Von R. Hansche
Der Pfahlbauer, der in grauer Vorzeit mit Hilfe von Feuer und Steinbeil den ersten Baumstamm aushöhlte und damit das erste Wasserfahrzeug herstellte, war gewiß, und mit Recht, stolz auf seine Erfindung. Welch eine Entwicklung hat der Schiffsbau seitdem genommen, und wie mannigfach sind die Typen, die man im Laufe der Jahrhunderte gebaut hat! Je nach den örtlichen Verhältnissen wechseln die Formen der Wasserfahrzeuge. Die Boote der Südseeinsulaner führen uns noch heute den Einbaum vor Augen. Da ein solcher aber leicht kippt, gab man ihm ein mit ihm durch Stangen verbundenes Treibholz, also einen Ausleger, bei. So erhielt man ein sehr stabiles Fahrzeug, das auch Segel tragen konnte. Ein Übelstand war allerdings dabei. Alle gewölbten oder flachbodigen Fahrzeuge treiben bei Wind leicht aus der gewollten Richtung ab. Man suchte und fand ein Aushilfsmittel, indem man breite Bretter über Bord hängte, die senkrecht ins Wasser tauchten und das Abtreiben verminderten. Solcher Seitenbretter, sogenannter Schwerter, bedienen sich auch unsere Flußschiffer, die mit ihren Kähnen den Frachtverkehr vermitteln. Bei gutem Winde gleiten ganze Flottillen dieser Kähne über die breiten Havelseen, um der Reichshauptstadt ihre Güter so schnell wie möglich zuzuführen. Ihre Fahrten sind aber unverhältnismäßig kurz gegen jene der Südseeinsulaner, die auf ihren einfachen Fahrzeugen weit über das offene Meer fuhren, um sich an fernen Gestaden von neuem anzusiedeln.
Die Einführung von lose herabhängenden Schwertern war jedoch nur ein Notbehelf, und es entstand bald das erste Kielboot. Der Kiel ist weiter nichts als ein feststehendes Schwert, das ein Abweichen des Schiffes bei ungünstigem Winde möglichst aufhebt. Durch eine flossenartige Verstärkung desselben gelangte man zum Wulstkieler, der ein starkes Gegengewicht darstellt, wenn der Wind sich in die Segel setzt. Der Wulstkieler ist darum ein beliebter Typ unserer Rennjachten, denn er vermag eine sehr große Segelfläche zu tragen. Es ist nur natürlich, daß Kielboote namentlich für die Seeschiffahrt in Frage kommen, denn auf Flußläufen ist aus bestimmten Gründen der Flachkahn angebrachter. Niedriger Wasserstand sowie beträchtliches Gefälle sind Kielbooten hinderlich. Man hat deshalb im Spreewald lange flache Kähne, die große Lasten zu tragen vermögen und auch über flaches Wasser fahren können. Am schnell strömenden Rhein dient ein ebenfalls flacher Nachen, den der Strom nicht so sehr mitzureißen vermag wie ein Kielboot, dem Verkehr. In allen fischreichen Gegenden unseres Vaterlandes hat sich der Flachkahn zum Fischerkahn weiterentwickelt. Ob man sich im Oderbruch, am Kurischen Haff oder auf der unteren Memel befindet, überall gehen die Fischer im Spitzkahn, der in der Mitte einen durchsiebten Wasserbehälter trägt, ihrem Gewerbe nach. Benutzt man einen Kahn ohne einen solchen, so schwimmen doch einige durchlöcherte Fischkästen nebenher, in die der Fang geschüttet wird. Die sich hierbei entwickelnden Bilder sind im höchsten Grade malerisch, wie alles, was mit der Fischerei zusammenhängt. Der Kurenkahn ist insofern bemerkenswert, als er anstatt eines Wimpels eine hölzerne Wetterfahne trägt, die sich lustig auf der Spitze des Mastes dreht. Sie weist in schöner buntbemalter Laubsägearbeit Figuren und Gegenstände auf; selten fehlt der litauische Reiter auf dem weißen Roß und eine Mühle. Diese Kurenkähne führen Seitenschwerter, denn sie befahren das stürmische Haff, wo es ganz gehörig wehen kann. – Das größte flachbodige Fahrzeug ist der sogenannte Prahm, der aus dicken Bohlen hergestellt wird und zum Tragen gewaltiger Lasten geeignet ist. Man benutzt die Prahme deshalb als Fähren oder als Träger für Bagger und Krane.
Die Besegelung unserer Frachtkähne ist verhältnismäßig einfach, da das Segeln ja nicht ihre starke Seite ist. Ein mittels einer vom Mast schräg nach oben verlaufenden Spreizstange hochgestrecktes Segel dient kleinen wie großen Fahrzeugen dieser Art. Anders bei Kielbooten.
Wir kennen altrömische Reliefs, auf denen Kielboote größter Form, Kampfschiffe jener Welteroberer, dargestellt sind. Während der Vordersteven nur so weit über das Vorderdeck ragt, wie es die anprallenden Wogen bedingten, ist der Achtersteven hoch heraufgezogen und überwölbt ein Häuschen oder Zelt, von dem aus der Steuermann die beiden seitlich ausgehängten Steuerruder, die mit einem Tau verbunden waren, bediente. Das Oberdeck trug zwei Masten, einen größeren Mittelmast und einen kleineren Vormast, der aber fortgenommen werden konnte. Beide Masten trugen nur je ein viereckiges Segel, das mittels einer Rahe aufgehängt war. Solche Latinersegel sieht man bei den südlichen Völkern zuweilen noch jetzt, freilich nur auf Fischerbarken. Im Zwischendeck der altrömischen Fahrzeuge saßen auf zwei oder drei übereinander angeordneten Bänken die Ruderer, denn die damaligen Seeleute wollten nicht vom Winde abhängig sein, und die zurückzulegenden Entfernungen waren ja nicht allzu große, wie zur Zeit des Kolumbus. Noch die Kreuzfahrer benutzten einen dem römischen ähnlichen Schiffstyp und bedienten sich auch der Ruder. Auf ihren großen, aber offenen Ruderbooten wagten sich die Nordlandssöhne sowohl nach dem Orient wie nach dem fernen Island und Grönland. Moorfunde haben uns derartige Boote vor Augen gebracht, die genau so wie die noch heute in Norwegen üblichen gebaut sind. Sie zeigen einen sehr hohen Sprung, das heißt, Vorder- und Achtersteven sind hoch heraufgezogen, damit das Wasser gut geteilt werden und gut ablaufen konnte. Aber auch sie trugen nur ein einfaches Segel, während die Karavellen des Kolumbus eine neue Art der Besegelung aufweisen. Es treten hier zum ersten Male Stagsegel auf, das heißt Segel, die in der Längsrichtung des Schiffes verlaufen und nicht an Rahen aufgehängt sind. Auch die Form dieser Schiffe war eine andere.
Stand das Rudern bei den Alten an erster Stelle, so mußten auch die Schiffsrümpfe verhältnismäßig schlank gestaltet sein, wenn man schnell vorwärts kommen wollte. Trat aber der Wind allein als treibende Kraft ein, so mußte man darauf bedacht sein, die Schiffe mit mehreren Masten auszustatten und ein Bugspriet über den Vordersteven hinauszuschieben. Damit der Vorderteil der Schiffe dieses tragen konnte, mußte er kräftiger und breiter gebaut werden. Gemeinsam war allen bisher genannten Schiffen das weit höher liegende Achterdeck. Nach der Entdeckung Amerikas und des Seeweges nach Ostindien entwickelte sich der Schiffsbau schneller weiter als bisher, da ihm die auf großer Fahrt gemachten Erfahrungen zugute kamen, und es entstanden jene stolzen Dreimaster, deren Schönheit wir noch heute bewundern können, denn die Segelschiffe haben sich neben den Dampfschiffen bisher behauptet. Ja, man hat sogar riesige stählerne Schnellsegler mit fünf Masten gebaut, die bei gutem Winde schneller als Dampfschiffe fahren, wenn es nicht gerade die bekannten Riesenschnelldampfer sind.
Um uns ein Bild von einem Dreimaster zu machen, sei auf seine einzelnen Teile näher eingegangen. Seine drei Masten nennt man Fockmast, Mittel- und Besanmast. Ein Mast ist auch das vorausragende Bugspriet, von dem Klüverbaum und Außenklüver ausgehen, die zur Spreizung der drei Stagsegel, Fock, Klüver und Außenklüver dienen. Der vom Bugspriet nach unten verlaufende Stampfstock dient zur Versteifung der das Bugspriet haltenden Ketten. Stagsegel setzt man auch zwischen Fock- und Mittelmast und zwischen letzterem und dem Besanmast. Letzterer trägt meist zwei übereinanderliegende Gaffel- oder Besansegel. Am Fockmast zählt man von unten nach oben das Vormarssegel, das Vorbramsegel und das Voroberbramsegel, am Mittel- oder Großmast das Großsegel, das Großmarssegel, das Großbramsegel und das Großoberbramsegel. An seitlich von den Rahen herauszuschiebenden Spieren lassen sich sogenannte Leesegel aufhängen, und zwar an Fock- und Großmast. Von dem Vormast weht die Kontorflagge, vom Großmast ein Wimpel und von der Besangaffel die Landesflagge. Man mag eine solche Bark unter irgendeinem Gesichtswinkel ansehen, immer wird man von ihrer Linienschönheit überrascht sein.
Die kleinere Schwester der Bark ist die Brigg. Sie hat nur zwei Masten, die Rahsegel tragen. Ein anderer zweimastiger Typ ist der Schoner, der keine Rahsegel, sondern nur Stag-, Gaffel- und Topsegel führt. Die zu oberst sitzenden Topsegel sind meistens gaffellos und werden nur durch angeholte Taue zwischen Mastspitze und Gaffel gespreizt. Die Galliaß ist ebenfalls ein Schoner, dessen hinterer Mast jedoch niedriger als der Fockmast ist, was beim eigentlichen Schoner nicht der Fall ist. Mitunter wird der Schoner zum Rahschoner, nämlich dann, wenn sein Fockmast außer dem Gaffelsegel auch zwei Rahsegel trägt. Alle obengenannten Schiffe haben weiße Segel, höchstens hat eine Galliaß einmal ein geockertes oder geteertes Focksegel. Ungleich farbenfreudiger erscheint der Kutter, ein Einmaster, der sowohl als Frachtschiff wie auch als Fischerfahrzeug in Betracht kommt. Schon sein Rumpf ist häufig bunt gestrichen; namentlich die Schweden tun sich darin hervor. Ihre Kutter zeigen grüne, blaue, rote und gelbe Bemalung, während die Segel im schönsten Ocker leuchten. Ebenso farbenfreudig sehen die norwegischen Fischerboote aus Lofoten aus. Die Engländer bevorzugen dunkle Farben, und bei uns herrschen heller Ocker und Braun vor. Schwimmt aber einer der breiten flunderartigen holländischen Kutter, eine Kuff, in eine unserer Flußmündungen hinein, so strahlt er in den schönsten Schifferfarben, wobei Schweinfurtergrün und Himmelblau eine große Rolle spielen. Diese Kuffs führen außer Groß- und Topsegel ein Rahsegel zwischen Fock und Mast. Wer ansegelnde Schiffe beobachten will, tut das am besten, indem er sich auf einen Molenkopf begibt und von dort aus mit einem guten Fernglase Ausschau hält. Die zuerst als zarte Silhouette über dem Horizont auftauchenden Schiffe kommen schnell näher, und man hat Gelegenheit, ihre Wendungen und Segelmanöver genau zu beobachten. Von solch vorgeschobenem Standpunkt aus kann man auch flüchtig Stellungen und Neigungswinkel von Schiffen und Segeln skizzieren, was sehr wichtig ist, denn solche Motive sind dankbar und gut zu verwerten. Die Kenntnis der Perspektive erleichtert diese Arbeit ungemein, denn an Schiffen ist alles streng symmetrisch angeordnet. Wenn dann die einlaufenden Schiffe an einem vorbeisegeln, kann man erkennen, wie schön ihre Umrisse sind.
Von vollendeter Eleganz sind die unter blütenweißen Segeln dahineilenden Jachten, die unsere Binnengewässer befahren. Ob am Starnberger See oder auf dem blauen Spiegel der Havel, überall tragen sie zur Verschönerung des Landschaftsbildes bei. Eine Wettfahrt, die man vom Ufer aus in aller Ruhe verfolgen kann, bietet namentlich beim Kreuzen gegen den Wind und beim Überstaggehen reizvollste Bilder und eigenartige Überschneidungen. Man teilt bei diesen Segelregatten bekanntermaßen die Boote nach Form und Größe in verschiedene Klassen ein. Und neben den großen Wulstkielern sieht man kleine schlanke Gigs und Jollen, die ebenfalls konkurrieren. In Jollenform, das heißt ohne einen Spiegel, wie ihn Boote besitzen, sondern mit Vorder- und Achtersteven, sind auch die Paddelboote oder Kanus gebaut. Ihr Name sagt schon, daß sie mit Handrudern fortbewegt werden. Sie können aber auch zwei kleine Segel tragen, wie man das häufig beobachten kann. Sie nähern sich in ihrer Grundform wieder dem Einbaum, da ihr Kiel nur sehr schmal ist. Sie sind die besten Tourenboote, die man sich denken kann, leicht fortzubewegen und leicht tragbar. Man trifft sie überall, denn sie können infolge ihrer geringen Wasserverdrängung noch gegen ziemlich starken Strom fahren. Anderseits beweisen die Kanus sich als seetüchtig, wenn man es versteht, den Wellen richtig zu begegnen. Das sei aber Sachkundigen überlassen, wir freuen uns lieber ihrer Schönheit, die sie mit allen übrigen Wasserfahrzeugen gemein haben.