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Der Wuchs der Bäume

 

Der Wuchs der Bäume

Von R. Hansche

 

Was wirkt wohl malerischer als ein schöner Baum, sei es, daß er im zarten Frühlingsgrün prange, sei es, daß er sein goldenes Herbstgewand angelegt habe; immer wird er zu unserem Empfinden sprechen! Von jeher zieht es uns zum schattigen Walde hin, wo wir Bäume der verschiedensten Arten antreffen, denn nicht nur der ausgewachsene Baum interessiert uns, sondern ebensosehr das Reis und der Steckling. Wie zart wirken die lichtgrünen oder leicht angebräunten Blättchen eines solchen, wenn das Frühlicht sich in dem auf ihnen liegenden Tautropfen spiegelt! In Forstgärten stehen junge Eichen, Kiefern, Tannen, Eschen und viele andere Artgenossen in langen Reihen angepflanzt. Noch schauen die jungen Schößlinge zu den umstehenden Pechnelken und Skabiosen empor, die sich im Sommerwinde zu ihren Häupten wiegen; noch macht das zarte Eichenreis einen Knicks, wenn sich ein Vögelchen auf ihm niederläßt. Aber schon nach einigen Jahren hat sich das Bild verändert, eine kniehohe Schonung ist entstanden, in der sich allerlei kleinere Tiere verbergen können. – Die Kiefern wachsen am schnellsten und machen den Hauptbestand unserer Wälder aus. Wir sehen sie meist als schlanke Erscheinungen, wie sie in Schonungen und Stangenorten emporschießen, seltener als knorrige Gesellen, die freilich um so malerischer wirken. Ihre Rinde ist vielfach geborsten und mit grauen Flechtenmoosen bewachsen, zumal wenn sie einzeln stehen. Während die Kiefer eine breite Krone trägt, ist ihre Artgenossin, die Tanne, von unten bis oben mit Zweigen bedeckt und hat eine glatte Rinde. Sie ist im Gegensatz zur Kiefer, die eine Bewohnerin des Flachlandes ist, im Berglande zu Hause. Die grünen Hänge Thüringens sind zumeist von Tannen bestanden, deren Holz das Material für die dort bodenständige Spielwarenindustrie liefert. Wo Tannenbestände von Buchen unterbrochen werden, wie im Harz, bietet sich dem Auge im Herbst ein Farbenspiel dar, das seinesgleichen sucht.

Die Buche, diese Zierde unserer Wälder, tritt sowohl im Berglande wie in der Ebene auf. Sie wird höher als alle anderen Bäume, Esche und Pappel ausgenommen, und ihre breit ausladenden Äste vereinen sich zu einer Krone von schönster Ebenmäßigkeit. Das Wurzelwerk des silbergrau gefärbten Stammes tritt zum Teil über den Erdboden heraus und bildet schön geschwungene Linien, die zum Stamme überleiten. Alle Formen der Buche haben etwas Rundes, Schwellendes, unähnlich denen der Eiche, die knorrig sind; auch ihre Blätter sind elliptisch-eiförmig. Wundervoll wirkt ein herbstlich gefärbter Buchenwald, wenn die Blätter fallen und den Boden bis auf wenige Moosstellen bedecken.

Anders die Eiche. Tiefgefurcht ist die Rinde ihres gedrungenen Stammes, von dem die Äste oft fast rechtwinklig abstreben, um dann plötzlich einen Knorren zu bilden und nach oben zu wachsen. Ihre Belaubung ist nicht so dicht wie die der Buche und nimmt im Herbst eine mehr bräunliche Färbung an. Und wie man Rotbuchen von den ihnen verwandten Weiß- oder Hagebuchen unterscheidet, so macht man auch einen Unterschied zwischen Winter- oder Steineichen und Sommer- oder Stieleichen. Letztere sind so benannt nach ihren länger gestielten Blüten und Früchten. Sowohl Buche wie Eiche liefern ein vorzügliches Nutzholz, das wegen seiner schönen Maserung auch zum Furnieren benutzt wird. So bekannt die Eicheln sind, so selten bekommt man die Früchte der Buchen, die Bucheckern, zu sehen, denn erstens gibt es deren nicht in jedem Herbste, und andererseits schmausen Eichhörnchen und andere Tiere diese so gern, daß man nur die leeren Schalen am Boden findet.

Viel seltener als Buche und Eiche tritt in unseren Wäldern die Linde auf. Man unterscheidet auch hier zwei Arten, nämlich die rüsterblättrige oder Winterlinde und die breitblättrige oder Sommerlinde. Ihre Zweige neigen sich gefällig um den Stamm und werden vom Winde leicht bewegt, denn sie sind sehr elastisch. Das Lindenholz liefert die allbekannte Zeichenkohle und wird auch als Nutzholz verarbeitet; Tischplatten und Reißbretter aus Lindenholz sind sehr gebräuchlich. Den schönsten Anblick gewährt eine in vollem Blütenschmucke stehende Linde, deren süßer Duft alle honigsuchenden Insekten anlockt. Die herzförmigen Blätter reizen den Künstler, ebenso wie die Blüten, zu ornamentaler Verarbeitung. Trotzdem die Linde ein Waldbaum ist, liebt sie doch vornehmlich einen freien, luftigen Standort. Noch viel mehr sucht einen solchen die Rüster, die sich gern auf freiem Felde ansiedelt, weswegen man ihr auch den Namen Feldulme gegeben hat. Sie schießt mächtig ins Holz, und ihr Wurzelstock ist ganz gewaltig. Man sieht ihn häufig an Bachläufen frei liegen, wo ihn das Wasser bloßgelegt hat. Linde und Ulme haben beide die Neigung, ganz dicht über dem Erdboden Äste zu bilden, wirken daher, von weitem gesehen, mitunter buschartig. Die gezähnten stumpfgrünen Blätter der Ulme bilden eine riesige Krone, die höher als die der Linde wird und vielen Vögeln Unterschlupf bietet. In Norddeutschland sind viele Dorfstraßen von Linden oder Rüstern beschattet, die mehrere hundert Jahre alt sind und eine Zierde der unscheinbaren Dörfchen bilden. Auch die Roßkastanie, die in Wäldern nur selten angetroffen wird, ist auf dem platten Lande überall zu Hause, und man sieht es ihr nicht an, daß sie hier nicht bodenständig war, sondern von Kleinasien nach Europa eingewandert ist. Sie ist besonders schön im April, wenn ihre saftstrotzenden Knospen aufbrechen und sich in wenigen Tagen Blätter und Blütenschäfte entwickeln, deren dekorative Werte in die Augen springen.

Bäume, die man fast nie im Walde, sondern meist auf freiem Felde antrifft, sind die Schwarz-, Silber- und Zitterpappeln. Die Blätter der Silberpappeln sind auf der Unterseite weißlich, wogegen die Blattstiele der Zitterpappeln länger als die ihrer Artgenossen sind.

Aus den Gebirgsländern ist ein anderer Baum, die Eberesche, in die Ebene herabgestiegen. Sie bildet mit ihren duftenden weißen Blütendolden eine Zierde der Landschaft, der sie im Herbst noch einmal einen eigenen Reiz verleiht, wenn ihre roten Beeren von allen Zweigen herabhängen. Die gemeine Esche ist hingegen ein Baum der Niederung, der allerdings auch bis zu beträchtlichen Höhen emporsteigen kann, seine höchste Höhe aber an Flußläufen erreicht, wo er gegen dreißig Meter hoch wird. Seine gefiederten Blätter bilden eine leichte, gefällige Krone. Sumpfgebiete, wie einige Teile des Spreewaldes, weisen ganze Kolonien von Eschen auf, denen wieder von Schwarzerlen der Raum streitig gemacht wird. Die Erle streckt ihre Zweige wagerecht vom Stamme aus und hat stumpfgrüne härtliche Blätter. Sie ist gleichwie Birke und Weide jedermann bekannt. Zu unterscheiden ist die graugrüne Saalweide von der Silberweide, deren Blätter seidig behaart sind. Alle drei Baumarten treten sowohl im freien Felde wie auch in Wäldern auf, und zwar eine jede unter den ihr zusagenden Verhältnissen. Bleibt die Erle unten am Waldsee, so wagt sich die Weide schon etwas höher auf die Wiesen hinauf. Die Birke aber, die mit trockenem Boden vorliebnimmt, säumt die Wege und klettert die Berglehnen hinauf, wo sie sich in hellen Tupfen von den dunkleren Tannen abhebt. Je höher die Bäume hinaufsteigen, um so weniger wachsen sie, um schließlich zu verkümmern und das sogenannte Knieholz oder Latschen zu bilden, das den höchstgelegenen Gürtel unserer Gebirgswälder ausmacht. Wer sich den Aufstieg nicht verdrießen läßt, wird dort ganz eigenartig verkrüppelte Bäume finden, die ihn zu malerischer Verwertung anregen.

Ein bei uns einheimischer Baum ist der gemeine Feldahorn, der überall angetroffen wird, wo Licht und Luft sein Wachstum ermöglichen. Er hat fünflappige Blätter wie sein Vetter, der spitzblättrige Ahorn, auch deutscher Zuckerahorn genannt, wird aber nicht bis zu achtzehn Meter hoch wie dieser. Bis auf fünfundzwanzig Meter Höhe bringt es die Platane, ein aus dem Morgenlande stammender Baum, dessen Blätter denen der Ahorne ähnlich, aber breiter und stumpflappiger sind. Die Rinde der Platane ist gleichsam marmoriert und wird in jedem Frühjahr neu gebildet, darin ist sie eine ganz eigenartige Erscheinung. Auch ihre Früchte, die sogenannten Kletten, ähneln durchaus nicht denen des Ahorns, die eine Doppelflügelfrucht, die sogenannten Nasenstüber, tragen, die vom Winde fortgetragen wird und sich leicht ansamt. Das Holz dieser drei Baumarten zeigt eine wunderschöne Maserung und wird in der Möbeltischlerei verwendet, ganz wie das des Nußbaumes, der namentlich in der Rheinebene anzutreffen ist. Der Nußbaum zeigt eine leicht rissige Rinde wie die Ahorne, ist aber heller gefärbt als diese. Zwischen seinen hellgrünen Blättern hängen die von fleischiger Schale umgebenen Früchte. Man mache einen Querschnitt durch eine derselben, und man wird ein reizvolles Ornament erblicken.

Zu denjenigen Bäumen, die prähistorische Formen in unser Zeitalter hinübergetragen haben, gehören die Lärchen und Eiben. Während die Lärchen feingefiederte Blätter tragen, sind die Zweige der Eiben von Nadeln besetzt. Wildwachsende Eiben gibt es nur noch wenige in unseren Wäldern, dagegen um so mehr Lärchen, die in Bergländern ganze Abhänge bedecken. Im Frühling sitzen an den Spitzen ihrer Zweige purpurrote Blüten, die von Insekten aufgesucht werden. Im Herbst vergilben die lichtgrünen Blätter und fallen zu Boden. Die Eibe aber behält ihre dunkelgrünen Nadeln und setzt ihre eigenartigen zapfenartigen Beerenfrüchte an. Eibenholz ist von feiner braungeflammter Maserung. In neuerer Zeit hat sich die Landschaftsgärtnerei der Eiben angenommen und verpflanzt sie aus Baumgärten in Parkanlagen.

Aus Asien sind endlich auch unsere Kirsch-, Apfel-, Birnen- und Pflaumenbäume zu uns gekommen, freilich im Urzustande als Wildlinge. Auf Waldwanderungen trifft man hier und da solch alten geborstenen Gesellen, dessen Enkel längst geschätzte Edelfruchtträger geworden sind, indes ihn selbst Ameisen und Holzkäfer heimsuchen.

Die künstlerische Ausbeute, die uns die Bäume gewähren, ist ungeheuer vielseitig. Sei es, daß wir sie naturalistisch darstellen, sei es, daß wir sie in dekorativer Weise als Flächenmuster benutzen. Jede ihrer Einzelheiten ist verwendbar. Die Struktur der Rinde, die Maserung der Quer- und Längsschnitte, Blüten, Blätter und Früchte, alle dienen uns gleichermaßen. Um frei in der Behandlung des Baumschlages zu werden, empfiehlt es sich, sowohl einzelne Bäume, als auch Einzelheiten derselben nach der Natur zu zeichnen. Erst wenn man alle die verschiedenen Formen völlig in sich aufgenommen hat, wird man sie künstlerisch frei anzuwenden wissen.