Leuchtende Blätter. Von W. Kabel.
Auf Sumatra kommt eine Bambusart vor, deren Blätter nach reichlichen Regengüssen in einen leichten Zustand von Fäulnis übergehen und dann in der Dunkelheit ein weißliches Licht ausstrahlen. Professor Merrin von der Pariser Universität, der sich ein halbes Jahr lang auf Sumatra aufhielt, sagt hierüber folgendes:
In den Tropen sind vollkommen dunkle Nächte selten. So mußte ich denn für meine Beobachtungen einen Abend abwarten, wo der Himmel sich dicht mit schwarzen Wolken bedeckt zeigte. Die schwere, feuchte Luft ließ auf ein drohendes Gewitter schließen, ein Naturereignis, das man auf Sumatra am besten im Schutze eines Hauses vorübergehen läßt, da wolkenbruchartige Regengüsse von ein- bis zweistündiger Dauer dort eine regelmäßige Begleiterscheinung der elektrischen Entladung sind. Trotzdem brachen wir gegen zehn Uhr abends auf.
Nach einstündigem Marsche durch dichte Dschungeln machte uns der eingeborene Führer darauf aufmerksam, daß wir dem Ziele nahe seien. Und wirklich, bald bemerkten wir jenseits einer Lichtung einen hellen Fleck, der sich in der tiefschwarzen Nacht wie der Widerschein eines Feuers ausnahm. Bald standen wir dann dicht vor dem Zauberwalde. Eine bessere Bezeichnung für diese prächtige Erscheinung, die das weite Bambus-Dickicht mit seinen wie langgestreckte, weiße Flämmchen glühenden Blättern in der Finsternis darbot, kann ich nicht finden. Der Anblick all der strahlenden Blattgebilde war geradezu bezaubernd. Hier hatte die Natur eine Illumination von überwältigender Wirkung geschaffen.
Leider zwang uns ein plötzlich niederrauschender Regen und ferner Donner zu schleunigster Heimkehr. Ich habe dann aber in der folgenden Nacht doch noch eine photographische Aufnahme dieses Naturwunders fertiggebracht. Die chemische Untersuchung einiger Blätter jener Bambusart, die die Eingeborenen Mara-Bangso, Leuchtkraut, nennen, zeigte, daß sich darin ein Phosphorgemenge entwickelt, welches das Leuchten hervorruft.
Es dürfte wenig bekannt sein, daß auch das Laub unserer einheimischen Eiche, sobald es unter Luftabschluß vermodert, die gleichen Erscheinungen, wenn auch in schwächerem Maße, zeigt; ähnlich, wie ja auch faulende Baumstümpfe weißlich zu phosphoreszieren pflegen.