Althagen. Zeichnung von Reinhold Hansche
Von Reinhold Hansche
Wir bauen oftmals feste
Und sind nur fremde Gäste.
Wo wir sollten ewig sein,
Da bauen wir gar wenig ein.
Als die Römer unsere Vorväter kennenlernten, wohnten diese in hölzernen Häusern, teilweise sogar noch in Zelten, die mit Häuten bedeckt waren, und deren Inneres mit Fellen ausgelegt wurde. Im allgemeinen war das deutsche Haus ein Langhaus, wie es sich stellenweise noch bis heutigentags im sogenannten alemannischen Hause erhalten hat. Bajuvaren, Alemannen und Franken entwickelten verschiedene Hausformen, ebenso Sachsen und Friesen, die zur Zeit Karls des Großen in das Licht der Geschichte gerückt wurden. Gerade diese beiden Volksstämme, die einen Kampf nach zwei Seiten, gegen die vordringenden christlichen Franken und gegen die ewig unruhigen Slawen und Dänen, zu bestehen hatten, haben ihre ursprünglichen Hausformen am reinsten bewahrt. Sie sollen uns denn auch zuerst beschäftigen.
Bodenbeschaffenheit und Witterungsverhältnisse bedingen gewisse, immer und überall wiederkehrende Erscheinungen beim Hausbau. So erklärt es sich, daß in Gegenden, die vom Winde stark bestrichen werden, knappe Formengebung nötig ist, denn jeder Vorsprung bietet Angriffsflächen. Auch das Baumaterial muß demgemäß gewählt werden. Die altsächsischen Holzhäuser, die Karls des Großen Krieger mitten im dichten Walde vorfanden, waren von rohbehauenen Stämmen zusammengefügt, und ihr Dach war mit Moos bedeckt, wie das heutzutage noch in Skandinavien üblich ist. Aber zugleich mit der Rodung der heimatlichen Wälder stieg der Preis des Bauholzes mehr und mehr, so daß sich unter diesem Zwange der Fachwerkbau entwickelte, der nur so viel Holz wie nötig benutzte, während das Fach in Stein ausgemauert wurde.
Auch die Lebensbedingungen der verschiedenen Volksstämme mußten dem Hausbau ein bestimmtes Gepräge aufdrücken. Insofern unterschieden sich sächsische und slawische Wohnhäuser vielfach nur wenig voneinander, denn beiderseits beschäftigte man sich mit Ackerbau und Viehzucht. Während nun in den wendischen Landstrichen östlich der Elbe entweder von den Wohnhäusern gesonderte Stallgebäude bestanden oder das Kleinvieh ungehindert die Wohnhäuser betreten durfte, versammelte der Niedersachse Hausinsassen und Hausvieh unter demselben Dache; er wies aber jedem seinen bestimmten, gesonderten Raum zu. Diese ursprüngliche Hausform hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Ob wir das liebliche Hügelland westlich des Wesergebirges bewandern, ob wir uns in der Lüneburger Heide oder in den Elbmarschen umschauen, überall tritt uns das behäbige niedersächsische Haus entgegen, dessen hohes Walmdach die Summe alles Fleißes beschirmt, denn auch das Getreide lagert unter dem Dache.
In Westfalen sind die einzeln gelegenen Gebäude meist hell von Färbung und bilden einen reizenden Schmuck der Landschaft. Das Fachwerk ist verputzt und weiß gestrichen, die Balken und Stiele dagegen sind dunkel gestrichen oder geteert. Die großen Einfahrtstore leuchten in hellem Grün. Dichte Hecken umfrieden die zugehörigen Kampen, auf denen das Vieh weidet, und teilen das Land in rechteckige Felder. Im Hintergrunde aber blauen die Berge des Osning und des Teutoburger Waldes. Diese Hausform wurde sogar zu einer städtischen, wie beispielsweise in Soest, welche Stadt aus einer Bauerngemeinde entstanden ist. Die ehemaligen Bauern wurden Ackerbürger und behielten die ihren Zwecken entsprechendste Hausform bei. Auch im hannoverschen Einbeck kann man noch ähnliche altertümliche, hochgieblige Häuser bewundern, deren größten Raum die Diele bildet.
Die Diele ist in allen niederdeutschen Gauen der wichtigste Raum im Hause, der Raum, um den sich alle anderen gruppieren. Auf die Diele fährt man mit den vollen Fudern, auf der Diele wird gedroschen, auf der Diele wird aber auch getanzt, denn sie bietet den meisten Platz. Dazu kommt es nun freilich nicht allzuoft, denn eine Hochzeit ist nicht alle Tage, und im übrigen tanzt der Niedersachse nicht gern. Die Diele ist mit festgestampftem Lehm belegt, zu deren einer Seite der Kuhstall, zu deren anderer der Pferdestall gelegen ist. Die Tiere wenden die Köpfe der Diele zu, gegen die sie durch Futtertröge abgeschlossen sind. Sie sehen also wenn auf dem großen Feuerherd, dem sogenannten Flett, der Futterkessel über dem Feuer hängt, was sie zu lebhaften Freudenbezeigungen veranlaßt. Die Schweine ahnen die Fütterungsstunde, denn sie sind wegen starker Ausdünstung abseits untergebracht und geben durch freudiges Gequietsche ihre Zustimmung zu erkennen. Am Flett aber schaltet die Hausfrau, deren hochlehniger Stuhl hier seinen Platz hat, ebenso wie sich des Abends die Hausinsassen gern um das wärmende Feuer scharen. Über dem Flett hängen an einem hölzernen Rahmen im wogenden Rauche Würste und Speckseiten. Auch Fischnetze oder Stiefel, die man konservieren will, hängt man hier auf, wodurch manchmal die komischsten Stilleben entstehen. Über den Pferde- und Kuhställen schichtet man Brennholz und Futtermittel auf, während über der Diele der Kornboden liegt. Hinter dem Flett zieht sich quer durch das Haus der Windfang, der einen Gang abschließt, auf den die Türen der Stuben und Kammern münden. Das Flett ist nur noch in der Lüneburger Heide in seiner ursprünglichen Form erhalten, und wer es nicht in Bauernhäusern zu sehen bekommen sollte, findet es im Heidemuseum zu Wilsede, das ein altes Haus in völliger Stilreinheit darstellt. Auch in Scheesel ist eine Reihe guterhaltener alter Wirtschaften zu finden, wie die des Badenbauern, an deren Wänden buntgeblümtes malerisches Bauerngeschirr aufgereiht ist. Hier tragen die Frauen auch noch ihre landesübliche Tracht, einen eigentümlichen Faltenrock und Flügelmützen.
Die Lüneburger Heide ist infolge ihrer Abgeschlossenheit ein Gebiet, in dem sich alte Formen und Sitten verhältnismäßig am reinsten erhalten haben. Häuser mit verbleiten Fenstern, die Hunderte von Jahren alt sind, werden häufig angetroffen, wenngleich auch an Stelle des malerischen Fletts in größeren Wirtschaften moderne eiserne Kochmaschinen getreten sind, was natürlich nicht zu deren Verschönerung beiträgt. Indessen versöhnt uns mit solcher gelegentlichen Stillosigkeit die schöne Außenseite der Häuser, über deren breiten Giebeln sich hohe Walmdächer recken, deren Bekrönung die bekannten sächsischen Pferdeköpfe bilden. Unter diesem Stammeszeichen ist ein Abzugsloch für den Rauch, der das ganze Haus durchdringt, ehe er Auslaß findet, denn die älteren niedersächsischen Häuser haben keine Schornsteine. Dieses Abzugsloch wird auch das Uhlenloch genannt, weil die Eulen gern aus- und einschlüpfen, wenn sie auf den Böden mausen wollen. Das niedersächsische Haus ist stets mit einem Stroh- oder Rohrdach gedeckt, das lieber tausendfach geflickt als durch ein Ziegeldach ersetzt wird. Weiß doch der Bauer, daß sein Boden durch ein solches an Wert als Lagerraum verlieren würde.
Auch die Heidehöfe liegen vielfach einzeln im Lande verstreut. Man pflanzt um sie herum nach uralter Sitte Eichen an, die den Blitz anziehen, also vom Hause ablenken sollen. Desgleichen tut man bei den vielen einzeln gelegenen Schafställen, deren jeder mehrere hundert Heidschnucken beherbergt.
Eine besondere Zier erhalten die rundbogigen Tore. Sei es, daß man ihnen eine leuchtende, beispielsweise grüne Farbe gibt, sei es, daß man bunte Blumen darauf malt. Den über dem Tore hinlaufenden, den Boden vom Untergeschoß trennenden dicken Balken ziert in vielen Fällen ein Spruch, der eingekerbt ist und mit Farbe hervorgehoben wird. Einer der schönsten ist als Motto an den Kopf unseres Aufsatzes gesetzt worden. Es wurden auch die Namen der Erbauer und das Jahr der Erbauung verzeichnet. Man findet sie zu Seiten der Tür oder über derselben. In einem stillen, abgelegenen Heidedorfe las ich die Worte: Hans Hermann Battram, Kattrin Tossens, erbaut 1736, darüber den Wahlspruch: „Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen.“
Die beliebteste Anstrichfarbe ist Rotbraun, was um so mehr in die Augen fällt, je mehr man sich der Seeküste nähert. Hier tritt an Stelle des Fachwerkbaues, namentlich im Lande Wursten und Butjadingen, der massive Hausbau, der den Seestürmen kräftigeren Widerstand zu leisten vermag. Grünbemooste Dächer wölben sich über den roten Ziegelwänden, die weiß gefugt werden, und kurzgeschorene Linden umrahmen die Haustüren. Es ist ein schöner Anblick, den die stattlichen Bauernhöfe bieten, wenn man von der Höhe des Deiches auf sie herabschaut. Es läßt sich hier, zwischen Weser und Elbmündung, eine eigene, von alters her bodenständige Ansiedlungsart erkennen. Man baute sich auf sogenannten Wurten, künstlich aufgeworfenen Erdhügeln, an, denn das Land lag so tief, daß es von Sturmfluten überschwemmt wurde. So sah es zu Karls des Großen Zeiten in diesen Gebieten aus. Die ersten Deiche entstanden erst im zehnten und elften Jahrhundert, und unter ihrem Schutze entwickelte sich der Boden zu seiner heutigen Fruchtbarkeit. Weithin schweift der Blick über Korn- und Rapsfelder, dazwischen ausgedehnte Weideflächen, auf denen das prächtige friesische Rind gedeiht. Die Viehzucht hat den Marschen zum Wohlstand verholfen, und man merkt den Unterschied sofort, wenn man auf den trockenen Geestboden, der die fetten Marschen begrenzt, kommt. Dort stattliche Fülle, hier Ärmlichkeit. Freilich sind solche ärmeren Landstriche nicht ohne malerischen Reiz, im Gegenteil, hier bieten sich Gegensätze, die in erhöhtem Maße zur Darstellung reizen. Wer die bremische Niederung mit ihren reizenden Dörfern, deren eines das bekannte Worpswede ist, schätzen gelernt hat, versäume es nicht, auch dem „Alten Lande“ unterhalb Harburg und den „Vierlanden“ oberhalb Hamburg einen Besuch abzustatten.
Beilstein a. d. Mosel. Zeichnung von Reinhold Hansche
Das „Alte Land“ ist eine etwas höher gelegene Marsch als die an die Unterelbe grenzenden Marschen Osterstade und Hadeln. Immerhin liegt auch sie so tief, daß sie gegen die Elbe durch Deiche abgeschlossen werden mußte. An den Deichen, die zugleich die Straßen bilden, ziehen sich schmucke Dörfer hin, denn der Altländer baut sein farbenfreudiges Haus nicht einzeln, sondern in Gesellschaft an. In der Grundform ähnelt es anderen niederdeutschen Häusern, aber das Dach ist nicht abgewalmt, und der spitze Giebel ist mit roten Backsteinen in schönen Mustern ausgesetzt, und zwar derart, daß jedes Fach ein anderes Muster zeigt. Bekrönt ist der Giebel nicht durch das übliche Sachsenzeichen, die Pferdeköpfe, sondern es ist ein Schwanenpaar, das seinen Schmuck bildet. Es scheint dies ein uraltes flämisches Sinnbild zu sein, denn es findet sich sonst nur noch in den Niederlanden.
Da der Altländer aber nicht wie seine Nachbarn, die Kehdinger Marschleute, ein Ackerbauer, sondern ein Obstzüchter ist, so ist die Einrichtung seines Hauses eine andere. Freilich besitzt auch sein Haus eine Dreschtenne, aber sie ist klein und liegt seitlich im Hause an einem Hofe, in den man durch ein geschnitztes Holztor gelangt. Vorn an der Straße liegen unter dem spitzen Giebel Kammern und Zimmer, darunter die Staatsstube, in der man alle Kostbarkeiten des Familienbesitzes anhäuft. Aus dieser Stube führt eine nur von innen zu öffnende Tür ins Freie, um bei Feuersgefahr die Schätze bergen zu können. Über dieser Tür bemerkt man ein buntfarbiges Glasfenster mit dem Monogramm des Besitzers in Goldbuchstaben. Das Gebälk des Hauses ist entweder hellgrün oder weiß gestrichen und mitunter auch geschnitzt, während die Tür stets hellgrün ist. Das Innere der Häuser ist von peinlicher Sauberkeit und wird von den Besitzern ebenso wie das Äußere sorgfältig gestrichen.
Hat man das Glück, von einem Altländer für vertrauenswürdig gehalten zu werden, so zeigt er einem wohl seine Stuben, in denen die zierlichsten geschnitzten, rot lackierten Stühle und alte eisenbeschlagene Truhen stehen, darin die Frau ihr Linnen verwahrt. Zuweilen sind die Wände auch mit Fayencekacheln, wie in Holland, bedeckt, und um den Ofen zieht sich eine einladende Bank. Freilich haben die Leute nur im Winter Zeit, sich zu ruhen, denn vom Frühjahr bis in den Herbst hinein hat man mit dem Obstland, mit Jäten, Pfropfen, Düngen und Ernten alle Hände voll zu tun. Es ist merkwürdig, daß sich so eigenartige Baulichkeiten in unmittelbarer Nähe der Großstadt Hamburg so unverfälscht halten konnten, zumal die Altländer in reger Geschäftsverbindung mit den Hamburgern stehen. Aber wir finden das gleiche in den Vierlanden, wo Gemüsebau und Blumenzucht getrieben werden. Auch hier ungeschminktes Volkstum und althergebrachte Bauformen. Überall in den Elbniederungen prägt sich, wohin man auch kommt, die Vertrautheit mit dem Weltmeere aus. Tritt man in ein Vierländer Haus, so darf man sicher sein, auf den Bordbrettern und Kommoden Muscheln als Schmuckstücke vorzufinden. Auch vollgetakelte Schiffsmodelle hängen an Ketten von der Stubendecke herab. Die Möbel sind entweder aus dem Ende des siebzehnten Jahrhunderts oder modern. Es liegt nahe, sich preiswerte moderne Möbel anzuschaffen, die ja auch schön glänzen, aber selten so einwandfreie Formen zeigen wie die alten. Ein vom Scheine der sinkenden Sonne goldig angehauchter Schrank auf einer breiten Diele gewährt einen ebenso schönen Anblick wie die farbig gestrichenen und mit roten Fliesen belegten Dielen selbst. An den Fenstern fehlen selten Blumenbänke, und auch das Äußere der Häuser trägt bunten Farbenanstrich an Balken und Fensterrahmen. Das Fach wird häufig in roten Backsteinen ausgemauert, seltener geputzt. Eine weitere Eigentümlichkeit dieser Gegenden sind die Schlafschränke, wie man die in die Holzwände eingebauten Bettstellen wohl nennen darf. Mitunter sind, ganz wie an Bord der Schiffe, auch deren zwei übereinander angeordnet. Auch die Vierländer Häuser tragen Walmdächer, und ist diese Dachform wohl als eine altdeutsche anzusehen, denn wo ehemals wendisches Land war, also an der oberen Elbe, der Havel und der Spree, herrscht das Satteldach vor. Zwar trifft man Halbwalmdächer auch in Mecklenburg und Vorpommern, aber sie ruhen auf Häusern, deren länglicher Grundriß auf slawischen Ursprung hinweist.
Bevor wir uns diesen deutschen Kolonisationsgebieten zuwenden, wollen wir einen Blick auf die Bauweise der übrigen urdeutschen Stämme werfen.
Wir haben schon am Anfang unserer Betrachtung darauf hingewiesen, daß auch die Bajuvaren, Alemannen und Franken eigene Hausformen ausbildeten. Inwiefern diese voneinander abweichen, sehen wir an den uns überkommenen älteren Baulichkeiten deutlich vor Augen.
Albrecht Dürer hat uns Zeichnungen hinterlassen, die beweisen, daß zu seiner Zeit in Oberdeutschland Einhäuser sowie gruppenartige Hofanlagen bestanden. Diese letztere Bauart, der umfriedete Hof, auch Gehöft genannt, ist im heutigen Franken in vollendetster Weise ausgebildet, während das Einhaus im Schwarzwald eine vom niederdeutschen abweichende Form angenommen hat, denn es enthält zwei bis drei Geschosse übereinander. Das alemannische Haus, dessen einfachste Form wir in der Rhön finden, war ursprünglich ein einfaches, schmales, mit einem Strohdach gedecktes Langhaus, dessen Wände aus Lehmfachwerk bestanden. Man sollte nicht glauben, daß die schmucken Winzerhäuser des Odenwaldes, deren massives Untergeschoß ein schön gezeichnetes Fachwerk krönt, Nachkommen jener ersten armseligen Häuschen sind. In den Untergeschossen alemannischer Häuser lagert der Wein, den die Leute keltern, oder ist das Hausvieh untergebracht, so an der Mosel, wo die geringe Ausdehnung der Talsohle möglichste Raumbeschränkung gebietet. Hier ist alles schmal und hoch gebaut. Viele Häuser stammen noch aus früheren Jahrhunderten; allen gemeinsam ist das ortsübliche Baumaterial, der Schiefer. Er bildet in schweren Blöcken das starke Fundament und das massive Untergeschoß der Häuser, er liegt in zierlicher Anordnung, in der sogenannten rheinischen Deckung, auf ihren Dachsparren. Diese Deckung verleiht allen Dachlinien eine unvergleichliche Weichheit, der man überall wieder begegnet, wo, wie in Mitteldeutschland, rheinische Kultur zur Geltung gekommen ist. Städte wie Marburg und Goslar zeigen ebenfalls jene Deckung; natürlich liegen in ihrer Nähe Schieferbrüche, die ihnen das Material lieferten, denn eine Verfrachtung desselben hätte zu hohe Kosten verursacht.
Diele in Stolberg a. Harz. Zeichnung von Reinhold Hansche
Es ist zu bedauern, daß am Rhein so viele der alten schönen Winzerhäuser der Bauwut zum Opfer gefallen sind. Wo sich solche noch finden, erhöhen sie den Reiz der Landschaft bedeutend. Auch hier ist, wie an der Mosel, der Schiefer das bodenständige Baumaterial. An den Abhängen des Rheinischen Schiefergebirges, da, wo es sich nach Norden hin zum westfälischen Münsterlande absenkt, berührt sich die rheinische mit der niederdeutschen Bauart. Das breit gebaute Haus tritt an die Stelle des hoch gebauten. Immerhin findet man bei eingehenderem Suchen noch köstliche Perlen alter Baukunst; es sei hier nur auf Bacharach und Andernach verwiesen. Während am Niederrhein in der Gegend von Rees, Zons und Kalkar die Bauernhäuser schon niederländische Einflüsse erkennen lassen, ist sonst im ganzen Rheinlande der alemannische Einfluß unverkennbar. Den einen ihrer Höhepunkte erreichte diese Bauweise im elsässischen, den anderen im Schwarzwälder Hause. Nirgends wohl ist das Fachwerk so künstlerisch durchgebildet wie im Elsaß. Meist reich geschnitzt, weist es die zierlichsten Figuren auf und erfreut das Auge. Eigentümlich sind auch[1] die hölzernen Galerien, die an den Giebel- oder Langseiten der Häuser entlang laufen. Dort münden die Türen der Obergeschosse, und man trocknet hier, da sie überdacht sind, Futterpflanzen und Tabakblätter. Die Elsässer Häuser wenden ihre reichgeschmückte Giebelseite der Straße zu, während die nicht minder ausgestattete Langseite an einem breiten Hofe liegt, der durch ein hohes, überdachtes Einfahrtstor gegen die Straße abgeschlossen ist. Daneben ein Pförtchen zum Ein- und Ausgehen. Da der Elsässer zumeist Ackerbürger und Winzer ist, schließen sich an das Wohnhaus Stallungen und Kelterräume an, unterbrochen von Unterständen für Wagen und Dreschtennen. Häufig sind auch die Dachluken mit Aufsätzen versehen, oder die Hausecken tragen Erker, ein Beweis für das künstlerische Empfinden der Erbauer. Zur Deckung der Dächer werden nicht wie an Rhein und Mosel Schieferplatten, sondern Ziegel benutzt. Blickt man von der Höhe auf ein elsässisches Dörfchen, einen Weiler, wie der landesübliche Name lautet, herab, so lugen die schöngeformten roten Dächer aus dem Grün der Linden und Nußbäume hervor, während die weißen Mauern in ihrem Schatten liegen, dahinter wogende Weizenfelder und Weinberge bis an die Höhen, die der Bergwald krönt.
Das lothringische Bauernhaus zeigt dagegen fränkischen Einfluß. Es ist schmuckloser und läßt deutlich ein fremdes Volkstum erkennen; es soll uns deswegen hier nicht beschäftigen, vielmehr wenden wir uns dem zweiten hervorragenden Typus der alemannischen Bauweise, dem Schwarzwaldhause, zu.
Liebt der Elsässer zierliche Durchbildung der Bauformen, so kommt es dem Schwarzwälder mehr auf das große Ganze an. Sein Haus liegt frei. Kein abgeschlossener Hof umgibt dasselbe, sondern die umgebende Freifläche wird als solcher benutzt. Im untersten Geschoß liegen Keller, Ställe und Wirtschaftsräume, worüber Küche und Kammern angeordnet sind, denen die Stallwärme zugute kommt. Die Wohnstube liegt an der einen Vorderecke des Hauses und hat an zwei Seiten Fenster. Der Bauer kann also mit einem Blick sehen, was beim Hause vorgeht, ohne die Fensterbank verlassen zu müssen, die sich zweiseitig um den schweren Familientisch herumzieht. Diese Ecke heißt der Herrgottswinkel, weil dort ein Kruzifix hängt. Das zweite Geschoß ragt über das erste vor und enthält ebenfalls Wohnräume. Der einzige Eingang zu den verschiedenen Räumen geht durch die inmitten der Langseite des Hauses gelegene Tür, die in einen Gang, den Ern, führt, von dem aus man zur Linken in die Stuben, zur Rechten in die Ställe gelangt. Da die Häuser meist an einer Berglehne stehen, führt ein Fahrweg über eine hölzerne Rampe, die Bruck, ins Bodengeschoß, wo Getreide und Futtermittel gelagert werden. Die Wagen können also ihre Ladung direkt in den hinteren Dachgiebel einfahren. Das hohe Satteldach ist durch Halbwalme, die weit über die Hauswände vorspringen, abgefangen und besitzt bei älteren Baulichkeiten keinen Schornstein. Der Rauch mußte auch hier, bevor er aus Dachritzen austreten konnte, das ganze Haus durchdringen und es konservieren. Holzwurm und Schwamm sind bei solcher Behandlung unbekannte Dinge. Später, als man Schornsteine baute, drangen die Feuerversicherungs-Gesellschaften darauf, daß anstatt der üblichen Strohdeckung, wenigstens auf dem durch Funkenflug gefährdeten Mittelteil des Daches, Ziegeldeckung eingeführt wurde. Die Einheit der Dachwirkung ist dadurch zwar geschädigt, die malerische Wirkung aber erhöht worden. Es kann kaum etwas Anmutigeres geben als die tannenbekränzten Abhänge des Schwarzwaldes. Hier rauscht ein Wildbach durch blumige Wiesen, dort leuchtet und schimmert es von Apfelblüten, hinter denen duftig blauende Waldferne liegt. Und hier und da eins der hochgiebligen, mächtigen Häuser, die sich doch so gut wie kein anderes dieser Landschaft anpassen.
In dieser reizenden Gegend entspringt die Donau, deren Laufe folgend wir in das Land der Bajuvaren kommen, das sich von Lindau bis nach Passau erstreckt. Auch hier hat sich ein bodenständiger Haustyp herausgebildet, der mit keinem andern zu verwechseln ist. Das bayerische Bauernhaus zeigt von kleinen Fenstern unterbrochene Wandflächen, die von einem weit überkragenden, flach gesattelten Dache geschützt werden. Während der niederbayerische Kläham von ziemlich dürftiger Form ist und als einzigen Schmuck im Obergeschoß einen kleinen Altanausbau, den Schrot, zeigt, ist das oberbayerische Haus das höchstentwickelte seiner Art. Für Ställe ist im Hause des Bayern kein Raum; diese hat er zu seiten des Hauses untergebracht. Sein Haus enthält zwei Geschosse, in dessen unterem sich die Wirtschaftsräume befinden, während im Obergeschoß Stuben und Schlafkammern eingerichtet sind. Man darf wohl annehmen, daß in alter Zeit die Häuser ausschließlich aus Holz erbaut wurden, wie einige Überbleibsel beweisen. Später ging man zum Gemischtbau über, das heißt, man baute ein steinernes Untergeschoß, dem man ein hölzernes aufsetzte. Zierliche Schnitzereien und Altane bilden den Schmuck des Obergeschosses, während das Untergeschoß in seiner einfachen Flächenwirkung einen wohlwollenden Gegensatz dazu bildet. Man geht in neuerer Zeit hier und da, wie in Schliersee, noch weiter und bemalt die Putzflächen mit Blumen und Ornamenten, die sich um die Fenster ranken. Trotzdem ist dies wohl etwas zuviel des Guten, und das vorher beschriebene schlichte Haus, das Schönheit und Zweckmäßigkeit verbindet, dürfte vorzuziehen sein. Allen bayerischen Bauernhäusern ist das wenig geneigte Satteldach gemeinsam. Es ist so flach gehalten, damit es den Stürmen, die in Bergländern häufig eintreten, nicht viel Angriffsfläche bietet. Die Deckung besteht aus Schindeln, die durch Felssteine festgedrückt werden, sonst würde sie der Sturm losreißen. Das flache Dach ist auch ein gutes Lager für den im Winter reichlich fallenden Schnee, der das Haus warm hält. Gerade im Winter bieten diese Häuser mit ihren fußhohen Schneekappen einen märchenhaften Anblick, zumal wenn sie am Waldesrande gelegen sind, wo jeder Ast und jedes Zweiglein seine weiße Winterkapuze angetan hat.
Während im Süden und Westen unseres Vaterlandes die eben besprochenen Bauformen zur Geltung gelangten, entstand in Franken im elften Jahrhundert das fränkische Gehöft, ein Hof, dessen drei Seiten von Gebäuden umschlossen waren, während die vierte durch eine Mauer begrenzt wurde. Es entstand aus dem Bedürfnis heraus, das Anwesen wehrhaft zu machen, und hat sich in Mitteldeutschland stellenweise bis auf den heutigen Tag erhalten. Der Riedhof bei Frankfurt am Main besitzt einen stattlichen Torbau, der mit Schießscharten und einer Pechnase versehen ist. Er ist wohl das älteste Baudenkmal dieser Art. Den heutigen fränkischen Gehöften ist der Rundbogentorweg geblieben, nur haben sie keine kriegerische, sondern ausschließlich eine wirtschaftliche Mission zu erfüllen. In Hessen und Thüringen finden wir mit der steigenden Kultur das fränkische Wohnhaus, das aus dem alemannischen hervorgegangen ist, wieder. Seine Formen verschmolzen im Laufe der Zeit mit den in Norddeutschland üblichen. Reiches Fachwerk zeichnet auch diese Bauweise aus, die, immer weiter nach Osten vordringend, in den ehemals slawischen Gebieten vorbildlich wirkte, denn die deutschen Ansiedler pflanzten den heimatlichen Stil fort, wiewohl sich der slawische Typ stellenweise bis in die Gegenwart erhalten hat. Das ist auch nur natürlich, trägt er doch den Verhältnissen seines Landes Rechnung. Das Spreewaldhaus ist bis heute ein Blockhaus geblieben, denn es liegt auf feuchtem Boden, wo Nebel brauen; da wäre ein Steinhaus, wie es die Deutschen bauten, nicht am Platze gewesen, weil es die Wärme nicht so gut hält. Das Baumaterial lieferten und liefern noch jetzt die hochstämmigen Spreewalderlen, aus denen die Balken und Dielen geschnitten werden; das überall wuchernde Schilfrohr dient zur Dachdeckung. Ein reizendes Dörfchen ist das völlig auf Inseln gelegene Lehde bei Lübbenau, dessen Häuser völlig stilrein erhalten geblieben sind. Schlicht und unscheinbar schmiegen sich alle Gebäude der Landschaft an. Wald umgibt sie auf allen Seiten, und die Sonne malt Kringel auf Wänden und Dächern, wenn sie das Blätterdach durchdringt. Es ist auffällig, daß in diesen wendischen Gegenden viele Gasthöfe und andere öffentliche Gebäude Ziegelfachwerkbauten sind. Hierin zeigt sich der fränkische, beziehungsweise deutsche Einfluß. Wer eine Fahrt im Kahn nach Leipe macht, wird dort einige stilreine Inneneinrichtungen bewundern können. Nichts fehlt daran, vom Himmelbett bis zum messingenen Fischeimer ist alles vorhanden, was im Hauswesen gebraucht wird. Bemerkenswert sind die altwendischen Ställe mit vorspringendem Obergeschoß, dessen offene Galerie zum Trocknen von Feldfrüchten gebraucht wird. Die Anordnung der Balken und Stiele wie des Geländers ist sehr wirkungsvoll. Im Dorfe Saccasne findet sich noch eine ganze Reihe solcher Gebäude. Wo man Steinhäuser errichtete, bekleidete man sie häufig mit Holzplanken oder täfelte die Stuben. Die Harzer Bauern belegen die Hauswände aus ähnlichen Gründen noch jetzt mit Ziegel- oder Schiefersteinen, doch setzt sich dieser Stil östlich der Elbe nicht fort. Hier, in der Provinz Sachsen und der anschließenden Mark Brandenburg, herrscht heutzutage der Ziegelbau vor, der den bodenständigen Lehmfachwerkbau fast vollständig verdrängt hat. Die märkischen Dörfer weisen ein buntes Gemisch von strohgedeckten Häusern und Ziegelbauten auf. In manchen Gegenden läßt man den Rohziegel stehen, in anderen überputzt man die Wandflächen. Die Wenden ordneten, ebenso wie die Franken, ihre Wohnhäuser, Scheunen und Viehställe um einen breiten Hof an. Die Deutschen fanden also ähnliche Verhältnisse wie in ihrer Heimat vor und bildeten ihre Häuser nur im einzelnen nach eigenem Geschmack aus.
Die deutschen Einwanderer waren Ackerbauer und Viehzüchter, die Wenden betrieben aber außerdem von jeher den Fischfang. So finden wir in unseren Flußniederungen noch viele mit Rohr gedeckte Fischerhäuser, an deren Wänden Netze und Reusen hängen, während am Ufer die Fischkästen verankert sind. Besonders schön wirken die pommerschen Fachwerkhäuser, die ebenso wie in Pommerellen und Westpreußen auf hügligem Gelände stehen, denn Pommern ist, wie ein alter Satz lautet, ein lieblich’ buckliges Ländchen.
In Ostpreußen, wo in den Flußniederungen wie auf den Höhen Masurens ursprünglich das Blockhaus heimisch war, hat das fränkische Gehöft ebenfalls Eingang gefunden. Man trifft es überall da an, wo deutsche Kolonisten angesiedelt sind, und nennt es das Oberländer Haus. Seine Langseite wird durch einen Giebelausbau, der auf hölzernen Säulen ruht, unterbrochen, darin besteht seine Eigentümlichkeit. Steigt man von Elbing her die Ermländer Höhen hinauf, so sieht man zwischen Baumkronen und Kornfeldern hier und da diese schmucken Fachwerkbauten auftauchen und hat sofort ein heimisches Gefühl, denn sie sind sozusagen die am weitesten nach Osten vorgeschobenen Marksteine deutscher Kultur.
Anmerkung: