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Mit der Büchse gegen einen Riesenfisch

 

Mit der Büchse gegen einen Riesenfisch.

 

Eine seltene Jagdbeute wurde im Sommer 1913 an der Nordküste der dem Stettiner Haff vorgelagerten Insel Usedom gemacht. Von grösseren Fischen kommt als ständiger Bewohner in der Ostsee bekanntlich nur der Braunfisch vor, dessen 2 bis 3 m langer, spindelförmiger Leib oben schwarzbraun, unten weisslich gefärbt ist. Wegen seiner abgestumpften Schnauze wird er auch Schweinfisch genannt. In dem westlichen Teile der Ostsee trifft man ihn höchst selten an, häufiger schon an der Küste Ostpreussens, und besonders zahlreich in den Buchten des russischen Ostseegebietes. Die Fischer stellen dem Schweinfisch eifrig nach, da er bei der Verfolgung seiner Beute ‒ Lachse, Aale und Weissfische ‒ die teuren Netze zerreisst und dadurch grossen Schaden anrichtet. Man fängt ihn in starken, weitmaschigen Netzen. Sein Fleisch wird, so z. B. auch von den Fischern der ostpreussischen Hafenfestung Pillau, in grossen Kesseln am Strande ausgeschmolzen. Der gewonnene Tran ist im Handel bedeutend begehrter als der des Walfisches. Die Haut gibt ein gutes Leder ab.

Bisweilen verirren sich wohl auch grössere Fische, darunter auch Wale, aus dem Atlantischen Ozean nach der Ostsee. Doch gehört dies immerhin zu den Seltenheiten. Jedenfalls ist der „gemeine Tümmler“, Delphinus Tursio (s. Abb.), bisher in der Ostsee noch nicht beobachtet worden. Seine Heimat bilden der Grosse Ozean und das Eismeer, wo er in Trupps von sechs bis acht Stück auftritt. Ähnlich wie der Braunfisch gefärbt, gehört er gleich diesem zu der Familie der Wale, und zwar der Zahnwale, ist also ein Säugetier, unterscheidet sich aber von dem Schweinfisch durch seine grössere Länge ‒ bis zu 5 m ‒ und den schmalen, rundlichen Schnabel, der mit vier Reihen scharfer Zähne versehen ist. Das hier abgebildete Exemplar der Familie Delphinus Tursio wurde zuerst am Abend des 26. Juli 1913 vom Seestege des auf Usedom gelegenen Bades Zinnowitz beobachtet, wie es spielend in mächtigen Sprüngen den gewaltigen Körper über die Oberfläche des Wassers hinausschnellte. Am folgenden Tage tauchte der seltene Gast vormittags in nächster Nähe des Steges auf und plünderte die dort aufgestellten Netze, wobei er drei Garne im Werte von 1200 Mk. vollständig zerriss. Ein Versuch mehrerer Herren, den Tümmler mit Hilfe von Jagdbüchsen zu erlegen, misslang, da die Jäger mit ihrem Ruderboot nie schnell genug auf Schussweite an den bald hier, bald da auftauchenden Fisch herankommen konnten und dieser sich auch nach den ersten Fehlschüssen ins tiefere Wasser zurückzog. Am 28. Juli, morgens, wiederholte der Tümmler seine Plünderungen der Fischnetze einige Kilometer westlich von Zinnowitz in der Nähe des kleinen Badeortes Karlshagen ‒ und hier sollte ihn dann auch das Geschick ereilen. Auf die Nachricht von dem Auftauchen des Riesenfisches bestieg der Hotelbesitzer T. aus Karlshagen einen kleinen, mit Motor versehenen Fischerkutter. Das flinke Fahrzeug eignete sich für diese Jagd vortrefflich. Im Verlauf von zwei Stunden gelang es T., dem Tümmler während dessen Sprüngen sechs Kugeln beizubringen, von denen die letzte auf 100 m Entfernung den Kopf seitlich durchschlug, so dass der Fisch, der nach ein paar letzten wilden Schwanzschlägen bewegungslos auf dem Wasser trieb, an Land geschleppt werden konnte. Der glückliche Schütze stellte seine seltene Jagdbeute, die bei einer Länge von 4,20 m über acht Zentner wog, in seiner Autogarage gegen Eintrittsgeld aus, wodurch ein ganz nettes Sümmchen zusammenkam, das unter die von dem Tümmler geschädigten Fischer verteilt wurde.

W. K.

 

Ein bei Karlshagen geschossener Tümmler.