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Frau Inges Tränen

 

 

Der Detektiv

 

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

 

Band 95:

 

Frau Inges Tränen

 

Nachdruck verboten. Alle Rechte einschließlich Verfilmungsrecht vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26. – 1923.
Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin

 

1. Kapitel.

Die Sarawana-Brüderschaft.

Der phantastische Bau des Schlosses Biraniri in Zentralindien, Eigentum unserer Freundin Lady Gulbrar, war der Schauplatz des Vorspiels einer Reihe neuer Abenteuer, die ich ohne Übertreibung als einen fortgesetzten Kampf gegen die Mächte der Finsternis bezeichnen kann.

Am Abend eines glutheißen Tages saßen wir beide mit unserer liebenswürdigen Wirtin auf der Terrasse, vor uns die Palmenallee, die durch weite Rasenflächen bis zum Parktor hinlief.

Auf dem kurz geschorenen grünen Teppich standen die Gestelle der Drehzerstäuber mit ihren Schlauchleitungen und warfen unaufhörlich feinsten Sprühregen über die ausgedörrten Gräser. Die Sonne, soeben hinter den dunklen Linien des Dschungels versunken, spendete noch als letzte Grüße ihre wunderbaren rötlichen Farben dem prächtigen Landschaftsbilde, übergoß es mit einer unwahrscheinlichen Fülle rosigen Lichtes und ließ den Staubregen der Rasensprenger wie farbenfrohe Wolken auf die in künstlicher Frische neu auflebenden Halme herabsinken.

Wir drei schwiegen.

Eine gewisse Andacht hielt uns in Bann. Wir beide, unstäte Wanderer auf diesem unserem winzigen Planeten, liebten die Natur mit derselben frommen Freude an ihrer nie ersterbenden Vielseitigkeit wie Lady Gulbrar, deren feines Profil in dieses Gemälde so stimmungsvoll hineinpaßte.

Wir schwiegen.

Bis dort drüben am Parktor, das für uns nicht sichtbar war, die Glocke anschlug.

„Ein Radler kam die Straße von Biraniri[1] entlang,“ sagte Harald leise. „Es können auch zwei gewesen sein.“

Lady Gulbrar blickte auf. Dieser Blick bat um eine Erklärung, wie Harald den oder die Radler gesehen haben könnte, da wir doch nur die Kronen der die Straße flankierenden Bäume von hier aus zu erkennen vermochten.

„Es saßen Schwärme von Tschakras (indische Stare) in den Wipfeln der Platanen, Mylady,“ meinte Harst. „Die Vögel flogen in einer Weise von den einzelnen Bäumen auf, daß nur ein Läufer oder ein Radler sie emporgescheucht haben kann. Einen Wagen oder ein Auto hätten wir bei dieser Stille hören müssen.“

„Also Besuch für uns,“ sagte die Lady. „Hassan, der Torwärter, wird bereits schlafen gegangen sein. Soeben schlug die Glocke abermals an.“

Harald hatte sich plötzlich in seinem Rohrsessel etwas hochgereckt und sich vorgebeugt.

Auch mir war’s, als bemerkte ich am Ende der Rasenfläche hinter den Sträuchern eine Gestalt, die der Palmenallee zuhuschte.

Dann erschien an der Biegung der Allee ein indischer Postbote.

„Eine Depesche,“ meinte Lady Gulbrar gespannt. „Wer mag wohl unsere Ruhe hier –“

Sie schnellte plötzlich hoch.

Auch wir waren emporgesprungen.

Wir drei hatten ja gleichzeitig gesehen, daß der Inder in der Allee mit einem Male die Arme in die Luft geworfen hatte und dann verschwunden war – geradezu blitzartig.

Ebenso schnell stürmte jetzt Harst die Stufen der Terrasse hinab und die Allee hinunter, riß dabei die Clementpistole aus der Schlüsseltasche der Beinkleider und feuerte im Laufen zwei – drei Schüsse ab, die doch nur den Zweck haben konnten, irgend jemand zu verscheuchen.

Auch ich hetzte hinter Harald drein.

Bald standen wir hinter einem blütenbesäten hohen Strauche, neben dem der indische Postbote, um den Hals die Schlinge einer dünnen langen Hanfschnur und im Herzen bis zum Holzgriff ein billiges Dolchmesser, regungslos auf dem Rücken lag.

Harald hielt sich bei dem Ermordeten nicht weiter auf, jagte dem Parktore zu, neben dem der alte Hassan in einem hübschen Häuschen wohnte.

Er fand die Pforte noch offen, fand das Rad des Toten, schwang sich hinauf und folgte dem anderen Radler, der in schnellstem Tempo nach dem Städtchen Biraniri wieder zurücksauste.

Dann sprang Harst ab, machte kehrt und kam mit dem Rade langsam auf uns zu.

Hassan und ich standen vor dem Parktor. Lady Gulbrar gesellte sich zu uns, als Harald gerade rief:

„Die Schläuche sind zerschnitten. Der Mörder ist entkommen.“

Die Lady war bleich. Auch sie hatte ja den Toten bemerkt.

„Ein Verbrechen – hier in meinem Park!“ meinte sie atemlos und bestürzt.

„Ein Depeschendiebstahl – mittels Mordes,“ ergänzte mein Freund ernst. „Oder doch der Versuch eines Depeschenraubes, Mylady. Vielleicht haben meine Schüsse den Raub verhindert.“

Wir gingen hastig die Allee hinab. Harald kniete neben dem Toten, fand dann auch in der Innentasche des Leinenrockes des Inders ein Telegramm.

Es war – an Harald Harst gerichtet, war ihm von Patna aus, wo wir im Atlantic-Hotel gewohnt hatten, nachgeschickt worden.

Er öffnete es, überflog es, reichte es mir.

„Da, mein Alter, – Arbeit für uns, in Berlin.“

Es lautete:

Detektiv Harald Harst,

Patna, Indien

Atlantic.

Bitte Sie dringend um Hilfe. Kommen Sie sofort. Vielleicht können Sie das Verhängnis noch abwenden. Habe an India-Bank in Patna telegraphisch für Sie 100 Pfund Sterling angewiesen. – Baronin Inge Alfström, Berlin W, Kufsteinerstraße 161.

Harald wandte sich an Lady Gulbrar.

„Mylady, lassen Sie bitte Ihr Auto fertig machen. Ich muß sofort nach Biraniri zum Polizeimeister.“

Die Lady lief dem Schlosse zu.

„Hassan,“ fragte Harald den Torwächter, „was weißt Du über die beiden Radler?“

„Nichts, Sahib. Ich schlief bereits. Als ich durch die Glocke geweckt wurde, als ich dann öffnen wollte, stand nur der Postbote mit seinem Rade draußen.“

„Den anderen Inder sahst Du nicht?“

„Nein, Sahib.“ –

Harald fuhr dann allein nach dem Städtchen. Ich sollte unsere Koffer packen.

Nach einer Stunde war Harst zurück.

„Der Polizeimeister ist unten bei dem Toten,“ erklärte er. „In Biraniri war nichts über den anderen Inder zu erfahren. Ich habe damit auch gar nicht gerechnet.“

Ich stand neben dem Koffer, der bereits bis oben gefüllt war.

„Die Fäden des Falles Alfström reichen bis hierher?“ fragte ich. „Nicht wahr, Du solltest die Depesche nicht erhalten, damit wir uns nicht mit dieser Sache beschäftigen könnten.“

„Es scheint so. Immerhin muß man –“

Es hatte geklopft. Der Polizeimeister Mr. Edward Pearl trat ein. Ich kannte ihn schon, den gemütlichen alten Herrn, der diesen entlegenen Posten nur angenommen hatte, weil Biraniris Umgegend ein vorzügliches Jagdgebiet auf Tiger, Wasserbüffel und indische Wildschweine war.

Pearl hielt uns die Mordwaffe entgegen.

„Da – ein Dolch der Sarawana-Brüderschaft, meine Herren. Also ein Verbrechen, das eine Strafe für den Toten darstellt, für diesen Shamdi Bana, der die Geheimnisse des Bundes nicht streng genug gehütet haben mag.“

Harald nahm den blutigen einfachen Dolch und nickte.

„Hier im Griff ist beiderseits das plumpe Bild einer sich hochbäumenden Kobra eingeschnitten. Die Sarawana-Leute sind so etwas wie politische Geheimbündler, Kämpfer für ein freies Indien.“

„Das sind sie,“ seufzte Pearl kläglich. „Nun ist meine idyllische Ruhe dahin. Man wird mir fraglos Detektive aus Kalkutta senden. Die Regierung dürfte mit aller Energie den Mord aufzuklären suchen.“

„Hm – Sie meinen, den Täter wird sie suchen lassen. Der Mord selbst ist in allen Punkten klar. Der Mörder folgte Shamdi Bana mit dem Rade, ließ dem Postboten dann einen kurzen Vorsprung, zerschnitt die Pneumatiks des am Gittertor lehnenden Rades, kletterte über das Gitter, lief bis zur Krümmung der Allee und riß Shamdi mit der Hanfschlinge zu sich hin. Muß ein vorzüglicher Lassowerfer gewesen sein, dieser Mörder.“

In dem Tonfall Haralds war etwas, das mich stutzig machte.

Pearl sagte jedoch nur: „Ja, so muß es gewesen sein.“

Harst schüttelte den Kopf. „Sie irren, so war es nicht. Es war ganz anders.“

Der alte Herr schaute Harald verdutzt an.

„Es waren zwei, Mr. Pearl. Das liegt doch auf der Hand,“ fügte Harst hinzu. „Einer, der mordete, der andere, der die Schläuche zerschnitt. Hassan stand doch an der Gitterpforte. Und die Pneumatiks waren noch unversehrt, als Shamdi die Allee hinabging, müssen noch unversehrt gewesen sein. Erst als Hassans Aufmerksamkeit durch meine Schüsse scharf auf das Schloß gelenkt wurde, kam der andere über die Straße gehuscht, zerschnitt die Schläuche, schwang sich auf das weiter nordwärts lehnende Rad des Mörders und kam am Parktor langsam vorüber – langsam, Mr. Pearl, damit etwaige Verfolger ihn und nicht den Täter aufs Korn nehmen sollten. Diese Finte ist mir leider zu spät eingefallen. Ich habe vorhin bei meiner Rückkehr die Stelle in den Büschen jenseits der Straße gefunden, wo dieser andere gekniet hat. Und – das war kein Inder, nur ein verkleideter Inder, Mr. Pearl. Die Füße des Mannes waren winzig. Ich möchte behaupten, hier haben ein Weib und ein Mann zusammengearbeitet. Das Weib deckte dem Täter den Rücken. Und dieser Täter war ein Europäer mit Halbschuhen mit gesteppten Sohlen. Sie werden dies ebenfalls aus den Spuren herausfinden. – Gestatten Sie, daß wir uns auch gleich verabschieden. Das Auto Lady Gulbrars bringt uns in zehn Minuten nach der nächsten Bahnstation. Ich habe in Berlin zu tun. Die schönen Zeiten, wo ich als Liebhaberdetektiv nur eine Arbeit übernahm, die mir zusagte, sind ja seit dem Tiefstande der deutschen Papiermark vorüber. Ich bin arm geworden. In zwölf Tagen hoffe ich mit Freund Schraut daheim in Berlin-Schmargendorf zu sein.“ –

Am 24. Mai landeten wir denn auch wohlbehalten in Brindisi und fuhren weiter mit der Bahn der deutschen Heimat zu. Über die Ermordung des Postboten im Parke von Biraniri hatte Harald kaum mehr ein Wort verloren.

 

2. Kapitel.

Der Herr der Mächte der Finsternis.

„Frau Baronin lassen fragen, in welcher Angelegenheit die Herren sie zu sprechen wünschen,“ sagte das zierliche Kammerzöfchen an der Flurtür in etwas schnippischem Tone zu uns und schaute dabei geringschätzig auf die Visitenkarte, die sie noch in der Hand hielt und auf der nichts als „Harald Harst“ stand.

„Die Frau Baronin hat mir eine Depesche nach Patna geschickt und mir dorthin auch Geld überweisen lassen,“ erklärte Harald scheinbar gleichmütig. „Ich bin der Detektiv Harald Harst, Fräulein, und dieser Herr hier ist mein Freund Max Schraut. Bitte – melden Sie uns nochmals bei Ihrer Herrin.“

Die Flurtür schlug zu, und wieder waren wir im Treppenflur allein.

Harst blickte mich seltsam an, schwieg jedoch.

Und das Zöfchen kehrte zurück – sehr bald.

„Frau Baronin läßt bedauern. Sie hat weder Herrn Harst eine Depesche noch Geld gesandt.“

Knall – flog die Tür wieder ins Schloß.

Harald drehte sich kurz um und schritt die beläuferte Treppe hinab. Als wir nun die Kufsteiner Straße nach Friedenau zu entlanggingen, sagte er leise:

„Lieber Alter, wir werden die Arbeit auf nicht ganz alltägliche Weise beginnen und die Baronin beobachten – also unsere angebliche Auftraggeberin. Ich denke, sie wird, falls tatsächlich das Telegramm nicht von ihr herrührt, wohl ahnen, wer es in ihrem Interesse abgeschickt hat und diesen Jemand sehr bald aufsuchen. Trennen wir uns und bleiben wir in der Nähe des Hauses Nr. 161.“

Nach kaum zehn Minuten verließ eine verschleierte schlanke blonde Dame sehr eilig Nr. 161 und bestieg am Bayrischen Platz ein Mietauto.

Weitere fünfzehn Minuten drauf wußten wir, daß sie den Rechtsanwalt Doktor Berthold Finster, Elßholzstraße Nr. 2, Hochparterre rechts, mit ihrem Besuch beehrt hatte.

Sie blieb dort eine volle Stunde, bis gegen sechs Uhr nachmittags.

Kaum hatte sie sich wieder auf der Straße gezeigt und war in den nahen Kleistpark eingebogen, als wir an der Flurtür Doktor Finsters läuteten.

Vor dieser Tür lagen etwas Holzwolle, etwas Heu und Strohhalme. Diese Unsauberkeit deutete auf einen Umzug hin.

Ein altes Männchen mit struppigem Bart und dünnen grauen Haarsträhnen über dem spitzen Schädel, hinter dem rechten Ohr einen Federhalter, gekleidet in einen speckigen Bratenrock, um den dürren Hals einen Gummikragen, um den ein schwarzer Binder strickartig geschlungen war, krähte uns mit hoher Stimme an, nachdem er die Tür halb geöffnet hatte:

„Ich halte heute keine Sprechstunde ab. Vielleicht bemühen Sie sich morgen in meine neue Wohnung, Goltzstraße 18. Sie sind doch die Vertreter der Bonbonfabrik Mix und Schrotmann, meine Herren, nicht wahr?“

Dabei schob er seine goldene Brille mit einem Ruck bis auf die Spitze der dicken Nase und blinzelte uns über den Gläserrand prüfend an.

„Mein Name ist Hirt,“ stellte Harald sich vor und lüftete den Hut. „Ich möchte nur einige Fragen an Sie richten, Herr Justizrat. Es dauert höchstens ein paar Minuten.“

„Hm – na gut. Bitte, treten Sie ein.“

Doktor Finster stieß eine Tür auf und fügte hinzu:

„Stühle gibt es nicht mehr, meine Herren. Sie müssen schon auf einer Kiste Platz nehmen.“

In dem zweifenstrigen Zimmer standen nur ein paar bereits zugenagelte Kisten. Die Stabjalousien waren herabgelassen und schräg gestellt. Daher herrschte hier ein ungewisses Zwielicht, an das man sich erst gewöhnen mußte. –

Wir beide waren mittags in Berlin eingetroffen, hatten ein wenig geruht und waren dann nach der Kufsteiner Straße zu der Baronin Inge Alfström geeilt, um von ihr uns mitteilen zu lassen was wir für sie tun könnten. Wir wußten bisher nichts über das „Verhängnis“, von dem sie sich bedroht fühlte. Wir wußten auch jetzt noch nichts von dem Auftrag, den wir erwartet hatten, wußten nur, daß sie uns durch die Zofe weggeschickt und dann diesen uns ebenfalls gänzlich unbekannten Anwalt aufgesucht hatte, dem Harald seinen wahren Namen wohl nur deshalb verschweigen zu müssen glaubte, weil er auf geradem Wege von Doktor Finster nichts über die Baronin zu erfahren befürchtete.

Alles in allem: dieses Abenteuer, dessen Auftakt in Indien sich abgespielt hatte, begann auch hier in Berlin einigermaßen vielversprechend. –

Der greise Justizrat hatte inzwischen auf eine riesige Kiste gewiesen und uns zum Platznehmen aufgefordert.

Wir setzten uns denn auch, nachdem Harst mich als „Herr Schrott, mein Kollege“ vorgestellt hatte.

Berthold Finster lehnte zwei Schritt vor uns an der Wand.

„Sie kennen doch eine gewisse Baronin Alfström,“ sagte Harald nun. „Wir haben zufällig gehört, daß die Dame zur Zeit mit einigen Widerwärtigkeiten zu kämpfen hat, Herr Justizrat.“

„So so,“ meinte der Sonderling von Anwalt mit einem meckernden Auflachen. „Sie haben gehört! Von wem denn?! Da bin ich wirklich gespannt. Sie beide sind wohl Leute, die aus fremdem Unglück Kapital schlagen – wie?!“

„In gewisser Weise haben Sie recht. Wir sind Privatdetektive.“

Der Justizrat grinste.

„Das weiß ich, Herr Harst,“ erklärte er ironisch. „Ich weiß noch mehr, zum Beispiel das eine, daß jetzt hinter Ihnen beiden zwei Männer stehen, die sofort zuschlagen, wenn Sie nicht ganz artig sein sollten. Drehen Sie sich nicht um. Das ist nicht erlaubt. Sitzen Sie still. Ich werde Ihnen zeigen, was Sie sehen sollen.“

Und er hob einen großen Spiegel, der hinter einer anderen Kiste gelehnt hatte, empor und hielt ihn so, daß wir nun tatsächlich im Spiegelglase zwei bärtige stiernackige Kerle bemerkten, die jeder eine kurze dicke Eisenstange hiebbereit in der Hand hatten.

Dann stellte er den Spiegel wieder weg und fuhr fort:

„Es liegen besondere Umstände vor, die mich zwingen, Sie beide für vierzehn Tage verschwinden zu lassen. Wenn Sie vernünftig sind, wird sich alles in einer für Sie durchaus angenehmen Weise abwickeln.“ – Er sprach jetzt vollkommen ernst und mit einer trockenen Sachlichkeit, als handelte es sich um eine Rechtsfrage, die er zwei Klienten klar zu machen suchte. „Sie werden in leichte Narkose versetzt und in der Kiste, auf der Sie sitzen, an einen Ort geschafft werden, wo Ihre Überwachung weiter keine Schwierigkeiten bereitet. Sie werden dort gut verpflegt und –“

„Halt – gestatten Sie eine Zwischenfrage,“ meinte Harald da. „Würden Sie uns diese Gefangenschaft nicht ersparen können, Herr Justizrat? Wir wollen Ihnen –“

„Nein, nein, Herr Harst,“ quäkte der alte Herr dazwischen. „Ich kenne Sie und Ihre Schliche. Es handelt sich bei alledem, das versichere ich Ihnen, um kein Verbrechen oder dergleichen, vielmehr um eine reine Privatangelegenheit, bei der man Ihre Einmischung als geradezu katastrophal ansieht. Deshalb müssen Sie beide eben ausgeschaltet werden.“

„Das muß ja eine eigentümliche Privatangelegenheit sein,“ sagte Harst mit leichtem Kopfschütteln.

„Allerdings – eine Sache, von der Sie bisher nichts ahnen und nie etwas ahnen werden.“

„Hm – wissen Sie das so bestimmt, Herr Justizrat?!“ Diese Bemerkung wirkte. Der alte Sonderling trat einen halben Schritt vor.

„Sie wollen nur auf den Strauch schlagen,“ meinte er hastig voller Unruhe.

„Vielleicht!“

Ich merkte jetzt, was Harald beabsichtigte: er wollte Herrn Finster so nahe heranlocken, daß er ihn packen und sich selbst durch einen raschen Sprung aus dem Bereich der drohenden Eisenstangen bringen könnte.

Ich tat das meinige, ihn dabei zu unterstützen, lächelte den Justizrat gleichfalls an und sagte halb zu Harald gewandt:

„O ja – vielleicht!“

Herr Berthold Finster war jedoch vorsichtig, lehnte sich wieder an die Wand und erklärte kühl: „Ich betone nochmals, Herr Harst: ich kenne Ihre Tricks! Mich fangen Sie nicht!“

Und dann – dann bewies er uns, wie gut er alles zu unserem Empfang vorbereitet gehabt hatte.

Er hüstelte dreimal.

Und urplötzlich kippte da die Riesenkiste, auf der wir saßen, nach vorn um. Gleichzeitig versank der Deckel, so daß die Kiste uns nun völlig bedeckte.

Nicht genug hiermit: im letzten Moment hatten die beiden Kerle hinter uns zugeschlagen. Nicht mit den Eisenstangen. Nein, mit Sandsäcken, deren Hieb gerade hinreichte, uns für kurze Zeit zu betäuben.

All das war mit mustergültiger Genauigkeit und Schnelligkeit vor sich gegangen – ganz so, als ob man diesen Überfall sorgfältig vorher ausprobiert hatte.

Das Letzte, was mein schwindendes Bewußtsein an Eindrücken empfing, war Berthold Finsters meckerndes Lachen.

Und das Erste, was ich wieder beim Erwachen wahrnahm, war ein leises Schaukeln und Plätschern.

Ringsum tiefste Dunkelheit. Und außer dem Geräusch vorbeigleitender Wassermengen noch ein taktmäßiges Stampfen: eine Schiffsmaschine – ein Bootsmotor, ohne Zweifel!

Dann neben mir Haralds Stimme:

„Wir fahren bereits eine halbe Stunde, mein Alter. – Brummt Dir der Schädel sehr?“

„Es geht –“

„Herrn Finsters Freunde haben sich also recht anständig benommen. Die Hiebe mit den Sandbeuteln sind milde ausgefallen.“ Und noch gedämpfter: „Im übrigen war’s natürlich nicht der Justizrat, mit dem wir es zu tun hatten. Du hast wohl ebenfalls bemerkt, daß der Mensch verkleidet war. Bei dem Dämmerlicht im Zimmer sah ich es erst, als er den Kopf vorreckte und die Perücke sich dabei im Genick lüftete. Ich hatte ja ohnedies von vornherein bezweifelt, daß wir dem Justizrat gegenüberständen.“

Harald sprach nur das aus, was ich ebenfalls dunkel geahnt hatte. Wo hätte sich wohl ein Mann in solcher Stellung, ein Anwalt, auf derartige Dinge eingelassen?!

Inzwischen hatte ich bereits festgestellt, daß wir nebeneinander ungefesselt auf einem schmalen Sofa saßen, hatte auch rechts von uns einen winzigen hellen Fleck wahrgenommen: ein längliches Löchlein, durch das Tageslicht hereindrang.

„Eine Motorjacht beherbergt uns,“ fügte Harald nach einer Weile hinzu. „Wir befinden uns in der Heckkajüte, die man sorgfältig verdunkelt hat. Dort rechts ist die Tür.“

Ich streckte tastend die Arme aus. Vor uns stand ein Tisch. Meine Finger berührten ein Schächtelchen.

„Zündhölzer, Harald,“ rief ich leise.

„Gut – reibe eins an.“

Das Hölzchen flammte auf.

Und bei dem flackernden Lichtschein sahen wir, daß uns gegenüber auf dem anderen Wandsofa der Kajüte der Mann saß, der sich als Justizrat Finster ausgegeben hatte.

Im selben Moment schaltete er eine elektrische Taschenlampe ein und sagte mit seiner krächzenden Stimme:

„Ihr Gespräch war mir leidlich interessant, meine Herren!“

Die Taschenlampe hielt er in der Linken, in der Rechten aber ein schwarzes, matt glänzendes Etwas: eine Browningpistole.

 

3. Kapitel.

Die weinende Frau.

Er legte die Lampe auf eine auf dem Tische stehende Zigarrenkiste und griff nach einer Tischglocke, deren helles Gebimmel draußen auf der Kajüttreppe schwere Schritte laut werden ließ. Die Tür ging auf. Ein dunkelbärtiger Mann in einer Art Sportkostüm trat ein, zündete wortlos die über dem Tische hängende Pendellampe an und verschwand wieder.

Nun war es völlig hell in dem länglichen schmalen Raume. Nun nickte „Herr Finster“ uns gemütlich zu und meinte: „So, jetzt können wir uns weiter unterhalten, Herr Harst. Ich möchte Sie zunächst von einem Irrtum befreien: ich bin Justizrat Berthold Finster.“ Seine Stimme bekam etwas Feindseliges, Brutales. „Derselbe Berthold Finster, der seit drei Wochen durch einen Spruch der Anwaltskammer von der Liste der Notare und Rechtsanwälte wegen – Unzuverlässigkeit gestrichen worden ist!“ Er lachte schrill auf. „Derselbe Doktor Berthold Finster, der den verfahrensten Prozeß wieder ins rechte Geleis brachte, den die Kollegen fürchteten, den dunkle Ehrenmänner liebten. Derselbe Finster, der durchaus kein größerer Lump ist, als die übrige heutige Menschheit, die sich nun erfrecht hat, ihn gesellschaftlich tot zu machen! Oh – sie soll meine Rache schon spüren, diese feine Gesellschaft! Man hat mich auf die Bahn des Verbrechens gedrängt. Gut denn: ich habe diese Bahn beschritten! Ich werde den Gesetzen und ihren Gaunern von Hütern den Krieg erklären – einen Krieg bis aufs Messer! Ich habe Beziehungen zu den Kaschemmen und ihren Stammgästen, zu Leuten, die Ihre geschworenen Gegner sind, Herr Harst –“

Er geiferte jetzt förmlich vor Wut und Haß.

„Und diese Beziehungen reichen bis Indien,“ warf Harald gleichmütig ein. „Sie haben den indischen Postbeamten ermorden lassen, damit ich die Depesche der Baronin nicht erhielte. Der Streich mißglückte. Ich weiß jetzt alles, Herr Finster, – alles!“

Der Justizrat zuckte höhnisch die Achseln.

„Geschwätz – Renommisterei! Sie wissen nichts! Genau so wenig, wie ich etwas von einem ermordeten Postbeamten weiß.“

„Und von Sarawana ebenfalls nichts?“

Ah – das traf! Das saß! – Mochte Doktor Finster sich auch noch so gut in der Gewalt haben: das Wort Sarawana, die Bezeichnung für jenen indischen Freiheitsbund, ließ ihn halb von dem Sofa hochfahren.

Aber ebenso geschickt bemäntelte er diese jähe Bewegung höchster Überraschung und Bestürzung, indem er vollends aufstand und wegwerfend sagte: „Ich bin mein Lebtag nicht in Indien gewesen, Herr Harst. Sobald Sie vernünftig mit mir reden wollen, brauchen Sie nur zu läuten.“

Er deutete auf die Tischglocke und schritt rückwärts zur Tür, uns dauernd im Auge behaltend. Mit der Linken öffnete er sie dann. Wir sahen, daß draußen die Abenddämmerung angebrochen war. Die Tür fiel zu. Der Schlüssel wurde von außen im Schloß umgedreht. Wir waren allein.

Aber von links her, wo eine zweite kleinere Tür wahrscheinlich in eine winzige Schiffsküche führte, kam jetzt durch eine schmale Klappe in der oberen Türfüllung eine Stimme, die uns warnte:

„Sie werden ständig beobachtet! Verhalten Sie sich ruhig!“

„Das werden wir, lieber Freund,“ nickte Harald gutgelaunt[2] dem Unsichtbaren zu. „Bisher fühlen wir uns hier ganz wohl.“

Dann befühlte er seine Taschen, fand sein Zigarettenetui und bot auch mir eine seiner Mirakulum an.

Schweigend rauchten wir, hingen unseren Gedanken nach und warfen hin und wieder einen Blick auf die Klappe der Türfüllung, hinter deren Öffnung undeutlich ein heller Fleck – das Gesicht eines Mannes – zu erkennen war.

Das Geräusch des Motors verstummte dann. Oben auf Deck huschten leise Schritte hin und her. Das Plätschern an den Bordwänden erstarb.

Harald rauchte bereits die fünfte Mirakulum. Er hatte sich bequem in die Sofaecke zurückgelehnt und die Augen halb geschlossen. Sein schmales Gesicht mit der hohen intelligenten Stirn zeigte einen Ausdruck fast beschaulicher Ruhe. Er tat gerade so, als ob diese ganze Gefangennahme ein durchaus harmloser Scherz wäre. Er hatte von Anfang an dieses Abenteuer mit einer Gleichgültigkeit, was eine Gefahr für uns anlangte, behandelt, die mir ein wenig unangebracht erschien. Denn – was wußten wir von Doktor Finster?! Eigentlich so gut wie nichts. Was wußten wir von der Baronin Alfström und ihren Nöten: gar nichts! – Oder – war Harald etwa tatsächlich über diese Frau weit besser unterrichtet als auch ich es ahnte? Wenn ja – woher hatte er diese Kenntnis erlangt?

Ich gebe zu: schon so mancher Fall hatte für uns in recht eigentümlicher Weise begonnen. So wie dieser jedoch noch kein einziger! Man hatte uns sehr raffiniert gefangen genommen. Man hatte uns auf diese Jacht verschleppt. Weshalb – weshalb wohl?!

„Es ist merkwürdig still geworden,“ sagte Harald da.

Ich schrak zusammen.

„So still, daß man vermuten könnte, die Leute haben die Jacht verlassen,“ fügte er hinzu und blickte scharf nach der Türklappe hin. „Die verdächtige Unbeweglichkeit des Gesichtes hinter der Klappenöffnung spricht ebenfalls für eine –“

Er schwieg.

Auch ich hatte jetzt ein lautes qualvolles Aufschluchzen gehört, dem ein verzweifeltes Weinen, untermischt mit tiefen Seufzern, folgte.

Harst legte mir die Hand auf den Arm und richtete sich auf.

„Eine Frau!“ flüsterte er.

Dann erhob er sich, schritt auf die Tür links zu und – griff durch die Klappenöffnung hindurch.

„Bitte!“ sagte er ironisch und warf eine Larve mit grauem Bart auf den Tisch, die an zwei Schnüren vor dem Klappenloch gehangen hatte. „Bitte – das ist unser Wächter.“

Das Weinen und Schluchzen war wieder vernehmbar geworden.

„Ohne Zweifel eine Frau, mein Alter! Vielleicht gar die Baronin.“

Und abermals schlich er der Tür zu und faßte durch die Klappe hindurch.

„Hm – zwei Riegel, die durch Vorlegeschlösser festgehalten werden!“ meinte er. „Und die Tür außen mit Eisenblech benagelt! – Wir sind hier jetzt allein – zu dreien. Die Kerle haben die Jacht geräumt.“

Der Ton seiner Stimme klang ganz anders. Es war etwas wie jäh erwachende Besorgnis darin.

Ein heulender Windstoß fuhr über die Jacht hin. Sie schwankte träge, lag wieder still.

Dann kam ein wolkenbruchartiger Regen herab. In das knatternde Prasseln der herabstürzenden Wassermassen mengte sich nervenaufpeitschend ein kurzer jammervoller Schrei.

Ich war aufgesprungen.

„Suche nach irgend einem Werkzeug, mein Alter,“ sagte Harald hastig. „Wir müssen die Tür aufbrechen.“

Er hatte dabei in die Schlüsseltasche der Beinkleider gefaßt und die winzige Clementpistole[3] hervorgeholt.

„Ah – die Patronen sind aus dem Rahmen entfernt,“ meinte er achselzuckend und steckte die Waffe wieder weg.

Er half mir suchen. Die Wandschränke der Kajüte waren leer, ebenso die Kästen unter den Sofasitzen.

Inzwischen hatte das Unwetter draußen noch mehr zugenommen. Das ferne Grollen eines Gewitters, die zuweilen zu leisem Wimmern ersterbenden Klagelaute der Frau, die offenbar im Vorderschiff irgendwo eingesperrt war, dazu das Prasseln des Regens und das Heulen der Windstöße regten auch uns in solchem Maße auf, daß wir bei der hier in der Kajüte herrschenden stickigen Schwüle mit schweißfeuchten Gesichtern ratlos und gequält von einer ungewissen Angst dastanden.

Harsts Augen glitten hin und her.

„Wuchten wir die Tischplatte los – vorwärts!“ meinte er mit einer Stimme, die seltsam heiser klang.

Ich schaute ihn an. Da war etwas in seinem Blick, das mich aufmerksam machte. Da war ohne Zweifel eine Gefahr, die ich noch nicht kannte.

Er senkte den Kopf. Und seine Hand wies auf die Dielen der Kajüte.

Und – zwischen den Ritzen der Dielen quoll Wasser hervor, sprudelte wie winzige Fontänen höher und höher.

„Die Jacht sinkt,“ sagte er mit verbissener Wut. „Die Schufte haben uns hier eingesperrt, wollen uns und die Frau ersäufen. – Los denn – herunter mit der Tischplatte!“

Eine eisige Hand schien mir den Rücken entlangzustreichen.

„So faß doch mit an!“ meinte Harald[4] ungeduldig.

Ein Ruck – noch einer, und die schwere Tischplatte war losgerissen.

Ein schmetternder Schlag dann gegen die Tür – noch einer.

Harsts sehnige Gestalt duckte sich vor Anstrengung völlig zusammen.

Die obere Füllung zersplitterte.

Noch drei – vier Hiebe, und auch das Eisenblech löste sich.

Harald stieß es vollends nach außen, zwängte sich durch die Öffnung.

„Die Taschenlampe her!“

Berthold Finster hatte sie auf dem Tische liegen lassen. Ich hatte sie auf das Sofa gelegt, reichte sie Harst. Er half mir durch das Loch. Unsere Stiefel waren naß. Das Wasser stand bereits eine Handhoch in der Kajüte.

Nun befanden wir uns in der winzigen Küche, befanden uns vor einer neuen Tür.

Hörten jenseits das Weinen der Frau – ein so jammervolles Weinen, daß Harald keuchend flüsterte:

„Das ist mehr als Todesangst! Das ist der verzweifelte Entschluß, sterben zu wollen.“

Der Lichtschein traf die Tür. Dann – ein Fußtritt Harsts – und die untere Füllung flog heraus.

Ein gellender Schrei. Draußen lang anhaltender Donner.

Und noch ein Schrei.

Bis Harald den Kopf durch die Öffnung schob und in die kleine Segelkammer hineinleuchtete.

„Leer – leer!“

Er kroch hindurch. Ich blieb dicht hinter ihm.

Die Segelkammer war wirklich leer. Aber dort – dort stand die kleine Tür nach dem Vorschiff offen. Dort war das Schloß der Tür mit irgend einem Instrument herausgebrochen worden.

Harald bückte sich, hob aus dem auch hier auf dem Fußboden hin und her schwappenden Wasser die Eisenspitze eines Bootshakens auf.

Sagte kopfschüttelnd: „Ich rate stets daneben, mein Alter! Die Frau war eine Gefangene wie wir, war keine Lebensmüde!“

Und dann ging’s durch die offene Vorderluke an Deck – hinaus in den Platzregen des tobenden Gewitters.

Blitze zuckten herab. Ihr Lichtschein erstarb nur zu schnell in den dichten Schleiern der stürzenden Wassergarben.

Die Frau war nicht mehr an Bord. Sie mußte die Kleider abgeworfen und sich auf ihre Schwimmkunst und Ausdauer verlassen haben.

Die Jacht sank jetzt zusehends.

„Runter mit den Sachen!“ meinte Harald. „Uhr, Brieftasche und so weiter im Hemde auf dem Kopf befestigen!“

Gleich darauf ließen wir uns völlig nackt ins Wasser gleiten.

Wir wußten nicht, wo wir uns befanden – ob auf einem See, einem Fluß oder sonst wo. Wir schwammen aufs Geratewohl nach Süden.

Eine Viertelstunde drauf erreichten wir das Ufer, stiegen an Land. Das Unwetter war vorüber.

„Ein See,“ sagte Harald und deutete auf ein paar ferne Lichtpünktchen.

Nur mit dem Hemde bekleidet, klopften wir den Besitzer des Fährgasthauses des Dorfes Kaputh heraus. Der Mann glaubte uns ohne weiteres, daß unser Ruderboot bei dem Gewitter umgeschlagen sei, half uns mit Kleidern aus und stellte uns seinen Einspänner zur Fahrt nach Potsdam zur Verfügung.

Um halb zwölf waren wir wieder in Berlin. Ein Auto brachte uns nach unserem Heim, Blücherstraße 10 in Schmargendorf. Der Kraftwagen mußte warten. Und zehn Minuten vor Mitternacht fuhren wir im Kostüm nach der Kufsteiner Straße.

 

4. Kapitel.

Der Inder.

„Wenn wir Glück haben, sind wir vor der Baronin zur Stelle,“ meinte Harald, der sich genau wie ich eine Maske als älterer bescheiden gekleideter Herr zurechtgemacht hatte. „Ich nehme bestimmt an, daß sie es war, die vor uns schwimmend flüchtete. Freilich – bisher ist bei diesem Abenteuer stets das Gegenteil von dem eingetroffen, was ich vermutete. Vielleicht wird’s auch in diesem Punkte so sein.“

„Und – der Kern des Ganzen? Du kennst ihn?“ fragte ich gespannt.

„Ich weiß nicht viel mehr als Du, mein Alter. Ich habe während der Überfahrt von Bombay nach Brindisi alle erreichbaren älteren Zeitungen nach altem Rezept durchstöbert und dabei etwas gefunden: eine kurze Notiz über den Selbstmord des Barons Holger Alfström, ehemaligen schwedischen Generalkonsuls in Kalkutta in Indien. Er hat sich aufgeknüpft. Für einen Baron eine etwas schlichte Todesart. Aufgeknüpft in dem Arbeitszimmer seiner Villa in Südende-Berlin. Das geschah am 13. März. Und am 20. April erhielten wir in Biraniri die Depesche seiner Gattin Inge geborenen Malling, Tochter des verstorbenen deutschen Konsuls Malling, John mit Vornamen. Niemand weiß, weshalb Holger Alfström sich den Tod gegeben hat. Glänzende Vermögensverhältnisse, eine glückliche, wenn auch kinderlose Ehe und ein angesehener Name machten den Selbstmord nach jener Zeitungsnotiz zum vollkommenen Rätsel. – So, mehr weiß auch ich nicht. Alles übrige sind Vermutungen. – Ah – das Auto hält. Steigen wir aus.“

Harst bezahlte den Chauffeur. Dann gingen wir weiter die Kufsteiner entlang bis Nr. 161, dem vornehmen Miethaus, in dem die Witwe Holger Alfströms nunmehr die rechte Seite der zweiten Etage bewohnte.

Die Fenster oben waren dunkel.

„Sie ist noch nicht daheim,“ meinte Harald. „Ich werde die Haustür öffnen. Gib acht, daß man mich nicht überrascht.“

Dann klommen wir leise die Treppen hinan.

Wir läuteten an der Flurtür – nur ganz kurz, nur gerade so, daß die Glocke drinnen anschlug.

Und horchten – läuteten nochmals.

Das Nachtlicht erlosch wieder.

Wir standen im Dunkeln.

„Die Zofe müßte doch da sein, das schnippische Ding,“ flüsterte ich.

„Hm – die Zofe, mein Alter! Mir ist soeben ein Licht aufgegangen!“

Und – er ließ die Taschenlampe aufleuchten, bückte sich, besichtigte das Schloß, führte den Dietrich ein. Metall schrammte auf Metall. Dann ein Knacken, und die Tür ging auf.

„Nur der Drücker war’s,“ meinte Harald. „Seltsam genug – nur der Drücker! Und nicht einmal die Sperrkette ist vorgelegt.“

Wir traten ein, schlossen die Flurtür, fanden den Schalter und ließen die Ampel des Korridors aufflammen.

Dann schaute Harst in das Zimmer der Zofe hinein, das neben der Badestube lag. Das Bett war zugedeckt. Der Raum sah unbewohnt aus.

„Nun die anderen Räume,“ sagte er halblaut. „Die Baronin dürfte wirklich nicht hier sein, obwohl –“

Er hatte eine Flügeltür geöffnet, hatte den Lichtkegel in das Dunkel hineinfallen lassen.

Und der grelle Lichtkreis lag jetzt still – lag auf dem Diwan rechts an der Wand.

Ich drängte mich weiter vor.

Dort ruhte eine blonde Frau in kostbarem gestickten dunkelroten Kimono. Die linke Hand hing schlaff herunter. Und auf dem Felle vor dem Diwan blinkte eine winzige Spritze, während auf dem Tischchen dicht dabei das Kästchen für diese Spritze und ein Fläschchen stand.

„Morphium!“ flüsterte Harald. „Sie schläft. Sie sucht vielleicht Vergessen durch das verführerische Gift.“

Wir betrachteten die blonde Frau, deren Brust sich regelmäßig hob und senkte, mit einer Spannung, als müßte sie jeden Augenblick, durch den Lichtschein geweckt, sich aufrichten.

Nichts geschah.

Da schritt Harald weiter, winkte mir zu, die Tür ins Schloß zu drücken.

Das Zimmer war als Damensalon eingerichtet. Kostbare Perser, Gobelins, stilechte, wundervolle Rokokomöbel bis auf den modernen Diwan, Gemälde, ein paar indische Vasen – alles verriet Geschmack und Reichtum.

Harst setzte sich in einen der kleinen Sessel, nachdem er die Stehlampe auf dem Schreibtisch eingeschaltet hatte. Der gelbseidene Schirm dämpfte das Licht so stark, daß nur die Schreibtischplatte hell beleuchtet war. Der übrige Raum lag im Halbdunkel da.

Ich zog einen Stuhl neben Haralds Sessel.

„Weshalb weckst Du sie nicht?“

„Weil – weil ich vermute, daß sie Besuch erwartet. Sobald wir hören, daß jemand kommt, verschwinden wir hinter den seidenen Fenstervorhängen.“

„Besuch? Weil die Tür nicht durch die Kette gesichert war?“

„Ja – deshalb. Doktor Finster, glaube ich, wird uns hier in die Arme laufen.“

Er zog die Clement aus der Schlüsseltasche, schob die Sicherung zurück und steckte die kleine Mehrladewaffe in die rechte Jackentasche.

Dann horchten wir. Wenn unten auf der Straße ein Auto vorüberfuhr oder eine müde Droschke vorbeiklapperte, gaben wir doppelt scharf auf jedes Geräusch acht.

Harst gähnte leise.

„Wenn man rauchen dürfte,“ meinte er flüsternd. Und wollte noch etwas hinzufügen, ruckte zusammen, drückte meinen Arm, schob den Kopf vor.

„Kommt jemand?“ fragte ich.

„Es ist jemand da,“ hauchte er mir zu. „Jemand, den wir dort links hinter den Fenstervorhang gescheucht haben. Schau’ nicht hin! Vorsicht!“

Und er stand rasch auf.

Drei Schritt zum Schreibtisch – die Lampe erlosch.

Dann mehr links ein weißer Lichtblitz.

Harald hatte die Portiere zur Seite gerissen, hatte die Taschenlampe eingeschaltet zwischen den Zähnen, hielt dem Manne, der mit tief ins Gesicht gezogener Schlappmütze starr vor Schreck dastand, die Clement entgegen und sagte gedämpften Tones:

„Ihre Stiefelspitzen waren sichtbar, Verehrtester! – Strecken Sie mal die Arme aus. So –! – Schraut, Dein Taschentuch als Handfessel!“

Der Mann gehorchte.

Während ich ihm das Taschentuch kunstgerecht um die Handgelenke knotete, fügte Harst hinzu:

„Ein Inder der Hautfarbe nach! – Wer bist Du?“

Die letzten Worte sprach er englisch. Er hielt die Taschenlampe jetzt in der Linken und schob dem Manne rasch die Mütze aus der Stirn.

Der Inder war ein graubärtiger, mittelgroßer Mensch, trug einen dunklen leichten Ulster und einen grünen weichen Kragen zum gleichfarbenen Oberhemd.

Seine schwarzen starren Augen ruhten fest auf Haralds Gesicht.

„Wer bist Du, Sahib?“ erwiderte er langsam, ohne die Stimme abzuschwächen. Er sagte es ohne jede Furcht, ohne jede Verlegenheit – fast in herausforderndem Tone.

„Keiner vom Sarawana-Bunde wie Du!“ sagte Harst leise, aber nicht minder drohend.

Das „Sarawana“ wirkte auch hier. Der Inder fuhr sichtlich zusammen.

„Wie viele seid Ihr hier in Berlin?“ forschte Harald weiter. „Lüge nicht! Ihr habt den Baron Alfström aus Rache ermordet. Ihr seid Abgesandte des Sarawana-Bundes!“

Über das wieder völlig teilnahmlose Gesicht des Inders flog ein verächtliches Lächeln.

„Du wirst bereuen!“ meinte er wegwerfend. „Gib mich frei und entfernt Euch. Ich habe ein Recht, hier zu sein. – Wer bist Du?“

Diese Frechheit, diese kühne selbstbewußte Anmaßung bewies, daß der Inder auch eine Verhaftung nicht fürchtete.

Harald winkte mir. „Bewache ihn!“

Und zu dem Gefesselten: „Da – setz’ Dich in die Sofaecke! Gehorche!“

Der Mann überlegte. Seine Augen eilten zu der Schläferin hin, kehrten zu Harsts Gesicht zurück.

Dann setzte er sich wirklich.

Harst gab mir die Taschenlampe. Ich hatte meine Clement schon bereit.

Er schaltete nun die Kristallkrone ein – alle neun Birnen. Mit einem Schlage wurde es taghell im Zimmer.

Ich hatte mich an den Schreibtisch gelehnt, sah mit raschem Blick, wie Harst die Schläferin rüttelte.

Und – gerade jetzt flog die Tür des Salons auf.

Eine verschleierte Frau in hellbraunem leichten Gummimantel stand auf der Schwelle.

Harst hatte den Kopf gedreht.

„Bitte, Frau Baronin, treten Sie näher,“ sagte er mit leichter Verbeugung. „Mein Name ist Harald Harst. Sie kommen zur rechten Zeit. Dort mein Freund Schraut bewacht einen der Mörder Ihres Gatten.“

 

5. Kapitel.

Das Kind.

Die Verschleierte taumelte wie in einem Anfall von Schwäche gegen die Türfüllung, blieb stumm.

Und raffte sich auf, schlug den Schleier hoch.

Zeigte ein blasses Leidensgesicht von pikantem Liebreiz.

Sagte tonlos: „Sie – Sie irren, Herr Harst. Mein Mann ist nicht ermordet worden. Ich – ich habe mir den Inder für heute herbestellt. Es ist ein alter Bekannter meines Mannes.“

Sie trat zögernd ein, warf einen scheuen Blick auf die Schläferin und sank mit einem trostlosen Aufschluchzen in den nächsten Sessel.

Dieses Weinen, diese verzweifelte, hemmungslose Tränenflut, rief mir sofort die Szenen in der Kajüte der gesunkenen Jacht ins Gedächtnis zurück.

Daß die Baronin uns zu täuschen suchte, daß sie niemals den Inder herbestellt hatte und daß sie es gewesen, die von Doktor Berthold Finster und seinen Kumpanen mit uns zusammen hatte ertränkt werden sollen, davon war ich fest überzeugt.

Und doch: wieviel Dunkles, Ungeklärtes lag hier noch in der Luft! Wieviel Geheimnisvolles umgab noch diese schlanke Frau und die Leute, mit denen wir hier zusammengeraten waren! –

Harald näherte sich dem Diwan.

Frau Inges Tränen versiegten plötzlich. Sie starrte Harst angstvoll an, bewegte die Lippen, schien etwas sagen zu wollen – etwas, das irgend ein Zwang ihr doch auf der Zunge bannte.

„Ihre Zofe, der Sie offenbar blindlings vertraut haben, Frau Baronin, verdient keine Schonung,“ meinte Harald ernst, indem er den Kopf nach Frau Inge zurückwandte.

Dann betrachtete er den winzigen, in einem zierlichen Lackschuh steckenden Fuß der Schläferin, der unter dem kostbaren Kimono hervorschaute.

„Wie lange war dieses Weib verreist, Frau Baronin?“ fragte er darauf und schritt auf den Inder zu.

Frau Inge Alfström war aufgesprungen. Ihr Gesicht verriet, daß sie zu einem Entschluß gekommen war. Ihre Augen verrieten es gleichfalls. Es war ein Ausdruck darin, als ob die Verzweiflung sie zu einer Entscheidung drängte.

„Herr Harst, ich muß den Inder eine Weile allein sprechen,“ rief sie fast herrisch. „Ich wiederhole: von Mord oder dergleichen ist hier keine Rede! Geben Sie den Mann frei! Nachher sollen Sie erfahren, weshalb ich Ihnen die Depesche nach Patna schickte, da ich fürchtete, Gunvor könnte Sie nicht mehr rechtzeitig erreichen.“

Ah, – Gunvor – Gunvor! Das war die Zofe! Und sie war also fraglos tatsächlich in Indien gewesen.

Im selben Moment fiel mir auch ein, daß Harald dem Polizeimeister Pearl gegenüber ein Weib erwähnt hatte, das bei der Ermordung des Postboten mit die Hand im Spiele gehabt haben sollte. –

Harst schien Frau Inges Worte überhört zu haben. Er hatte dicht vor dem Inder halt gemacht.

„Wie kommst Du zu der Bekanntschaft mit Doktor Finster?“ fragte er den mit stoischer Ruhe geradeaus ins Leere Blickenden. „Sage die Wahrheit und ich will gestatten, daß die Baronin mit Dir im Nebenzimmer allein – verhandelt.“ Dieses „verhandelt“ klang ironisch, klang so, als wollte Harald andeuten: „Ich weiß, was Ihr beide zu besprechen habt!“

Der Inder schloß die Lider – nur den Bruchteil einer Sekunde. Und warf dann einen raschen Blick zu der Baronin hinüber. Ich beobachtete genau, daß Frau Inge ihm keinerlei Zeichen gab, daß in ihrem feinen Antlitz nur ein ungläubiges Staunen war. Und sie flüsterte wie jemand, der einen Namen zum ersten Male hört und nachgrübelt, ob er diesen Namen nicht doch bereits irgendwann vernommen habe:

„Doktor Finster – Doktor Finster –?“

Da erwiderte der Inder auf Harsts Frage:

„Der Anwalt wurde mir von Freunden empfohlen.“

„Von Brüdern des Sarawana-Bundes?“

Ein ganz leiser halb erstickter Schrei von Frau Inges Sessel her. Der Schrei galt dem Sarawana.

Und der Inder antwortete hastig:

„Ja – es ist so!“

Harald sah dem Manne merkwürdig forschend in das undurchdringliche Asiatengesicht.

„Es ist gut. Du darfst die Baronin sprechen,“ erklärte er darauf, nahm ihm das als Handfessel benutzte Taschentuch ab und verbeugte sich vor Frau Inge.

Die erhob sich schnell. Über ihr Antlitz flog ein Aufleuchten der Befriedigung.

Dann schloß sich die Tür des Nebenzimmers hinter den beiden.

Harald glitt über den Teppich, lauschte an derselben Tür, winkte mir zu, öffnete die andere nach dem Flur ohne jedes Geräusch und ebenso die Flurtür.

Wir hasteten die Treppen hinab, nachdem Harst mit dem Dietrich die Flurtür wieder lautlos ins Schloß gezogen hatte. Wir gelangten auf die Straße, stellten uns gegenüber in eine Türnische.

„Sie wird ihn entkommen lassen,“ flüsterte Harald. „Sie will sich auf diese Weise loskaufen. Der Baron ist fraglos von diesen Leuten ermordet worden. Bei alledem spielt jedoch noch ein Geheimnis mit, das wir bisher nicht kennen. – Ah – da ist unser Mann! Nun hinter ihm drein! Aber Vorsicht! Er glaubt zwar, daß wir noch oben im Salon Frau Inges sitzen. Immerhin ist es ratsam, auf der Hut zu sein.“

Wir trennten uns, um weniger aufzufallen. Der Inder wandte sich der Berliner Straße zu, bog dann rechts nach dem Bayrischen Platz ab. Er schritt sehr schnell dahin, kam in die Innsbrucker Straße und klopfte hier gegen den herabgelassenen Rollvorhang eines Erdgeschoßfensters. Nach einer Weile verschwand er in der Haustür, die jemand ihm aufgeschlossen hatte.

Harald schickte mich nach dem Bayrischen Platz zurück.

„Hole ein Auto. Es soll zehn Schritt vor dem Hause halten. Beeile Dich. Wir müssen für alle Fälle einen Kraftwagen zur Hand haben.“

In vier Minuten war ich mit dem Auto zur Stelle. Harst sprach leise mit dem Chauffeur, der dann auch das Hinterverdeck hochklappte. Wir setzten uns in den Wagen. Die Tür ließen wir halb offen. Harald saß auf dem Rücksitz – weit vorgebeugt, so daß er den Bürgersteig beobachten konnte.

Nicht lange, und der Inder erschien, näherte sich dem Auto. Der Chauffeur, der neben dem Kraftwagen stand, warf die Tür zu. Das Fenster war herabgelassen. Wir hörten, wie der Inder den Chauffeur fragte ob er frei sei.

Der Mann bejahte.

„Fahren Sie dort vor Nummer 123 vor,“ sagte der Inder kurz. „Wir müssen ein krankes Kind zum Arzt bringen.“

Dann lief er wieder zurück dem Hause zu.

„Endlich – endlich!“ meinte Harald. „Also das Kind haben die Schurken ebenfalls geraubt – Frau Inges achtjähriges Töchterchen. – Heraus mit den Pistolen, mein Alter! Die Schufte sollen sich wundern!“

Wir duckten uns im Innern des Wagens ganz tief zusammen.

Dann wurde die Tür aufgerissen.

Und im selben Moment schlüpfte Harald zur anderen hinaus.

Im selben Moment richtete ich mich auf.

„Halt!“ rief Harst drohend.

Es war ein Zufall, daß eine Patrouille der Schutzpolizei gerade jetzt vom Stadtpark her die Straße entlanggeradelt kam. Auch ohne die Hilfe der beiden Beamten hätten wir die zwei Inder auf der nächsten Polizeiwache eingeliefert – die Inder und das in eine Decke gehüllte Kind.

Die Inder (es war der Graubart und ein jüngerer Mann) ließen sich ohne jeden Versuch der Widersetzlichkeit und ohne eine Erklärung für ihre Verhaftung zu fordern, abführen.

Das blasse, zitternde kleine Mädel nahmen wir beide mit, nachdem Harst mit dem einen Beamten sich rasch verständigt hatte.

Und abermals wandten wir uns der Kufsteiner Straße zu.

Harst sprach liebevoll auf das völlig verschüchterte Töchterchen Frau Inges ein.

„Ich bringe Dich jetzt zu Deiner Mama zurück. Du brauchst keine Angst vor uns zu haben. Wie heißt Du? Seit wann hat man Dich Deiner Mutter entführt?“

Das Kind wurde rasch zutraulich. Asta hieß sie, und seit drei Tagen hatte sie sich in der Gewalt der beiden Inder befunden, die sie der Zofe Gunvor gewaltsam entrissen hatten, als diese mit dem Kinde im Laubengelände am Westteile des Stadtparks spazieren gegangen war. –

Als wir uns dem Hause Nr. 161 näherten, als wir zu den Fenstern der Baronin emporblickten, sahen wir Frau Inge auf der Loggia stehen. Sie beugte sich tief hinab, rief dann:

„Asta – Asta!“ Und in ihrer Stimme war ein Jubel, eine erlösende Freude, die jeden gerührt hätte.

Dann aber erkannte sie uns.

Und – das, was nun sich über ihre Lippen drängte, war ein Ausruf heftigsten Schrecks.

„Wie – Sie beide – Sie beide?!“

Die kleine Asta winkte der Mutter fröhlich zu.

Wir betraten das Haus, waren nun oben im zweiten Stock. Frau Inge lehnte in der geöffneten Flurtür.

Und weinte.

Es war dasselbe verzweifelte Schluchzen, das wir bereits kannten. Es war ein trauriger Empfang für das Kind, das der Mutter glückstrahlend in die Arme flog.

„Frau Baronin,“ sagte Harald höflich, „wenn Sie Klein-Asta zu Bett gebracht haben, werde ich Ihnen beweisen, daß man Sie schändlich belogen hat. Wir erwarten Sie in Ihrem Damensalon.“ –

Die Zofe Gunvor lag noch in derselben Stellung auf dem Diwan.

Harald begann sie zu rütteln. Er ließ nicht nach, bis die Morphiumbetäubung wich.

Das Mädchen setzte sich aufrecht, stierte uns blöde an. Sie wußte nicht, wen sie vor sich hatte. Ihr Gesicht blieb stumpf, bis Harald sehr eindringlich sagte:

„Ich bin Harald Harst! Verstehen Sie, Gunvor, – Harald Harst!“

Die Zofe erbleichte. Ein Zittern lief über ihre Gestalt hin. Ihre Augen weiteten sich in hellem Entsetzen, als Harald nun auch Bart und Perücke entfernte.

„Sie tun am besten, die Wahrheit einzugestehen,“ meinte Harst in freundlich überredendem Tone.

„Niemals!“ und Gunvor schlug die Hände vor das Gesicht und weinte – weinte so trostlos, daß mit ihr nichts anzufangen war. Ihre Nerven versagten eben. Und diese Nerven waren durch den häufigen Gebrauch des verderblichen Giftes völlig zerstört.

Dann erschien Frau Inge.

Harald wies auf einen Sessel. „Bitte, Frau Baronin, wollen Sie Platz nehmen. – Ahnten Sie, daß auch wir beide, mein Freund Schraut und ich, heute nacht dort mit der Jacht versenkt werden sollten?“

Sie hielt den Kopf tief gebeugt. Sie hatte die Hände im Schoße ineinander geschlungen.

„Ich – ich weiß nichts von einer Jacht, Herr Harst,“ meinte sie leise.

„So?! Und Ihr noch immer nasses Haar, Frau Baronin? Sie haben es bei der Schwimmtour an Land nicht vor dem Wasser, vor dem Regen schützen können. – Hören Sie mich an. Ich will Sie kurz über das aufklären, was ich weiß. Ihr Gatte wurde ermordet, nachdem er wahrscheinlich verschiedene Drohbriefe erhalten hatte –“

Sie nickte schwach.

„Briefe, die angeblich von dem indischen Geheimbunde kamen,“ fuhr Harald fort. „Von der Sarawana-Brüderschaft, mit der Ihr Gatte während seines Aufenthaltes in Indien zusammengeraten sein mag – irgendwie –“

Abermals nickte Frau Inge. „Er hat aus Unachtsamkeit einen seiner Diener damals erschossen, der dem Bunde angehörte, wie sich später herausstellte.“

„Und Sie, Frau Baronin, wußten, daß es Mord, nicht Selbstmord war. Sie schwiegen jedoch aus Angst um Ihres Kindes Leben –“

„Ja –“

„Sie schickten dann Ihre Zofe nach Indien – zu mir. Sie vertrauten ihr blindlings. Gunvor sollte mich in alles einweihen, da Sie nicht wagten, mir einen Brief zu senden. – Aber dieses Mädchen war in Wahrheit im Bunde mit Ihren Gegnern, Frau Baronin. Sie half den Postbeamten beseitigen, der mir Ihre Depesche überbringen sollte. Sie war schneller wieder in Europa als wir beide – ein paar Tage früher. Und hat Ihr Kind Ihren Feinden dann in die Hände gespielt.“

Frau Inge schaute die Zofe jetzt lange an. Und Gunvor saß da, das Gesicht in die Hände gedrückt, und wagte nicht aufzublicken.

„Was forderten die Sarawana-Leute denn eigentlich von Ihnen, Frau Baronin?“ fragte Harald nun. „Die Leute müssen doch offenbar irgend etwas von Ihnen verlangt haben – auch von Ihrem Gatten, – etwas, das vielleicht unerfüllbar war.“

Frau Inge rannen ein paar Tränen über die Wangen.

„Ein – ein Opernglas sollten wir ihnen aushändigen,“ erklärte sie stockend. „Ja – ein Opernglas! Es hat der Mutter meines Mannes gehört, der Baronin Sigrid Alfström, die 1920 in Kalkutta verstorben und beerdigt worden ist. Alles – alles hing für uns von diesem Opernglase ab, Herr Harst. Die Sarawana-Leute glaubten, wir wollten es ihnen vorenthalten. Aber – wir wissen doch nicht, wo es geblieben ist. Und da – da haben sie eben meinen Mann ermordet, um mich zu schrecken – einzuschüchtern. Und – und Ihre Einmischung, Herr Harst, ist – ist jetzt für mich kein Segen mehr! Nein, ein Unglück. Sie kennen die Macht der Brüderschaft nicht, Herr Harst.“

Da geschah etwas, das den Dingen mit einem Schlage ein anderes Aussehen gab.

Was nun geschah, soll die Einleitung für den zweiten Teil dieses unseres Abenteuers bilden, für – „Das Opernglas der Baronin“. –

Und in diesem zweiten Teil wird der Leser all die dunklen Fragen restlos geklärt finden, die jetzt noch genau so als unheimliches Rätsel in der Luft schweben wie die Gestalt unseres neuen Gegners Doktor Berthold Finster, des Herrn der Mächte der Finsternis.

 

 

Das Opernglas der Baronin

 

1. Kapitel.

Die Drohbriefe.

Was da geschah?

Nun – Harald hatte sich erhoben.

Harald war dicht an die Baronin herangetreten.

Und sie blickte zu ihm auf – erwartungsvoll, mit einem gewissen Schimmer stillen Hoffens auf eine günstige Neuigkeit in den von Tränen verschleierten Augen.

„Frau Baronin,“ sagte Harst leise, „Sie sind schändlich hintergangen worden. Der Sarawana-Bund hat mit alledem nichts zu tun, nichts! Als ich gestern heimkehrte, fand ich unter den auf meinem Schreibtisch aufgehäuften, mir nicht nachgeschickten Briefschaften der letzten vierzehn Tage zwei Depeschen, die [ich][5] auch meinem Freunde Schraut vorenthalten habe. Das eine Telegramm war von dem Chef der politischen Polizei in Kalkutta und besagte, daß die Sarawana-Brüderschaft bestimmt an der Ermordung jenes indischen Postbeamten nicht beteiligt gewesen sei. Das zweite, dessen Absender der indische Gelehrte Doktor Sirdar Vasena ist, den ich persönlich sehr gut kenne, hatte etwa den gleichen Inhalt. Doktor Vasena versicherte mir darin, daß der Bund, zu dessen Führern er gehöre, jede Gewalttat verabscheue und daß der Dolch mit dem Schlangenzeichen am Griff, der dem Ermordeten in der tödlichen Wunde steckte, eine plumpe Nachahmung des stets nur als Erkennungszeichen benutzten echten Sarawana-Dolches sei. – Ich habe keinen Grund, an der Wahrheit dieser Mitteilung Doktor Vasenas zu zweifeln. Mehr noch: unsere Erlebnisse hier geben mir die Gewißheit, daß die beiden Inder, die ich vorhin verhaften ließ, nichts als gewöhnliche Verbrecher sind, die mit einem verkommenen Anwalt und ähnlichem Gelichter sich zusammengetan haben, um aus einem ihnen zufällig bekannt gewordenen Geheimnis Kapital zu schlagen, ein Geheimnis, das eben mit dem Opernglas Ihrer Schwiegermutter, der verstorbenen Baronin Sigrid Alfström, zusammenhängt. Zur Zeit wird auf meine Veranlassung hin Doktor Berthold Finster bereits von der Kriminalpolizei gesucht. Er, behaupte ich, ist der geistige Führer dieser Bande, die auch Ihre Zofe Gunvor für sich als Verbündete gewonnen hat. Sie sind also nicht von den Sarawana-Brüdern, sondern von ganz gewöhnlichen Verbrechern bedroht worden, Frau Baronin, die den Namen Sarawana nur benutzten, um Ihren Gatten und Sie noch stärker einzuschüchtern. Gegen diese Verbrecher werden wir Sie schützen. Und dieser Schutz hat schon jetzt begonnen. Ihre Wohnung hier wird polizeilich beobachtet. Sie selbst werden in Ihrem Interesse ständig überwacht. Soeben hörten auch Sie wohl auf der Straße unten das helle Hupensignal. Es ist ein Zeichen für mich gewesen. Mein Freund Kriminalkommissar Bechert ist zur Stelle. Ihre Zofe wird sofort verhaftet werden.“

Frau Inge haschte nach Haralds Hand.

„Oh – wie soll ich Ihnen danken, Herr Harst! Sie ahnen nicht, was ich alles durchgemacht habe. Meine Angst vor diesen Leuten hat mich fast dem Wahnsinn in die Arme getrieben. Ich brauche Ihnen jetzt nichts mehr zu verheimlichen. Sie sollen alles erfahren –“

Und doch: die Gemütsbewegung dieser Frau hatte für mich etwas Theatralisches an sich.

Draußen hatte die Flurglocke angeschlagen.

Ich eilte hinaus. Im Flur brannte noch die Ampel. Ich öffnete und stand Fritz Bechert und zwei Kriminalbeamten gegenüber.

„’n Abend, lieber Schraut,“ begrüßte Bechert mich in seiner frischen Art. „Haben uns lange nicht gesehen. – Was gibt’s denn eigentlich?“

Ich führte ihn und seine Begleiter in den Salon.

Gunvor Södrason (das war der Vatername der Zofe) saß noch immer in derselben Haltung, das Gesicht mit den Händen bedeckt, auf dem Diwan.

Harst stellte Bechert der Baronin vor. Als er dann hinzufügte, indem er auf Gunvor deutete: „Lassen Sie das Mädchen nach dem Präsidium bringen,“ schnellte die Zofe empor. Ihr hübsches Gesicht war verzerrt. Ihre Augen sprühten Harald in tückischer Wut an.

„Sie werden diese Stunde bereuen, Herr Harst,“ zischte sie ihn wie eine gefährliche Katze haßerfüllt an. „Sie denken, wir wären harmloser als jener Bund – harmloser als irgend eine weitverzweigte Geheimgesellschaft!“ Sie lachte schrill. „Sie werden bald merken, was wir sind! Sehr bald!“

Bechert, dieser unübertreffliche Menschenkenner und glänzende Kriminalist, wandte sich mit einem Male an die Baronin.

„Seit wann haben Sie diese Perle in Ihrem Dienst, Frau von Alfström?“ fragte er.

„Seit dem 1. Februar dieses Jahres. Sie hatte glänzende Zeugnisse und gab sich als in Berlin geborene Schwedin aus. Sie spricht das Schwedische auch wirklich perfekt, Herr Kommissar.“

„Glaube ich. Sie spricht alle Sprachen perfekt, Frau Baronin. – Nicht wahr, Anna Holm, das stimmt doch? – Oh – Sie wundern sich über mein gutes Personengedächtnis?! Ich habe ja bereits zweimal mit Ihnen mich befassen müssen. Zuletzt aus Anlaß des gegen Justizrat Finster eingeleiteten Verfahrens. Sie waren Tippfräulein bei Doktor Finster. Und vor einem Jahr hatte ich Sie aufs Korn genommen, weil Sie im Hotel Adlon als ungarische Gräfin sich des Hoteldiebstahls verdächtig gemacht hatten. Wir konnten Ihnen damals nur beweisen, daß Sie Anna Holm hießen und so ziemlich in allen Weltstädten in ersten Hotels Stubenmädchen gewesen waren. Na – nun dürfte sich Ihr Schicksal wohl erfüllt haben. Wen Harst mir zur Verhaftung empfiehlt, der ist reif fürs Zuchthaus.“

Die Hochstaplerin zuckte die Achseln. „Verhaftet ist noch nicht verurteilt! – Ich verlange zu wissen, weshalb ich verhaftet werden soll.“

„Zunächst wegen Beihilfe zum Kinderraub, Anna Holm,“ meinte Bechert kühl, dem Harst schnell etwas zugeflüstert hatte.

Dann gab er seinen beiden Beamten einen Wink.

Gleich darauf war Anna Holm unten im Polizeiauto, das wir rasch davonfahren hörten.

„Nun bitte ich Sie um eine recht eingehende Schilderung alles dessen, was mit der Ermordung Ihres Gatten zusammenhängt,“ sagte Harst zu Frau Inge.

Ich will diese Schilderung hier nur in den Hauptpunkten wiedergeben. –

Frau Inge, geborene Malling, hatte ihren Gatten in Kalkutta kennengelernt. Dort hatten sie auch geheiratet. Der Baron Holger Alfström war um fünfzehn Jahre älter als seine Frau. Die Ehe gestaltete sich trotzdem sehr glücklich. Dann hatte der Generalkonsul das Unglück, beim Ausprobieren einer neuen Repetierpistole seinen Lieblingsdiener Ahmed zu erschießen. Nach dessen Tode erst stellte sich heraus, daß Ahmed Mitglied des Sarawana-Bundes gewesen, über den mancherlei unbewiesene Schauergerüchte umgingen. Der Baron entschädigte die Angehörigen Ahmeds überreich. Der Bund selbst nahm damals April 1920 von dem Vorfall keinerlei Notiz. Es war eben ein unseliges Zusammentreffen verschiedener Umstände gewesen, die den Tod des Inders herbeigeführt hatten, und Holger Alfström war nur in beschränktem Maße als schuldig anzusehen. Trotzdem fühlte er sich in Kalkutta nicht mehr glücklich, quittierte den Staatsdienst und verließ Indien, um fernerhin in der Villa seines verstorbenen Schwiegervaters in Berlin-Südende seinen künstlerischen Neigungen zu leben. Anderthalb Jahre vergingen, und der Baron hatte den Tod Ahmeds bereits vergessen, als er in peinvollster Weise wieder daran erinnert wurde. Es war am 13. Februar, also vier Wochen vor seinem Tode. Da traf morgens mit der Post der erste der drei Drohbriefe ein.

(Die Baronin hatte die Briefe selbst verbrannt, sich jedoch Abschriften zurückbehalten, die sie uns vorlegte.)

Die Briefe waren mit Schreibmaschine geschrieben. Der erste lautete:

„Der Sarawana hat Arme, die über Länder und Meere reichen. Du hast einen der Brüder getötet. Wir können beweisen, daß Du es absichtlich tatest. Wenn Du uns das Perlmutteropernglas der Baronin Sigrid aushändigst, soll Dir verziehen sein. Andernfalls wirst Du sterben. Solltest Du die Polizei zu Deinem Schutz anrufen, so werden Dein Weib und Dein Kind Dein Schicksal teilen. Lege das Opernglas in den großen eisernen Briefkasten, der sich an der Innenseite des Vorgartengitters Deines Hauses befindet.“

Auf dieses Schreiben hin begann der Baron, der seiner Gattin erst nach Empfang des dritten Briefes von dem drohenden Verhängnis Mitteilung machte, nach dem Opernglase zu suchen. Er fand es nicht.

Zehn Tage drauf kam der zweite Brief:

„Gehorche! Du weißt recht gut, weshalb wir die Herausgabe des Glases verlangen. Bis zum 13. März hast Du noch Zeit. Beeile Dich.“

Holger von Alfström konnte schlecht heucheln. Sein verstörtes Wesen fiel seiner Gattin auf, zumal er auch immer wieder nach dem Opernglase fragte und Tag für Tag in nervöser Hast jeden Winkel der Wohnung durchsuchte.

Dann am 3. März der dritte Brief:

„Noch zehn Tage! Du sträubst Dich umsonst. Du entgehst uns nicht!“

Jetzt hielt der Baron es doch für ratsam, seine Gattin einzuweihen. Das Ehepaar beschloß noch zwei scharfe große Hunde anzuschaffen. Einen deutschen Schäferhund besaß er schon. Unter dem Schutze der drei Tiere, von denen zwei nachts im Garten blieben, während das dritte im Hause sich frei bewegen konnte, fühlte man sich sicher.

Die Baronin hatte ihrem Gatten auch damals schon geraten, sich an Harst zu wenden. Der Baron wollte nichts davon wissen. Auch er hatte über den Sarawana mancherlei gehört, was ganz dazu angetan war, seine Angst vor den Indern noch zu erhöhen. Immer wieder betonte er seiner Frau gegenüber, daß er nicht wüßte, was es mit dem Perlmutterglase seiner Mutter auf sich haben könnte. Er sowohl wie seine Gattin besannen sich sehr gut auf dieses Glas, das der Baron seiner Zeit als Geschenk in Kalkutta bei einem Juwelier gekauft hatte. Wo es geblieben, war nicht festzustellen.

Man suchte immer wieder danach. Man suchte so, daß man schließlich überzeugt war, es befände sich unmöglich mehr unter den Sachen der alten Baronin, die man von Kalkutta mitgebracht hatte.

Der Baron, halb krank durch die Aufregungen, verließ seit dem achten März die Villa überhaupt nicht mehr. Am zwölften abends ging das Ehepaar gegen Mitternacht zur Ruhe. Die Baronin schlief sehr fest bis in den hellen Morgen hinein. Als sie erwachte, war das Bett neben ihr leer. Mit seltsam benommenem Kopf und schweren Gliedern erhob sie sich. Als sie im Morgengewand das Arbeitszimmer ihres Mannes betrat, fand sie ihn am Kronleuchter hängen. Er war seit fünf Stunden tot, wie die Ärzte feststellten.

Die unglückliche Frau hütete sich, auch nur ein einziges Wort über die Drohbriefe und ihren Verdacht, ihr Gatte könnte ermordet worden sein, laut werden zu lassen. Die Polizei nahm Selbstmord infolge nervöser Zerrüttung an. Dabei blieb es.

 

2. Kapitel.

Frau Inges Schreckenstage.

Als die Baronin jetzt eine Pause machte, um sich nach der qualvollen Auffrischung dieser Erinnerungen erst etwas zu erholen, fragte Harald in rücksichtsvollster Weise nach verschiedenen Einzelheiten.

Es ergab sich so, daß auch das Personal der Villa an jenem Morgen des 13. März über unnatürliche Mattigkeit geklagt hatte, wie die Baronin, durch die eigene Müdigkeit stutzig geworden, durch vorsichtige Fragen festgestellt hatte.

Weiter brachte Harald durch diese Fragen heraus, daß die Zofe Anna Holm sich mit den drei Hunden sehr angefreundet gehabt hatte. –

Ich begriff sofort, was Harst ergründen wollte: ob dieses gefährliche junge Weib etwa den anderen Bewohnern der Villa Schlafmittel ins Essen gemischt und die Inder eingelassen hätte. Nur so war ja der Mord zu erklären. –

Dann bat Harst die Baronin, in ihrem Bericht fortzufahren.

Ich will mich abermals auf die Hauptmomente beschränken.

Am Tage nach dem Begräbnis ihres Gatten meldete sich telephonisch bei der Baronin ein Mann, der ihr zunächst nur das Wort Sarawana zurief. Dann verlangte er die sofortige Herausgabe „des Betreffenden“, womit nur das Perlmutterglas gemeint sein konnte.

Verzweifelt erklärte ihm Frau Inge, das Glas sei nicht zu finden.

„Es muß da sein,“ erwiderte der Mann in tadellosem Deutsch mit heiserer Stimme. „Sollte es bis zum 1. April nicht dort sein, wo wir es abholen wollen, so werden Sie und Ihr Kind es bereuen.“

Damit war das Telephongespräch zu Ende.

Die Baronin wußte sich keinen anderen Rat mehr, als sich nun an Harald Harst zu wenden. Sie rief Harsts Nummer telephonisch an und erfuhr von seiner Mutter seine Briefadresse für Indien: Patna, Atlantic-Hotel.

Dann schickte sie am 18. März ihre Zofe Gunvor, die sich ja längst in ihr Vertrauen eingeschmeichelt hatte, reichlich mit Geld versehen über Genua nach Indien, damit das intelligente Mädchen Harst den Fall persönlich vortrüge. Zum Schein wurde Gunvor entlassen.

Auffallenderweise meldeten sich die Sarawana-Leute jetzt nicht mehr.

Dann kehrte die Zofe vor fünf Tagen heim. Inzwischen hatte die Baronin in größter Heimlichkeit die Villa vermietet und für sich nur die drei Räume im Oberstock behalten, war auch ebenso heimlich bis auf weiteres nach der Kufsteiner Straße 161 in die Wohnung einer Freundin übergesiedelt, die für längere Zeit verreist war, hatte dann auch, da von Gunvor keinerlei Nachricht einging, schließlich die Depesche an Harst abgesandt.

Gunvor oder besser Anna Holm hatte ihrer Herrin bei ihrer Rückkehr erzählt, sie habe Harst nicht finden können und sei daher wieder zurückgefahren, weil sie eben angenommen hätte, Harst sei bereits wieder in Berlin.

Am Tage drauf wurde dann die kleine Asta entführt.

Die Baronin, dem Wahnsinn nahe, wollte jetzt die Polizei benachrichtigen. Anna Holm riet davon ab. Abends meldete sich dann der Mann mit der heiseren Stimme abermals telephonisch. Er forderte erneut die Herausgabe des Opernglases und gleichzeitig eine Summe von zehn Millionen Mark. Die Baronin sollte sich mit dem Gelde drei Tage später abends zehn Uhr an der Landungsbrücke der Sterndampfer in Potsdam einfinden.

Frau Inge wollte nun endlich die Gelegenheit wahrnehmen, mit diesen heimtückischen und unerbittlichen Feinden persönlich zu verhandeln.

Sie begab sich also gestern abend zur bestimmten Zeit nach Potsdam auf die Anlegebrücke, nachdem sie bereits den Nachmittag auf Anna Holms Anraten in Potsdam zugebracht hatte. Als wir nachher nachmittags bei ihr in der Kufsteiner Straße erschienen, war sie gar nicht daheim, und Anna Holm hatte uns offenbar absichtlich in dieser schnippischen Art weggeschickt, um uns, was ja auch eintraf, zu Berthold Finster zu locken. –

Harald war es, der diesen schlauen Schachzug der Bande jetzt mit kurzen Worten erklärte und betonte, daß der gescheiterte Anwalt dabei ein sehr feines Spiel gespielt habe. „Er rechnete damit, daß wir Sie, Frau Baronin, aufsuchen würden. Er rechnete weiter damit, daß wir annehmen müßten, Sie würden sich nun sofort mit denen in Verbindung setzen, die Sie gewarnt oder veranlaßt hatten, mich nicht zu empfangen. So kamen wir in die leere Wohnung, so fielen wir Finster in die Hände.“

Frau Inge nickte. „Ja, es wird wohl so sein, Herr Harst. Lassen Sie mich nun weiter berichten. Genau um zehn Uhr kam eine Motorjacht von Berlin her und legte kurze Zeit an dem Dampferstege an. Auf Deck waren zwei bärtige Männer, die ich nicht kannte. Der eine rief mir halblaut „Sarawana“ zu und winkte, ich solle an Bord kommen.“

„Sie hatten das Geld bei sich?“

„Ja. In Hunderttausendmarkscheinen. – Der eine der Männer bat mich, auf der Bank am Steuer neben ihm Platz zu nehmen. Er hatte eine sehr unangenehme Stimme, heiser und krächzend –“

„Es war Berthold Finster, Frau Baronin. Und dann?“

„Dann sagte er mir, er sei der deutsche Vertreter des Sarawana. Er gab ohne weiteres zu, daß er mein Kind habe entführen lassen. „Ich wollte den Druck verstärken,“ meinte er höhnisch. „Sie haben das Opernglas. Ein solches Glas verlegt man nicht, verschenkt man nicht. Ihr Mann wird Sie wohl eingeweiht haben, und nun treiben Sie dasselbe für Sie so gefährliche Spiel wie er.“ – Umsonst flehte ich ihn an, doch barmherzig zu sein. Ich würde ihm ja gern die Hälfte meines Vermögens aushändigen. Nur mein Kind wollte ich zurückhaben und wieder in Frieden leben. – Da lachte er mir schrill ins Gesicht. „Weshalb haben Sie die Zofe nach Indien geschickt, weshalb die Depesche an den Schnüffler Harst?! Oh – wir wissen alles! Wir werden unser Ziel doch erreichen!“ – Mir schien’s, als säße der leibhaftige Satan mir gegenüber. Dieser Mensch war ein Teufel – ohne jedes Gefühl. Als ich ihm nun weinend das Geld übergab, als ich ihn fast kniefällig bat, mir eine Summe zu nennen, durch die ich mich von der Rache des Bundes freimachen könnte, als ich Worte fand, die einen Stein gerührt hätten, da wurde er nachdenklich, da drang er mit allerlei Fragen auf mich ein, um festzustellen, ob ich das Geheimnis des Perlmutterglases wirklich nicht kannte. Es gelang mir, ihn davon zu überzeugen. Er überlegte sehr lange. Inzwischen fuhr die Jacht immer weiter dem Dorfe Kaputh zu. Dann murmelte er halblaut vor sich hin: „Hm – eigentlich brauchen wir sie dann gar nicht mehr! Wir könnten gleich völlig reinen Tisch machen.“ – Nun beriet er sich leise mit dem andern Manne. Mit einem Male warfen sie mir einen schweren Mantel über den Kopf und schleppten mich durch die Vorderluke in die kleine Segelkammer. Hier erst kam mir zum Bewußtsein, was die gemurmelten Worte dieses Ungeheuers zu bedeuten haben könnten: die Absicht, mich zu ermorden! – In meiner Todesangst begann ich wie sinnlos zu weinen und zu schluchzen. Die Gedanken an mein Kind, das sich in der Gewalt dieser Schurken befand, gaben mir schließlich die Kraft, das Schloß der einen Tür zu erbrechen. Gerade als ich mir so einen Ausweg gebahnt hatte, hörte ich nebenan laute Rufe und donnernde Schläge, dazu das Splittern von Holz. In meiner besinnungslosen Furcht stürmte ich an Deck, zumal ich ja merkte, daß die Jacht sank. Ich riß mir die Kleider vom Leibe, warf sie ins Wasser und schwamm auf gut Glück, umtobt von dem Unwetter, davon, erreichte eine einzelne Villa, fand mildtätige Seelen, die mir mit Kleidungsstücken aushalfen und mich liebevoll bewirteten. Ich gab mich für eine vom Gewitter überraschte Seglerin aus. Dann kehrte ich nach Berlin zurück.“

„Und fanden uns hier im Salon vor, Frau Baronin, dazu die schlafende Zofe und den gefesselten Inder, dem Sie die Freiheit wiederverschaffen wollten, während er als Dank dafür sorgen sollte, daß man Ihnen das Kind zurückgäbe.“

Frau Inge blickte zu Boden und nickte schwach. „Es war der verzweifelte Entschluß einer Mutter, Herr Harst. Sie dürfen mir das nicht verargen.“

„Tue ich auch nicht, Frau Baronin –“

Bechert hatte eine jähe Handbewegung gemacht.

„Harst – das war die Hupe des Dienstautos unten vor dem Hause. Was bedeutet das?! Sind meine Beamten mit der Verhafteten umgekehrt?“

Auch ich hatte die Hupensignale gehört.

Dann schlug auch schon die Flurglocke an.

Und – nun sollten wir Anna Holms kecke Worte begreifen – diese Worte: „Verhaftet ist noch nicht verurteilt!“

Einer der Beamten erschien, meldete, daß das Polizeiauto unterwegs in einer der engen Straßen am Alexanderplatz mit einem anderen kollidiert sei, daß die vier Insassen dieses Autos mit Gummiknütteln Anna Holm gewaltsam befreit hätten und mit ihr davongejagt seien. „Wir kamen gar nicht dazu, unsere Dienstpistolen zu ziehen, Herr Kriminalkommissar,“ erklärte der Beamte. „Das Ganze spielte sich so fabelhaft schnell ab, daß wir erst so recht wußten, was geschehen, als der andere Kraftwagen davonsauste und wir mit schmerzenden Schädeln und halb gelähmten Armen dastanden.“

Bechert blickte Harst fragend an.

„Zur Polizeiwache – zu den beiden Indern,“ meinte Harald kurz. „Frau Baronin, Sie entschuldigen uns. Gehen Sie jetzt zur Ruhe. Die Kriminalbeamten sollen für alle Fälle hier in der Wohnung bleiben.“ –

Wir bestiegen das unten haltende Auto.

Als es sich in Bewegung setzte, sagte Harald halblaut wie zu sich selbst: „Ich fürchte, Berthold Finster wird für die zweite Überraschung gesorgt haben.“

„Wie meinen Sie das, lieber Harst?“ rief Bechert beunruhigt.

„Ich meine, auch die Inder werden – futsch sein.“

„Unmöglich!“

„Warten wir ab.“ –

Nun – Harald behielt recht. Die Wache hatte vor einer Viertelstunde telephonisch den Befehl erhalten, die Inder im Mietauto nach dem Präsidium zu schaffen. Zwei Schupobeamte waren mitgefahren. Dann hatte sich schon in der dritten Querstraße genau dasselbe ereignet wie beim Transport Anna Holms: die Verhafteten waren gewaltsam befreit worden. –

Freund Bechert fluchte leise.

Harald lächelte rätselvoll. „Vielleicht ist es besser so,“ meinte er. „Die Kerle hätten ja doch nur gelogen oder geschwiegen. Wir bekommen[6] sie schon – und die anderen dazu.“

Dann gähnte er verstohlen, fügte hinzu:

„Es ist zwei Uhr morgens. Ich denke, wir schlafen uns erst einmal aus.“

Nachdem wir uns von Bechert verabschiedet hatten, fuhren wir nach Hause, nach dem freundlichen Harstschen Familienbesitz in Berlin-Schmargendorf, Blücherstraße Nummer 10.

Im Auto rauchte Harald zwei Zigaretten. Als er den Stummel der zweiten zum Fenster hinauswarf, sagte er:

„Diesmal muß meine Theorie richtig sein, mein Alter. Der Baron Holger ist nicht das Unschuldslamm für das er sich ausgab. Ich behaupte, er hat den Diener Ahmed wirklich mit Überlegung getötet, und der Tat hat ein anderer Inder als Zeuge beigewohnt, vielleicht ein zweiter Diener, dem der Baron durch Geld den Mund verstopfte. Dieser zweite hat dann jetzt den Feldzug gegen Alfström eröffnet. Und – das Opernglas der Baronin Sigrid spielt auch bei diesem Morde eine Hauptrolle, behaupte ich weiter.“

Diese Ausführungen Haralds hatten fraglos sehr viel für sich. Sie leuchteten mir durchaus ein. Nur dieses Perlmutteropernglas kam mir bei alledem ebenso kläglich vor wie der Hosenknopf, den Sherlock Holmes am Tatorte findet, eben zu phantastisch, zu romanhaft! – Ein Opernglas – man denke! Nichts als ein Opernglas. Worin sollte wohl der Riesenwert dieses Glases bestehen? Weshalb wollten die Leute es unbedingt ausgehändigt erhalten?

Harald blickte zum Fenster hinaus. Wir näherten uns bereits der Blücherstraße.

Er schien meine Gedanken erraten zu haben, setzte hinzu:

„Man könnte ja vielleicht auf die Vermutung kommen, daß die Leute das Opernglas in den ersten Drohbrief nur einfügten, um Holger Alfström nicht lediglich von vornherein mitzuteilen, daß er ermordet werden würde, also sozusagen als Notbehelf, als erfundenen Grund. Aber das kann nicht sein. Mit diesem Glase muß es eine besondere Bewandtnis haben. Den Leuten liegt wirklich unendlich viel daran, es in ihren Besitz zu bringen. Dafür könnte ich eine Menge Beweise anführen.“

„Allerdings. So zum Beispiel Berthold Finsters Verhalten der Baronin gegenüber auf der Jacht.“

„Ja – und dann die Tatsache, daß Anna Holm sich als Zofe bei der Baronin einschmuggeln mußte. Natürlich sollte sie in der Villa das Opernglas suchen. Hätte sie es gefunden, dann wäre Holger Alfström wohl noch heute am Leben. Sie fand es nicht, und sie und ihre Verbündeten glaubten, der Baron hätte es irgendwo versteckt.“

Das Auto hielt.

Gleich darauf saßen wir in Haralds vornehmem Arbeitszimmer in der gemütlichen japanischen Ecke vor dem singenden, von der Spiritusflamme umsummten Nickelkessel. In der Kaffeekanne dufteten die frisch gemahlenen Kaffeebohnen.

Von Schlafengehen war keine Rede. Wir wollten nur unsere Lebensgeister durch den Mokka etwas aufpulvern und dann sofort wieder Herrn Doktor Berthold Finster und Konsorten auf den Pelz rücken.

Wir wollten.

Es kam etwas anders.

 

3. Kapitel.

Die sechs Fragen.

Harald hatte in seinem Sessel sinnend zugeschaut, wie ich den Kaffee zubereitete, und dazu geschwiegen. Es war jenes Schweigen zwischen uns, beredter noch als ein ja meist zweckloses Rededuell zwischen zwei Volksbeglückern. Es war das Schweigen, das tausend Gedanken gebiert, die wie elektrische Funken hin und her sprangen zwischen uns. Da genügte ein Blick, eine versonnene Geste, und dieser stille Geistesrapport wachte wieder auf.

Nun füllte ich die Tassen. Und da sagte Harald – genau den Gedanken wiedergebend, den ich durch einen Blick nach dem Ölgemälde angedeutet hatte, das eine Jachtregatta auf dem Wannsee darstellte:

„Sie werden die Jacht gestohlen haben, mein Alter.“

Er meinte natürlich die versenkte Jacht.

„Ja, das glaube ich auch,“ nickte ich.

„Und die Autos ebenso, die sie zu den gewaltsamen Befreiungen benutzt haben. Daß sie Kraftwagen zur Verfügung haben, ist kaum anzunehmen. Ich traue diesen Mächten der Finsternis alles zu.“

„Es muß eine ziemlich zahlreiche Bande sein.“

„Ohne Zweifel.“ Und Harald trank den ersten Schluck Kaffee. „Wo suchen wir sie nun, mein Alter?“ fragte er dann.

„Eine schwierige Sache –“

„Vielleicht doch nicht –“ –

Draußen wurde es allmählich hell. Harald hatte schon vorhin die Rollvorhänge hochgezogen. Jeden Moment mußten nun drüben jenseits der Holzplätze die höchsten Dachlinien der Häuserreihen im Lichte der Morgensonne aufleuchten.

Haralds Hand reckte sich nach der Stehlampe mit dem seidenen Schirm, um sie auszuschalten.

Da verharrte diese Hand regungslos in der Luft.

Und er sagte: „Gut, dann lassen wir sie besser brennen, Herr Justizrat –“

Ich fuhr herum.

In der Türöffnung nach dem Bibliothekszimmer hin stand zwischen den schweren türkischen Vorhängen ein graubärtiger Mann in Briefträgeruniform.

In der Rechten eine jener flachen kleinen Westentaschenrepetierpistolen, wie die Waffenindustrie sie neuerdings als nützliche Begleitgegenstände für die schutzbedürftige Menschheit in diesen unsicheren Nachkriegszeiten herstellt – Spielzeuge scheinbar, und doch trotz des geringen Kalibers Nickelmantelgeschosse speiend, die beide Schädelwände glatt durchschlagen.

„Guten Morgen,“ sagte Doktor Finster krächzend. „Es ist mir dort in der Bibliothek zu langweilig geworden, Herr Harst. Wir müssen außerdem abrechnen.“

„Ganz wie Sie wünschen, Herr Justizrat. Nehmen Sie Platz.“

„Das werde ich – auch ohne Ihre Aufforderung. Jetzt bin ich hier Hausherr und Herr der Situation.“

Er setzte sich in den Korbsessel nahe der Tür, ließ uns nicht einen Moment aus den Augen, grinste heiter und fügte hinzu:

„Sie beide haben nun einen Vorgeschmack dessen bekommen, was ich zu leisten imstande bin. Man hat mich, den bisherigen Verteidiger dunkler Existenzen, in die Dunkelheit hinabgedrängt. Die Menschheit wird den Spruch der Anwaltskammer bereuen, der mir das – hm – das ehrliche Brot raubte. Das Wohnungsamt hat mich aus meiner Behausung gejagt, da ich die fünf Zimmer als Exadvokat nicht mehr brauche. Ich bin – obdachlos.“ Er kicherte satanisch. „Das heißt: ich bin überall zu Hause. Zur Zeit hier bei Ihnen, Herr Harst.“

Harald trank die Tasse leer und füllte sie aufs neue.

„Darf ich Ihnen gleichfalls einen Schluck Mokka anbieten, Herr Justizrat?“ fragte er höflich.

Finster winkte ab. „Damit Sie mir eine Falle stellen können, nicht wahr?! Nein, ich verzichte. – Sie beide sind nun also doch von der Jacht entwischt. Das hat mir einige kleine Ungelegenheiten bereitet. Außerdem haben Sie Klein-Asta uns gestohlen. – Was würden Sie in meiner Lage tun, Herr Harst?“

[„Sich erschießen oder ins Ausland fliehen und abwar][7]ten, Herr Justizrat.“

„Ins Ausland fliehen, vor Ihnen etwa?!“ krähte Berthold Finster wütend. „Noch besser! – Ich spreche hier nur von Ihnen beiden, von Ihrer Unschädlichmachung.“

„Ach so! Wenn Ihre Frage sich auf uns bezog, dann rate ich Ihnen, uns schleunigst dasselbe Ende oder doch ein ähnliches –“

Doktor Finster hatte den rechten Arm vorgestreckt.

„He – wenn ich nun abdrückte!“ rief er in wahrhaft teuflischer Freude.

„Das wäre, was Ihre Sicherheit betrifft, klug gehandelt. Aber sehr unklug, was das vielbegehrte Opernglas angeht. Ohne meine Hilfe werden Sie es nie finden.“

Der seltsame Verbrecher nickte.

„Das fürchte ich auch, Herr Harst. Ich bin ganz ehrlich. Unsere Abrechnung könnte für Sie beide günstiger ausfallen, wenn Sie auf meine Vorschläge eingehen. Zur Klärung der Sachlage vorher noch folgendes: ich schieße mit der Waffe tadellos. Sie knallt nicht allzu stark. Zwei Fingerdrücke, und Sie beide sind hinüber. Draußen an der nächsten Ecke wartet ein Auto auf mich. Ich werde also ungehindert davonfahren und hier zwei Tote zurücklassen.“

„Aller Wahrscheinlichkeit nach ja. – Bitte weiter.“

„Anders läge die Sache, wenn Sie für uns das Opernglas suchen wollten, Herr Harst.“

„Das will ich ohnedies, Herr Justizrat –“

„Aber nicht für uns –“

„Allerdings nicht.“

„Und das würden Sie auch unter keinen Umständen tun?“

„Vielleicht –“ Und Harald nahm eine Mirakulum aus dem silbernen Kasten und setzte sie in Brand.

„Also unter gewissen Bedingungen?“ fragte Finster gespannt.

„Ja. Die Bedingungen wären: Beantwortung von sechs Fragen – wahrheitsgetreue Beantwortung. Dann werde ich das Opernglas, sobald ich es gefunden, in den Briefkasten der Alfströmschen Villa in Südende legen, ohne Ihnen dabei eine Falle zu stellen.“

„Gut. Sechs Fragen. Los denn!“

„Die erste: wie sind Sie mit den Indern bekannt geworden?“

„Durch Empfehlung. Die beiden Inder suchten einen intelligenten Herrn von etwas weitem Gewissen, der ihnen behilflich sein sollte.“

„Zweitens: hat der Baron den Diener Ahmed absichtlich erschossen?“

„Ja.“

„Drittens: ist einer der beiden Inder Zeuge des Mordes gewesen?“

„Ja.“

„Dieser Zeuge war einer der anderen Diener des Generalkonsuls?“

„Der Gärtner war’s.“

„Fünftens: spielte das Opernglas bereits bei diesem Morde in Kalkutta eine Rolle?“

„Das weiß ich nicht, Herr Harst.“

„Nun die letzte Frage: worin besteht der besondere Wert des Glases?“

„Auch das weiß ich nicht. Die Leute haben mich für meine Bemühungen glänzend bezahlt, mich aber nicht völlig eingeweiht – leider nicht! Jedenfalls müßten Sie mir das Glas in genau demselben Zustande aushändigen, wie Sie es finden.“

„Das ist selbstverständlich.“

„Und von diesem unserem Pakt dürfte die Polizei nichts erfahren.“

„Hm – Bechert würde sich wundern, wenn ich untätig bliebe.“

„Oh, das brauchen Sie nicht.“ Er lachte meckernd. „Meinetwegen suchen Sie mich und die anderen wie eine Stecknadel. Finden werden Sie uns doch nicht. In dieser Beziehung lasse ich Ihnen völlig freie Hand.“

„Ganz wie’s beliebt, Herr Justizrat.“

Für mein Empfinden hatte Haralds übergroße Höflichkeit, die diesem Manne gegenüber doch wahrlich nicht angebracht war, etwas Bedrohliches an sich. Ich wunderte mich, daß Berthold Finster dies nicht ebenfalls spürte. Mir sagte eine ungewisse Ahnung, daß hier jetzt noch eine Bombe platzen würde, daß der Herr Justizrat doch noch einen Beweis von Haralds Überlegenheit erhalten sollte.

Und – es ereignete sich wirklich noch etwas. Sogar schon in der nächsten Minute.

 

4. Kapitel.

Gegen die Mächte der Finsternis.

Harald füllte jetzt die Kaffeetasse aufs neue. Er tat es mit jener etwas pedantischen Sorgfältigkeit, die er den Kleinigkeiten der täglichen Lebensverrichtungen zu widmen pflegt.

Gerade als die Tasse dreiviertel gefüllt war, sagte Doktor Finster:

„Dann wären wir ja also einig, Herr Harst –“

Harald schaute auf.

Und dabei floß die heiße Mokkabrühe aus der Tülle der Kaffeekanne auf die Untertasse, daß es nur so plätscherte.

„Oh!“ rief Harst. „Das Tischtuch –! Schraut, rasch eine Serviette her. Die japanische Seidendecke bekommt sonst Flecken!“

Im Moment hatte ich begriffen.

„Sofort – sofort!“ und ich eilte nach dem Schrank in der anderen Ecke, ohne mich um Berthold Finsters etwas verdutztes: „Teufel nochmal, bleiben Sie sitzen!“ weiter zu kümmern.

Dieser Trick, so einfach er auch gewesen, hatte doch den erwünschten Erfolg gehabt: ich befand mich jetzt im Rücken Berthold Finsters, hatte blitzschnell die Clement gezogen, riß auch schon eine der Schubladen auf und nahm eine Serviette heraus, entfaltete sie gleichzeitig und bedeckte damit die Waffe.

All das war so schnell gegangen, daß ich bereits wieder am Tische stand, bevor unser Gegner sich von der Überraschung erholt hatte.

Er war wütend, fauchte mich nun an: „Herr – wie konnten Sie ohne meine Erlaubnis sich von Ihrem Platze entfernen?! Am liebsten hätte ich Sie niedergeknallt.“

Ich reichte Harald die Serviette, wandte mich gleichzeitig an Berthold Finster und meinte: „Ich hatte ganz vergessen, daß Sie Ernst machen könnten. Nun ist ja alles in Ordnung!“

Das stimmte: Harst hatte jetzt die Serviette und die Clement in der Hand, sagte seinerseits:

„Ich denke, Sie stecken Ihre Pistole besser weg, Herr Justizrat!“ Dabei ließ er die Serviette fallen. Die Mündung der Clement war auf Finsters Brust gerichtet. „Sie sehen, Sie haben verspielt. Wenn Sie die Richtung Ihrer Waffe, die jetzt zu Boden zeigt, auch nur um ein geringes ändern, drücke ich ab. Ich scherze nie. Also bitte – lassen Sie Ihre Pistole fallen, nachdem Sie den Arm noch mehr gesenkt haben.“

Berthold Finsters Gesicht verzerrte sich vor ohnmächtiger Wut in geradezu komischer Weise.

„Sie – Sie – sind ein –“

„Ich bin schlauer als Sie! – Weg mit der Pistole!“

Und der Mann gehorchte tatsächlich.

Ich bückte mich, hob die Waffe auf. Und Harst meinte lachend:

„Da – Schrauts Pistole war gar nicht gespannt, Verehrtester! Sie haben noch viel zu lernen! – Setzen Sie sich wieder. – So, nun will ich Ihnen nur noch sagen, daß ich großmütig genug bin, die veränderte Sachlage nur bis zu einem bestimmten Grade zu meinem Vorteil ausnutzen zu wollen. Ich halte unseren Pakt für abgeschlossen, verlange nur noch einige Antworten. – Anna Holm hat am 13. März die Bewohner der Alfströmschen Villa durch Schlafmittel betäubt gehabt und dann die Mörder eingelassen. Wer waren diese Mörder?“

„Die beiden Inder und ein dritter Mann.“

„Sie selbst?“

„Ich?! Ich werde mich hüten. Ich morde nicht.“

„So?! Und die versenkte Jacht?“

„Sie muß durch Zufall leck gesprungen sein, Herr Harst.“

„Was Sie sagen! – Mensch, halten Sie mich für so dumm?! Diese Ausrede ist eine Frechheit. – Nun – Sie sind ein Anfänger, Herr Justizrat. Ich will annehmen, daß Ihr Pech vor der Anwaltskammer Sie stark aus dem moralischen Gleichgewicht gebracht hat. Vielleicht sind Sie doch noch zu retten. Ich rate Ihnen, sich der Polizei freiwillig zu stellen. Sie sehen, ich gewähre Ihnen die besten Chancen, den Kopf noch aus der Schlinge zu ziehen.“

Berthold Finster starrte Harald ungläubig an. „Sie sind in der Tat ein seltener Mann, Herr Harst. Sogar Bekehrungsversuche gehören zu Ihrem Programm!“ Dann verfiel er wieder in den giftigen ironischen Ton. „Schade, daß aus einem Saulus bei mir kein Paulus mehr wird. Ausgeschlossen! – Darf ich nun gehen?“

„Das dürfen Sie. Hier ist Ihre Waffe.“ Er ließ den Patronenrahmen herausschnellen und reichte Finster die Pistole. „Diesmal gebe ich Sie noch frei, und auch nur deshalb, weil der Baron Alfström selbst ein Mörder war, was ich übrigens nach der Schilderung seiner Gattin gleich vermutet hatte. Das nächste Mal wird es bitterer Ernst zwischen uns. Vielleicht ziehen Sie aus dieser Stunde doch eine gute Lehre: daß der Weg, den Sie jetzt wandeln, für einen Mann in Ihren Jahren kaum mehr gangbar ist! Kehren Sie um, Herr Justizrat.“

Ein höhnisches Meckern. „Ich bin kein Altersidiot, Herr Harst – noch nicht! Auf Wiedersehen! Beschaffen Sie mir das Opernglas, und Sie sollen ein paar Millionen haben. – Guten Morgen.“

Er verbeugte sich und verließ das Zimmer und das Haus. Wir sahen ihn rasch die Blücherstraße hinabeilen. Dann entschwand er unseren Blicken.

Harald, der neben mir am Fenster stand, sagte leise:

„Ich weiß, daß Du nicht recht begreifst, weshalb ich ihn laufen ließ, mein Alter. Ohne ihn finden wir seine Kumpane nicht, von denen wir vorläufig nur die Inder und Anna Holm kennen. Und – die Inder sind die ungefährlichsten. Er hat noch andere Hilfskräfte, eine ganze wohlorganisierte Bande, behaupte ich. Die will ich gleichzeitig fassen – alle! Es hätte keinen Zweck gehabt, Finster hier zu behalten, während seine Garde noch in voller Freiheit draußen wirken kann. Nun wird er Fehler machen – Fehler, die uns Einblick in sein Treiben gewähren. – So, jetzt wollen wir doch noch ein paar Stunden schlafen. Um acht stehen wir auf. Um neun sind wir in Südende. Ich werde die Baronin telephonisch nach der Villa bitten.“ –

Ich schlief sehr bald ein. In meinen Träumen spielte ein Perlmutterfernglas eine Rolle – ein Glas von ungeheuren Abmessungen, mit dem ich den Himmel nach einem Kometen absuchte. –

Der Wecker schnurrte. Ich fuhr empor.

Im Badezimmer unter der Dusche erinnerte ich mich an diese wirren Träume. Und lachte darüber. Betrat in bester Laune Harsts Arbeitszimmer, glaubte, ihn bereits fix und fertig angezogen zu finden.

Und fand auf dem Mitteltisch gegen die Aschenschale gestützt nur einen Zettel:

„Bin nach Stockholm vorausgereist. Du triffst mich wahrscheinlich noch in Saßnitz. Wenn nicht, in Stockholm, Hotel Scansen Drottninggatan. H.“

Stockholm – Saßnitz?!

Träumte ich noch?! Was bedeutete das nun wieder?! Harald nach Schweden unterwegs?

Auf seinem Schreibtisch lag das Kursbuch. Ich sah nach den Abfahrtzeiten der D-Züge nach Saßnitz. Tatsächlich: um sieben Uhr morgens war ein solcher Zug vom Stettiner Bahnhof abgegangen. Mittags um 11 Uhr dreißig Minuten fuhr ein zweiter. –

Bereits um 11 Uhr war ich mit meinem Koffer auf dem Stettiner Bahnhof. Am Schalter verlangte ich eine Fahrkarte zweiter Klasse bis Stockholm.

Hinter mir in der Reihe der Reisenden stand eine ältere Dame mit grauem Scheitel, goldenem Kneifer und recht roter Nase.

Mit einem Male stieß sie mich in die Seite.

Und dann – nur wie ein Hauch:

„Sage dem Schalterbeamten, Du würdest doch erst einen späteren Zug benutzen. Sage es aber leise und ziehe Deine Brieftasche. Es sind zwei Spione da.“

Harst – Harst! Und welch glänzende Maske!

Ich tat, wie er’s gewünscht.

Und hörte ihn wieder flüstern:

„Geh’ in den Wartesaal!“

Nun saß ich in einer Ecke des großen Raumes, und drei Tische weiter saß Harald.

Und um uns herum scheinbar Leute, die uns nichts angingen – scheinbar!

Ein Kellner umschlängelte meinen Tisch. Ich bestellte Bouillon.

Dann kam ein Dienstmann, legte einen Gepäckschein vor mich hin.

„Bechert!“ raunte er mir zu. Und ganz laut:

„3800 Mark macht’s –“

Ich zahlte, horchte.

Bechert flüsterte:

„Sie können jetzt wieder nach Hause fahren, lieber Schraut. Die beiden Spione kenne ich nun. Sind gefährliche Brüder – Finsters Gardisten!“

Ich bin an Überraschungen gewöhnt. Die Reise nach Stockholm war Bluff. Ich hatte nur die Spione Finsters hier bis zum Bahnhof hinter mir herlocken sollen. Harst und Bechert arbeiteten jetzt gemeinsam, und Harald war offenbar überhaupt nicht schlafen gegangen.

Ich fuhr also mit meinem Koffer nach der Blücherstraße zurück.

Kaum war ich fünf Minuten daheim, schrillte das Telephon.

„Hier Harald. – Morgen, lieber Alter. Es wird sehr bald ein als Gaswerkkassierer verkleideter Kriminalbeamter bei uns erscheinen. Der sagt Dir Bescheid.“

Der Beamte kam. Er hatte meine Figur.

„Sie sollen sich meine Maske zurechtmachen, Herr Schraut,“ erklärte er, „und auch meine Sachen anziehen. Dann wird man Sie nicht verfolgen. Herr Harst erwartet Sie im Aschinger am Stettiner Bahnhof.“

Mehr konnte auch er mir nicht mitteilen. Er wußte nur, daß die beiden Spione auf dem Bahnhof bereits in aller Stille verhaftet worden und daß es zwei gewerbsmäßige vorbestrafte Taschendiebe von elegantem Äußeren waren. –

Im Aschinger war großer Betrieb. Diese Massenspeisungsstätten wurden in diesen Zeiten des Papiermarkschwundes mehr denn je auch von dem besseren Publikum in Anspruch genommen.

An einem kleinen Tischchen in einer Ecke saßen drei Personen, die nicht recht zusammenzugehören schienen; die grauhaarige, rotnasige, streng blickende Dame, ein Dienstmann und ein alter Herr, der recht vornehm aussah. Die beiden ersteren waren Harald und Bechert. Den dritten kannte ich nicht.

Ich schritt wie suchend durch die Tischreihen. Dann rief Bechert mich an:

„He – Adolf, hier is noch ’n Platz for Dir. Die Herrschaften rücken schon noch son bißken zusammen.“

Ich zwängte mich zwischen Harst und Bechert. Nach einer Weile flüsterte Bechert mir dann zu:

„Der dritte am Tische ist der Geheimrat Hoßberg, der Mieter der Alfströmschen Villa. Harst hat ihn telephonisch herbestellt. Wir müssen außerordentlich vorsichtig sein. Finsters Garde ist zahlreicher, als wir anfangs ahnten. In der Blücherstraße allein haben wir vier Spione festgestellt. Die beiden von vorhin sind bereits in Sicherheit, schweigen sich jedoch aus. Harst will einen großen Schlag gegen Finsters Bande vorbereiten. Sie, lieber Schraut, sollen mit Harst heute nachmittag bei Geheimrat Hoßberg als alte Freunde der Familie Hoßberg und Gäste von auswärts eintreffen –“

Ein Kellner kam und brachte Bechert auf einem Tellerchen eine Zigarre.

Ich sah, daß der Kellner mit dem Kommissar einen besonderen Blick wechselte: es war ein Kriminalbeamter, und die Zigarre war eine auseinanderziehbare Attrappe, in der ein Zettel lag.

Bechert gab mir den Zettel nachher, und ich las folgendes:

„Schraut nicht verfolgt worden. Die vier in der Blücherstraße sind noch um zwei verstärkt worden. – Anzüge und Koffer sowie Perücken und Bärte liegen nebenan im Hotel Stettiner Hof Zimmer 18 bereit. Der Wirt ist zuverlässig und eingeweiht.“

Der Zettel wanderte dann ebenso unauffällig zu Harst, der von mir und Bechert keine Notiz nahm, sondern sich mit dem Geheimrat über Politik unterhielt – so, wie man mit einer Zufallsbekanntschaft über dieses heikle Thema spricht. –

Ich merkte jetzt, welch umfangreiche Vorbereitungen Bechert und Harald gegen Berthold Finster bereits getroffen hatten. Ich war auf weitere Überraschungen gefaßt, und sie kamen auch.

Bechert flüsterte, nachdem er mit Harst ein paar scheinbar harmlose Redensarten ausgetauscht hatte: „Sie sollen voran ins Hotel gehen. Erkennungswort für den Wirt ist „Hell“, lieber Schraut.“

Ich hatte inzwischen ein warmes Gericht gegessen und ein Glas Bier getrunken, bezahlte, gab Bechert die Hand und schritt hinaus.

In der Drehtür am Ausgang rempelte mich ein geckenhaft angezogener, offenbar bezechter Mensch derb an, entschuldigte sich und ging in das Lokal hinein.

Der Hotelbesitzer führte mich sofort nach Zimmer Nr. 18, öffnete mir die Tür und meinte: „Ein anderer der Herren ist bereits dort.“

Er hatte weiter gar nicht nach dem Erkennungswort gefragt.

Ich trat ein und drückte die Tür hinter mir zu.

In der Sofaecke saß ein pausbäckiger Mann mit blondem Spitzbart und durchgezogenem pomadeglänzenden Scheitel.

Er erhob sich und verbeugte sich.

„Schraut,“ stellte ich mich leise vor. Der Mann war fraglos einer von Becherts Armee.

Aber – dieser Mann bewies mir nun, daß er ganz etwas anderes war, bewies es mir durch ein infames Grinsen, meckerte ironisch und – hielt mir blitzschnell eine mir bereits bekannte kleine Repetierpistole vors Gesicht.

„Grüß Gott, Herr Schraut,“ krähte er. „Feine Überraschung – wie?! Dja – Ihr Freund Harst ist doch nicht so schlau, wie er sich selbst einschätzt.“

Dann winkte er mit der Linken. Hinter mir knarrte die Kleiderschranktür. Irgend jemand packte meine Handgelenke, riß mir die Arme nach hinten. Stahlfesseln schnappten zu. Eine Riesenpranke von Hand legte sich um meine Kehle, eine zweite preßte mir einen großen Wattebausch auf das Gesicht. Es war nicht Chloroform, das ich nun einatmete, es war ein neueres Narkosemittel, und es wirkte nur zu prompt. Schon nach zwei krampfhaften Atemzügen wurde ich bewußtlos.

 

5. Kapitel.

Das traurige Geheimnis.

Und eine halbe Stunde später saßen Harald und ich in derselben wenig beneidenswerten äußeren Verfassung auf dem grünen harten Plüschsofa von Zimmer Nr. 18: mit gefesselten Händen, jeder einen gut gesicherten Knebel im Munde, jeder mit den Füßen an eins der vorderen Sofabeine gebunden.

Saßen mit benommenem Schädel da, waren soeben fast gleichzeitig wieder zu uns gekommen und hatten vor uns durch den Tisch getrennt Berthold Finsters schmächtige Gestalt und sein tadellos verändertes Gesicht. Bisher war er stets seinen Jahren entsprechend grauhaarig gewesen. Jetzt wirkte er um gut fünfzehn Jahre jünger.

Er verstand sich zu maskieren. Das mußte man ihm lassen. Und – er verstand sich auch auf andere Dinge – leider! Das sagte er uns jetzt in hohntriefender Rede, bewies uns, daß er zwei harmlose Taschendiebe auf dem Stettiner Bahnhof nur dazu benutzt hatte, seine wirklichen Spione ganz im Dunkeln zu halten.

Renommierte ein wenig mit seiner Macht, faßte mir in die linke Brusttasche und holte einen Zettel hervor, fügte hinzu:

„Da – dies steckte der angetrunkene Geck Ihnen zu, Herr Schraut. Bitte, lesen Sie!“

Und er hielt mir das Blatt vor die Augen.

Da stand:

„Sie und Harst werden zehn Minuten später in meiner Gewalt sein. B. F.“

„Der Geck war Anna Holm, sehr verehrter Herr Schraut! Anna Holm!“ Er meckerte fröhlich. „Ja – und der Geheimrat Hoßberg wird nun tatsächlich nachmittags Gäste bekommen. Nur Sie beide nicht. Im Gegenteil. Und dann werde ich persönlich die auf dem Boden der Villa stehenden Möbel der alten Baronin nochmals nach dem Opernglas durchsuchen. Was Sie ja ebenfalls tun wollten, Herr Harst,“ wandte er sich an Harald. „Sie hatten ja mit der Baronin Inge so ein langes Telephongespräch der alten Möbel wegen. Sie hätten nur daran denken sollen, daß es Mittel und Wege gibt, auch Telephongespräche abzufangen. Ja, ja, Herr Harst, man lernt nie aus. Merken Sie das jetzt?!“

Und er meckerte wieder. „Nun werden Sie beide hier unter Bewachung meines Freundes Semmel-Ede bis morgen früh festgehalten werden. Bis dahin hoffe ich das Opernglas gefunden zu haben. Sie haben ja Bechert telephonisch angedeutet, wo es liegen dürfte, Herr Harst. Mithin brauche ich Ihre Hilfe nicht mehr. Haben Sie Dank für Ihren Fingerzeig. – Der Hotelbesitzer hält mich und die Meinen für Kriminalbeamte. Ich belege dieses Zimmer mit Beschlag. Das Erkennungswort „Hell“ hat der Esel sich entlocken lassen. Kurz: die Sache klappte tadellos. Ich verabschiede mich jetzt. Wir werden uns kaum wiedersehen. Das Opernglas macht mich für alle Zeiten gesund.“

Er stand auf, nahm seinen Hut, riegelte die Tür auf, schlüpfte hinaus und schloß von außen ab. –

Ich brauchte einige Zeit, all das Neue geistig zu verdauen. Ich kam mir plötzlich als Harsts Mitarbeiter wie ein kläglicher Anfänger gegenüber diesem Finster vor.

Und fragte mich schließlich: Wo ist denn Semmel-Ede, der uns bewachen soll?

Das Zimmer war ja leer mit Ausnahme von uns beiden, die wir Berthold Finster so sehr unterschätzt hatten.

Ich drehte den Kopf nach Harald hin. Unsere Blicke begegneten sich. Harst zog die Stirn in Falten, preßte die Lippen zusammen. Das hieß: die Sache steht für uns schlecht!

Ich zuckte die Achseln, ließ die Augen recht auffällig durch das Zimmer wandern und hob abermals wie fragend die Schultern, wollte andeuten: Wir sind doch allein! Sollten wir uns nicht unschwer befreien können?!

Haralds Blick richtete sich zuerst als Antwort auf die Kante des großen Sofatisches dicht vor uns. Der Tisch war sehr dicht an das Sofa herangerückt worden. Und – jetzt sah ich erst: man hatte in die Kante offenbar feine Löcher gebohrt, hatte in die Löcher in Abständen von etwa fünf Zentimeter starke, spitze Stopfnadeln mit den Spitzen nach uns zu hineingedrückt.

Und – diese Spitzen schillerten matt grünlich, hatten irgend einen Überzug von Säure oder dergleichen – natürlich ein Giftstoff!

Der Zweck dieser spitzen Harke war klar: wir hätten den Tisch, wenn wir uns vorgebeugt haben würden, leicht umwerfen oder doch durch Heben und Senken des Tisches so viel Lärm machen können, daß wir unbedingt mit der Zeit das Hotelpersonal aufmerksam gemacht hätten. Das war nun unmöglich. Die „Harke“ zwang uns, die Tischplatte nicht zu berühren. Wir hätten uns sonst die Nadeln durch die Kleider in die Haut und in das Fleisch des Brustkastens getrieben. Nur mit der Brust konnten wir ja bei der Art unserer Fesselung den Versuch machen, den Tisch zu bewegen.

Nachdem Harald mir so diese „Harke“ gezeigt, schaute er nach rechts, wo an der Wand der Kleiderschrank stand. Die Spiegeltür war halb offen. Man sah in dem Schranke nichts als die Knie eines sitzenden Mannes und einen kleinen Revolver, der auf diesen Knien lag. Der übrige Mensch war durch die andere Hälfte der Tür verdeckt.

Ich blickte scharf hin. Ich dachte sofort an die Larve, die hinter der Klappenöffnung in der versenkten Jacht aufgehängt gewesen war. – Auch dieser „Wächter“ da im Schranke konnte eine Puppe sein.

Nein – doch nicht! Die Knie hatten sich soeben etwas bewegt, hatten sich gehoben, hatten sich etwas gespreizt.

Und – nun glitt der Revolver herab und fiel mit leisem Poltern auf den Boden des Schrankes.

Also doch ein Wächter!

Harald nickte mir kurz zu. Das hieß ebenfalls: diesmal ist wirklich jemand zu unserer Bewachung hiergeblieben.

Dann schloß er die Augen, lehnte sich in die Sofaecke, so weit dies die auf den Rücken gefesselten Hände zuließen, und schien sich in sein Schicksal ergeben zu haben.

Ich prüfte die Stahlfesseln, indem ich die Hände hin und her drehte. Die Fesseln waren sehr eng. Es war unmöglich, sie loszuwerden. Und genau so verhielt es sich mit den Stricken, die meine Füße an das Sofabein preßten, übrigens eine Stellung der Beine, die bei längerer Dauer Waden- und Zehenkrämpfe hervorrufen mußte.

Was sollte ich anders tun als Haralds Beispiel folgen und mich gedulden?! Ja – wenn diese „Harke“ nicht gewesen wäre. Wir hätten dann trotz des Wächters den Tisch vielleicht umstoßen können. Auf dem Tische standen ja eine Vase mit Blumen, ein großer Porzellanaschbecher und ein Tablett nebst Wasserflasche und Glas. Gingen diese Sachen in Scherben, dann mußte fraglos jemand durch den Lärm aufmerksam werden.

Und abermals ruhte mein Blick nun zweifelnd auf den Knien des Mannes dort im Schranke. Der Mann trug eine speckige schwarze Tuchhose, die an den Knien unzählige Falten schlug. Auf dem Schenkel glänzte der Stoff. Es war eine altgediente Hose. Der Mann konnte nur eine recht schäbige Kluft tragen.

Hm, – Semmel-Ede sollte sein Spitzname sein.

Semmel-Ede! Den Namen hatte ich doch bereits gehört. „Semmel“ – also war der Mann wahrscheinlich blond. Und Ede – Eduard also! Der oder ein blonder Eduard!

Mit einem Male klirrten die Sprungfedern des Sofas leise. Harst hatte sich bewegt.

Ich schaute hin.

Und – er lächelte mich strahlend an, kniff dann das linke Auge zu, beugte sich vor, drückte die linke Schulter vor und preßte die Achsel von der Seite an die letzte der Nadeln, der er auf diese Weise bequem beikommen konnte.

Sie bog sich unter dem Druck.

Dann ein Knack. Sie war abgebrochen.

Die zweite folgte.

Und ich – ich machte es nun von meiner Seite genau ebenso.

Seltsam: Semmel-Ede rührte sich nicht, bewegte nur die Knie etwas lebhafter.

Nun war die letzte Nadel erledigt. Nun beugte Harald sich noch mehr vor, suchte mit dem Kopf die Tischdecke an der Ecke hochzuschlagen. Es gelang. Und dann ein paar neue Kopfbewegungen an der Tischecke – Bewegungen, die die Schnur lockern sollten, mit der man den Knebel hinten im Genick so scharf angezogen hatte, daß er sich nicht mit der Zunge herausstoßen ließe. Die Schnur riß, und Harsts Knebel baumelte ihm nun vor der Brust.

„Ich könnte jetzt rufen,“ sagte Harald leise. „Ich werde es nicht tun. Schieben wir den Tisch mehr vom Sofa ab.“

Das war nicht schwer. Dann ließ Harst sich seitwärts vom Sofa herabgleiten, konnte meine Fußfesseln mit den Zähnen erreichen, löste die Knoten.

Ich war frei – bis auf die Stahlbänder an den Handgelenken. Ich machte auch Haralds Füße los. Und – Semmel-Ede regte sich nicht!

Dann gingen wir auf Fußspitzen zum Schranke hin.

Schauten von der Seite hinein.

Und – wer saß da – saß auf raffinierteste Art an einen Koffer und an Haken gefesselt da?! Wer blickte uns mit einem grimmen, halb komisch verzogenen Gesicht an?!

Freund Bechert! Egon Eduard Friedrich Bechert – Perle unter den Kommissaren der großen Berliner Diebesfanganstalt!

„Tag, Semmel-Ede!“ meinte Harald belustigt. „Also auch Du, mein Sohn Brutus! Und auch einen Knebel im Munde! Dieser Finster, dieser Finster! Der Kerl fängt an, uns fürchterlich zu werden! – Lieber Bechert, daß Sie hier im Schranke saßen, sagte mir die Dienstmannshose, deren Alterspatina mir schon auf dem Bahnhof imponiert hatte. Außerdem fiel mir nachher ein, daß ich auch mal Ihren Spitznamen gehört hatte. Semmel-Ede klingt nur zu harmlos für Sie blonden Verbrechergreifer – viel zu harmlos. – So, nun werden Schraut und ich uns erst mal die Stahlfesseln abnehmen. Es sind ja nur Schnappfesseln.“

Das war in vier Minuten getan. Dann befreiten wir Freund Bechert. Er hatte eine Weile nach Harst dieses Zimmer betreten, war dann genau so überraschend überwältigt worden wie wir beide.

Als Harald ihm nun berichtete, daß Berthold Finster behauptet hätte, die Telephongespräche belauscht zu haben, meinte Bechert ärgerlich auflachend: „Das ist ja unmöglich! Glauben Sie daran, Harst?“

„Nein! Es gibt eben einen Verräter unter den in unsere Pläne Eingeweihten. Es muß so sein. Finster war genau davon unterrichtet, daß Schraut und ich nachmittags zu Geheimrat Hoßberg wollten, um dort in der Villa in aller Ruhe die Möbel der alten Baronin Alfström zu durchsuchen. Hiervon wußten nur fünf Personen etwas: Sie, Frau Inge, der Geheimrat, Schraut und ich! – Also einer von diesen fünf muß geplaudert haben!“

„Ja – aber wer in aller Welt?!“

„Frau Inge!“

„Wie?! Die Baronin Inge Alfström?! Aber bester Harst, das –“

„– das ist durchaus wahrscheinlich. Doch – wir werden ja sehen, ob ich recht habe. Wir bleiben vorläufig hier. Das Wetter draußen verheißt ergiebige Regengüsse. Das Hotel wird sicher beobachtet. Doch unter Schirmen werden wir wohl einzeln unerkannt uns entfernen können. Die ersten Nachtstunden dürften dann die Entscheidung bringen!“ –

Ja – sie brachten die Entscheidung, brachten die letzten aufregenden Momente des Problems „Perlmutteropernglas“. –

Um neun Uhr ging ein schweres Gewitter über den Vorort Südende nieder. Es regnete nicht – nein, es goß dabei wie mit Eimern. Abermals goß es so. Schon am Nachmittag hatte Berlin eine solche Sintflut erlebt, die uns das Verlassen des Hotels erleichtert hatte. Und dieser neue Wolkenbruch machte es uns möglich, eine der uralten Linden im Vorgarten der Alfströmschen Villa unbemerkt zu erklettern.

Nachdem das Unwetter gegen halb elf endlich vorüber war (wir waren bis auf die Haut durchnäßt worden), konnten wir in einem Zimmer des Hochparterres im Salon durch die Fenster vier Personen beobachten: den Geheimrat, eine ältere Dame, offenbar die Geheimrätin, die Baronin Inge und einen Herrn, der eine gewisse Ähnlichkeit mit mir selbst, mit Max Schraut, hatte.

„Finster als Schraut – wahrscheinlich alleiniger Gast des Geheimrats,“ flüsterte Harald. „Und mit Frau Inge im Bunde! Begreifst Du nun alles, mein Alter? Begreifst Du nun, was ich längst begriffen habe! Frau Inge weiß, daß ihr Mann den Diener Ahmed ermordet hat, sie kennt auch das Versteck des rätselvollen Opernglases. Sie wollte es nicht ausliefern! Sie hat bis zum äußersten gekämpft. Sie wollte nicht, daß die Wahrheit an den Tag käme, daß ihr Mann öffentlich als Mörder bloßgestellt würde. Jetzt aber hat Berthold Finster sie doch kirre gemacht. Sie war’s, die Finster verriet, daß ich hier das Glas suchen wollte. Nun will sie es Finster aushändigen, der ihr – Ah – die beiden erheben sich, verlassen das Zimmer!“

Gleich darauf wurde das große Mansardenfenster hell. Wir kletterten höher. Wir konnten dann auch in die Mansardenstube hineinsehen. Frau Inge stellte gerade eine brennende Petroleumlampe auf ein Tischchen. Nun ging sie auf einen altertümlichen Schreibtisch zu, öffnete das Mittelfach des Aufsatzes. Finster stand dicht hinter ihr. Und – jetzt holte sie aus der Tiefe des Faches, aus einem Geheimfach fraglos, ein – kleines zierliches Opernglas hervor, drehte sich um, hielt es Finster mit der Linken hin, griff mit der Rechten in die Falten ihres Kleiderrockes.

Und – schlug zu – mit einem dicken Gummiknüttel.

Schlug nochmals zu – drei Hiebe über Finsters unbedeckten Kopf.

Taumelnd sank der Mann zu Boden.

Im Moment hatte Frau Inge aus einer Ecke eine Wäscheleine aufgerafft, hatte das Fenster aufgerissen, die Leine am Fensterkreuz befestigt, schwang sich hinaus, kletterte abwärts.

Harst keuchte: „Da – Finster richtet sich auf! Achtung!“

Da war der Mann auch bereits am offenen Fenster erschienen, beugte sich hinaus, lachte höhnisch auf.

Sein Taschenmesser blinkte – begann den Strick zu durchschneiden.

Frau Inge hing an der Leine, acht Meter über dem Boden – gerade über der offenen Seitentür des Vorgartens – über den eisernen Spitzen der gußeisernen Tür – hing über dem sicheren Tode.

Harald schoß – schoß zweimal. Das Messer entfiel der Hand des Verbrechers, und Berthold Finster verschwand wie ein Blitz nach rückwärts durch die Tür – verschwand aus der Mansardenstube. –

Wir kamen gerade noch zur rechten Zeit nach unten, um die halb ohnmächtige Frau Inge in Empfang zu nehmen. Wir brachten sie in den Salon. Sie gab jetzt jeden Widerstand auf, das traurige Geheimnis weiter zu hüten: ihr Mann hatte den Diener Ahmed erschossen, weil dieser ihn dabei überrascht hatte, wie er, aus Leidenschaft Edelsteinsammler, zwei von einem Hehler gekaufte Diamanten, die aus dem Museum in Kalkutta gestohlen waren, in Watte verpackt in den Rohren des Opernglases verbarg. Dann hatte der Baron das Opernglas in dem Geheimfach des Schreibtisches seiner Mutter versteckt und es nicht mehr anzurühren gewagt. Der Schreibtisch machte die Übersiedlung nach Europa mit. –

Nun war das Geheimnis geklärt. Nun schraubte Harst die großen Linsen heraus, schüttete sich die Watteballen in die Hand, enthüllte die prachtvollen Steine, die jeder heute ungeheuren Wert besaßen. Diesen Diamanten also hatten die Inder nachgejagt, auf diese Steine hatte jetzt auch Berthold Finster es abgesehen gehabt, hatte ohne Zweifel die Inder darum betrügen wollen. –

Becherts Beamte verhafteten fünf Leute, die in der Nähe der Villa postiert gewesen, fanden dann auch die Inder. Nur Anna Holm und der Anführer der Bande entkamen – letzterer aus der Villa trotz der zerschossenen Hand auf so raffinierte Art und Weise, daß Harald diesen Berthold Finster für die Folgezeit ganz anders einschätzte. Und diese nächsten Monate waren ja für uns nichts anderes als eine Fortsetzung des Kampfes gegen – die Mächte der Finsternis. – Wie der Verbrecher entschlüpfte, will ich als Einleitung des nächsten Abenteuers bringen.

 

Nächster Band:

Der tote Kanarienvogel.

 

 

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Anmerkungen:

  1. In der Vorlage steht: „Biranara“.
  2. In der Vorlage steht: „gutgelaut“.
  3. In der Vorlage steht: „Clemenpistole“.
  4. In der Vorlage steht: „Harad“.
  5. Fehlendes Wort „ich“ ergänzt.
  6. In der Vorlage steht: „bekommn“.
  7. Hier ist eine Zeile ist doppelt, wenn auch nicht ganz wortgetreu. Dafür fehlt eine andere Zeile. Text sinngemäß ergänzt.