Die Normannen, die kühnsten Seefahrer und Freibeuter ihrer Zeit, versahen bereits im 12. Jahrhundert ihre Schiffe in der Wasserlinie mit einem Eisenbeschlag, der vorn in einen starken Sporn auslief. Wir haben es also hier mit den ersten Anfängen einer Panzerung der Schiffswand zu tun, die die moderne Technik jetzt bis zur höchsten Vervollkommnung ausgestaltet hat. Das erste Kriegsfahrzeug, das den Namen Panzerschiff wirklich verdient, wurde 1534 in Nizza erbaut. Vier Jahre vorher hatte Kaiser Karl V. zur Befreiung der von den Türken in Tunis gefangen gehaltenen christlichen Sklaven eine Flotte von neun Schiffen in die nordafrikanischen Gewässer entsandt. Da das kleine Geschwader aber völlig unzureichend ausgerüstet war, gelang es den bedeutend grösseren und stärker armierten Fahrzeugen des türkischen Statthalters, die kaiserlichen Schiffe bis auf eines in den Grund zu bohren und gegen sechshundert Mann der Besatzungen aus dem Meere aufzufischen, die dann sofort in die Sklaverei abgeführt wurden. Als das glücklich entronnene Fahrzeug mit der Unglücksnachricht nach Palermo zurückkehrte, war die allgemeine Erregung über diese schmähliche Niederlage so gross, dass die Kaufleute der christlichen Mittelmeerstädte sofort eine allgemeine Geldsammlung veranstalteten, deren Erlös, 187 000 Taler, dann Karl V. mit der Bitte übergeben wurde, eine neue Expedition gegen Tunis ausrüsten zu lassen. Der Kaiser gewann als Leiter für dieses Unternehmen den berühmten genuesischen Seehelden Andrea Doria und fand auch weitere wertvolle Unterstützung bei dem Johanniterorden, der sechs Schiffe zu stellen versprach. Dem zu jener Zeit lebenden Historiographen dieses Ordens mit Namen Bosio verdanken wir die genauen Angaben über das erste Panzerschiff.
Als es bekannt wurde, dass Andrea Doria die neue Expedition gegen Tunis befehligen würde, liess sich bei ihm ein aus Nizza stammender Schiffsbaumeister namens Toscio melden und unterbreitete ihm die Pläne für ein Schiff, das nach den Angaben seines Erfinders mit Bleiplatten gepanzert werden und daher für Kanonenkugeln undurchdringlich sein sollte. Der erfahrene Seeheld wollte jedoch von den Vorschlägen Toscios nichts wissen, da er fürchtete, das Fahrzeug würde durch den Bleipanzer zu schwerfällig und deshalb manöverierunfähig werden. Schliesslich einigte man sich dahin, dass Toscio das Schiff auf seine eigenen Kosten bauen lassen und dass es von Andrea Doria für die Expedition erst angekauft werden solle, wenn es sich als völlig seetüchtig bewährt habe.
Der Schiffsbaumeister, von der Ausführbarkeit seiner Idee fest überzeugt, machte sich daraufhin sofort ans Werk und vollendete das Schiff auf seiner Werft in Nizza in nicht ganz sechs Monaten. Ende des Jahres 1534 wurde es vom Stapel gelassen und begann Mitte Dezember seine Probefahrten, denen Andrea Doria sowie ein Abgesandter Karls V. beiwohnten. Das Fahrzeug, das auf den Namen „Santa Anna“ getauft worden war, erwies sich in jeder Hinsicht als brauchbar. Kanonenschüsse, die man auf seinen Panzer abfeuerte, hatten keine Wirkung.
Die „Santa Anna“ beschreibt der erwähnte Johanniter-Historiograph Bosio folgendermassen: Bei einer Länge von 56 m hatte das mit zwei Masten versehene Schiff eine grösste Breite von 18 m. Die Bordhöhe betrug 6 m. Zu Wasser gelassen und völlig ausgerüstet und mit einer Besatzung von 300 Mann versehen, hatte es trotz des Bleipanzers einen Tiefgang von nur 3 m. Vierundzwanzig Kanonen verschiedenen Kalibers waren in dem einzigen Batteriedeck und oben auf Deck verteilt.
Die aus Bleiplatten von 8 cm Dicke bestehende Panzerung zog sich um das ganze Schiff in einer Breite von 1¾ m herum, und zwar dergestalt, dass der Panzer sich einen halben Meter unter die Wasserlinie erstreckte und auch das Batteriedeck durch ihn völlig geschützt wurde. Die verwendeten Bleiplatten hatten eine durchschnittliche Grösse von 1 qm und waren auf der Schiffswand mit grossen Nägeln befestigt. Als Zwischenschicht zwischen Panzer und Schiffswand hatte man eine dicke Lage Pech angebracht, während die Fugen zwischen den einzelnen Platten mit Blei ausgegossen waren, so dass der Panzer eine zusammenhängende Masse darstellte. Bosio betont, dass ein Schiff von solchen Abmessungen bis dahin ganz unbekannt war, und erwähnt als grösste Merkwürdigkeit die in den Raum eingebaute Kapelle und Bäckerei.
Als im Frühjahr 1535 die 32 Schiffe starke kaiserliche Flotte den Hafen von Palermo zum Kriegszuge gegen Tunis verliess, hatte der Admiral Andrea Doria seine Flagge auf dem Panzerschiff „Santa Anna“ gehisst, für das der Erbauer 28 000 Taler erhielt. Der Ausgang dieses Unternehmens ist bekannt. Tunis wurde erobert, die Flotte der Ungläubigen völlig vernichtet und die Herausgabe von 20 000 Christensklaven erzwungen. Diesen Erfolg hatte man hauptsächlich der „Santa Anna“ zu verdanken, die sich in all den Gefechten als völlig unverwundbar erwies.
Leider sollte dieses erste Panzerschiff, das allen feindlichen Kugeln getrotzt hatte, sehr bald der Wut der Elemente zum Opfer fallen. Am 17. Oktober 1536 herrschte im Mittelmeer ein furchtbarer Sturm. Die „Santa Anna“ befand sich an diesem Tage gerade auf der Reise nach Genua. Dicht vor der Hafeneinfahrt von Genua ging das berühmte Schiff urplötzlich mit Mann und Maus unter. Eine besonders hohe Woge hatte es überflutet und in die Tiefe gerissen. Auch nicht ein Mann der Besatzung wurde gerettet. Leider besitzen wir heute keine brauchbare Zeichnung dieses für die Geschichte des Schiffbaues so interessanten Fahrzeugs mehr. Zwar befindet sich unter den Fresken im Rittersaale des Johanniter-Palais in Rom eine Abbildung der „Santa Anna“, doch ist sie nur schlecht erhalten und gibt die wichtigen Einzelheiten höchst unvollkommen wieder.
Auffallend ist es, dass die Schiffskonstrukteure jener Zeitepoche trotz der guten Erfahrungen, die man mit diesem ersten Panzerschiff machte, nicht daran gedacht haben, weitere derart geschützte Kriegsfahrzeuge zu bauen. Hierfür dürfte es nur die eine Erklärung geben, dass eben die Panzerung ein Schiff allzu sehr verteuerte. Denn die 28 000 Taler, die Toscio für die „Santa Anna“ erhielt, waren für damalige Verhältnisse ein geradezu ungeheurer Preis. Erst 1782 baute dann bekanntlich der Franzose d’Arçon schwimmende Batterien, die er mit starken, über einer Schicht von Kork und Leder befestigten Eisenstäben panzerte.
W. Kabel.
Anmerkung: