrecktem Arm erreichen konnte.
Fraglos hoffte er, daß dieses Versteck für den Wärter völlig unzugänglich sein würde, worin er sich allerdings täuschte. Denn mit Hilfe einer Leiter ließ sich auch diese Sparbüchse leicht plündern. Nur nahm der Wärter jetzt soviel Rücksicht, diesen Raubzug immer bei Dunkelheit auszuführen und stets einige Pfennige in der Rinne zu belassen, um Nelson nicht zu sehr zu kränken.
Der Schimpanse blieb bis an sein Lebensende ein eifriger Sparer und soll für seinen Wärter eine nicht zu verachtende Einnahmequelle gewesen sein.