Von Reinhold Hansche
Eilende Wolken, Segler der Lüfte,
Wer mit euch wanderte, mit euch schiffte!
Seit jeher hat die Menschheit ihre Blicke gen Himmel gerichtet. Sei es, daß sie aus jenen unbekannten Fernen das Heil erhoffte, sei es, um sich an der Schönheit des Firmaments zu erfreuen. Ja, schön ist es zu allen Zeiten! Schön ist es in seiner azurnen Klarheit, schön ist es aber auch, wenn Wolkengebilde es verschleiern.
Wolken entstehen, wenn der aufsteigende Luftstrom sich durch die Abnahme des Luftdruckes ausdehnt und abkühlt und infolge davon die aufgelösten Wasserdämpfe[*1] zu feinen Tröpfchen oder Nebelbläschen kondensiert werden. Je trockener die aufsteigende Luft ist, in um so größerer Höhe erfolgt die Wolkenbildung. So erklärt es sich, daß Regenwolken oder Nebelschwaden verhältnismäßig dicht über der Erde lagern, die zarten Zirruswölkchen sich aber erst in fünftausend Meter Höhe bilden. Darum sehen wir sie auch nur bei klarem Wetter.
Schauen wir uns nun einmal einen Sonnenaufgang an! Nur selten ist die Luft so trocken, daß das Tagesgestirn in voller Klarheit schon am Horizont sichtbar wird. In unserer Heimat bilden sich über Nacht vielmehr Nebel, die aus Wiesen und Wäldern aufsteigen und von der Sonne erst durchdrungen werden müssen, ehe diese uns zu Gesicht kommt. Ein solcher Sonnenaufgang ist ungleich schöner als ein völlig klarer. Die Sonnenstrahlen, die der Sonne vorangehen, durchleuchten leichtere Wolkengebilde, umsäumen ihre Ränder und verlieren sich im Azur. So entsteht das Morgenrot, dessen Schönheit wir alle empfinden. Prachtvoll wirkt es über der braunen Heide, aber prächtiger noch über Brüchen und Lanken, deren grüne Ufer einen wundervollen Gegensatz zu den zarten goldig-rötlichen Tönen der Luft bilden. Der Spreewald ist ein in dieser Beziehung bevorzugtes Gebiet, da Wald, Wiesen und Wasser die Nebelbildung begünstigen. Um die Wirkung eines Sonnenaufgangs im Berglande zu bewundern, besteigt man gern hochgelegene Punkte, wie beispielweise den Brocken. Gar oft sind die Nebel- oder Wolkengebilde so schwer, daß die Sonne sie nicht zu durchdringen vermag, und es gibt dann Regen. Hat die Sonne sie aber einmal durchbrochen, so verscheucht sie die grauen Gebilde in kurzer Zeit. Sie huschen hier an einer tannenbestandenen Bergwand dahin, drücken sich dort in eine Talmulde, die von den Sonnenstrahlen nicht erreicht wird, und lösen sich schließlich gänzlich auf. Nebelbrauen nennt man diese kreisenden Bewegungen sehr bezeichnend; das hierbei sich entwickelnde Farbenspiel ist unbeschreiblich schön.
Der den meisten Menschen so verhaßte Nebel ist dem Maler dagegen eine willkommene Erscheinung; weiß er doch, daß Nebel die Dinge malerisch erscheinen läßt und die vornehmsten Farbtöne hervorzaubert, vorausgesetzt, daß er nicht grau und undurchdringlich wie ein Sack ist. Darum werden nebelreiche Länder, wie Holland, von Malern bevorzugt. Mesdags Bilder zeigen in hohem Maße die Farbenschönheit seiner Heimat bei nebligem Wetter. Im Seenebel schwimmen Schiffe wie zarte graublaue Schattenrisse vorüber, die Oberfläche des Wassers nimmt völlig den Farbton der Luft an, und nur die Seitenflächen der Wellen bringen durch ihr lehmiges Graugelb oder durchsichtiges Grün eine kräftigere Note in diese Farbensymphonie.
Der Maler zieht sehr häufig graue Bewölkung einem heiteren mit Windwolken bedeckten Himmel vor, weil Grau zu allen Farben gut steht und die Beleuchtung sehr einheitlich ist. Freilich weiß er auch den eilenden Windwolken ihre Reize abzugewinnen; das ist aber unendlich viel schwerer! Man vergegenwärtige sich nur die Veränderlichkeit dieser Wolkengebilde, das mannigfache, stets wechselnde Spiel von Licht und Schatten auf der Erde und die dadurch bedingte reichere Farbenskala.
Solche Windwolken, genauer Haufen- oder Kumuluswolken, sind ziemlich scharf begrenzte Wolkenmassen und entstehen meist früh an ruhigen heiteren Sommertagen, um nach dem Wärmemaximum wieder abzunehmen. Sie bewegen sich in ein und derselben Ebene fort; ihre Färbung ist daher gewissermaßen in ein System zu bringen. Nehmen wir an, wir haben die Sonne im Rücken, so daß Himmel und Wolken voll beleuchtet vor uns liegen. Da wird uns sofort die nach dem Horizont hin sich mehr und mehr trübende Färbung sowohl des Äthers als auch der Wolken auffallen. Es lagert dort violetter Dunst, der sich den Farben mitteilt, die Schatten aufhebt und die Lichter verschwimmen läßt. Der im Zenit blaue Äther geht durch ein zartes Apfelgrün ebenfalls in diesen violetten Tönen am Horizont auf. Glücklich ist der zu preisen, dessen Auge ihm auch die feinsten Farbenabtönungen solcher Stimmungen zu vermitteln vermag! Die Natur zeigt ihm immer neue, überraschende Wirkungen. Ferne, im Wolkenschatten verblauende Dörfchen treten plötzlich, von der Sonne beschienen, wie eine liebliche Fata Morgana hervor, um ebenso schnell zu verschwinden, und auf dem blauen Strom leuchten weiße Segel auf. Diese Stimmung muß man in der Flachlandschaft, beispielsweise der Mark, beobachtet haben, die durch sie unsäglich verschönt wird. Die breiten Havelseen, die sandige Oder oder die wendische Spree werden uns, unter solcher Beleuchtung gesehen, unvergeßlich sein. Erinnern wir uns auch, welche befreiende Stimmung dies Spiel von Licht und Schatten über einem Kornfelde bei uns auslöst. Besonders zur Blütezeit, wenn die Ähren silbergrau schimmern, ist es wundervoll.
Anders wird das, wenn sich getürmte Haufenwolken (Cumulostratus) bilden, die Gewitter und Regen mit sich bringen. Wie eine Festung wirkt eine solche sich heraufschiebende Wolkenwand. Noch sind ihre oberen Partien von der Sonne rosig beleuchtet, während die unteren in schwerem Violett erscheinen, aus dem fahle Blitze zucken. Giftig hebt sich das Grün der Wiesen und Bäume davon ab, solange es noch Licht empfängt. Aber bald ist die Sonne verschwunden, Windstöße kommen auf, und hellgraue Wolkenfetzen fegen über die eigentliche Wetterwolke hin. Blitz und Donner folgen sich fast unmittelbar, bis endlich die ersten Regentropfen fallen. Damit löst sich das Violett in ein schmieriges gelbliches Grau auf, aus dem, gleich breiten Streifen, die Regenmassen fluten. So geht es eine ganze Zeitlang ununterbrochen fort, bis sich die Wetterwolke entfernt hat und die liebe Sonne sich wieder hervorwagt. Da sind auch schon die Spatzen, die die Gelegenheit wahrnehmen, in den Pfützen zu baden und sich von der ausgestandenen Angst zu berichten. Denn alles Leben erstarrt, wo die Wetterwolke ihre Straße zieht. – Der Landmann geht hinaus, um zu sehen, ob sein Korn nicht niedergebrochen ist, und dankt Gott im stillen, wenn seine Besorgnis umsonst war. Er hängt ja mehr wie jeder andere vom Wetter ab und hat sich von jeher daran gewöhnt, Erde und Himmel zu beobachten. Er weiß, daß die breit hingelagerten Schicht- oder Stratuswolken ungefährlich sind, daß Zirruswolken am klaren Winterhimmel Kälte anzeigen, und anderes mehr, das ihn die Erfahrung gelehrt hat.
Diese Feder- oder Zirruswolken sind sehr verschieden gestaltete, geradlinige, quergestreifte, gebogene oder gerollte leichte Wölkchen, die sich bilden, wenn ein aufsteigender Luftstrom von einem horizontalen erfaßt und fortgetrieben wird. Eine besondere Form der Zirruswolke, welche dadurch gebildet wird, daß sich viele streifenartige, an den Enden etwas gebogene Wölkchen baumförmig aneinanderreihen, ist der sogenannte Wetter- oder Windbaum. Jeder von uns hat von Zeit zu Zeit solche rötlich angehauchten Zirruswölkchen am zart-durchsichtigen Abendhimmel stehen sehen, was sehr reizvoll wirkt. Es entsteht dadurch der Eindruck abgeklärter Ruhe.
Stratuswolken
Zirruswolken
Cumulostratuswolke
Dann hat man noch die Verbindungen Zirrokumulus (fedrige Haufenwolke) und Zirrostratus (fedrige Schichtwolke) zu unterscheiden. Bei letzterer Verbindung gehen die Zirruswölkchen in breitgelagerte Schichtwolken über, zeigen also beide Formen nebeneinander. Die fedrigen Haufenwolken, die wie eine Herde Schafe dicht nebeneinander herziehen, haben Veranlassung zu dem Volksliede „Wer hat die schönsten Schäfchen“ gegeben. Sie bedecken den Himmel mitunter in großer Ausdehnung wie ein durchbrochener Schleier; und wundervoll sieht es aus, wenn die Abendsonne sie anstrahlt. Wahrhaft zauberisch ist eine Mondnacht, die sie verklären. Auch hierin ist die nordische Heimat dem Süden, dessen Schönheit in anderen Erscheinungen zu suchen ist, überlegen. Das zart verschleierte Licht wirkt über leicht nebelnden Wiesen am schönsten. Zeigt gar noch der Mond auf Augenblicke sein gutes, breites Gesicht, um sich in einem verschilften Weiher zu spiegeln, so ist das Maß der Schönheit übervoll.
Das sind in großen Zügen die häufigsten Wolkenbildungen, die natürlich unzähligen Veränderungen in bezug auf Form und Farbe unterworfen sind. Es gilt eben hinauszugehen und unausgesetzt zu beobachten, um zu lernen und Vorurteile zu überwinden. Welcher Laie würde zum Beispiel glauben, daß es einen grünen Himmel gibt!? Und doch kann der Abendhimmel so erscheinen, wenn eine Komplementärfarbe, ein tiefes Violett, als Gegensatz hinzutritt! Diese, von Laien vielfach als unwahr empfundene Farbe ist in der Natur überall zu finden, und ihr Vorhandensein beweist, wie fremd die meisten Menschen der Natur gegenüberstehen, oder daß zum mindesten ihr Farbensinn wenig entwickelt ist. Das Violett ist förmlich der bindende Grundton der Landschaft, namentlich der Wolken, aus dem heraus sich andere, leuchtendere Farben erst zu voller Schönheit entfalten können.
In folgendem seien noch einige Fingerzeige in Bezug auf die Farbenmischung gegeben.
Eine klare blaue Luft wird meist aus Kobalt oder Ultramarinblau mit Weiß zu mischen sein, sofern man in Ölfarben malt. Beim Malen mit Wasserfarben wird das Weiß durch klares Wasser ersetzt, das den Papierton durchschimmern läßt. Das Ätherblau enthält, je mehr es im Zenit steht, um so mehr Rot, nach dem Horizont dagegen geht es in grünliche Tönung über. Ein altenglisches Rezept empfiehlt beim Malen mit Wasserfarben, über das getrocknete Blau von oben her zarten lichten Ocker laufen zu lassen, dem man nach dem Horizont zu gebrannten lichten Ocker und dunklen Krapplack beimischt. Gewitterwolken zeigen stets starkes Violett in den Tiefen. Regenwolken und silbrige gegen das Licht gesehene Lüfte enthalten oft Elfenbeinschwarz und einen Stich dunkles Kadmium. Bei der Guachemalerei tun die Farben rötlich und gelblich Neapelgelb als Lichttöne gute Dienste, wenn man sie mit Zinkweiß vermischt.
Anmerkung des Autors: