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Stilleben im Walde

 

Stilleben im Walde

Von R. Hansche

 

Das Wetter lockt wieder einmal ins Freie! Kurz entschlossen schnüre ich mein Ränzel und pilgere hinaus zum nahen Walde, dessen Rauschen mir schon von weitem entgegenklingt. Helle Windwolken segeln über die Föhrenwipfel dahin. Lichter und Schatten huschen in stetem Wechsel über den Waldboden, hier eine Partie heraushebend, dort verschleiernd. Daran liegt es wohl, daß sich meine Aufmerksamkeit heute vorzugsweise auf die nähere Umgebung richtet, deren Einzelheiten minutenlang haarscharf hervortreten.

Nachdem ich eine Zeitlang durch halbmannshohe blühende Gräser gewandert bin, die den lichten Kiefernwald schmücken, folge ich dem Eisenbahnstrange, der den Wald durchquert. Hier ist es so still, als ob niemals ein Schnellzug über die Schienen gedonnert wäre. Birken und Akazien begleiten den Bahndamm, ja, ihre Schößlinge haben sich sogar auf ihm selbst angesiedelt und bilden förmliche Stilleben. Der Wald sucht seine Herrschaft über das Werk von Menschenhand durchzusetzen; er sendet seine Pioniere vor. Dazu gehört der Adlerfarn, der hier wuchert; seine graziösen Formen gehören wohl zu den schönsten der Pflanzenwelt. Nicht weit von ihm zeigen sich einzelnstehende Nachtkerzen, deren gelbe Blüten auch des Nachts leuchten. An die gegenüberliegende Böschung lehnt sich ein Wärterhäuschen, fast völlig verborgen unter blühenden Holunderbüschen. Dort hausen wohl die beiden Rotschwänze, die auf der Schwelle herumhüpfen und einer Haubenlerche guten Tag sagen. Auf den Telegraphendrähten sitzt ein Schwalbenpärchen, unbekümmert um Meister Specht, der dicht neben ihm emsig an einer Telegraphenstange hämmert. Aber plötzlich werden sie aufmerksam, lauschen und fliegen davon; in der Ferne donnert es. Ein Zug kommt herangebraust und zerstört das ganze Stilleben.

Als das Geräusch in der Ferne verhallt ist, verlasse ich den Bahndamm und schlage mich wieder in den Wald. Zwischen den Kiefern taucht hier und da Besenginster auf. Seine goldgelben Blüten leuchten, daß es eine wahre Pracht ist, und machen dem Frauenflachs, der in der Nähe wächst, den Rang streitig. Seltener ist schon der wilde Hopfen, dessen Reben einen jungen Ahorn umschlingen und sich in wunderlichen Windungen nicht genugtun können.

Nun weichen die Stämme weiter voneinander und lassen eine kleine Waldwiese frei, auf der eine junge Kiefer steht. Ihre hellgrünen Triebe heben sich im klaren Sonnenschein von der dahinterliegenden, schattigen Waldwand reizvoll ab. Sie teilt den vorhandenen Raum mit einem Distelgebüsch und einer Brombeerhecke. Unzählige Distelfalter gaukeln von Blüte zu Blüte oder hängen, trunken vom Nektar, an Grashalmen und Blättern. Nur schwer reiße ich mich los von diesem Stückchen Natur, um aber schon nach kurzer Wanderung von einem ebenso schönen gefesselt zu werden. Vor mir zeigt sich das verschilfte Ende eines Waldsees. Auf dem dunklen Wasserspiegel schwimmen Wasserlinsen und Froschbiß, unterbrochen von Wasseraloe, die sich darüber heraushebt. Es ist hier durch ein Spiel der Natur ein wundervolles Flächenmuster entstanden, das in seiner Art noch vielgestaltiger ist als ein unweit schwimmendes. Dieses wird aus den Blättern und Blüten der Teichrose gebildet, die mit Sumpf-lalla abwechselt. Frösche und Libellen sorgen für das belebende Element. Mitunter springt ein Fröschlein gierig nach einer solchen Wasserjungfer, hascht sie und plumpst ins Wasser zurück. Dann ist wieder alles still.

Während ich noch den eben aufgenommenen Eindrücken nachhänge, stößt mein Fuß an einen großen weißen Pilz. Es ist ein Täubling, ein Giftpilz, der mich daran erinnert, daß die Feuchtigkeit dieses Frühjahrs doch schon mehr Pilze aus der Erde gelockt haben müsse. Da muß ich doch gleich mal nachsehen! Bald erreiche ich eine Schonung, und richtig, da, unter der Traufkante der Baumkronen, leuchten wie Knöpfchen junge Pfifferlinge aus dem Moose hervor. Aber auch eine Kolonie von Schwefelköpfen, die einen morschen Baumstumpf besiedelt hat, fällt mir auf. Bald wird ihr Wurzelgeflecht denselben so durchzogen haben, daß er ganz zerbröckelt. Gleichwie eine Treppe, die zur Platte des Baumstumpfes heraufführt, wirken die bunten Porlinge, die sich an der anderen Seite angesetzt haben. Und sie werden auch als solche benutzt, denn eben klettert ein Holzbock daran hoch, um dann, oben angelangt, die Flügel auszubreiten und abzuschwirren. Er fliegt auf einen riesigen Ameisenhaufen in der Nähe, aus dessen Mitte ein junges Eichenbäumchen herausragt. Die Ameisen haben also dessen Stämmchen als Stützpfeiler für ihren Bau benutzt. Gar nicht so dumm! Der Bockkäfer hat unterdessen eine gräßliche Aufregung verursacht. Aus allen Löchern kommen die Zangenträger hervor und fallen ihn an. Was bleibt ihm übrig, als sich auf das Bäumchen zu retten! Aber auch hier ist seines Bleibens nicht; überall krabbelt es. Da fliegt er lieber nach einer alten Eiche, wo er zu Hause ist und wo es keine Ameisen gibt.

Um meinen Zweck nicht aus den Augen zu verlieren, schaue ich mich weiter nach Pilzen um, die ja so häufig die entzückendsten Stilleben bilden. Ich biege die unteren verfilzten Zweige der Kiefern auseinander und sehe meine Mühe durch die Aufdeckung eines Lagers von Steinpilzen belohnt. Kein anderer Pilz drängt so wuchtig aus dem Boden empor wie dieser. Und wie teilt sich dieses Empordrängen zum Lichte seiner Umgebung mit? Kreuz und quer liegen kleine Schollen des durchbrochenen Erdbodens, Kiefernadeln, Holzstückchen und Ruten durcheinander und bilden eine wirksame Umrahmung für den neuen Waldbürger. Lange wird er freilich nicht unangefochten stehenbleiben. Würmer und Schnecken werden an ihm zehren, bis er eines Tages zerfällt und Dünger für denselben Waldboden wird, den er so lebensfroh durchbrochen hatte.

In folgendem möchte ich nun dem Kunstjünger einige Winke geben, wie er solche Augenblicksbilder am besten festhält. Es gibt mehrere Zeichenmaterialien, mit denen er verhältnismäßig schnell zum Ziele kommt. Der Bleistift bleibt, sinngemäß angewandt, noch immer das beste Darstellungsmittel, wenn man etwas schnell, sauber und zugleich breit – flächig skizzieren will. Man benutze mehrere Härtegrade; die Nummern 1 (weich) und 2 (etwas härter) sind wohl die gebräuchlichsten. Als Grundsatz gelte: Glattes Papier, weicher Bleistift – Rauhes Papier, härterer Bleistift. Ein gutes Material ist ferner die Contékreide, die ebenfalls in verschiedenen Härtegraden zu haben und der im übrigen sehr brauchbaren Lindenkohle beim Arbeiten im Freien vorzuziehen ist, weil der Wind eine Kohlenzeichnung leicht verweht.

Nun will doch aber ein jeder gern mit Farben arbeiten! Mit welcher Farbe wird er da am besten fahren? Die Ölfarbe ist für Einzeldarstellungen im kleinen, also für Intimitäten, wenig geeignet. Die Pinselführung kann auf Kleinigkeiten nicht gut eingehen. Da ist es schon vorteilhafter, Wasserfarben zu benutzen, die leicht traktabel und mit weichen spitzen Pinseln auch zeichnerisch zu behandeln sind. Man kann mit ihnen aber auch breit malen; es sind also sehr empfehlenswerte Farben, die auch eine große Leuchtkraft besitzen. Hat aber jemand keine Lust, eine Wasserflasche einzustecken, so steht ihm noch weiteres Farbmaterial zur Verfügung, nämlich der Ölkreidestift, den man auf verschiedene Weise anwenden kann. Man benutze als Grund ein nur wenig gekörntes Tonpapier, und zwar immer einen Farbton, der sich den in dem darzustellenden Motiv vorherrschenden Generalton nähert, den man dann durch Einsatz der entsprechenden Farben vertiefen oder aufhöhen kann. In seiner Mappe führe man also mehrere Papiere von verschiedener Tonung mit sich. Sehr zu empfehlen sind: Silbergrau, warmes helles Braun, stumpfes Grün und Graublau. Beispiele mögen das Gesagte erläutern.

Eine junge, vor dunklem Waldesgrün stehende Tanne wird vorteilhaft auf stumpfgrünem Papier gezeichnet. Ihre Triebe höht man mit Hellgrün auf, den Hintergrund bearbeitet man mit den entsprechenden dunklen Farbtönen. Es sei darauf hingewiesen, daß sich die obengenannte Contékreide mit Ölkreide verträgt. Man kann mit Ölkreidestiften bei lockerer Behandlung den Eindruck einer Malerei erzielen, deren Tonskala etwas beschränkter ist als bei anderen Farben. Will man recht leuchtende Wirkungen erzielen, so kann man sie auch auf leicht gekörntem weißem Papier benutzen.