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Der Maskenball der Toten

 

 

 

Der Detektiv

 

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

 

Band 141:

 

Der Maskenball der Toten.

 

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Berlin 26, Elisabeth-Ufer 44

 

Nachdruck verboten. – Alle Rechte, einschl. das Verfilmungsrecht, vorbehalten. – Copyright 1925 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin.
Druck: P. Lehmann G. m. b. H., Berlin.

 

1. Kapitel.

Miß Simpsons Bewerber.

Der farbige Diener in der blendend weißen Leinenlivree der Angestellten des vornehmsten Klubs in Kalkutta reichte auf silberner Platte eisgekühlte Liköre, ein besonderes Gemisch, Erfindung Sir Godwin Codanoors, des Polizeichefs der Riesenstadt.

Wir saßen zu sechs in einer Ecke des Billardsaales des Royal-Klubs und verfolgten von unseren erhöhten Plätzen aus mit aller Aufmerksamkeit eine Billardpartie zwischen Doktor Edward Wallace und dem Major Collerlund vom 5. indischen Reiterregiment.

Die beiden schlanken Engländer waren hier die besten Billardspieler. Sie spielten überaus vorsichtig, und wenn einer von ihnen eine längere Serie machte, schien die den Gegner in einer bei einer harmlosen Billardpartie sonst ungewohnten Weise aufzuregen. Wenigstens hatte ich diesen Eindruck sehr bald gewonnen, und auch Harald warf mir jetzt, als er sein Likörglas von der Platte nahm, einen besonderen Blick zu.

Jetzt machte Doktor Wallace eine Serie von hundertzwanzig Punkten …

Der Major legte den Billardstock aus der Hand und sagte merkwürdig gepreßt:

„Sie sind Sieger geblieben, Doktor …“ Und zu uns gewandt mit knapper Verbeugung:

„Leben Sie wohl, meine Herren … Ich werde nie wieder Billard spielen …“

Dann verließ er den Saal …

Eine seltsam gedrückte Stimmung herrschte plötzlich an unserem Tische …

Schweigend setzte sich Doktor Edward Wallace zu uns und drehte sich eine Zigarette …

Seine dünnen langen Finger erinnerten an Spinnenbeine … Ich beobachtete diese Finger mit wachsendem Mißbehagen …

Schließlich sagte Codanoor eigentümlich zaudernd:

„Der Major war ja so feierlich … Was fehlte ihm nur?!“

Alle Augen waren auf des Doktors gelbbraunes hageres Gesicht gerichtet …

Wallace rieb ein Zündholz für seine Zigarette an …

„Der gute Collerlund ärgert sich stets, wenn er verliert …“ meinte er eisig, und ein dünnes Lächeln glitt um die schmalen Lippen …

Harald fragte jetzt:

„Hatten Sie diese Partie schon vordem vereinbart, Mr. Wallace …?“

„Ja – gestern … Wir hatten sehr lange nicht miteinander Billard gespielt … – Billard …!“ Und wieder lächelte er kaum merklich.

Sir Codanoor lachte gezwungen …

„Sie waren in letzter Zeit nicht gerade Freunde, Wallace … – – Miß Simpson!!“

Das sollte scherzhaft klingen …

Und wirkte doch ganz anders …

Edward Wallace richtete sich in seinem Sessel kerzengerade auf …

„Sir Codanoor, wir wollen hier doch eine Dame aus dem Spiel lassen, die mir völlig gleichgültig ist, die ich aber als Gentleman achte …!“

„Verzeihung …!“ Der Polizeichef verbeugte sich. „Ich sprach hier nur etwas aus, das die Spatzen in Kalkutta von den Dächern pfeifen … Miß Simpson wird viel umworben!“

„Nicht von mir,“ erklärte Wallace sehr kühl. „Ich bin ihr Arzt, nichts weiter … – Ich denke, wir wechseln das Thema …“ –

Meine Detektivaugen kamen nicht zur Ruhe. Dieser Wallace schauspielerte. Er fieberte vor Nervosität, suchte das aber zu verbergen …

Und gerade jetzt, als eine peinliche Stille eingetreten war, zog Wallace seine goldene Uhr, ließ den Deckel springen und steckte sie wieder nach einem flüchtigen Blick auf das Zifferblatt in die Westentasche …

Im selben Augenblick stürmte einer der Klubdiener herein …

„Mister … Mister Collerlund … hat … sich … im … kleinen Salon … erschossen …“

Wir fuhren von den Sesseln hoch …

Und der Doktor war’s, der heiser rief:

„Ist er tot, Sipadu?“

„Tot, Mister Wallace … In die Stirn …“

Sir Codanoor eilte voran …

Im kleinen Salon umstanden acht Herren den Klubsessel, in dem der Major mit weit ausgestreckten Beinen lag …

Edward Wallace fühlte nach dem Puls … zuckte die Achseln …

Ringsum eine Flut von Fragen, Vermutungen …

Miß Simpsons Name wurde wieder genannt …

„Sie hat ihn abgewiesen,“ sagte einer der Herren …

„Unmöglich!“ ein anderer … „Ich sah die beiden noch gestern in einer Loge des Palace-Theaters …“

„Und ich gestern im Maidan-Park …“

So schwirrten die Stimmen durcheinander … –

Eine halbe Stunde später war Harry Collerlunds Leiche nach seiner Wohnung geschafft worden. Im Klub war es leer … Nur Sir Godwin und wir beide saßen noch im kleinen Salon bei Porter mit Sekt …

Soeben hatte Harald unseren alten Bekannten gefragt, wer denn eigentlich diese Miß Simpson sei, die hier ja ganz Kalkutta auf den Kopf zu stellen scheine …

„Sehen geht hier vor sagen,“ erwiderte der Polizeichef etwas gedehnt … „Ein entzückendes Frauenzimmer jedenfalls … Und … blutarm, Nichte eines hiesigen amerikanischen Großkaufmanns, der Miß Nelly vor einem halben Jahre als Waise zu sich nahm … Immerhin: dieser Onkel Simpson ist Junggeselle und vielfacher Millionär … Nur deshalb kann Miß Nelly sich so ziemlich alles leisten, wonach ihr Herzchen begehrt. Nur eine Mitgift erhält sie nicht … Das erklärt Robert Simpson bei jeder Gelegenheit … „Meine Nichte soll nicht Spekulationsobjekt, sondern aus Liebe geheiratet werden …! Ich habe daher mein Vermögen wohltätigen Stiftungen vermacht und ihr nur eine ganz kleine Rente ausgesetzt …!“ – Der gute Simpson schwindelt nicht. Und doch hat Nelly ungezählte Bewerber … Nur …“

Pause …

Sir Godwin strich sich nachdenklich über die hohe Stirn … „Nur … nur in den letzten Monaten hat sich der Anbeterschwarm etwas verlaufen … Man hält Miß Nelly jetzt für eine Malugi …“

„Wofür?!“ Harst machte ein erstauntes Gesicht. „Malugi ist doch ein Hinduausdruck für ein altes Weib mit dem bösen Blick … In Deutschland würde man früher „Hexe“ gesagt haben … Hier sagt man Malugi, was etwa so viel wie Giftkröte bedeutet …“

„Allerdings, lieber Harst …: Giftkröte! Und genau wie unsere hiesige giftige Riesenkröte mit ihren gelben Glotzaugen jeden Käfer, jede Fliege bannt, dann mit der Ausscheidung der Giftdrüse bespritzt und tötet, – genau so schlecht sind drei von Nellys eifrigsten Bewerbern die braunen Nelly-Äuglein bekommen: aus Liebesgram haben sie sich umgebracht! Da ist als erster der Rechtsanwalt Malcolm … Er vergiftete sich. – Als zweiter der Sekretär des Vizekönigs Howard Longin. Er schnitt sich die Pulsadern durch. – Als dritter Lord Chesterbry – er ließ sich vom Eisenbahnzug überfahren … Und wenn wir nun den armen netten Major als vierten rechnen wollen, so werden wir wohl das Richtige treffen …“

Harald schaute sich um, stand auf, öffnete beide Türen, schloß sie wieder und setzte sich …

„Was soll das?!“ meinte Sir Godwin gespannt. „Fürchten Sie Lauscher, Harst?“

„Ja …“ Und ganz leise: „Sir Codanoor, die Billardpartie vorhin war ein Spiel um Leben und Tod … war eine Art Duell … Der Verlierer mußte sich erschießen … So hatten Wallace und der Major es vereinbart …“

Der Polizeichef von Kalkutta saß jetzt als Bildsäule da …

Sein vornehmes, kluges Gesicht war wie versteinert …

„Herr Gott, Sie haben recht …!“ flüsterte er dann … „Das Benehmen der beiden war zu merkwürdig …“

„Allerdings …! – Ein paar Fragen … Hat Miß Nelly den Major irgendwie bevorzugt?“

„Nein – in keiner Weise … Man sagt, daß sie einen der Angestellten ihres Onkels liebe, einen flotten jungen Menschen, der ihr aber geflissentlich ausweiche … Das mag leeres Gerede sein … Ich weiß es nicht …“

„Und Doktor Edward Wallace?“

„Dja – da bin ich mir nicht so recht im Klaren, lieber Harst … Man munkelt, Nelly habe ihm einen Korb gegeben … Wallace selbst tat stets so, als belächele er diese allgemeine Schwärmerei für Miß Simpson. Freilich ist er ein Mensch, dem man kaum trauen darf … Für meinen Geschmack ist er zu … gewandt, zu sehr moderner Lebenskämpfer …“ Und der Polizeichef griff nach seinem Glase, trank bedächtig …

„Wie heißt der Angestellte Simpsons?“ fragt Harald nach einer Weile …

„John Gollipp … – Weshalb wollen Sie das wissen, lieber Harst? Mich interessiert jetzt lediglich die Billardpartie … Meinen Sie wirklich, daß …“

Die Tür war aufgeflogen …

Auf der Schwelle stand ein schlankes, junges Weib …

Ohne Hut … in einem seidenen Kimono …

Ein Mädchen, das trotz der Totenblässe wie ein Wunder wirkte …

Nie sah ich so viel pikanten Liebreiz … Nie so große braune Märchenaugen …

Sir Godwin war emporgesprungen …

„Miß Simpson, was ist geschehen …?!“ rief er bestürzt und eilte ihr entgegen …

Und Nelly kam näher …

Wie eine Traumwandlerin …

Den Blick starr auf Harst gerichtet …

Kümmerte sich nicht um Sir Godwin …

Harald erhob sich …

Sagte mild: „Sie brauchen meine Hilfe, Miß Simpson? Sie wußten, daß ich hier im Klub war …“

Sie stand still …

„Mein … Onkel … ist … ermordet worden …“ – und sie sprach es wie auswendig gelernt … „Im Garten … Erschossen … Von … von John Gollipp … Und John Gollipp … hat sich selbst … gestellt … Aber … aber … ich glaube es nicht … Dabei muß … etwas Rätselhaftes mitspielen … John Gollipp … ist … ein Ehrenmann …“

Ein Wunder, daß wir drei Herren nun wie entgeistert Miß Nelly anstierten?! – Nein – was in dieser letzten Stunde geschehen, war zu viel gewesen …

Daß wir Nelly Simpson auf diese Weise kennenlernen würden, hätten wir niemals geahnt … –

Wir fuhren nach der Badramar-Street – zum toten Robert Simpson. Es war jetzt genau Mitternacht.

 

2. Kapitel.

Das Testament.

Im Auto wurde kein Wort gesprochen. Der geschlossene Kraftwagen jagte durch die nächtlich stillen Straßen mit der Eile eines von Furcht gehetzten Tieres.

Miß Nelly lehnte in ihrem bunten Kimono wie eine Tote in der einen Polsterecke. Sie hatte offenbar bereits zu Bett gehen wollen, hatte dann in aller Hast nur den Kimono übergeworfen. – Mir gingen mancherlei Gedanken durch den Kopf. Es war kaum mehr anzuzweifeln, daß Nelly diesen John Gollipp liebte, vielleicht um so leidenschaftlicher, weil er sie nicht beachtete. Und wenn sie sich in so auffallender Weise von anderen hatte den Hof machen lassen, so gab es hierfür nur eine Erklärung: sie hatte sich ablenken wollen, hatte sich zerstreuen und ihre Enttäuschung über John Gollipps Kälte vergessen wollen! –

Das Auto hielt – nicht vor dem dicht an der Straße stehenden villenartigen Hause, sondern zehn Meter vorher, wo die Gartenmauer einen portalähnlichen Eingang besaß, der in Form eines nach der Straße zu offenen Pavillons gebaut war.

Zwei Beamte der Detektivabteilung erwarteten uns hier und erstatteten nun Sir Codanoor Meldung. Sie waren über die Vorgänge gut unterrichtet, und die Anordnungen, die sie getroffen hatten, um den Tatort abzusperren, ließen hoffen, daß wir aus den Spuren ein Bild von den Vorgängen gewinnen könnten.

Robert Simpson war nach der übereinstimmenden Aussage mehrerer Diener gegen ein Viertel zwölf aus seinem Arbeitszimmer in den Park gegangen, was er stets zu tun pflegte, bevor er sich zu Bett legte. Es war seine Gewohnheit, diesen Spaziergang in leichtester Bekleidung – nur in Beinkleidern, Sandalen und Seidenhemd – zu unternehmen. Er begab sich stets bis zu dem im Ostwinkel des Gartens gelegenen Turnplatz, wo er am Reck noch ein paar Übungen machte, dann seine Kleider abwarf und unter den Sprühregen eines nahen Springbrunnens trat.

Simpsons Kammerdiener, ein älterer treuer Inder, hatte dann zehn Minuten später durch die offenen Fenster des Herrenzimmer, wo er auf dem Schreibtisch etwas Ordnung schaffte, im Garten einen Schuß gehört. Er lief sofort nach dem Turnplatz und fand hier unter dem Reck seinen Herrn bewegungslos liegen, während drei Schritte weiter auf einer weißen Holzbank völlig zusammengesunken John Gollipp saß, der wie ein Irrer stets dasselbe vor sich hin murmelte: „Ich habe ihn erschossen … Ich habe ihn erschossen …“

Der Diener eilte zum Hause zurück und telephonierte an die Polizei, die denn auch in kürzester Zeit eintraf. John Gollipp saß noch immer auf derselben Bank und ließ sich ohne weiteres verhaften. Zu seinen Füßen hatte eine moderne kleine Mehrladepistole gelegen, aus der ein Schuß abgefeuert war. Sechs Patronen steckten noch im Laderahmen.

Detektivinspektor Collins, den wir ebenfalls von früher her kannten, hatte den Tatort dann im weiten Umkreis absperren lassen und auf unser Erscheinen gewartet. John Gollipp wurde in einem nahen Gartenpavillon bewacht.

Sir Godwin Codanoor bat Harald jetzt, ganz nach Gutdünken zu handeln …

„Sie, lieber Harst, sind in derlei Dingen Spezialist … Wir tun, was Sie wünschen.“

„Dann bitte ich, daß der Tatort bis Tagesanbruch unberührt bleibt, auch die Leiche … Daß Simpson tot ist, hat Collins bereits festgestellt. Ein Schuß in die Schläfe ist ja nur in den allerseltensten Fällen nicht absolut tödlich. – Befragen wir jetzt John Gollipp …“ –

Der kleine Pavillon mit seinen vier bunten Fenstern war innen durch zwei Laternen erleuchtet. Vor der Tür standen drei Beamte. Gollipp saß in einem der Korbsessel, den Kopf auf die Brust gelehnt, mit geschlossenen Augen. Als wir vier – Harst, Codanoor, Collins und ich – eintraten, nahm er davon keinerlei Notiz.

Harald rief ihn an …

„Mr. Gollipp …!!“

Der junge Kaufmann, ein sehr kräftiger, schlanker Mann von vielleicht achtundzwanzig Jahren, mit bartlosen, recht scharfen Zügen, öffnete müde die Augen und hob etwas den Kopf.

Diese Augen schauten Harst wie verträumt an.

Ich war überrascht. Ich hatte mir den Gesichtsausdruck dieses Mörders anders vorgestellt …

Bevor Harald noch etwas sagen konnte, flüsterte Gollipp ganz geistesabwesend:

„Ich leugne nichts … Ich habe ihn erschossen … Er hatte mich heute vormittag im Geschäft schwer beleidigt … Heute abend packte mich eine unsinnige Wut … Ich schlich hier in den Park und habe ihm aufgelauert … Es kam zum Streit zwischen uns … Er wollte mich schlagen … Wir rangen miteinander … Die Pistole entlud sich … dicht an Mister Simpsons Schläfe … Ich habe ihn erschossen und bin doch unschuldig …“

Dieses Geständnis machte auf uns einen ganz merkwürdigen Eindruck …

Wir schauten uns kopfschüttelnd an …

Gollipp hatte die Augen schon wieder geschlossen …

Harald winkte uns …

Wir traten leise hinaus, standen auf der Treppe …

„Der Mann ist ein perfekter Komödiant,“ sagte Harst achselzuckend. „Lassen Sie ihn ins Polizeigefängnis bringen und ständig überwachen, damit er nicht etwa Selbstmord verübt …“

Codanoor kannte Harsts Eigentümlichkeiten. Man ließ uns beide allein. Gollipp wurde gefesselt weggeführt. Er ging schwankend wie ein Trunkener.

Die beiden Karbidlaternen löschte Harald jetzt aus …

„Wie denkst Du über all das?“ fragte er und setzte sich.

Ich nahm dicht neben ihm Platz. Um uns lastete die Dämmerung der Tropennacht und eine Überfülle dunkler Geheimnisse. Die Pavillontür stand weit offen. Wir sahen draußen ein Stück Rasenfläche und wunderhübsche Zierbeete. Duftwellen der nachts ihre Wohlgerüche ausatmenden Pflanzen umschmeichelten uns. Durch die Bäume und Büsche schimmerten die Lichter der Fenster des Hauses …

Auf Haralds Frage schwieg ich zunächst. Ich wollte vorsichtig sein. Ich hegte einen bestimmten Verdacht, der mir aber doch zu abenteuerlich erschien …

Harst hatte jetzt eine Mirakulum angezündet …

„Du denkst an Doktor Edward Wallace, mein Alter …“

„Ja …“

„Das ist verkehrt … Man soll sich auf nichts festbeißen, ohne Beweise zu haben …“

„Es gibt hier mehrere Vorfälle, Harald … Erstens die Selbstmorde der drei Verehrer Nellys, dann des Majors Selbstmord und die Billardpartie, schließlich diesen Mord hier …“

„Nein – es gibt nur ein Geschehen,“ erwiderte er leise und sinnend. „All das hängt miteinander zusammen … All das sind Strahlen, die von einem Mittelpunkt ausgehen: von Nelly Simpson!“

„Das wohl …! Aber …“

„Kein Aber … Laß es nur hell werden. Ich sage Dir: wir werden auf dem Turnplatz etwas finden – unbedingt … – Und jetzt wollen wir ausruhen. Ich fürchte, es gibt schwere Tage für uns …“

Er setzte sich bequemer …

Schlafen?! Für mich unmöglich! Auch Harald schlief nicht. Nein, er rauchte bald die fünfte Mirakulum – wie ein Automat …

Ich sah nicht viel von ihm … Beobachtete ihn trotzdem … Ich hätte so gern Gedankenleser sein mögen … Ob[1] er wirklich Wallace mit diesen spürenden Gedanken nicht umgarnte?!

Ich hatte Zeit genug, mir all die Einzelheiten dieser Massentragödie, die hier ein Weib verschuldet hatte ohne Absicht, genau zu sichten. Doktor Wallaces Spinnenfinger und das dünne scheußliche Lächeln kamen mir nicht aus dem Sinn. Und wenn ich mir den seltsamen Zustand John Gollipps vorstellte, dann – – blieb nur eine Erklärung: Gollipp hatte in Hypnose gemordet! Es mußte so sein …! Was Codanoor über Gollipp uns mitgeteilt, war ja geradezu ein Lobgesang auf einen tadellosen Charakter gewesen. Gollipp lebte mit seiner Mutter zusammen, war der zärtlichste Sohn, war überall beliebt, trieb nur Sport, hatte sonst keine Leidenschaften. An den Streit mit Simpson im Geschäft glaubte ich nicht … –

Draußen lichtete sich der Himmel. Der Glanz der Sterne erlosch …

Und da – da erst gewahrte ich, daß Harald nun wirklich schlief – ganz fest schlief, sogar zuweilen rasselnde Schnarchtöne ausstieß …

Ja – Nerven kannte er kaum … Die meinigen waren weniger taktfest … Ich sah immer Nelly Simpson vor mir – eine lockende Geisha …

Die Morgendämmerung verscheuchte die Schatten der Nacht. Das Zwielicht mit seiner farblosen kalten Helle lugte durch die Bäume … Auf der Treppe tauchte Sir Codanoor auf … Hinter ihm Collins. Ich weckte Harst.

Wir gingen zum Turnplatz.

Am Rande des mit seinem weißen Zierkies bestreuten Platzes blieb Harald stehen …

„Ich werde allein mir den Toten ansehen …“

Der lag noch unter dem Reck – halb auf der Seite …

Ich sah das gelb verfärbte Totengesicht … Die hagere, sehnige Gestalt …

Fünfzig Jahre war Robert Simpson geworden … Er hätte noch dreißig Jahre leben können, wie Codanoor betont hatte.

Harst lehnte sich an den einen Balken des Recks und ließ die Blicke über den Platz schweifen. Der Zierkies zeigte zahllose Eindrücke, aber Spuren konnte man das nicht nennen. Kies verwischt jede Fährte.

So vergingen fünf Minuten.

Codanoor wurde ungeduldig.

Da kam Harald zu uns zurück, sagte:

„Ich bitte Sie, Mr. Collins, nach dem Testament Simpsons zu suchen, aber ganz unauffällig. Ich möchte betonen, daß wir diese Dinge nie aufklären werden, wenn Sie nicht absolut verschwiegen sind.“

Er schaute Sir Godwin an …

„Jedes Wort, jede Andeutung über das, was geheim bleiben muß, entfernt uns von dem Ziel, macht den Erfolg fraglich. Ich will Ihnen nicht verschweigen, daß ich John Gollipp für vollkommen schuldlos halte. Er hat diesen Mord nie begangen.“

Inspektor Collins, ein kleiner korpulenter Herr von quecksilbriger Beweglichkeit, lächelte etwas selbstbewußt …

„Daß Gollipp hypnotisiert worden ist und in Hypnose, also auf Befehl eines anderen, den Mord beging, habe ich mir auch schon gedacht, Mr. Harst …“

Harald nickte. „Der Gedanke lag nahe, ist aber trotzdem irrig … Eine hypnotische Beeinflussung bis zum Morde ist einwandfrei nur in ganz wenigen Fällen festgestellt …“

Codanoor rief kopfschüttelnd:

„So hat jemand anders Simpson erschossen …?!“

„Bestimmt!“

Sir Godwin flüsterte jetzt:

„Lieber Harst, dann … war es Wallace …! Unbedingt Wallace! Ich habe diese Nachtstunden dazu benutzt, allerlei Erkundigungen einzuziehen. Wallace hat um Nelly bei Simpson angehalten. Der lachte ihn aus. Wallace ist über vierzig … Simpson soll ihm zugerufen haben: „Dann könnte auch ich meine Nichte heiraten …! Ein Mann von vierzig und ein Mädchen von neunzehn – das ist ein Unding!“ – Ein Diener hat diese Worte gehört … Ich habe denn auch Wallace … ein paar Beobachter gegeben … Er wird keinen Schritt mehr unbewacht tun …“

Harald senkte etwas den Kopf …

„Schade, Sir Codanoor …! Sehr schade! Glauben Sie, Wallace wird diese Spionage nicht merken?! – Ganz bestimmt merkt er es … Und er wird sich danach richten … – Mr. Collins, vielleicht suchen Sie nun das Testament …“

Eine ungemütliche Stimmung hatten diese vorwurfsvollen Sätze Haralds erzeugt. Codanoor blickte ärgerlich zur Seite. Collins zögerte und fragte seinen Chef:

„Sir, Sie sind einverstanden?“

„Ja … Gehen Sie …!“

Kaum war Collins ein Stück den Weg hinabgeeilt, als vom Hause her Nelly Simpson ihm entgegenkam …

Sie hatte ein dunkles schlichtes Leinenkleid an … Ihre Augen waren tief umschattet …

Schon von weitem rief sie:

„Ein Einbruch – – ein Diebstahl … Das Wandfach im Schlafzimmer meines Onkels ist geleert – erbrochen … Soeben erst ist’s bemerkt worden …“

Dicht vor uns machte sie halt …

Ihre Augen glitten zur Seite … Sie sah den Toten, verfärbte sich und brach in Tränen aus.

Sir Godwin führte sie hinter einen Busch, wir beide folgten …

Als sie sich etwas beruhigt hatte, fragte Harald:

„Befand sich das Testament in dem Wandfach, Miß Simpson?“

„Ja – und Schmucksachen und Geld … Alles ist gestohlen, Mr. Harst …“

„War das Testament von einem Notar aufgesetzt worden?“

„Nein … es war ein eigenhändiges … Niemand hat es gelesen … Onkel zeigte es nur mir und seinem Kammerdiener und sagte dabei, als er es versiegelte: „Ich habe dafür gesorgt, Nelly, daß Du arm bleibst … Du sollst Deiner selbst wegen geheiratet werden …““

„Und ohne das Testament wären Sie die einzige Erbin, Miß Simpson?“

„Ja – – leider …!“ – Ihre schönen Augen füllten sich schon wieder mit Tränen …

Mit einem Male erschien da um die Biegung des Parkweges der Kammerdiener Simpsons, mit einem Brief in der Hand …

Verneigte sich vor Nelly …

„Dies hier hat soeben ein zerlumpter Knabe abgegeben …“

Nelly las die Aufschrift: Schreibmaschine …

Miß Nelly Simpson.

Eilt!

Und riß den Umschlag, ein gewöhnliches großes Geschäftskuvert, auf …

In dem Umschlag lag ein dreimal gefalteter Bogen …

Es war … das eigenhändige Testament Robert Simpsons …!

 

3. Kapitel.

Kampf gegen Wallace.

Mit Schreibmaschine war jedoch unter den handschriftlichen Text noch geschrieben:

„Für mich wertlos. Daher zurück.“

Der Inhalt der Urkunde, deren Echtheit nicht anzuzweifeln war, bewies, daß Robert Simpson nur vor der Welt seine Nichte enterbt hatte. – Es hieß da:

„Ich will nicht, daß Nelly das Opfer eines gewissenlosen Mitgiftjägers wird. Deshalb werde ich das Gerücht verbreiten, ich hätte mein Vermögen, das ich auf drei Millionen schätze, anderweit vermacht …“

Minutenlang herrschte Totenstille … Keiner regte sich … Nelly schluchzte leise …

Bis Harald den Diener wegschickte und sehr energisch sagte:

„Wir müssen die Dinge in die richtige Bahn leiten … Miß Simpson, was verbindet Sie mit John Gollipp …?“

Nelly errötete. War aber tapfer und ehrlich. „Ich liebe ihn, Mr. Harst …“

„Und er?“

„Ich … ich weiß nicht, was er gegen mich hat …“

„Es ist richtig, daß Doktor Wallace Ihnen einen Antrag gemacht hat und auch mit Ihrem Onkel sprach?“

„Ja … Ich wies ihn ab … Er ist mir nicht gerade unsympathisch … Er ist ein so tüchtiger Arzt … Er behandelt mich. Mein Herz ist nicht ganz in Ordnung … Ich leide an Ohnmachtsanfällen …“

„War Wallace auch der Arzt Ihres Onkels?“

„Ja … seit Jahren …“

„Seit wann sind Sie Herzkrank?“

Sie sann nach. „Vielleicht seit vier Monaten … Das Leiden stellte sich ganz plötzlich ein, soll aber nur nervöser Natur sein …“

„Entschuldigen Sie, Miß Simpson: noch ein paar indiskretere Fragen … Sie wissen, daß drei Ihrer Bewerber Selbstmord verübten … Haben Sie diese drei irgendwie bevorzugt – auch den Major Collerlund?“

Nelly weinte … Weinte …

„Ja … ja …! Ich tat’s nur aus … aus Verzweiflung …“

„Weil John Gollipp Sie übersah?“

Sie nickte …

„Dann …“ sagte Harst und holte tief Atem … „dann werden wir jetzt Doktor Wallace besuchen, Sir Codanoor …“

„Also doch!“ triumphierte Collins …

Harald warf ihm einen eigentümlichen Blick zu … meinte:

„Sie, Mr. Collins, könnten John Gollipp zu Wallace bringen … Aber ohne jedes Aufsehen …“ –

Sir Godwins Dienstauto führte uns in wenigen Minuten nach der Temsar-Street, die auf den Hugli-Fluß mündet. Wallaces aus Holz gebauter Bungalow lag auf dem Gelände des früheren sogenannten Jesuitenfriedhofs. Die Westmauer dieses uralten, jetzt in einen Park umgewandelten Grundstücks stieß an den Hugli. Der Eingang befand sich in der Temsar-Street, gegenüber einem Zollgebäude.

Sir Godwin und wir beide mußten an der Pforte lange warten, bevor ein verschlafener Diener erschien und uns erklärte, Doktor Wallace sei mit seinem Auto unterwegs … auf Praxis … Vor zwei Stunden sei er telephonisch nach der Plantage Jessar zu Mistreß Gocknar gerufen worden, die wieder einen Malariaanfall habe … Der Doktor müsse jedoch sehr bald zurückkehren … Wenn die Herren also nähertreten wollten …

Dieser tadellos geschulte Diener war kein Inder, sondern ganz offenbar ein Malaie. Auf den Wangen hatte er kaum sichtbare Tätowierungen, die jedoch dazu beitrugen, dieses perfide Gesicht noch widerwärtiger zu machen.

„Bleiben wir,“ bestimmte Harald …

Gollipp war nicht gefesselt. Er machte jetzt einen ganz anderen Eindruck als nachts. Seine grauen Augen blickten lebhaft, und die Art, wie er uns grüßte, bewies ein gutes Gewissen.

Wir schritten hinter dem Diener drein. Gollipp ging zwischen Harst und mir.

Ich schaute mich hier interessiert um. Sir Codanoor hatte uns erzählt, daß Doktor Wallace am nächsten Abend ein Gartenfest veranstalte, zu dem die Einladungen schon vor einer Woche ergangen seien. Es sollte ein Maskenfest werden, und nach Codanoors Behauptung war alles an Europäern dazu gebeten, was in Kalkutta und Umgebung zur ersten Gesellschaft gehörte.

Harald fragte denn auch John Gollipp in höflichstem Tone:

„Mr. Gollipp, Doktor Wallace ist wohl sehr begütert?“

„Ich nehme es an, Mr. Harst … Er hat die größte Praxis in der Stadt … Dabei ist er ein Wohltäter der Armen. Seine Honorarforderungen sind bescheiden …“

„Sie waren bei ihm in Behandlung?“

„Ja – vor einem Monat … Ich hatte eine Sehnenzerrung am linken Fuß …“

„Sie kennen ihn also genauer?“

„Gewiß, Mr. Harst … Er behandelt auch meine Mutter … Sie ist seit Jahren gelähmt …“

Wir hatten den weißen schmucken Bungalow erreicht. Das Haus besaß die übliche offene Veranda, die sich rund um das Gebäude herumzog …

Der Diener mit der Gaunervisage bat uns, auf der Veranda Platz zu nehmen … Korbmöbel standen hier überall zwanglos verteilt. Unter dem Glasdach drehten sich jene großen Ventilatoren, die im Verein mit der ständigen Berieselung der Glasdächer angenehme Kühle verbreiten.

Wir setzten uns. John Gollipp benahm sich vollkommen zwanglos, trotzdem bescheiden … Codanoor winkte ihm. Er sagte freundlich: „Bitte – dort in den Sessel, Mr. Gollipp …“

Wir fünf waren jetzt allein. Der Diener hatte sich zurückgezogen …

Harst gähnte verstohlen. Collins machte ein mißvergnügtes Gesicht. Sir Codanoor schaute in den Park hinab und fragte dann Gollipp plötzlich:

„Waren Sie ebenfalls zu dem Maskenfest eingeladen?“

„Ja … Ich hatte aber abgesagt …“

„Weshalb?“

„Weil … weil … ich mit Miß Simpson nicht gern zusammentreffe …“

Codanoor blickte ihn fragend an …

Dann beugte sich Harald etwas im Sessel vor …

„Mr. Gollipp, Sie bleiben also dabei, Simpson erschossen zu haben?“

„Ja …“

„Und Sie wollten ihn töten? – Sie hatten ja Ihre Pistole mitgenommen …“

John Gollipp wurde unsicher. Ein nachdenklicher Zug trat in sein Gesicht …

Er senkte den Kopf in einer geradezu hilflosen Art … Und erwiderte seltsam zerstreut: „Ich weiß nicht recht … Ich … ich weiß eigentlich gar nicht, wie ich so plötzlich in Simpsons Garten gekommen bin … Aber … Sie werden mir das alles ja nicht glauben … Als der Schuß fiel, war’s, als ob ich plötzlich erwachte …“

Harald nickte …

Und da – von der Straße her Signale einer schrillen Hupe … Der Diener mit dem perfiden Gesicht lief zum Parktor …

Gleich darauf kam Doktor Edward Wallace den Hauptweg entlang … Grüßte … Stand vor uns …

„Guten Morgen, meine Herren … Ah – auch Sie, Gollipp …! Ich habe von Ihrem Pech schon gehört … – Sir Codanoor, ich biete jede Bürgschaft für meinen jungen Freund … Gollipp mordet nicht … Ein so guter Sohn wie er hat …“

Harst unterbrach ihn … „Verzeihung, Mr. Wallace, Sir Codanoor hat mir diesen Fall übertragen … Wir kommen zu Ihnen, um Sie zu fragen, ob Sie als Arzt es für möglich halten, daß Gollipp durch Suggestion gezwungen wurde, in der verflossenen Nacht Simpsons Park zu betreten … Das heißt, Sie sollen Gollipp hypnotisieren, falls dieser eben für Suggestion empfänglich ist …“

Wir standen im Halbkreis … In der Mitte Wallace … Es war taghell … Des Doktors hageres Gesicht veränderte sich auch nicht die Spur, als Harst dies Verlangen stellte …

Nein – er lächelte nur wieder …

Genau so wie gestern abend im Billardsaal …

Er trug einen Kneifer ohne Fassung … Und die Augen hinter den blanken Gläsern schienen mir höhnisch mitzulächeln …

„Gewiß – versuchen wir es, Mr. Harst …“ sagte er kühl. „Allerdings muß Gollipp mir versprechen, meinem Willen nicht absichtlich Widerstand zu leisten … Gehen wir in mein Sprechzimmer …“ –

Nun – ich will mich hier mit Einzelheiten nicht aufhalten, denn es gibt noch übergenug zu berichten …

Man denke sich meine Verblüffung: Gollipp war im Nu in tiefster Hypnose. Wallace hob ihm die Arme empor und sie blieben in den unmöglichsten Verrenkungen wie gelähmt in der Luft – wie im Nervenkrampf …

„Gollipp ist fraglos heute nicht zum ersten Male hypnotisiert worden,“ sagte Wallace leicht erregt zu uns. „Ich ahne jetzt ungefähr, was geschehen … Sie haben sich hier bei mir an die richtige Adresse gewandt, Mr. Harst … Geben Sie acht …“

Und er wandte sich Gollipp wieder zu …

„John Gollipp, ich befehle Ihnen, mir zu sagen, wer Sie schon des öfteren gegen Ihren Willen, ohne daß Sie es ahnten, hypnotisiert hat …“

Und laut und bestimmt erwiderte Gollipp:

„Major Harry Collerlund …!“

„Und – hat er Sie in Simpsons Park geschickt?“

„Ja …“

Wir anderen waren wie entgeistert … Selbst Harald rief halblaut: „Unglaublich …!“

Als Wallace nun aber noch weitere Fragen an Gollipp richtete, blieb jede Antwort aus.

Der Doktor zuckte die Achseln …

„Mein Einfluß versagt … Ich werde ihn wecken …“

Gollipp erwachte denn auch sofort …

Harald meinte, wir müßten ihm nun erst einmal Ruhe gönnen … Vorläufig solle man ihn in Haft behalten …

„Ich selbst, Sir Codanoor, bin zu müde, um jetzt noch etwas zu unternehmen … Ich will bis mittag schlafen … Ich finde mich dann mit Schraut bei Ihnen ein …“

Wir verabschiedeten uns von Wallace … Und als der Doktor Harald die Hand drückte, hatte er wieder das dünne Lächeln um die schmalen Lippen … –

Codanoor und wir beide benutzten das eine Auto und fuhren zum King-Edward-Hotel, wo wir wohnten …

Unterwegs erklärte Harald unvermittelt:

„Das war natürlich in gewisser Weise Schwindel, Sir Codanoor … Edward Wallace hat Gollipp in der Hypnose schon vorher einmal diese Antworten anbefohlen … Wenn ich „Unglaublich!“ rief, so galt das nur der Geriebenheit dieses Schurken …“

Sir Codanoor starrte Harst sprachlos an …

„Geben Sie mir noch achtundvierzig Stunden,“ fügte Harald hinzu, „und ich werde den größten Verbrecher Kalkuttas entlarven, Sir Codanoor … Und – schweigen Sie …!“ –

Um halb eins waren wir bei Sir Codanoor im Polizeipalast.

Inzwischen war Simpsons Leiche obduziert worden. Das im Schädel gefundene Geschoß paßte zu Gollipps Pistole.

Im Dienstzimmer Sir Codanoors wurde nun hinter den gepolsterten Türen Kriegsrat gehalten. Auch Inspektor Collins war dabei.

Harald behauptete, daß Doktor Wallace nicht nur den Major Collerlund, sondern auch Nellys andere drei Bewerber und ihren Onkel auf dem Gewissen habe. Er deckte jetzt also seine Karten auf.

Sir Godwin schwieg. Collins hob die Schultern bis zu den Ohren … sagte: „Zunächst: weshalb diese vier Morde, Mr. Harst, die an Nellys Verehrern?! Es fehlt jedes Motiv. Nelly hat die vier doch nicht derart bevorzugt, daß Wallace fürchten mußte, sie könnten ihm das Mädchen wegschnappen!! Und dann … Simpson?! Weshalb mußte Simpson sterben?!“

„Das alles werde ich Ihnen binnen achtundvierzig Stunden erklären,“ meinte Harst mit unerschütterlicher Ruhe. „Wallace hat in allen vier Fällen nach derselben Methode gearbeitet: Hypnose! – Ich möchte nun bitten, daß Sie beide, meine Herren, mir insofern behilflich sind, als Sie Schraut und mir Verkleidungen besorgen … Mein Freund und ich wollen verschwinden – auch von hier aus dem Polizeipalast – – unerkannt …“ – Pause … „Wir werden nämlich beobachtet … Vor unserem Hotel lungerten zwei Inder herum … – Ja, mein Alter … Es ist so … Es sind Wallaces Kreaturen … Der Diener mit dem Mephistogesicht war auch dabei … – Ich bitte Sie also, zwei von Ihren europäischen Beamten mit blonden Bärten zu versehen, in unsere Anzüge zu stecken und zum Haupteingang hinauszulassen … Wenn ich dann von einem Fenster aus gesehen habe, daß die Spione diesen Pseudo-Harst und -Schraut folgen, werden die echten Harst und Schraut als schlichte indische Kulis andere Wege wandeln …“

Codanoor und der Inspektor waren zunächst platt. Dann lachten sie vergnügt, und die feine Komödie wurde vorbereitet. Unsere Stellvertreter erhielten Befehl, mit einem Mietwagen nach der Vorstadt Howrah zu fahren und dort bis zum Abend zu bleiben und nachher zu verschwinden …

Alles klappte …

Um zwei Uhr nachmittags verdufteten auch wir …

Wohin?

Der Leser wird es kaum ahnen …

 

4. Kapitel.

Tierstudien.

Ich wußte es ja selbst nicht … Ich trottete neben Harald her durch enge Seitenstraßen, durch Vorstädte, in denen Armut, Laster und Verbrechen genau so zusammengepfercht waren wie anderswo in Weltstädten …

Bis wir schließlich die Felder vor uns hatten, das flache Land mit seinen Gehöften, seinen Wassergräben, den Reisfeldern, den Gummibaumplantagen …

Auf staubiger Straße immer weiter gen Nordost, wo in der Ferne bewaldete Hügel winkten …

Dann nach einer guten Stunde – er liebt diese Vulkanausbrüche – sagte er:

„Lieber Alter, Robert Simpson lebt …!“

Ich stand still … Mir schien jemand mit einem Brett vor die Stirn geschlagen zu haben …

„Komm’ nur, mein Alter … Es ist schon so … Der Tote, der Ermordete ist nicht Simpson …“ – Und er zog mich weiter …

„Miß Nelly hat mir in der Nacht erzählt, daß Wallace ihren Onkel einmal wegen eines schweren Karbunkels[2] im Genick behandelt und dieses geschnitten hat … Solche Schnitte hinterlassen Narben. Der Tote hatte im Genick völlig unverletzte Haut …“

Ich war noch immer wie versteinert …

„Ja – – aber … aber der Tote muß doch dann Robert Simpson sehr ähnlich gesehen haben,“ wagte ich einzuwenden …

„Natürlich … – Als Du noch schliefst, habe ich Miß Nelly telephonisch angerufen und sie ganz unauffällig ausgehorcht, sie auch um Verschwiegenheit gebeten. Robert Simpson hat einen Bruder namens Percy, einen Zwillingsbruder, ein ganz übles Subjekt. Percy ist seit Jahren verschollen …“

„Ah – – allerdings …“

„Und wenn nun Doktor Wallace diesen Percy für seine Zwecke benutzt hat, so …“

Er brach jäh ab … machte halt …

Rechts von uns am Waldesrande lag ein großes Gebäude – das Wohnhaus einer Gummibaumplantage … Wir standen gerade auf einem Hügel … Von dem Hause führte ein Weg auf die Straße zu, auf der wir uns befanden … Ein Auto kam den Weg entlang …

„Rasch – – in das Feld …! So tun, als ob wir arbeiten,“ rief Harald …

Und die beiden braunen Gesellen spielten denn auch tadellos Komödie …

Das Auto rollte vorüber …

Trotz Autobrille und Staubmantel erkannte ich Doktor Edward Wallace …

Und da – ging mir ein Licht auf …

„Harald, das da drüben ist die Jessar-Plantage der Mistreß Gocknar …“

„Stimmt, mein Alter … Dieselbe Plantage, wo vielleicht der echte Robert Simpson gefangen gehalten wird, wohin Wallace ihn vielleicht in der Nacht hinausgeschafft hat, denn Frau Gocknar soll des Doktors intimste Freundin sein, eine ältere Witwe, über die mir unser Hoteldirektor so allerlei erzählte …“

Tropfenweise erhielt ich so die Neuigkeiten wieder verzapft …

Immerhin: Haralds geistige Regsamkeit mußte ich anerkennen … Er hatte das geschnittene Karbunkel tadellos ausgeschlachtet: Schnittnarben – falscher Simpson – echter Simpson weggebracht – Plantage Jessar … – eine Kette mit tadellosen Gliedern! –

Das Gebäude der Plantage war der übliche Holzbau mit Steinfundament. Die Entfernung bis zum Walde beitrug etwa hundert Meter. – Wir waren auf einem Fußpfad in diese Wildnis eingedrungen. Wir wollten einen Baum erklimmen und bis zum Abend die Plantage beobachten.

Es kam anders …

Der Pfad kreuzte einen anderen, der breiter und ausgetretener war. Und dieser zweite lief schnurgerade auf die Hofgebäude der Plantage zu … Von dorther nahte ein uralter Inder, der eine Ziege am Strick hinter sich herzog …

Plötzlich drehte er sich um … Hinter dem einen Stall war eine hagere grauhaarige Frau im weißen Leinenkleid aufgetaucht, rief dem Greise etwas zu, verschwand wieder …

„Frau Gocknar …“ flüsterte Harst … „Hinein in die Büsche …! Lassen wir den Alten vorüber …“

Der Greis humpelte vorbei …

Und – wir blieben hinter ihm …

Der Waldpfad wurde immer schmaler … Einzelne Lichtungen öffneten sich, einzelne Tümpel glänzten … Dann stieg der Boden an, wurde steinig … Felsen traten hervor … Mitten darin ein Haufen Felsen, gekrönt von einem eigenartigen Bauwerk, einem Hindutempel kleinster Abmessungen …

Dort, wo die Felsblöcke gar zu breite Spalten oben bildeten, waren Steinplatten gleichsam als Fundament darüber gelegt … Man konnte also stellenweise unter dem Tempel durch die Steinblöcke hindurchsehen, dessen Front nach Süden zeigte. Vier kleine Marmorsäulen erkannte ich, dahinter einen Türbogen, an jeder Seite bunt bemalte Brahmastatuen. Das Kuppeldach war mit Kupfer belegt und grünschwarz patiniert. Eine Steintreppe mit gut dreißig Stufen führte nach oben. Diese Treppe ging der Alte jetzt empor … Die Ziege hatte er irgendwo unten zwischen den Steinstützen untergebracht. Wahrscheinlich gab es dort einen Stall oder dergleichen.

Harst umrundete die Blöße, bis wir an einen Gebüschstreifen kamen, der sich bis zu den Felsblöcken hinzog.

„Wir wollen dem Alten mal ein wenig auf den Zahn fühlen,“ sagte er. „Ich glaube fast, daß der Kerl die Ziege von Frau Gocknar geschenkt bekommen hat. Sie sträubte sich so sehr, den Waldweg entlangzugehen. Der Greis ist ihr fremd. Man merkte das …“

Ja – jetzt, wo Harald mich mit der Nase auf diese Kleinigkeiten stieß, erinnerte ich mich an mancherlei, was seine Behauptung stützte. Es stimmte schon: die Ziege hatte den Greis nicht gekannt!

„Und solch ein Geschenk, mein Alter,“ fügte Harst hinzu, „kann immerhin der Dank oder die Bezahlung für eine besondere Leistung oder für … Stillschweigen sein …!“

Nun – ich war plötzlich hellhörig geworden …

„Du meinst, Simpson wird hier verborgen gehalten?“

„Möglich ist es schon … Gäbe es einen besseren Platz?! – Vorwärts nun – auf allen Vieren …“

Wir kamen denn auch, durch die Büsche gedeckt, bis nahe an die Felsblöcke heran.

Es waren im ganzen acht, kleinere und größere, besser dünnere und dickere, aber alle so ziemlich von derselben Höhe … Sie nahmen einen Flächenraum von etwa neunzig Quadratmeter ein, und oben ruhte auf ihnen der kleine Hindutempel. Unten aber war die Lücke zwischen ihnen zum Teil zwei bis drei Meter breit. Unkraut wucherte dort und es war ratsam, einen Knüttel mitzunehmen, denn leider gibt es in ganz Indien noch heute Giftschlangen im Überfluß.

Harst erhob sich … Wir drangen in die Felsen ein, fanden mitten darin aus Steinen und Lehm eine kleine Hürde aufgemauert, in der … die Ziege unruhig hin und her trat, den Kopf hochreckte, leise meckerte, den Kopf wieder senkte und das Schwänzchen spielen ließ …

Als sie uns gewahrte, meckerte sie lebhafter, kam an die Holztür der Hürde heran und scheuerte sich den Hals …

Der Steinboden der Hürde war dicht mit frisch abgerauftem Gras bedeckt. In einer Ecke standen ein Trog und ein Wassereimer.

Harald streichelte das Tier …

Mit einem Male sprang sie jedoch zurück, als ob irgend etwas sie erschreckt hätte …

„Hörtest Du?!“ flüsterte Harst …

Ich hatte nichts gehört …

Da war er schon in der Hürde, schob mit dem rechten Fuß das Gras zur Seite …

Schmutzstarrendes Gestein … Nichts weiter …

Dann jedoch … vernahm auch ich etwas …

Harst stand mit vorgebeugtem Kopf …

Lauschend …

Die Ziege drängte sich an ihm vorüber und machte an der Rückwand der Hürde halt. Diese Rückwand wurde durch die breite Seite eines der Blöcke gebildet …

Hier schnupperte die Ziege, meckerte, sprang wieder zurück … Es war eine jener gelbbraunen halbwilden Bergziegen, wie sie aus den Hutia-Bergen nach überallhin als anspruchsloseste und gutmilchende Tiere exportiert werden.

Harald drehte sich nach mir um …

„Simpson …!“

Und er hob den Arm, tastete an dem Felsen entlang und … zog eine kleine Steintür auf …

Der Felsen war hohl …

Undeutlich erkannte ich in dem engen Raum auf einem Lager von zerrissenen Säcken eine menschliche Gestalt …

 

5. Kapitel.

Die drei stillen Gäste.

Als wir abends neun Uhr wieder als Harst und Schraut das vornehme King-Edward-Hotel betraten, überreichte uns der Portier zwei Briefe: Einladungen Doktor Edward Wallaces zum morgigen Maskenfest! – Er schrieb, er sei leider nicht mehr imstande, das Fest des Todes seiner lieben Bekannten Collerlund und Simpson wegen abzusagen … Er würde sich freuen, wenn er uns als Gäste morgen begrüßen dürfte … –

Der nächste Tag brachte bis zum Abend nichts Neues. Harald hatte Sir Godwin und Inspektor Collins vertröstet und sie gebeten, irgendwie ebenfalls bei Wallace zu erscheinen … Sie gehörten nicht zu den Geladenen. –

Um halb neun begannen wir mit der Toilette. Unsere Frackanzüge hatten wir frisch bügeln lassen und uns nur jeder einen Domino[3] besorgt.

Als wir im Auto nach Wallaces Bungalow fuhren, sagte Harst nur: „Genieße bei Wallace nichts – gar nichts! Rauche auch Deine eigenen Zigarren … Der Schuft will uns fraglos zu frühzeitiger Himmelfahrt verhelfen …“ –

Es mochten gegen zehn Uhr in dem glänzend erleuchteten Park etwa hundert Personen versammelt sein. Wir beide, Seidenmasken vor den Gesichtern, wurden kaum beachtet …

Als wir in der Nähe eines der reichlich und appetitlich besetzten Büffets standen, schlängelten sich zwei Herren in schreiend bunten Gigerlanzügen[4] an uns heran …

Ein verabredetes Erkennungswort fiel: es waren Codanoor und Collins …

Der Inspektor lachte unter seiner Maske …: „Über die Parkmauer sind wir gekommen …!“

Sir Godwin flüsterte: „Dieses Bild hier erinnert mich an Wallaces ersten Maskenball … vor vier Monaten … Das Fest fand damals so viel Anklang und Beifall, daß er es jetzt in ähnlicher Weise wiederholt … Aber die Stimmung der Gäste kommt mir heute reichlich flau vor …“

Harald fragte ebenso leise: „Haben Sie schon die geschmacklose Herrichtung der Vorhalle des Bungalows gesehen, Sir Codanoor? – Wir beide waren soeben dort … Wallace hat da auf einer Bank drei Skelette zur Schau gestellt – in Maskenkostümen …: eins als Türke, eins als Harlekin, das dritte in einer Ritterrüstung aus Pappe …“

Sir Godwin entfuhr ein verwundertes „Merkwürdig …!“

„Vielleicht ein … Hohn von Wallace, Sir Codanoor … Wissen Sie vielleicht, ob Malcolm, Longin und Lord Chesterbry, die drei Selbstmörder, den ersten Maskenball mitgemacht haben?“

An Stelle des Polizeichefs erwiderte Collins: „Ja – das stimmt … Und ich müßte mich sehr irren, wenn die drei nicht ausgerechnet diese Masken trugen: Türke, Harlekin, Ritter …!“ Er sann nach, fügte noch lebhafter hinzu: „Es ist so; jetzt erinnere ich mich genau … Der Lord war als Ritter erschienen, Longin als Türke und Malcolm als Harlekin …“

„Dann …“ sagte Harst gepreßt, „dann hat dieser Schuft mich durch diese Skelette verhöhnen wollen … Durch Skelette in der Tracht, die seine ersten drei Opfer damals anhatten … Jetzt, heute … inszeniert er einen Maskenball der Toten …!! Nun – wir werden ihm diesen Scherz … versalzen …!“

Er verließ uns, ging zu dem Podium einer der beiden Musikkapellen und holte sich einen Mann mit einer Trompete.

Der Trompeter blies ein Signal …

Alles strömt zusammen … Harst klettert auf einen Tisch … Nimmt die Maske ab, wirft den Domino bei Seite …

„Meine Damen und Herren …!“ Seine Stimme versteht jeder … „Meine Damen und Herren …! Sie gestatten, daß ich mich Ihnen vorstelle: Harald Harst …!“

Zurufe, Händeklatschen unterbrechen ihn …

„Meine Damen und Herren! Darf ich Sie zu einer Polonäse[5] auffordern … Darf ich Doktor Wallace bitten, diese Polonäse mit mir zu eröffnen …“

Ein Mönch drängt sich vor …

Harald reicht ihm den Arm …

Der Zug biegt nach dem Bungalow ab …

Die Musik bleibt auf der Treppe …

Und … vor den drei Skeletten im bunten Flitter macht Harald halt …

Die Musik bricht jäh ab …

Harst hat noch immer des Mönches Arm in dem seinen … Tritt nun etwas zur Seite …

Im Hintergrunde die Schar der Gäste … Alle Fröhlichkeit ebenso jäh erloschen wie soeben der schmetternde Marsch …

Man ahnt irgend etwas …

Man schaut mit stillem Grauen auf die Knochenmänner …

Harald deutet jetzt auf diese Skelette, sagt, jedes Wort betonend:

„Viele von Ihnen, meine Damen und Herren, werden sich auf Wallaces erstes Maskenfest besinnen, auch darauf, daß Malcolm, Longin und Chesterbry als Türke, Harlekin und Ritter erschienen waren … Die drei sind tot … Und doch hier …! Das, was unsterblich an ihnen, schwebt als Rächer über unsern Häuptern: Maskenball der Toten, der Opfer eines Schurken, den ich … nun entlarven werde …! – Die drei waren Spieler – genau wie Wallace ein Spieler ist, genau wie Major Collerlund spielte … Aber Wallace verstand seine Spielwut zu verheimlichen, spielte nur im engsten Kreise … genau wie Robert Simpson, von dem ich dies alles erfahren habe … Denn: Simpson lebt – Robert Simpson …! Ermordet wurde sein verkommener Zwillingsbruder Percy, dem … Doktor Wallace vorher genau dieselben Kleidungsstücke angezogen hatte, wie Robert Simpson sie trug …“

Die Gäste drängten näher heran …

Wallace stand regungslos … Die Maske noch vor dem Gesicht …

„Malcolm, Longin und Chesterbry mußten sterben, weil Wallace im Spiel ungeheure Summen an sie in unbar verloren hatte … Er hypnotisierte sie und befahl ihnen, Selbstmord zu begehen. Er ist ein Hypnotiseur von so unheimlicher Macht, wie ich noch keinen kennen gelernt habe … Ich war vorgestern Zeuge, wie er beim Billardspiel den Major Collerlund – auch Spielschulden wegen – hypnotisierte … Erst glaubte ich an eine Art amerikanischen Duells … Collerlund erschoß sich … – auf Wallaces hypnotischen Befehl … So tilgte der Mörder seine Spielschulden! Diese vier Morde hatten nichts mit Miß Nelly Simpson zu tun … Aber der fünfte, der an Percy Simpson, sollte Wallace den Weg zu einer Heirat mit Nelly ebnen … Er hatte als gefährlichsten Nebenbuhler John Gollipp zu fürchten. Den wollte er dadurch vor Nelly unmöglich machen, daß er ihn den Mord an Percy Simpson eingestehen ließ – durch Hypnose! – Sie werden fragen: Weshalb tötete er Percy Simpson und nicht Robert Simpson? Nun – Robert Simpson sollte leben bleiben, bis er ein Testament aufgesetzt hatte, das Nelly zur Erbin bestimmte, – denn Wallace glaubte, Nelly sei … enterbt worden! Und als Wallace, nachdem er Simpsons Wandfach ausgeleert hatte, das Testament mit den ganz anders lautenden Bestimmungen fand, da … schickte er es zurück … Seine Absicht war nun, Nelly ebenfalls durch Hypnose völlig in seine Macht zu bekommen … sie so zu heiraten – so, wie er vier Männer gemordet hatte …!“

Er schwieg …

Ein Herr schob sich durch die Menge …

Ein einziger Schrei gellte auf:

„Robert Simpson …!“

Wir beide hatten Wallace jetzt gepackt … Harald riß ihm die Maske vom Gesicht …

Ein neuer allgemeiner Schrei …

Es … war nicht Edward Wallace …

Es … war ein Fremder, ein Europäer mit jungem Gesicht …

 

 

Doktor Wallaces Rache.

 

1. Kapitel.

Unser Auftrag …

Ein junges, frisches Gesicht war unter der Seidenmaske zum Vorschein gekommen … Ein junges, sympathisches Gesicht, das mehr Staunen und Verlegenheit als Angst zeigte …

Eine Stimme dann aus der Schar der Gäste:

„Das ist ja Sydney Rovell …!!“

Und auch andere riefen:

„Bei Gott – – Rovell …!!“

Der junge Mensch stierte Harald ein wenig blöde an, sagte nun endlich:

„Oh – das konnte ich nicht ahnen …!“

Seine Stimme hatte in der Tat Ähnlichkeit mit der des Doktors, und die Maske hatte es noch begünstigt, daß Harald den Mönch bis zuletzt für Wallace gehalten hatte.

Sydney Rovell stotterte weiter:

„Doktor Wallace trug ja ebenfalls Mönchskutte und bat mich, einen kleinen Scherz mit Ihnen zu machen, Mr. Harst … So trat ich denn vor und spielte Wallace … Sie dürfen mir das nicht verargen, Mr. Harst … Ich habe mir dabei wirklich nichts gedacht …“

Robert Simpson, der Wiederauferstandene, erklärte nun:

„Es ist der Stiefsohn von Mistreß Gocknar, der Plantagenbesitzerin, Mr. Harst … Ein guter Junge … Ja, das sind Sie, Rovell …! Das sieht man Ihnen von weitem an. Sie begehen keine Schurkereien wie Ihre Stiefmutter, die mich im sogenannten Waldtempel gefangen hielt …“

Die Gäste umgaben uns jetzt in ganz engem Kreis …

Simpsons ausdrucksvolles Antlitz war erregt und verzerrt. Man merkte, wie stark die Wut über die ihm angetane Gewalt in ihm kochte …

„Ich möchte Ihnen allen hier sofort schildern, was vorgestern nacht in meinem Park geschah,“ fuhr er mit gepreßter Stimme fort. „Als ich meinen üblichen Spaziergang unternahm, überfielen mich hinterrücks ein paar Kerle … Ein Schlag auf den Kopf streckte mich nieder. Als ich erwachte, hörte ich einen Schuß fallen … Man hob mich gerade über die Mauer … Ich war gefesselt und geknebelt. In einem Auto brachte man mich dann nach dem Walde bei der Plantage Jessar … – Nun, Mr. Harst fand mich, ließ mir ein Messer und eine Pistole da, lockerte meine Handfesseln und bestellte mich für heute hierher … Mistreß Gocknar wird jetzt von dem Dorfpolizisten von Jessar bewacht …“

Er machte eine Art Verbeugung rundum …

„Meine Damen und Herren, Mr. Harst hat es verdient: drei Hochs auf Mr. Harst und seinen Freund …!“

Aber diese Ovation sollte niemals stattfinden …

Ein Zwischenfall …

Etwas, das die verbrecherischen Qualitäten des Doktors in ein neues Licht rückte …

Hinter der Bank der drei Skelette hatte sich eine Gestalt aufgerichtet …

Ein Mönch mit Seidenmaske vor dem Gesicht …

„Einen Augenblick …!!“

Diese Stimme wirkte wie ein allgemeines Betäubungsmittel …

Noch mehr wirkte die Gelassenheit, mit der eine sehnige Hand mit Spinnenfingern die Seidenmaske jetzt löste und so das kühl-lächelnde Gesicht Doktor Wallaces enthüllte …

„Einen Augenblick, meine Herrschaften,“ sagte er mit einem Hohn, der ungeahnte Schrecknisse verhieß. „Hier habe ich doch auch noch ein Wort mitzureden … Zunächst: Niemand rühre sich vom Platz! Mein Diener und Vertrauter hat Befehl, den elektrischen Kontakt sofort zu schließen, falls man mir nicht gehorcht …“

Sein Lächeln wurde geradezu teuflisch …

„Einige meiner bisherigen Freunde können bestätigen, daß ich nebenbei auch Chemiker bin und besonders mit den sogenannten modernen Kampfgasen experimentiert habe …“

Seine linke Hand griff hinter die Bank und brachte einen Blechzylinder zum Vorschein, der etwa ein halb Meter lang und zehn Zentimeter dick war. In den Zylinder liefen zwei isolierte Drähte hinein …

„Diese Gaspatrone, meine Herrschaften …“ – und er legte sie auf die Bank – „würde genügen, Sie alle in Sekunden ins Jenseits zu befördern … Ich sehe da hinten Oberst Ramdor stehen … Er hat vor acht Tagen beobachtet, wie ich in meinem Laboratorium Ratten durch dieses Gift tötete. Die Wirkung ist blitzartig. – Es liegt also in Ihrem Interesse, meine Damen und Herren, sich nicht vom Fleck zu rühren und mir geduldig zuzuhören, wie ich mich jetzt mit Harald Harst auseinandersetzen werde. – Mr. Harst, ich räume ein, daß Sie mich entlarvt haben und daß diese Entlarvung mir ziemlich überraschend kam. Wenn Sie nicht im Garten mit Sir Codanoor und mit Mr. Collins so eifrig geflüstert hätten, wäre ich jetzt ein verlorener Mann. So aber liegen die Dinge geradezu umgekehrt. Ich bin ein vielfacher Mörder – gut, zugegeben. Doch schlauer als Sie bin ich trotzdem. Ein Wink von mir, und Sie alle sind hinüber …!“

„Und … Sie mit!“ meinte Harald achselzuckend. „Was Sie hier aufführen, Wallace, ist eine Posse für Narren … Ich könnte Sie sofort packen … Sie würden dann mit uns sterben …“

„Was ich auch nur will,“ lachte Wallace höhnisch. „An meinem Leben liegt mir nichts mehr …“

Sein mageres Gesicht, das die Züge eines weltfremden, ganz auf geistige Betätigung eingestellten Asketen trug, wurde merkwürdig verträumt …

„Nein – mein Leben gehört nur noch Nelly Simpson …“ sagte er nun leiser … weicher … „Die Leidenschaft eines reifen Mannes für ein Weib ist kein jugendlicher Rausch … Diese Leidenschaft hat mich besiegt … Ich werde Nelly jetzt niemals erobern – niemals mehr! Deshalb ist mir der Tod eine Erlösung … das Leben gleichgültig …“ –

Harald nickte dem zu allem fähigen Verbrecher leicht zu …

„Mag sein, daß Ihre Worte keine leeren Phrasen sind, Wallace … Trotzdem ist dies hier ein Possenspiel … Ihnen kann nur an meinem und Schrauts Tode etwas liegen. Weshalb wollten Sie sich auch an diesen Herren und Damen dort rächen?! Und – auf Rache läuft diese Szene doch hinaus …“

Der Doktor lachte grell …

„Rache …?! Nein – nennen Sie es anständiger – Vergeltung …! – Das ist’s …“

„Nun also … – gut: Vergeltung! – Im Augenblick sind Sie Sieger … Was fordern Sie?“

„Etwas Selbstverständliches: Sie beide! Sie und Ihren Freund – und Ihr Ehrenwort, daß Sie mir widerstandslos sofort folgen …!“

Bisher hatte Sir Godwin Codanoor, der neben Robert Simpson stand, noch an sich gehalten …

Jetzt brach er los …

„Schurke, und Sie denken, daß diese Gentlemen hier dieses Opfer eines Mannes annehmen werden, der …“

Harald hatte ihm durch eine sehr energische Handbewegung Schweigen geboten …

„Verzeihen Sie, Sir Codanoor: hier handelt es ich um kein Opfer … Doktor Wallace wird Schraut und mich wohl kaum kaltblütig ermorden …“

„Woher wissen Sie das so genau?!“ höhnte Wallace. „Trauen Sie mir nicht den Mut zu, selbst …“

„Ich traue Ihnen alles zu, Wallace … Ich weiß genau: Sie hätten uns ohne Erbarmen hier längst durch Ihr Gas vergiftet, wenn Sie … mich nicht brauchen würden! Das ist’s! Sie brauchen meine Hilfe, meine geringe Fähigkeit, schärfer zu denken als andere. Und – ich will Ihnen diese Hilfe nicht versagen, will tun, was Sie wünschen, wenn Sie uns, Schraut und mich, noch vierundzwanzig Stunden nach dieser Arbeit, die Sie verlangen werden, am Leben lassen und die Gasbombe sofort unschädlich machen … Mein Ehrenwort auf alles das!“ –

Gleich darauf eilten Wallace, der Malaie und wir beide einer Seitenpforte des ehemaligen Jesuitenfriedhofs zu …

Ein Auto wartete hier in der engen Seitengasse … Wir stiegen ein … Es war ein geschlossener Wagen … Der braune Schofför fuhr wie der Teufel …

Eine Stunde ging’s in demselben Tempo weiter … Dann glitten die Gummiräder über weichen Sand … Ich hörte das Meer rauschen … Ich hörte in der drückenden Hitze des dunklen Wageninnern Wallaces Stimme:

„Wir sind angelangt …“

Mondschein lag auf träge rollenden Meereswogen … Eine öde Strandpartie enthüllte im Mondlicht ihre beklemmende Reizlosigkeit …

Der Malaie schwang eine elektrische Lampe im Kreise …

Das Signal wurde von See her beantwortet …

Ein Fahrzeug schälte seine Konturen aus nächtlicher Dämmerung … eine schwerfällige malaiische Prau mit zwei Masten …

Ein Boot stieß ab …

Kam heran …

„Bitte,“ sagte Wallace gleichmütig …

Und das Boot kehrte um, brachte uns zur Prau hinüber …

Hinter uns am Strande sauste das angekurbelte Auto ohne Führer ins Wasser … arbeitete sich weiter – schwamm … und versank …

„Hiermit breche ich gleichsam die letzte Brücke hinter mir ab,“ meinte Wallace mit schrillem Auflachen … „Nun beginnt das … andere Leben …“ –

Wir kletterten an einer Strickleiter an Deck der Handelsprau, die vorn und achtern mit Fässern und Tonnen beladen war.

In der Heckkajüte, deren elegante Einrichtung uns überraschte, waren wir dann mit Wallace allein … Eine große Petroleumlampe pendelte über dem ovalen Tisch …

„Setzen Sie sich …“ sagte der Doktor.

Sessel aus feinstem Geflecht der Padangwurzel nahmen uns auf …

Wallace blieb stehen …

Er hatte um die Lippen wieder das infame dünne Lächeln, wie ich es im Royal-Klub kennengelernt hatte …

„Mr. Harst, ich will Ihnen Ihre Aufgabe sofort nennen,“ begann er. „Ich habe Ihr Ehrenwort …“

„Ja … Das heißt: keinen Mord!“

„Bewahre …! Mord!! Nein – etwas ganz Harmloses, Mr. Harst … – Sie pflegen ja die Gedanken anderer zu erraten … Also – raten Sie …“

„Bedauere, Wallace … Ich kann mich in Ihre Gedankengänge noch nicht genügend hineinfinden. Ich kenne Sie noch zu wenig …“

„Nun … – Sie sollen …“

Pause …

Ich hielt den Atem an …

„… Sie sollen, sobald diese Prau auf dem Hugli inmitten des Häusermeeres von Kalkutta ankert, verkleidet Miß Nelly Simpson entführen und auf die Prau bringen …“

 

2. Kapitel.

Der Mann im Kasten.

Ich hatte mir bereits alles Mögliche ausgedacht gehabt, was Wallace von uns wohl fordern könnte.

Dies überstieg alle Erwartungen. Dies machte selbst Harald für Minuten stumm …

Draußen auf Deck eilte die malaiische Besatzung hin und her …

Segel klatschten, Rahen knarrten … Gleichmäßig wiegte sich die Prau auf den Wellen …

„Werden Sie gehorchen?“ fragte Wallace mit dem scheußlichen Zucken der Mundwinkel …

Harst setzte sich bequemer, schlug ein Bein über das andere, faßte in die linke Innentasche und holte sein goldenes Zigarettenetui hervor …

„Eine Antwort ist eigentlich überflüssig, Wallace …“

Er nahm eine Mirakulum und hielt mir das Etui hin …

Der Doktor beobachtete uns …

„Wie soll ich dies auffassen?“ fragte er unsicher …

Harst ließ sein Taschenfeuerzeug aufflammen …

„Als Antwort eines Mannes, der sein Wort zu halten pflegt …“

Und er gab mir Feuer …

Rauchte drei Züge, fügte hinzu:

„Was werden Sie mit Miß Nelly beginnen, Wallace?“

„Ich werde sie heiraten …“

„Mit Gewalt?!“

„Nein – durch Hypnose … Ich werde ihr suggerieren, daß ich John Gollipp bin … Für mich ist das ein leichtes …“

Harald rauchte …

Wallace hatte die schmalen Hände um die Querleiste eines Bordstuhles gelegt … Ich sah, wie die Adern dieser brutalen Mörderhände anschwollen …

„Sie werden sich natürlich bei dem Auftrag die größte Mühe geben und kein Wort sprechen …“ sagte der Doktor hastig. „Sie müssen sich auch jetzt gleich als malaiische Matrosen verkleiden … Wir könnten einem Zollkutter begegnen … Alles Nötige liegt dort im Schranke …“

„So … so … – im Schranke dort, Wallace … Mithin haben Sie zuweilen ebenfalls diese Maske angelegt … Denn daß wir hier an Bord kommen würden, konnten Sie vor drei Stunden noch nicht ahnen …“

„Allerdings nicht …“

„Und die Prau hielt sich mithin wohl auch zu anderem Zweck hier in der Nähe der Küste bereit …?“

„Sehr richtig – zu einem ganz anderen Zweck … Ich benutzte nur die gute Gelegenheit … – Aber – fangen wir an … Auch ich muß ja vorläufig den Doktor Wallace … ausziehen …“ –

Komik?! Abenteuerliche Situation – oder Tragikomödie?!

… Zwei Detektive und ein fünffacher Mörder maskierten sich, halfen sich gegenseitig, rieben sich die Haut mit dem Safte der Sumga-Wurzel ein, wurden braun, wurden verwegene Kerle mit kurzen bunten Hosen, Bastsandalen, bunten Hemden und kühn geschlungenen Kopftüchern …

In zehn Minuten war das alles erledigt.

Dann führte Wallace uns zum Bugaufbau des plumpen Fahrzeugs und wies uns hier eine Kammer an, in der nur ein paar Strohmatten lagen …

Die Tür ging nach draußen auf Deck …

Wir setzten uns … Die Tür blieb offen. Von der Besatzung kümmerte sich niemand um uns. Es machte ganz den Eindruck, als ob diese Malaien – es mochten vierzehn Leute sein – an die wunderlichsten Dinge gewöhnt wären.

An der Reling rechts lehnten Wallaces Schofför und der ekelhafte Diener, beide auch bereits in Matrosen verwandelt. Zwischen den beiden kurzen Masten aber standen der Doktor und der Kapitän, der kein Malaie, sondern ein Japaner war, ein ganz kleiner vertrockneter Kerl mit einem Knebelbart, der wie verfilzte Wolle aussah …

Die beiden sprachen sehr eifrig miteinander. Der Japs rührte dabei Hände und Arme wie ein galizischer Ghettomann … Es schien sich um uns zu handeln, denn sie blickten wiederholt nach der offenen Tür unserer Kammer, konnten uns aber unmöglich sehen, denn wir saßen im Dunkeln …

Harald rauchte die fünfte Zigarette. Jetzt nicht mehr Mirakulum, sondern opiumhaltige süßliche Dinger, die Wallace uns gespendet, jedem eine Schachtel zu zwanzig Stück … Mir schmeckten sie nicht.

„Der Mensch hat noch mehr auf dem Gewissen,“ sagte Harald ganz laut … Wir konnten getrost uns in deutscher Sprache unterhalten, von den Malaien verstand sicherlich keiner auch nur ein Wort davon …

Ich blieb stumm …

Ich hatte etwas gehört: ein Kratzen an der Verbindungswand nach der Nebenkammer – ein Kratzen, wie wenn jemand mit dem Fingernagel über ein Brett fährt …

Ich lauschte …

Da … wieder das Kratzen …

„Dort ist jemand …“ meinte Harald. „Ich höre das schon eine ganze Weile. Natürlich ein Mann, der sich uns bemerkbar machen will … Hier, nimm die Zigarette, mein Alter … Rauche weiter. Das glühende Pünktchen ist von draußen zu sehen … Dann glaubt Wallace, ich säße noch auf demselben Fleck. Wenn jemand sich nähert, huste stark …“

Ich nahm die Zigarette …

Das kratzende Geräusch war verstummt …

Harst verschwand von meiner Seite.

Nach einer Weile hörte ich, daß Harald die Ritze zwischen zwei Brettern der Verbindungswand mit dem Messer erweiterte …

Dann rief er leise: „Hallo – ist dort jemand?“

Ich horchte …

Nichts …

Er rief nochmals, hatte offenbar den Mund auf das frisch hergestellte Loch gelegt …

Nun kam er zu mir zurück …

„Gib mir die Zigarette …“

Ich hatte inzwischen eine neue angezündet …

„Er antwortet nicht …“ meinte ich … „vielleicht ist er geknebelt …“

„Das dürfte kaum möglich sein, mein Alter …“

„So?!“

„Ja … Krieche mal und rieche …!! Krieche – rieche! Das reimt sich … mit Recht! Ich weiß Bescheid …“

Ganz Harst …!!

Ich kroch …

Ich roch …

Donnerwetter: das war Raubtierduft – sehr intensiv!

Dann preßte ich das Ohr an die Öffnung …

Fuhr zurück …

Ein röchelndes Fauchen …

Sollte … sollte dort etwa ein Tiger eingesperrt sein?!

Im Nu war ich auf meinem Platz neben Harald …

„Na?!“ fragte er …

„Tiger …!“

„Ja – Tiger …! – Angenehme Nachbarschaft …! Vielleicht lernen wir die Bestie noch näher kennen …“

„Meinst Du etwa, daß …“

„… daß Wallace uns vierundzwanzig Stunden nach getaner Arbeit als Raubtierfutter benutzen wird – das glaube ich ziemlich bestimmt!“

Ich verspürte plötzlich Sehnsucht nach einem doppeletagigen Kognak …

„Und – und wie denkst Du Dir diese Geschichte überhaupt, Harald?“ lenkte ich mit trockenen Lippen auf unsere Aufgabe über. „Willst Du Nelly Simpson diesem …“

„Stopp, Max Schraut … Von Wollen oder Nichtwollen kann hier nicht die Rede sein. Wir haben einigen achtzig bis neunzig Menschen das Leben gerettet, indem wir uns zum Gehorsam verpflichteten … Selbst wenn Nelly hier an Bord sein wird, ist ja noch nicht aller Tage Abend! In dem Moment, wo wir Nelly dem Doktor übergeben, hat unser Kontrakt mit ihm ein Ende – definitiv!“

„Ah so …! Und …“

Sein lautes Gähnen ließ mich verstummen …

„Gute Nacht …“ – Er hatte sich lang hingestreckt …

Fünf Minuten drauf schlief er …

Ich starrte hinaus auf das mondhelle Deck …

Es mochte halb zwei morgens sein … Genau konnte ich die Zeit nicht schätzen. Da – kratzte wieder die Bestie an den Brettern …

Zum Donner: das waren doch nicht Tigerkrallen … Ausgeschlossen! Waren Harst und ich denn vorhin begriffsstutzig gewesen, dieses Kratzen so falsch zu deuten?!

Der Freund schlief … Aber – mein Ehrgeiz erwachte – wachte! – Zum Teufel – sollte ich, Max Schraut, nicht auch einmal wieder auf eigene Faust etwas Großes zustande bringen?!

Ich schob mich vorwärts, betastete die Wand …

Da war das daumendicke Loch, das Harald geschnitten hatte … Ich fühlte es, steckte einen Finger hindurch, zog ihn schnell wieder zurück: eine eisige Tiernase hatte meine Fingerspitze berührt!

Ein netter Schreck! Wenn ich Pech gehabt hätte, würde jetzt meine Zeigefingerspitze in einem Tigermagen verdaut werden …!!

Ich nahm mir vor, doch etwas vorsichtiger zu sein …

Und horchte …

Aha – das Kratzen erklang hier weiter links …

Ich paßte genau auf …

Es erklang stets an derselben Stelle des einen Brettes – dicht über dem Fußboden …

Und ich – tat nun dasselbe …

Kratz – kratz – kratz – – mit dem Zeigefingernagel! Gott sei Dank: ich hatte den Zeigefinger soeben vor einem traurigen Schicksal bewahrt!

Und – siehe da:

„Kratz – kratz – kratz …“ – kam die Antwort von drüben …

Also so standen die Dinge!! Dort drüben war doch ein Mensch – ein vernunftbegabtes Wesen, das ebenfalls mit drei Kratztönen auf meine drei reagierte!

Ich versuchte es nochmals.

Kratz – kratz – kratz – kratz …

Und der Unbekannte, der Nachbar in der Tigerbox, antwortete genau so: vier Zeichen!

Zunächst mußte ich nun Ordnung in diese neuen Beobachtungen bringen, mir die Sache überlegen. Wahrscheinlich gab es nebenan zwei Verschläge. In dem einen der Tiger, in dem andern ein Gefesselter und Geknebelter, der nur gerade mit dem einen Finger sich auf diese Weise bemerkbar machen konnte …!

Was nun?!

Und da – ein glorreicher Gedanke: ich probierte es mit Morsezeichen!!

Lang lang kurz – durch Kratztöne …

Und –: lang lang kurz – von drüben …

Glänzend ging das! Der Nachbar war nicht auf den Kopf gefallen. Wenn er das Morsealphabet genau so gut beherrschte wie ich, dann mußte er mich verstehen!

Also – zunächst der Anruf …

Dann der Buchstabe a: kurz lang …

Siehe da: der Unbekannte telegraphierte als Antwort b: lang kurz kurz kurz …

Pause …

Und ich: den Buchstaben c: lang kurz lang kurz … Pause … – Nun wußten wir beide, wie wir miteinander daran waren. Nun begann der Herr von drüben:

Kurz kurz – lang kurz lang kurz – kurz kurz kurz kurz …

Das hieß: Ich!

Und so ging es weiter:

Ich liege gebunden und geknebelt in einer engen Kiste mit Luftlöchern. Hier in der Kammer befindet sich ein Sumatra-Tiger. Ich bin der Angestellte der Firma Hagenbeck, Fritz Dietrich. Ich vermute, daß Sie auch Gefangene dieser Schurken sind. Ich hörte vorhin undeutlich ein paar deutsche Worte. Wer sind Sie?

Welchen Eindruck diese Mitteilung auf mich machte, kann jeder unschwer selbst ermessen …

Sofort depeschierte ich zurück:

„Hier deutsche Detektive Harst und Schraut … gefangen. – Weshalb Sie gefangen, Landsmann …?“

„Zu lang, um auf diese Weise zu berichten … – Meine Kiste steht mit der einen Schmalseite dicht an der Wand … Kann nur gerade den Zeigefinger durch ein Astloch des Kistenbrettes stecken …“

Ich mußte jetzt unbedingt Harald wecken …

Und telegraphierte daher dem Landsmann:

„Warten Sie ein paar Minuten … Ich will Harst wecken …“

Ich kroch zu Harald hin …

Undeutlich sah ich, daß er aufrecht saß …

„Sehr gut gemacht, mein Alter,“ flüsterte er. „Ich bin im Bilde … Ich habe das Telegraphieren mitgehört …“

Und jetzt spendete er Fritz Dietrich Trost, depeschierte hinüber:

„Wir helfen Ihnen … Wir befreien Sie …“

 

3. Kapitel.

Der Tigerfänger.

Harst schuf eine viereckige Öffnung, durch die ein Mann sich zur Not hindurchzwängen konnte. Das Stück Brett hob er heraus und hatte nun die eine Schmalseite der Kiste im Bereich seiner Hände.

Der Tiger meldete sich nicht.

Harald zog die Kiste mit aller Kraft ganz dicht vor das Loch und nahm nun die Kistenbretter in Behandlung … – mit der Stichsäge …

Auch hier schuf er so ein Loch, durch das er dann dem Landsmann zunächst den Knebel entfernte, dann die Handfesseln zerschnitt. Die Stricke an den Füßen knotete Dietrich sich selbst auf.

„Bleiben Sie noch in Ihrem Kasten,“ sagte Harald leise. „Erzählen Sie nur schnell das Nötigste …“ –

Ich kam nun herbei und hörte zu …

„Wir hatten auf Sumatra an der Südküste, unweit einer Flußmündung, für Hagenbeck exotische Tiere gefangen … Unser Schoner wurde eines Nachts überfallen. Wir waren drei Deutsche und sechs Inder aus Bombay. Meine weißen Kollegen konnten an Land flüchten. Mich nahmen die Malaien mit … Sie hatten es offenbar auf den Tiger abgesehen. Ich stecke seit acht Tagen in diesem Kasten, werde aber gut verpflegt. Wenn man mir Essen bringt, jagen die Malaien den Tiger in die dritte Kammer nebenan …“

Nun – das war kurz und bündig …!

Harald meinte:

„Wir werden sehr bald in die Hugli-Mündung[6] einlaufen, Herr Dietrich. Trauen Sie es sich zu, an Land schwimmen zu können?“

„Ganz gewiß, Herr Harst …“

„Es regnet jetzt stark … Das erleichtert Ihre Flucht. Wir müssen hier an Bord bleiben. Und Sie wieder müssen mir versprechen, niemandem zu verraten, daß wir hier auf der Prau sind … Was Sie sonst tun, ist Ihre Sache. Die Prau ist unterwegs nach Kalkutta …“

„Gut – ich tue, wie Sie wünschen, Herr Harst … – Die Prau heißt im übrigen „Salarata“ und gehört einem Kaufmann in Batavia … Die Besatzung will den Tiger verkaufen und das Geld einstecken … Ich soll den Schuften schwören, daß ich sie nicht anzeigen werde. Bisher habe ich mich geweigert …“

Harst war zur Tür gehuscht. – Die Dunkelheit auf dem Deck, noch verstärkt durch den Regen, konnte durch die Laternen kaum gemildert werden.

Es fiel mir auf, daß die Prau jetzt weit weniger schwankte. Und Harald meldete denn auch, daß wir uns bereits in der Hugli-Mündung[7] befänden …

„Verschwinden Sie nun, Landsmann … Bevor wir uns aber trennen, möchte ich doch wenigstens Ihr Gesicht sehen, damit ich Sie später wiedererkenne … Man weiß nie, was noch geschieht …“

Wir drückten uns in die eine Ecke neben der Tür … Haralds Taschenlampe blitzte für Sekunden auf …

Fritz Dietrichs stoppelbärtiges Gesicht war das eines Mannes von vielleicht dreißig Jahren – ein kühnes, energisches Gesicht mit graublauen, lustigen Augen …

Die Lampe erlosch …

Händedrücke dann … Herzliche Dankesworte des Landsmannes, der in keiner Weise versucht hatte, uns auszufragen, weshalb wir an Bord bleiben mußten …

„Ich werde schweigen und handeln …“ sagte er noch …

Dann kroch er zur Tür hinaus …

Ich sah einen Schatten über die Reling gleiten – sah undeutlich in der Ferne das Licht einer Leuchtboje wie einen verschwommenen Fleck …

„So,“ meinte Harald, „nun wird der Tanz mit den Malaien hier wohl sehr bald losgehen. Dietrichs Flucht wird spätestens morgens bemerkt werden … Ich wünschte, wir könnten ebenfalls auskneifen …“

Ich teilte seine Besorgnis … Auch mir war nicht behaglich zu Mute …

„Entfernen wir nach Möglichkeit alle Spuren, die eine vorzeitige Entdeckung unserer nächtlichen Arbeit herbeiführen könnten, mein Alter … Die Sägespäne müssen sauber weggefegt werden … Die Brettstücke werde ich wieder einfügen … Hilf mir …“

Es war nicht zu umgehen, daß wir hierbei wiederholt die Taschenlampen einschalteten. Als Harst die herausgesägten Stücke der Kistenwand einpaßte, als ich ihm dabei leuchtete, schnellte plötzlich der Tiger mit kurzem Brüllen auf den hellen Fleck zu, stieß die Kiste um und schob den Kopf halb durch das viereckige Loch in der Verbindungswand …

Vor dem grellen Lichtkegel der Taschenlampe, die ich ihm rasch dicht vor die Augen hielt, wich er wieder zurück. Harald schob schnell das Brettstück in die Öffnung und befestigte es, indem er ein paar Holzstückchen in die Ritzen klemmte.

Die Bestie meldete sich nicht mehr …

„Gott sei Dank …!“ flüsterte Harald aufatmend. „Das hätte uns noch gerade gefehlt, daß wir den Tiger womöglich hätten erschießen müssen …!“

Wir warteten …

Wir hörten die Bestie unruhig hin und her gehen …

Und da hinter uns eine Stimme: Doktor Wallace:

„He – was treiben Sie denn dort, Mr. Harst …“ – Unsere Köpfe fuhren herum …

Wallace brachte unter seiner Leinenjacke eine kleine Karbidlaterne zum Vorschein. Der Lichtstreifen traf den Boden der Kammer, das helle Sägemehl …

„Teufel – was bedeutet das?!“ rief Wallace sichtlich mißtrauisch …

Er bückte sich … Sah nun auch den hellen faserigen Rand des herausgesägten Vierecks …

„Das bedeutet, Wallace: wir haben einem Gefangenen zur Flucht verholfen, einem Landsmann …“ erklärte Harald, der offenbar die Dinge nun sofort ins Gleiche bringen wollte …

Und wir erhoben uns … Standen nun eng beieinander, wir drei …

Wallace schien vollkommen verblüfft über Harsts Worte …

„Wie – ein Gefangener?!“ meinte er kopfschüttelnd. „Dort im Nebenverschlag steckt ein Tiger … Von einem Gefangenen weiß ich nichts …“

„Und was wissen Sie über den Tiger, Wallace?“

„Kapitän Sadato hatte ihn von Eingeborenen gekauft … – Mr. Harst, weshalb haben Sie das Loch gesägt?“

„Weil Kapitän Sadato Sie belogen hat … Weil der Tiger von einem Schoner der Tierfirma Hagenbeck gestohlen und ein deutscher Angestellter der Firma dort drinnen in einer Kiste gefangen gehalten wurde … Natürlich hätte ihn dort selbst ein Zollbeamter nicht gefunden … Wir haben ihn befreit … Er ist vor zehn Minuten an Land geschwommen …“

Wallaces Gesicht zeigte plötzlich eine ungeheure Wut …

„Ah – – dieser Sadato …!! Geldgier – – dieser gelbe Affe …! Solch ein Unfug …!! Alles setzt der Mann aufs Spiel … Und stets halbe Arbeit … Hätte er den Deutschen ersäuft – gut – die Sache wäre erledigt gewesen …!“

Er war wie sinnlos in diesem Moment … Er konnte sich nicht beherrschen … Sprudelte weiter hervor:

„Dieser Sadato …!! Und belogen hat er mich – – belogen! Dieser gelbe Affe – –: Sie beide hier in dieser Kammer zu lassen – gerade Sie beide …!“

Harst meinte mit einer Handbewegung nach dem Brettstück hin:

„Wir haben den Landsmann befreit, uns im übrigen aber an unser Versprechen gehalten, Wallace … Fritz Dietrich weiß nichts von Ihnen, Wallace. Wir sagten ihm nur, daß wir auf der Prau bleiben müßten und daß er unsere Anwesenheit hier verschweigen, sonst aber nach Gutdünken handeln solle …“

Wallace starrte Harald an …

„Nach Gutdünken …!!“ Seine Wut loderte wieder auf … „Ja – nach Gutdünken …!! Die Prau wird also in Kalkutta von der Hafenpolizei …“

Laute Stimmen auf Deck …

Eine Pfeife schrillte …

Urplötzlich lag blendende Helle auf dem dahingleitenden Fahrzeug: ein Scheinwerfer …!

Wallace preßte hervor:

„Da haben wir’s …! Ein Zollkutter!! – Mr. Harst, ich erinnere Sie an Ihr Ehrenwort … Sie schweigen … Sie beide sind Matrosen der Prau …!“

„Diese Sätze waren überflüssig,“ erklärte Harald kalt …

Draußen an Deck rannten die Malaien durcheinander … Der kleine vertrocknete Sadato fluchte …

Wir traten in die Tür …

Nicht ein Zollkutter – – drei …!! Drei der schlanken schnellen Motorfahrzeuge umringten die Prau …

Sie stoppte ihren Motor … Einer der Kutter kam längsseit … Fünf Beamte, Pistolen in der Hand, kletterten an Bord … Der eine war ein höherer Zollbeamter, ein Engländer von eherner Ruhe …

Wir näherten uns, um besser hören zu können …

„Kapitän Sadato,“ sagte der Brite gleichmütig, „wir sind seit Monaten hinter Ihnen her … Jetzt haben wir Sie abgefaßt … Sie haben in dieser Nacht westlich der Hugli-Mündung beim Dorfe Makri Schmuggelware ausgebootet. Alles ist beschlagnahmt … Ich verhafte Sie und die ganze Besatzung … Jeder Widerstand würde Ihre Lage nur verschlimmern …“ – –

Als die Sonne ihre ersten Strahlen durch das sich immer mehr lichtende Regengewölk sandte, war die Prau im Hafenbassin der Zollstation in Kalkutta vertäut und wurde von acht bewaffneten Beamten bewacht. Kapitän Sadato war ins Polizeigefängnis gebracht worden. Niemand von der Besatzung durfte die Prau verlassen. Wir beide und der Mörder Wallace waren bisher als verkleidete Europäer nicht erkannt worden.

Ich, Max Schraut, rieb mir heimlich die Hände vor Vergnügen …

Mit der Entführung Nelly Simpsons war es nun nichts …

Aber …

Aber – – ich hatte mich zu früh gefreut. Kaum hatten die Zollbeamten, die gegen sieben Uhr morgens die Prau durchsucht hatten, das Schiff verlassen, als Wallace zu uns in die Kammer kam, wo wir auf den Bastmatten liegend gerade frühstückten …

„Mr. Harst,“ sagte er mit gedämpfter Stimme, „ich ändere meinen Auftrag ab … Ich verlange, daß Sie mir zur Flucht verhelfen … Ich muß in einer Stunde von Bord sein. Gelingt es Ihnen, mir die Freiheit zu verschaffen, so entbinde ich Sie aller weiteren Verpflichtungen … Ich bin nicht sicher, ob Sadato mich jetzt nicht verrät …“

„Sie … verzichten also auf Nelly Simpson …“

Wallace lächelte … Er war ganz ruhig … Er lächelte wieder wie im Klub …

„Nein, Mr. Harst … Mir ist nur etwas Besseres eingefallen …“ meinte er mit unendlichem Hohn … „Wollen Sie mir also von hier forthelfen?“

„Wollen?! Ich muß, Wallace … Ob es mir gelingt, weiß ich nicht …“

Und er stand auf, winkte mir. Wir gingen langsam an der Reling entlang. Wallace kam hinter uns her …

Die Zollbeamten hatten die Prau von allen Seiten gesichert. Auf dem Bollwerk patrouillierten vier der braunen Hünenkerle … Auf dem Wasser lagen zwei Boote, in jedem zwei Mann …

Harald flüsterte Wallace zu: „Bitte – wie denken Sie sich das Entkommen?! In einer Stunde wollen Sie von Bord sein?! Ich kann doch nicht zaubern …“

„Ich muß weg …!“ Und des Mörders schmale Lippen zogen sich wie im Krampf zusammen …

 

4. Kapitel.

Nelly verschwunden …

Harald schaute nachdenklich in Wallaces gefärbtes Gesicht. Jetzt bei Tage sah man erst, wie sehr sich dieses hagere Antlitz mit den vortretenden Backenknochen für eine solche Verkleidung eignete … Wallace war ein Malaie, dem niemand den Europäer angemerkt hätte …

Und Harst sagte nun: „Es gäbe ein Mittel … Aber …“

Der Doktor beugte sich vor …

„Aber …?! – Reden Sie weiter …!“

„Aber ich hätte dann Ungelegenheiten mit der Polizei …“

„Das ist in diesem Falle wohl gleichgültig …! Ehrliches Spiel, Mr. Harst …! Reden Sie …!“

Haralds Blicke schweiften über die Umgebung des Zollbassins hin … Drüben standen die Gebäude … Eine hohe Mauer begrenzte den weiten Platz … Warenstapel lagen unter weißen Segeln … Arbeiter und Beamte eilten hin und her …

„Gut – gehen wir in die Heckkajüte … Ich werde schreiben …“ Und Harst schlenderte zum Heck …

In der Kajüte fragte der Doktor argwöhnisch: „Was werden Sie schreiben?“

Harald saß schon am Tisch und ließ einen Bleistift über ein Stück Papier gleiten …

Er schrieb – und Wallace las mit:

Sir Godwin Codanoor,
Polizeichef.

Eilt sehr!!

Sir, ich befinde mich auf der heute von der Zollbehörde beschlagnahmten Prau. Wollen Sie bitte dafür sorgen, daß ich die Prau sofort ohne jedes Aufsehen verlassen darf … Ich finde mich später bei Ihnen ein.

Gruß Harald Harst.

„So, Wallace, nun nehmen Sie diesen Zettel und rufen Sie einen der Beamten auf dem Bollwerk heran. Sprechen Sie englisch, sagen Sie, Sie seien Harst, und der Zettel solle sogleich Sir Codanoor überbracht werden …“

Wallace stieß einen hörbaren Seufzer aus …

„Ah – das wird klappen …“

Er eilte an Deck, an die Reling …

Es klappte …

Der Beamte ging hastig den Gebäuden zu … –

Ich war mit alledem sehr wenig einverstanden. Für meinen Geschmack hatte Harald etwas getan, das weit über seine Verpflichtung hinausging. Allerdings hatte er schon wiederholt in ähnlichen Fällen genau so gehandelt: was er versprach, hielt er unbedingt!

Wir saßen an dem Kajütentisch in den weichen Rohrsesseln … Wallace kehrte zurück …

Er war erregt – so erregt und nervös, daß ich eine so geringe Selbstbeherrschung nur auf ganz bestimmte schwerwiegende Ursachen zurückführen konnte.

Auch er setzte sich … Seine Spinnenfinger trommelten einen Marsch auf der Tischplatte …

Seine Augen irrten unstät umher …

„Was haben Sie eigentlich, Wallace?“ fragte Harald langsam. „Ihre Unruhe ist sehr merkwürdig …“

„Durchaus nicht …!“ Und er rauchte eine Zigarette an …

Schweigen …

Auf Deck lungerten ein paar Mann der Besatzung umher. Die Kajütentür stand offen … Die Malaien waren gegenüber der Beschlagnahme der Prau sehr hundeschnäuzig. Sie hatten wenig zu fürchten – vielleicht ein paar Wochen Gefängnis … Was machte ihnen das aus?!

Ich beobachtete den Doktor weiter …

Der Mann war mir in vielem noch ein Rätsel …

Die Zeit verstrich … Wir blieben stumm …

Bis ganz plötzlich der Tiger in seiner Vorschiffkammer zu jaulen begann …

Vielleicht hatte ihn einer jener jähen Wutanfälle gepackt, die jedes wilde Tier in der ersten Zeit der Gefangenschaft durchzumachen hat …

Das viereckige Loch in der Zwischenwand war übrigens durch ein paar Latten gesichert worden.

Wallace schaute noch unruhiger umher …

„Was hat das Vieh nur?!“ meinte er nervös …

„Vielleicht Hunger …“ sagte Harald …

Der Doktor erhob sich, ging hinaus und flüsterte mit den Matrosen.

Gleich darauf warf einer der Leute durch die Klappe der Balkentür des Käfigverschlages ein paar Stücke Fleisch hinein …

Und – – die Minuten schlichen weiter …

Wallace lehnte an der Reling …

Ich wandte mich an Harald …

„Was mag er wohl vorhaben?“

Er zuckte die Achseln …

„Was es auch sei: er wird uns nicht entgehen …! Ich habe das Meinige getan … Sobald er die Prau verlassen hat, endet unser Kontrakt …“

„Nun ja … Und dann?!“

„Das wirst Du ja miterleben, mein Alter … – Aha – – ein Beamter kommt gelaufen … spricht mit dem anderen, dem Wallace den Zettel gab. Und – dieser winkt Wallace … Er klettert auf das Bollwerk … Er ist frei …“

Der Doktor schritt den Gebäuden zu – ohne Eile … Verschwand zwischen den Zollhäusern …

Harst sprang auf …

„Max Schraut, gratulieren wir uns … Jetzt können wir handeln …!“

Und er trat an den Schrank heran, der die nötigen Requisiten zum Verkleiden enthielt … Dort hingen unsere Frackanzüge … Dort stand eine Flasche Spiritus …

Im Nu hatten wir Gesichter, Hände von der braunen Farbe gesäubert …

In fünf Minuten waren wir Europäer geworden …

Und so im Frack zeigten wir uns den Zollbeamten …

So rief Harald sie an …

„Hallo – einen Augenblick …“ Zwei näherten sich. Ihre Mienen verrieten, wie dieses Wunder auf sie wirkte: zwei Gentlemen im Frack – – auf einer Schmugglerprau!

Harst sagte hastig: „Wir sind die deutschen Detektive Harst und Schraut … Führen Sie uns zu einem europäischen Beamten drüben in den Gebäuden …“

Es geschah …

Von dem Büro aus telephonierte Harald an Robert Simpson …

„Warnen Sie Ihre Nichte … Wallace plant irgend etwas … Ich werde auch die Polizei benachrichtigen …“

Simpson war in seinem Geschäft. Er wollte noch allerlei fragen. Harst hängte ab und rief dann Codanoor an …

„Lassen Sie Simpsons Villa sofort bewachen … Miß Nelly soll sich nicht auf die Straße wagen … Wir kommen zu Ihnen …“

Man hatte bereits ein Mietauto für uns herbeigeholt …

Als wir im Polizeigebäude eintrafen, stand Inspektor Collins in der Vorhalle …

Rief uns entgegen: „Miß Nelly ist verschwunden … Ich will gerade zur Villa Simpson …“

„Wir begleiten Sie …“ – und Harst machte kehrt …

Hinein in Collins Dienstauto …

Es raste davon …

Der Inspektor fragte uns aus, war sehr bald im Bilde. – Über Nellys Verschwinden wußte er nicht viel anzugeben … Die Diener hatten bisher nur aussagen können, daß Miß Nelly durch einen braunen Straßenjungen einen Brief erhalten hätte und dann sofort in den Garten geeilt sei … Von dort war sie nicht zurückgekehrt … –

In der Villa trafen wir Simpson, Codanoor und drei Detektivbeamte an. Simpson war halbtot vor Aufregung und Angst …

Er nahm Haralds Hand …

„Helfen Sie …! Dieser Schurke von Wallace steckt dahinter … Weiß Gott, wie er das Mädel in den Garten gelockt hat …“ –

Wir durchsuchten den Garten. Wir entdeckten auch nicht die allergeringste Spur von Fußeindrücken – weder an der Mauer noch sonstwo … Alles nur alte Fährten, die nichts bedeuteten …

Harald war ratlos … Selbst Harald …

„Ich begreife das nicht,“ meinte er, als wir jetzt auf dem Turnplatz standen. „Als Wallace die Prau verließ, war es genau drei Minuten nach elf Uhr. Ich sah nach der Uhr des Zollgebäudes. Um ein Viertel zwölf telephonierte ich im Büro. Fünf Minuten vor halb waren wir im Polizeipalast. Wallace hatte also kaum eine Viertelstunde Vorsprung. Was mag er angestellt haben, um Nelly aus dem Hause zu locken?! Der Brief kann doch nur eine Fälschung gewesen sein – vielleicht mit anderer Unterschrift – – vielleicht gar angeblich von mir …“

Codanoor nickte …

Und Collins rief: „Der Schuft hat sicherlich Ihren Namen mißbraucht, Mr. Harst …“

Simpson, dieser sonst so eiskalte Geschäftsmann, zitterte förmlich …

Harst blickte zu Boden … meinte nachdenklich: „Wallace war als Malaie verkleidet … Es gibt nur eine Erklärung: er hat Miß Simpson hypnotisiert … Und sie ist freiwillig mit ihm gegangen … Das Paar muß bemerkt worden sein. Sie können den Garten nur durch die Hinterpforte verlassen haben … Die ist unverschlossen, wie wir schon sahen …“ –

Die Pforte mündete in eine enge Seitenstraße, in der zumeist indische Handwerker wohnten und, wie hier üblich, halb im Freien, auf der Straße arbeiteten.

Wir fragten die Leute aus. Miß Nelly war den meisten von Ansehen bekannt. Aber niemand hatte sie bemerkt …

Der arme Simpson war mehr tot als lebendig …

Harst fragte einen der Handwerker jetzt, ob er denn vielleicht eine Inderin in Begleitung eines malaiischen Matrosen wahrgenommen habe …

Jetzt bejahte der Mann …

„Die Frau, die mit dem Malaien ging, war eine Mohammedanerin und dicht verschleiert … Ihr Kleid war so lang, daß es hinterdrein schleppte …“

Harald wandte sich an Codanoor …

„Was ist mit Wallaces Bungalow geschehen? Sie haben das Haus versiegeln lassen?“

„Ja. – Die Dienerschaft ist entlassen worden … Nur der indische Pförtner ist dort geblieben …“

„Dann – – dorthin!“ sagte Harst plötzlich mit größter Lebendigkeit … „Wallace wird ahnen, daß er in seinem eigenen Heim vielleicht am sichersten ist …“

Zwei Autos jagten davon … Zum Flusse hinab … Nach dem Bungalow, der mitten auf dem ehemaligen Jesuitenfriedhof stand …

Schon vorher ließ Harst die Wagen halten …

„Schraut und ich sind genug, Sir Codanoor … Diese Sache erfordert subtile Behandlung … Ein Mensch wie Wallace würde sich und Nelly erschießen, wenn er sich umstellt sieht …“

Wir beide gingen bis zum Parkgitter. Die Gitterpforte neben der Einfahrt war verschlossen. Wir kletterten hinüber … Im Nu hatte sich eine Schar brauner Gassenbuben versammelt – johlte – kreischte … Collins kam gelaufen und verscheuchte sie …

Wir schlichen auf Umwegen durch die Büsche dem Bungalow zu …

Die grünen Fensterläden waren sämtlich herabgelassen … Still und tot lag das weiße Gebäude da …

Wir näherten uns vorsichtig der Treppe der rückwärtigen Veranda …

Lauschten …

Krochen die Stufen empor, dann auf der Veranda um das Haus herum …

Lauschten …

Wenn ich jemals den Wunsch gehabt habe, etwas zu hören, so war es jetzt …

Wenn ich mir jemals eine brutale Situation tierischer Gewalttat gegen ein Weib ausgemalt habe – hier dachte ich an das Grauenhafteste …!

Alles still … totenstill …

Und Harald flüsterte, indem er auf die Schwelle der Vordertür deutete:

„Hier sonnt sich eine Eidechse … Daneben liegen die Reste einer großen Spinne, die von der Eidechse verzehrt worden ist … Hier ist niemand innerhalb der letzten Stunde eingetreten … Auch die Siegel sind unverletzt – wie an der Hintertür … Ich …“

Schritte rechts … auf der Treppe … Ein blonder Mann im Sportanzug … Nickt uns zu …

„Nicht wahr, Herr Harst und Herr Schraut …?“ fragt er auf deutsch …

„Dietrich!!“ ruft Harald. „Wo kommen Sie denn her?“

Und Fritz Dietrich erwidert:

„Dort unten von der Wasserpforte des Parkes, Herr Harst … Ich habe da einem braunen Halunken ein Mädchen abgejagt …“

Wir beide sind wie Salzsäulen …

„Nelly Simpson?“ fragt Harald …

„Jedenfalls eine weiße Miß … Wie sie heißt – keine Ahnung …! Sie ist anscheinend nicht recht bei Sinnen … Sie sitzt auf einer Bank neben der Wasserpforte …“ Und er zeigt nach Westen …

 

5. Kapitel.

Als die Spinnenfinger abrutschten …

So schlicht sagt Fritz Dietrich das, als ob es sich um die größte Selbstverständlichkeit handelte.

Nun – er ist Angestellter einer Tierfirma, er hat wohl schon so manches erlebt …

Er wundert sich auch nicht weiter, als wir beide nun die Treppe hinabstürzen …

Er läuft hinter uns drein, ruft nur: „Die Miß ist ja außer Gefahr … Der Schuft ist ausgekniffen … Es war ein malaiischer Matrose …“

Wir hören nicht darauf … Der Schuft kann zurückkehren, und Nellys geistiger Zustand, wie Dietrich ihn so kurz gekennzeichnet hat, läßt nur die Deutung zu, daß das junge Mädchen noch immer in hypnotischem Schlaf sich befindet …

Wir biegen um eine Hecke … Dort die Wasserpforte – weit offen … Draußen auf dem Hugli ein Nachen … Ein Malaie darin, der soeben anlegen will …

Sieht uns …

Wallace …!!

Taucht die Ruder ein … rudert um sein erbärmliches Leben …

Harst – nur den Kopf zurückwendend:

„Dietrich, bleiben Sie bei Miß Nelly … Rütteln Sie sie … Befehlen Sie ihr aufzuwachen …“

Nelly sitzt dort links auf einer Bank – in sich zusammengesunken …

Und – – vor ihr – – bei Gott – – das ist John Gollipp … soeben aus den Büschen springend …

John Gollipp, vor Nelly in die Knie sinkend …

Wir jagen durch die Pforte auf den Anlegesteg, der hier zum Grundstück gehört … Zwei angekettete Boote … In einem zwei Ruder …

Hinein …

Und Harst nimmt sie … Harsts Muskeln sind besser als die des Mörders … Nach fünf Minuten kommen wir dem Nachen näher …

Der Fluß ist belebt …

Dampfer, Sampans, große Frachtboote: von überall glotzt man den beiden Gentlemen im Frack verwundert nach, die da wie unsinnig bei dieser Mittagshitze ihr Boot über die gelbbraunen trüben Wasser tanzen lassen …

Wallace biegt jetzt in einen Seitenarm ein …

Oh – den kennen wir … Es ist die Einfahrt zum Zollbassin …! – Ist der Mensch wahnsinnig, diesen Weg zu wählen?! Hier in diesem gemauerten Binnenhafen gibt es für ihn keine Rettung …

Haralds schweißtriefendes Gesicht dreht sich …

Wallace rudert der Prau zu …

Ist der Mensch von Sinnen?!

Und – vorbei an den Wachtbooten der Zollbeamten schießt sein Nachen … Hinein in den Winkel des Bassins – heran an die Prau …

Wir keine fünf Meter mehr ab …

Da ist er schon an Deck … verschwindet uns aus den Augen …

Wir hinterdrein auf der Strickleiter … Wir ebenfalls an Deck …

Sehen Wallace … Er steht vor der Balkentür des Käfigs … Er reißt die Eisenriegel zurück – – die Tür auf … Will sich auf das Dach des Bugaufbaus schwingen, findet an dem Zinkblech mit den Spinnenfingern keinen Halt …

Seine Beine, sein Unterleib baumeln gerade vor der offenen Tür …

Mit dem linken Knie sucht er sich auf den Türrand zu stützen …

Gleitet wieder zurück …

Seine Beine zucken …

Nochmals kommt er ein Stück empor, scheint jetzt einen Halt gefunden zu haben …

Und – rutscht doch zurück …

Hängt vor der Türöffnung …

Ein dunkelgelber Katzenleib schnellt aus der Dämmerung der Kammer hervor …

Reißt den Doktor mit – im Bogen mit auf die Deckplanken …

Ich wende mich ab …

Ein Schrei gellt auf …

Ein Kreischen, das in die Nerven sticht wie glühende Nadeln …

Dann ein noch entsetzlicheres Geräusch …

Als ob ein halb gefüllter Topf zerschlagen wird …

Und Harst steht neben mir, das Gesicht dem Furchtbaren zugekehrt …

Sagt jetzt:

„Der Tiger hat die fünf gerächt – die fünf Ermordeten … Der Tiger schleppt die Leiche in die Kammer …“

Und er läuft vorwärts …

Ich schaue hin …

Er schmettert die Tür zu, schiebt die Riegel vor …

Verstörte Zollbeamte kommen an Deck … Wollen die Bestie durch das Türfenster erschießen …

Harst wehrt ab …

„Es wäre schade um das Tier … Der Mensch, den der Tiger jetzt zerreißt, war mehr Bestie als die gelbe Katze …“

Das klingt in diesem Augenblick allgemeiner wildester Aufregung vielleicht gefühllos …

Ich denke an den Major Collerlund, an den anderen Toten unter dem Reck auf dem Turnplatz – und an John Gollipp, der zum Mörder gestempelt werden sollte – an Edward Wallaces dünnes Mörderlächeln, in dem sich die ungeheuerliche Gemeinheit einer Schurkenseele offenbarte …

Mochte dem Tiger die Mahlzeit bekommen! Man wird hart, wenn man die Abgründe menschlicher Verworfenheit kennt … –

Um es hier gleich zu erwähnen: der Tiger hat Wallace nicht gefressen. Wahrscheinlich störte ihn der Geruch des Hautfärbemittels. Die prächtige Bestie lebt heute im Tierpark in Stellingen bei Hamburg, der Hagenbeckschen Schöpfung … –

Und wir dann zurück im Auto zu Wallaces Bungalow. Auf der Veranda finden wir eine große Versammlung … Als Mittelpunkt ein Brautpaar und den Landsmann Fritz Dietrich …

Dietrich erzählt:

„Ich bin mit einem Dampfer nach Kalkutta gekommen, der mich aus dem Fluß auffischte … Unterwegs nach Kalkutta trafen wir die von den Zollkuttern eskortierte Prau … Ich wollte nachher mal sehen, was aus Ihnen geworden, Herr Harst, und drückte mich am Eingang des Zollhafens herum … Dann kam ein malaiischer Matrose zum Tore hinaus … Es war so eine Eingebung des Augenblicks, daß ich ihm nachschlich … So wurde ich Zeuge der Entführung Miß Nellys … Aber erst an der Wasserpforte merkte ich, daß es eine Weiße war … Als ich ihn nun zur Rede stellte, sprang er in einen Nachen …“

Wir drei standen etwas abseits …

Und leise fügte Fritz Dietrich hinzu:

„Herr Harst, ich möchte Ihnen noch etwas anvertrauen … etwas, das gerade für Sie Interesse haben dürfte … Ich sagte Ihnen ja schon, daß wir auf Sumatra allerlei Viehzeug eingefangen haben … Und dabei habe ich bei einer Streife durch den Urwald eine ganz merkwürdige Entdeckung gemacht …“

In diesem Moment traten Nelly und John Gollipp Arm in Arm an uns heran …

Nelly mit einem lieben Lächeln auf dem reizenden Gesichtchen …

Harst kam ihr zuvor … „Ich weiß schon, was Sie sagen wollen, Miß Simpson …! Sagen Sie nichts … Jeder Dank ist überflüssig … Hier steht Ihr Retter: Landsmann Fritz Dietrich!“ –

Und diesem frischen vergnügten Fritz Dietrich verdankten wir das Abenteuer mit der

Villa mit den vier Schornsteinen,

das ich meinen Freunden und Lesern im folgenden Band schildern will.

 

 

Verlagswerbung:

Der Detektiv

Eine Reihe höchst spannender Detektivabenteuer. Bisher sind folgende Bände erschienen:

 

Band
































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Die Gespenster-Rikscha.
Eine Löwenjagd im Sinai.
Der Afghan-Teppich.
Der Acht-Grad-Kanal.
Der leere Koffer.
Acht Stunden Frist.
Der Klub der Zwölf.
Die Bajadere Mola Pur.
Der goldene Gonggong.
Die Kugel aus dem Nichts.
Der Piratenschoner.
Die Büchse der Pandora.
Der Tintenlöscher des Sahdi Ahmed.
Auf des Messers Schneide.
Strandkorb Nr. 121.
Das Lichtbild ohne Kopf.
Das Haus in der Wildnis.
Das Geheimnis des Brasilianers.
Die Spielhölle in Hongkong.
Das Rätsel von Paragwana.
Ein amerikanisches Duell.
Die Ganges-Piraten.
Eine Wettfahrt ums Leben.
Die Bärenjagd in Kaschmir.
Das Licht in der Lehmhütte.
Der chinesische Messerwerfer.
Die leere Tonne.
Die Gauklergesellschaft Shingra Mao.
Der Klub der Zuchthäusler.
Lord Ralleys Schreckensnächte.
Das Geheimnis der Insel Morton.
Die Katzen der Gräfin Baltholm.
Der Tote im Fahrstuhl.
Die Höllenmaschine Doktor Blucks.

– Preis pro Band 20 Pf. –

Zu beziehen durch jede Buchhandlung oder vom

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO 26,

Elisabeth-Ufer 44.

 

 

Anmerkungen:

  1. In der Vorlage steht: „Aber“.
  2. Eiterbeule, Kohlenbeule – tiefe und in der Regel sehr schmerzhafte Infektion mehrerer benachbarter Haarfollikel oder die Konfluenz mehrerer nebeneinander liegender Furunkel. Siehe auch Wikipedia: Karbunkel.
  3. Ein etwa wadenlanger, schwarzer, meist seidener Umhang ohne Ärmel und mit Kapuze. Siehe auch Wikipedia: Domino.
  4. Maß- und geschmacklose Übertreibung der jeweilig herrschenden Mode. Siehe auch Wikipedia: Gigerl.
  5. Polnischer Nationaltanz. Siehe auch Wikipedia: Polonaise.
  6. „Hugli-Mündung“ / „Huglimündung“ – Beide Schreibweisen vorhanden. Einheitlich auf „Hugli-Mündung“ geändert.
  7. In der Vorlage steht: „Huglimüdung“.