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Die Oase der Träume

 

Harald Harst

 

Band: 369

 

Die Oase der Träume

 

Von

Max Schraut

 

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 16,
Michaelkirchstraße 23a

 

Nachdruck verboten. – Alle Rechte, einschließlich das Verfilmungsrecht, vorbehalten. – Copyright 1934 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO 16
Buchdruckerei: P. Lehmann G. m. b. H., Berlin SO 16

 

 

1. Kapitel

Auf verwehten Pfaden.

Aus der Fülle der Kriminalfälle mit exotischem Einschlag will ich heute für meine lieben Leser und treuen Freunde einen neuesten Datums hervorsuchen. Ich kann hier getrost den Ausdruck Heraussuchen oder Hervorsuchen gebrauchen, denn meine Notizen von damals sind auf zahllose Papierblätter geschrieben, die man gründlichst ordnen muß, wenn man einen klaren Überblick über die Vorgänge gewinnen will, die seinerzeit nicht nur die englische, sondern auch die deutsche Presse lebhaft beschäftigt haben.

Der ganze Fall drehte sich um die sagenhafte und einst vorhanden gewesene Oase Zerzura.

Nach einer eisig kalten Nacht, wie man sie in der Lybischen Wüste häufiger, als allgemein angenommen wird, erleben kann, erhob sich ein schlanker Europäer mit sehr scharf geschnittenem Gesicht kurz vor Sonnenaufgang von seinem Lager aus Decken und Gras, lüftete den Zeltvorhang und trat gähnend und in der morgendlichen Kühle leicht erschauernd ins Freie hinaus. Sein dünnes blondes Haar war zerzaust, und an dem noch unrasierten Kinn hingen einige Grashalme.

Um die Augen des Mannes, der vielleicht vierzig Jahre zählen mochte, lagen dunkle Schatten und um den energischen Mund ein Ausdruck von Müdigkeit und Verzagtheit, – bei ihm gewiß eine Seltenheit, denn er war in seinem an Abenteuern und seltsamen Erlebnissen reihen Dasein an Fehlschläge aller Art längst gewöhnt, Und doch ging ihm diese geheimnisvolle Geschichte, die er da in seiner Eigenschaft als Detektiv vor nunmehr vier Monaten nach anfänglichem Zögern übernommen hatte, immer wieder durch den Kopf und veranlaßte ihn auch in der Frühe des heutigen Tages zu einer nochmaligen stillen Überprüfung seiner bisherigen Maßnahmen und Schlußfolgerungen, zumal die Stille in dem kleinen Zeltlager zu schärfstem Nachdenken geradezu aufmunterte. –

Dort gen Südosten lag die letzte bewohnte Etappe seines bisherigen Weges ins Ungewisse: Die große afrikanische Oasenstadt Kufra, wo man ihn erneut gewarnt hatte, Zerzura zu suchen, und wo er sich unter dem Namen Heinz Heinrichs als einfacher reicher Privatgelehrter ausgegeben hatte. Würde er seinen richtigen Namen genannt haben, wäre man wohl weniger geneigt gewesen sein, ihn mit Rat und mit Tat zu unterstützen.

Er stand nun am Rande der felsigen Anhöhe und überblickte das Sand- und Steinmeer der Wüste und schüttelte wie unzufrieden mehrmals den schmalen Kopf, an dem die starke und leicht gekrümmte Nase vielleicht am kennzeichnendsten war. Sein ernster. Blick schweifte jetzt gen Norden, wo irgendwo bestimmt das große Geheimnis schlummerte, das nun bereits zwei Menschen. in den letzten Jahren das Leben gekostet hatte, – und wie vielen vorher?! Darüber gab es keine Aufzeichnungen, die allerletzten Notizen stammten von Lady Layton, und die war auch tot.

Der Mann, der sich hier Heinz Heinrichs nannte und es übernommen hatte, das Rätsel des Todes des Lords und seiner Frau und noch anderes aufzuklären, drehte sich nun langsam um und überflog das Zeltlager mit einem scharfen, alles umfangenden Blick, dem wirklich auf Grund langjähriger Übung nichts entging. Auch das Sehen will gelernt sein, mancher lernt es nie.

Er sah die wiederkäuenden Dromedare und die weißen und braunen Zelte und die qualmenden Reste der Feuer, die seine Beduinen durch Kamelmist unterhielten, um vor den Stichen der Sudanfliege geschützt zu sein, – es half wenig, und gestern war wieder einer der Nomaden in wenigen Stunden verstorben und eiligst im Sande verscharrt worden, da ein alter Aberglaube besagt, die Leiche ziehe nur neue Fliegenschwärme herbei. In Wirklichkeit verhielt es sich ganz anders damit, das wußte der Mann, und das war ihm außerordentlich wichtig, daß niemand seiner Begleiter oder doch nur sein intimster Freund ahnten, daß er durch diesen nunmehr dritten Todesfall einen freilich sehr schwachen Anhaltspunkt gefunden zu haben glaubte, wofür, das hätte er selbst noch nicht sagen können, jedenfalls für gewisse Unregelmäßigkeiten und Unwahrscheinlichkeiten, womit schon viel gewonnen war.

Der Mann nahm eine zweite Zigarette und wollte den Stummel der ersten in den Sand werfen, zögerte jedoch, hob mit einem Ruck den Kopf und sprach halblaut vor sich hin:

„Tatsächlich, – es fehlt ein Dromedar!“

Er überlegte einen Augenblick und betrat dann wieder sein Zelt, das er mit seinem Freunde teilte und das etwas abseits hinter einigen spitzen, hellgrauen Felsen stand. –

„Schraut …!! Aufwachen …!“ – er rüttelte mich und senkte seine Stimme noch mehr. „Eines der Tiere fehlt … Entweder hat es sich losgerissen und ist allein zurückgelaufen, oder es ist mit einem Reiter unterwegs, und wer dieser Reiter ist, der nach dem gestrigen Gewaltmarsch so früh sich erhoben oder gar nicht schlafen gegangen ist, das möchte ich zu gern feststellen. Nimm dein Glas mit. Leise!! Wir kriechen durch die Rückwand des Zeltes in das Felsgeröll und dürfen uns nicht sehen lassen, denn der Mann dürfte hier Vertraute haben.“

Ich war sofort munter, obwohl mir die Anstrengung von gestern in allen Knochen lag.

Als wir so ins Freie gelangt waren, beorderte mich Harst nach der Südseite der kleinen Bergkuppe, er selbst wollte nach Norden und Westen beobachten. Er hatte mich jedoch noch keine drei Minuten allein gelassen, als er schon wieder bei mir war. „Mein Alter, das heißt Pech haben …!! Das Dromedar ist zurückgekehrt, und wir können getrost unseren Morgenkaffee kochen, denn Ingrid dürfte heute genau so müde sein wie unsere Beduinen, die ich gestern allerdings etwas zu sehr abgehetzt habe. Ich wollte jedoch unbedingt aus der Windzone heraus, die uns den Schwarm Sudanfliegen zugetrieben haben kann … kann…!“ und in diesem zweiten ‚kann‘ lagen alle Zweifel, die er über die Gefährlichkeit der blauen, gesprenkelten Aasfliegen hegte.

So schien denn auch dieser morgendliche Zwischenfall mit einer neuen Enttäuschung enden zu sollen, und doch kam es anders.

Harst hatte sich die Sache plötzlich wieder überlegt, winkte mir stumm zu, kroch mir voran den steinigen Abhang hinunter und hielt sich stets so dicht an den Felsen, daß wir von den übrigen Zelten aus kaum gesehen werden konnten. Wir kamen zum Weideplatz der Tiere, wenn ich Weideplatz sage, so ist das eine dichterische Übertreibung, denn es wuchsen hier lediglich einige Salzsträucher und ein paar dürre Halme, die den Namen Gras nicht rechtfertigten, – immerhin: Die Dromedare sind genügsam, und für sie bedeutete diese dürftige Vegetation eine Art Wiese oder Weide. Ich sah sofort, daß das beste der Tiere nicht mehr die kurzen Fußfesseln trug, die ihm wohl einen langsamen Schritt, aber keinen Trab gestattet hätten. Alle übrigen Dromedare trugen noch diese Stricke zwischen den Vorderbeinen, die auf Harsts Befehl ihnen angelegt worden waren.

Nun sah ich ein, daß seine Anordnung hinsichtlich der Stricke einen sehr ernsten Grund gehabt hatte, und er bestätigte mir dies, indem er auf eine Fährte deutete, die von der Kuppe schnurgerade nach Norden in den Sanddünen verschwand, auch die Rückspur war deutlich zu erkennen und hielt sich parallel zur Hinspur.

„Niemand wird mir einreden“, meinte er leise, „daß das Tier von selbst sich von den Fußfesseln freigemacht und zum Vergnügen ausgerechnet nach Norden gelaufen und dann wieder umgekehrt ist. Das tut kein Dromedar. Die Tiere sind froh, wenn sie ausruhen können, zumal sie genau so abgehetzt waren wie wir Menschen, – nein, auf dem Tiere saß ein Reiter und …“ – er schwieg mit einer hastigen Bewegung, indem er die Hand ausstreckte und auf einen Felsen deutete, der unten am Rande der Kuppe sichelförmig aus dem Steingeröll hervorragte und etwa zwei Meter hoch war.

„Ein feiner Trick und ein sehr gewandter Reiter … Ohne Sattel meilenweit zu traben und dann umzukehren und wieder ins Zelt zu schlüpfen, – allerhand Achtung!“

Ich verstand ihn sofort. Der unbekannte nächtliche Ausflügler hatte den Sichelfelsen als einfachste Leiter zum Besteigen des Dromedars benutzt, ohne die geringsten Spuren zu hinterlassen, und darauf war es ihm angekommen. Bei der Rückkehr, die gerade stattfand, als Harald mich geholt hatte, wandte der Unbekannte dieselbe Methode an, um ohne Fährten zu erzeugen wieder in sein Zelt zu gelangen.

Trotzdem war er etwas unvorsichtig gewesen: Auf der Steinsichel lag ein buntes Tüchlein, und als ich dies genauer ins Auge faßte, erschrak ich geradezu und raunte meinem Freunde ins Ohr: „Das ist doch ausgeschlossen …!! Ingrid selbst?!“

„Warum ausgeschlossen?! Bedenke, daß dieses Interesse Ingrids an dem Fall Layton sehr schwach begründet schien! Die Lady sei ihre Wohltäterin gewesen. Das ließ sich hören. Aber wenn ein Mädel von zwanzig Jahren ausgerechnet zu so viel Geld zu einem Zeitpunkt kommt …“ – er machte eine kurze abschließende Handbewegung und fügte nur noch hinzu: „Du kennst das Vorspiel ja, Es war seltsam genug.“

 

 

2. Kapitel

Der Einsiedler der Mohave-Wüste.

Wollte ich nun hier die Dinge so trocken schildern, wie sie sich damals in Berlin in unserem Heim als Einleitung abspielten, so würden meine Leser damit kaum zufrieden sein.

Dort, wo die Mohave-Wüste sich ihre ursprüngliche Wildheit, Menschenabgeschiedenheit und oft grauenhafte Eintönigkeit und Unfruchtbarkeit noch voll bewahrt hat, wohnte seit ungezählten Jahren ein gescheiterter einstiger Goldgräber, der dreimal in seinem Leben ein reicher Mann geworden und dreimal all sein Geld in Frisko verjeut hatte und nun als Eremit und Menschenhasser auf einer Ranch hauste, deren verliedertes Aussehen genugsam bewies, wie wenig Wert der Alte, der übrigens nur unter dem Namen Old Gila (nach den Gila-Bergen) bekannt war, auf eine behagliche Umgebung legte.

An einem sehr heißen und sehr dunstigen Märztage war Old Gila, ein hagerer und ganz in Leder gekleideter Mann, gerade vormittags mit dem Bestellen seines Maisfeldes beschäftigt, als ein einzelner Reiter sich von Fort Yuma her näherte und an den verlodderten Fenz[1] des Rancho seinen tadellosen Gaul anhielt und dem brummigen Einsiedler zurief: „Hallo, bin ich hier bei Mr. Donat Rells richtig gelandet?“

Der einstige Goldsucher fuhr herum wie ein sprungbereiter Jaguar. Mit seinem dicken, bärtigen und auch noch von üppigem weiß-grauem Kopfhaar bewachsenen Schädel und dem ausgemergelten, aber fast kupferbraunem, faltigen Gesicht glich er auch tatsächlich einem jener bösartigen, angriffslustigen überalterten Kuguare, die mit ihrer unersättlichen Mordgier der Schrecken aller dortigen Schafzüchter sind. – Den Spaten mit dem blinkenden Eisenblatt hatte der Alte zum Schlage erhoben, und aus seinen verfärbten Zügen sprach eine so wilde Wut, daß der Reiter seinen Gaul zurückriß … Old Gila hatte einen Satz vorwärts getan und fauchte den Fremden, der schon durch seinen Anzug und seinen Sombrero den wohlhabenden Mexikaner verriet, wie eine Katze an: „Wen suchen Sie, wen?! Wiederholen Sie doch mal den Namen …!“

Der quittengelbe Mexikaner grinste befriedigt. Ihm genügte es vorläufig, daß Old Gila auf einen Namen hin eine so starke Erregung verriet, den hier niemand kannte, zumal der Vorname Donat auch für Engländer ganz ungewöhnlich oder doch sehr selten ist.

„Donat Rells“, sagte er also und sprach so langsam, als ob er den Namen buchstabieren wollte.

In Old Gilas fahl gewordene Wangen kehrte das Blut zurück. Er hatte sich wieder in der Gewalt. Er sah ein, daß er eine große Torheit begangen hatte, als er sich derart durch sein Benehmen verriet. Er kniff die Augen klein und lachte rauh.

„Fremder, das ist ein Name, den ich nicht gern höre. Der Mann, der den Namen einst trug, ist leider tot. Ich hatte mit ihm eine Rechnung wettzumachen, die nur mit Blut bezahlt werden konnte. Schätze also, daß Sie die Geschichte kennen, sonst hätten Sie nicht gerade Rells vor mir erwähnt! Ich heiße Allan Rells, nicht Donat …“

Die wenigen Yukabäume, die vor der Pforte der Fenz wuchsen, spendeten dem Mexikaner bei dieser Hitze nur sehr ungenügenden Schatten. „Darf ich mein Pferd unterstellen, und würden Sie mir eine kurze Unterredung gewähren?“ bat er höflich.

Old Gila kaute nachdenklich an der Unterlippe und schaute den Mann aus finsteren Augen von unten recht lauernd an. „Kommen Sie“, erklärte er dann. Aber wer Old Gila von jenen Zeiten her kannte, als hier in der Mohave und Umgebung ein Menschenleben so billig wie das eines stinkigen Coyoten gewesen, der wäre vielleicht nicht so ohne weiteres in die Ranch eingetreten.

Das liederliche Steinhaus lehnte mit der Rückseite an ein paar roten Granitfelsen, aus denen auch die spärliche Quelle entsprang, die hier etwas fruchtbaren Boden geschaffen hatte.

Die verräucherte Vorderstube des Häuschens war mehr als armselig eingerichtet, Alle Möbel mußten mit der Art und einer Säge angefertigt worden und uralt sein.

Der Mexikaner setzte sich an den Tisch mit dem Gesicht nach dem offenen Fenster hin und legte seinen langen Coldrevolver etwas ostentativ auf die Tischplatte. Dann sagte er noch: „Ich bin natürlich nicht allein von Fort Yuma hierher gekommen. Mein Freund und unser indianischer Führer lagern draußen bei den Weiden an dem Salztümpel.“

Old Gila saß seinem unwillkommenen Gaste gegenüber und knetete seine Fäuste. In seinen Augen war ein schwer enträtselbares Blinzeln.

„Hätten die Leute mitbringen sollen, Sennor! Warum ließen Sie sie draußen, bei der Hitze?!“

Der Mexikaner drehte sich eine Zigarette, ließ jedoch den Alten nicht aus den Augen.

„Mein Name ist Doktor Barrana, Diego Barrana, – Rechtsanwalt aus …“

„Ah“, rief Old Gila erleichtert dazwischen. „Also Barrana!! Der Millionär!“

Barrana nickte flüchtig, zündete seine Zigarette an und strich seinen grauen Schnurrbart zurück.

„Wollen Sie ein Geschäft machen, bei dem Sie dreihunderttausend Silberdollars verdienen können, ohne daß man von Ihnen als Gegenleistung mehr fordert als Ihr Leben?“ – Er lächelte wie über einen guten Witz und zeigte sein Raubtiergebiß. „Natürlich sollen Sie nicht in Wahrheit sterben, nur zum Schein, aber auch das läßt sich machen.“

„Also wohl ein Lebensversicherungsschwindel, wie sie heute üblich sind“, meinte der Alte mit einem lautlosen Lachen. „Sennor, damit kommen Sie bei mir an den Unrechten, ich habe …“

Die hochmütig verweisende Handbewegung des Anwalts ließ ihn verstummen.

„Sie vergessen“, sagte Barrana wegwerfend, „daß ich ungezählte Millionen besitze … Ich will lediglich einem Menschen, dem ich zu Dank verpflichtet bin, der aber von mir selbst nichts annehmen würde, zu derselben Summe verhelfen, die ich Ihnen zugedacht habe.“

Old Gila war ein kluger alter Mann. Er merkte, daß der reiche Barrana es mit dem Angebot völlig ernst meinte, und er war schon jetzt nicht abgeneigt, darauf einzugehen, denn vor falschen Schlichen würde er sich schon selbst schützen, dazu war er hier im Wilden Westen groß und alt geworden.

„Reden Sie!“ erklärte er nur. „Aber lügen Sie nicht. Ich bin kein Grünhorn, Sennor.“

„Das weiß ich! In London lebt die Tochter eines früheren Freundes von mir, mit dem ich einer Frau wegen auseinanderkam: Das Mädchen heißt Ingrid Greyson und ist Angestellte bei einem Londoner Kollegen von mir. – Sie, Mr. Rells, haben weiter nichts zu tun, als ein Testament zugunsten dieser Ingrid vor mir als Notar aufzusetzen und das Geld bei meiner Bank einzuzahlen, also dreihunderttausend Dollars. Das heißt, das Geld zahle ich ein, und gleichzeitig erhalten Sie dieselbe Summe. Dann verunglücken Sie bei der Jagd, – Ihre Büchse entlädt sich und Sie sterben, – für Zeugen und einen Arzt wird gesorgt werden, dann verschwinden Sie von hier und lassen sich irgendwo anders nieder. In dem Testament betonen Sie, daß Sie sich Ingrid Greyson gegenüber verpflichtet fühlen … und so weiter, – das lassen Sie nur meine Sorge sein. Ich gebe Ihnen fünf Minuten Zeit, sich die Sache zu überlegen.“

Er drehte sich eine zweite Zigarette und wartete mit der Uhr in der Hand.

Old Gila sah in alledem nichts Arges. In seinem langen, abenteuerlichen Leben hatte, er schon ganz andere Dinge mitgemacht und sogar weit unklarere.

„Einverstanden!“ erklärte er, noch bevor die fünf Minuten um waren.

Das Testament wurde in aller Form aufgesetzt. Allan Rells unterschrieb, und Barrana zeichnete mit seinem Namen und unterstempelte die Urkunde,

Auch das schien durchaus glatt abzugehen.

Aber Old Gila war ein heller Kopf und hatte sehr wohl bemerkt, daß der Notar das Datum in der Urkunde um einen Monat zurückverlegt hatte, – er wurde mißtrauisch, und nachdem Barrana ihm das Geld auf den Tisch gezählt hatte – dreihunderttausend Dollars, – nachdem er nun wieder allein war und sich alles nochmals durch den Kopf gehen ließ, fand er doch so viele merkwürdige Punkte heraus, daß er als vorsichtiger Mann seine beiden kalifornischen Bluthunde aus dem Stall herbeiholte, sie bei sich behielt und sich bis zum Abend und zum Eintritt völliger Dunkelheit nicht aus dem Hause wagte.

Die mündliche Vereinbarung mit Barrana ging dahin, daß er, Rells, nach zwei Wochen ‚sterben‘ sollte, – Old Gila dachte immer wieder an das Datum des Testaments und nahm mit ziemlicher Gewißheit nunmehr an, daß man ihn aus dem Hinterhalt ermorden und daß Barrana ihm, dem Toten, sein Geld wieder abnehmen würde. –

Am folgenden Tage verließ Old Gila während eines Sandsturmes seine Ranch und ritt mit seinem besten Maultier und mit seinen beiden Bluthunden und seiner auf drei Packtieren verstauten wertvollsten Habe gen Osten und hoffte bestimmt, bei dem Unwetter seinen Gegnern zu entgehen. Im ersten großen Kakteenfelde hinter seiner Ranch knallten Schüsse, die Hunde heulten auf und rollten sich am Boden, und auch Old Gila lag stumm und steif da. – Ingrid Greyson hatte ein Vermögen geerbt, mit dessen Hilfe, wie sie uns erzählte, sie den Tod des Ehepaares Layton aufklären und auch versuchen wollte, die sagenhafte Oase Zerzura zu finden.

Nunmehr lasse ich Ingrid bei uns auftreten, damit der Leser sich auch von ihr ein Bild machen kann.

An einem sehr heißen Julitage kam sie zu uns und trug ihr Anliegen vor. Sie betonte, daß sie den Freund ihres Vaters, den in Mexiko verstorbenen Allan Rells, nicht gekannt habe und durch die große Erbschaft vollkommen überrascht worden sei.

Sie war ein sehr hübsches junges Mädchen mit dem bescheidenen und doch sicheren Benehmen einer Dame, einer wirklichen Dame, und ihre Bildung war so vielseitig, daß es nicht recht verständlich erschien, daß ein so kluges und sprachkundiges und schönes Mädchen nur bei einem Anwalt als Stenotypistin Stellung gefunden hatte.

Ihre gründliche Erziehung und ihr Wissen verdankte sie der Lady Honoria Layton, die sie geradezu schwärmerisch zu verehren schien. Sie sprach über die tote Lady nur mit Worten tiefsten Dankes und mit einer Hingabe, als handelte es sich um ihre eigene Mutter.

Harst erklärte ihr sofort, daß das von ihr geplante Unternehmen wahrscheinlich ergebnislos bleiben und nur die Erbschaft verschlingen dürfte.

Sie blieb bei ihrem Vorhaben, und wir vereinbarten nun alles weitere in mehreren Zusammenkünften.

Diese Besprechungen dehnte mein Freund absichtlich über drei Wochen aus. Inzwischen, so hoffte er, würde aus Mexiko Antwort von der Detektei eingelaufen sein, die er ohne Wissen Ingrids mit Nachforschungen über den Tod des Allan Rells und über verschiedene andere Fragen beauftragt hatte. – Es handelte sich dabei um eine äußerst zuverlässige Agentur, für die auch wir hier in Deutschland gelegentlich gearbeitet hatten, und als die Antwort eintraf, daß an der ganzen Erbschaft nichts Bedenkliches sei, hätte mein Freund sich hiermit zufrieden geben müssen, er tat es jedoch nicht, sondern wandte sich noch an eine zweite Detektei, an ein Konkurrenzunternehmen der ersten, – was hierbei herauskam, habe ich schon halb vorweggenommen und darf nunmehr den Leser wieder in unser Lager in der Lybischen Wüste zurückversetzen. –

 

 

3. Kapitel

Morgenfrühstück im Lager und der Koch Ralla.

Nachdem wir das Taschentüchlein oben auf dem Sichelfelsen entdeckt und dadurch erneut gegen Ingrid einen freilich höchst ungewissen Verdacht geschöpft hatten, kletterte mein Freund allein auf die Steinsichel hinab und holte das verdächtige Tüchlein, das wir im Schutze der Felsen sehr eingehend musterten. Es war bestimmt eins von Ingrids Taschentüchern und recht zerknittert und beschmutzt.

Harst schüttelte ungläubig den Kopf. „Unsere so peinlich saubere jugendliche Auftraggeberin sollte ein solches Tüchlein noch benutzt haben?! Das paßt sehr wenig zu ihr. Ingrid ist von einer geradezu kleinlichen Akkuratesse in allem, und diese Fettflecke hier sehen ganz nach Bratentunke aus, riechen auch so und übertäuben noch den zarten Parfümduft. – Recht seltsam! Die Geschichte wird immer komplizierter.“

Er steckte das Tüchlein zu sich, und wir schlichen auf Umwegen wieder in unser Zelt zurück, da die Dromedare nach ihrer Gewohnheit die ersten Strahlen der Sonne mit mißtönendem Geschrei begrüßten und dadurch ihre Morgenmahlzeit verlangten.

Im Lager wurde es nun lebendig.

Als erster erschien wie immer unser Koch, den wir in Kufra bei der Zusammenstellung der Karawane auf seine vorzüglichen Zeugnisse hin angenommen hatten, obwohl Ralla el Sett stumm war und nur die Zeichensprache glänzend beherrschte und nebenher ein paar Worte in einzelnen Silben hervorquälen konnte.

Als er das Feuer vor seinem Zelte zu hellen Flammen angeschürt hatte und seine Töpfe und Pfannen auf eiserne Dreibeine darüber gestellt hatte, öffnete er die Proviantkisten und legte alles zurecht, was er für die Morgenmahlzeit brauchte. Dann hockte er sich neben dem Feuer nieder und verrichtete als strenger Mohammedaner sein Gebet, wusch sich mit Sand, betete seine Sure und verneigt sich mehrmals gegen Osten hin, wo die heilige Stadt Mekka liegt. Nun erst begann er seine Arbeit, die er immer mit einer gewissen Feierlichkeit verrichtete. Es war ein Genuß, ihm zuzusehen, ein noch größerer, seine Delikatessen zu genießen.

Ralla el Sett war eben eine Perle, und daß er stumm war, erschien höchstens als Vorzug, da unser Führer im Gegensatz zu Ralla ein wahrer Schwätzer genannt werden konnte.

Jeder Karawanenführer, der schon häufiger mit Europäern zu tun gehabt hat, wird sehr leicht frech und unverschämt und glaubt sich unentbehrlich. Unser Kafrim, übrigens ein Mischling höchst unklarer Herkunft und ein genau so alter Knabe wie Ralla und ebenso lang und dürr, war durch Ingrid in Kufra angeworben worden und hatte uns von vornherein nicht gefallen. Aber Ingrid war auf ihre Art sparsam und in manchem sehr eigenmächtig und wollte bei der Expedition nicht zu viel Geld unnötig dransetzen … Mit Kafrim waren wir denn auch gründlichst hereingefallen. Der alte Bursche beherrschte weder den Dialekt unserer Beduinen noch hatte er sonst einen blassen Schimmer von seinen Pflichten und der Lybischen Wüste. Er war der Typ des großmäuligen und anmaßenden Mischlings, ließ sich mit Mister anreden und zeigte Vorliebe für Alkohol. Mit Ralla stand er auf Hauen und Stechen.

Diese unechte Perle hatte uns schon manches Rätsel aufgegeben, und wenn einer der Leute der Expedition mit Ingrid vielleicht in vertrauterem Verhältnis stehen konnte, so war es er. Nach außen hin taten die beiden allerdings stets so, als wären sie sich völlig fremd gewesen. Harst behauptet aber, sie müßten sich schon früher gekannt haben, und Kafrim sei überhaupt kein Führer, sondern weiß Gott was für ein fragwürdiger Bursche, mit dem Ingrid eben gemeinsame Sache machte, – gegen wen, das blieb leider undurchsichtig. Und das war auch für uns der heikle Punkt: Wir konnten bisher keinerlei Klarheit gewinnen, um was es hier eigentlich ging und was hier insgeheim gespielt wurde.

Ingrid erschien erst, als wir bereits beim Morgentee saßen. Sie war frisch und schön und jugendstrahlend und harmlos vergnügt wie immer, begrüßte uns vertraulich mit einem Scherzwort und nahm neben uns auf der ausgebreiteten Wolldecke Platz.

Ralla hatte abermals seine famose Kochkunst bewiesen, und nur Mr. Kafrim war wie stets ein unerträglicher Mäkler und kritisierte in höhnischer Weise unseres stummen Smutje erlesene Gerichte. (Smutje ist die Bezeichnung für Koch auf Seeschiffen, – da die Wüste ein Sandmeer ist, darf hier von einem Trockensmutje gesprochen werden, – die Bezeichnung stammte im übrigen von Ingrid Greyson.)

Dann stürzte einer der Beduinen herbei und meldete, daß sein Zeltgenosse nicht zu erwecken sei. Er redete allerlei in seinem Kauderwelsch von der Sudanfliege und daß wir alle sterben würden. Noch jeder, der die Oase Zerzura gesucht habe, hätte dabei das Leben eingebüßt, er würde nun umkehren und verlange keine Bezahlung, er wolle nur sein Leben retten, wir Ungläubigen seien verflucht, und niemand dürfe sich mit uns einlassen, – mit einem Wort, er hetzte die ganze Gesellschaft gegen uns drei Europäer auf und fand in der Person Kafrims einen ebenso fanatischen Helfer.

Wir hatten ursprünglich von Kufra außer Ralla und Kafrim zehn Beduinen bei uns gehabt. Nun waren es nur noch sechs, denn daß der Zeltgenosse des aufgeregten Arabers ebenfalls tot war wie die übrigen drei aus den letzten Tagen, unterlag keinem Zweifel.

Für Minuten herrschte nun im Lager eine recht bedrohliche Stimmung und nur der Umstand, daß den Leuten jegliche Waffen außer ihren Messern und alten Pistolen fehlten, verhinderte eine offene Rebellion. Harst gab mir einen Wink, die Araber im Auge zu behalten, und verschwand mit Ralla in dem Sterbezelte.

Ingrid, für mich ein lebendes schönes Rätsel, saß mit finster gerunzelten Brauen da und hatte eine Miene aufgesetzt, wie ich sie an ich noch nicht wahrgenommen hatte. Daß sie Energie besaß, wußte ich. daß sie einen kleinen Eisenkopf hatte, wußte ich gleichfalls, daß sie aber auch so unverblümt wütend den Mr. Kafrim anschnauzen könnte, war ein Zeichen für ihre rücksichtslose Entschlossenheit.

„Wenn Sie hier die Leute aufhetzen, so werde ich Sie niederknallen!! – Ach was, – Sie?! Du genügt für einen so undankbaren Menschen! Du hast mich nun wohl verstanden! Noch ein einziges Mal eine derartige Szene, und ich vergesse, daß ein Menschenleben angeblich wertvoll ist!“

Kafrim, der seine Herrin bisher von dieser Seite noch nie kennengelernt hatte, starrte sie ganz entsetzt an und konnte es offenbar gar nicht fassen, daß Ingrid nun tatsächlich ihre Pistole hervorgeholt, entsichert und auf seine Brust gerichtet hatte.

Er erbleichte und wurde aschfahl.

Gerade da kehrte Harst mit dem Trockensmutje zurück. Mit einem Blick überflog er die vor dem Zelt Rallas Versammelten und schaute dann Ingrid in das tiefgerötete, erregte Gesicht.

Das Mädchen erwiderte seinen fragenden Blick mit einem ärgerlich hervorgestoßenen: „Damit Sie auch das nun wissen, Herr Harst: Kafrim war nachts heimlich unterwegs! – Ich sah ihn davonreiten …! Er benutzte den Sichelfelsen dort unten zum Besteigen des Dromedars und ritt ohne Sattel und Zaum, nur mit dem Halfterstrick. Nachher schlief ich wieder ein. Wann er zurückgekommen ist, kann ich nicht sagen. Wir haben also bestimmt einen Verräter unter uns und der heißt eben Kafrim, – das ist der Mensch, den ich auf seine Bitten hin als Führer anwarb!“

Mr. Kafrim wagte keinen Widerspruch, nur ein Blick traf Ingrid, in dem eine lodernde Wut flammte.

Mein Freund sagte zunächst gar nichts, … er beobachtete nur und schien auch recht zerstreut …

„Vermissen Sie eines Ihrer Taschentücher, Miß Ingrid?“

Die Frage klang völlig gleichgültig und bedeutungslos.

„Weshalb fragen Sie, Herr Harst? Um ein einzelnes Tuch zu vermissen, dazu besitze ich zu viele. Fanden Sie eins?“

Der tote Beduine war völlig vergessen. Es ging nur noch um ein Taschentuch.

Harald erwiderte bedächtig: „Ja, ich fand eins, aber es war oder ist zu arg beschmutzt, als daß es von Ihnen derart zugerichtet sein könnte.“

Er griff in den Kordrock und holte das Beweisstück hervor. „Hier ist es, mit Fettflecken von Brattunke, offenbar von dem Hasen, den Ralla vorgestern erlegt hatte. Kafrim scheint sich seine Hände nach der Mahlzeit daran abgewischt zu haben …“

Ich behielt, wie mir Harst durch erneuten Wink zu verstehen gegeben, die aufsässigen Beduinen noch immer im Auge. Wir sprachen mit Ingrid stets englisch, da sie das Deutsche nur sehr unvollkommen beherrschte, die Araber verstanden nur wenige Brocken davon, aber sie mochten sich doch zusammenreimen, worum es ging.

Der verdächtige Karawanenführer Kafrim wehrte sich gegen den Vorwurf, sich das Tüchlein angeeignet zu haben, mit einer verblüffenden Zungenfertigkeit und auch mit Argumenten, die man anerkennen mußte. „Ich habe von dem Hasen nichts genossen. Ich, stahl nie ein Taschentuch, aber ich war in der Nacht unterwegs das stimmt … Ich wollte einmal feststellen, wer sich mit Ralla nach Dunkelwerden durch Lichtsignale unterhält!“

Er war so erregt, daß er erst Atem schöpfen mußte.

„Wir sind nun fünf Tage unterwegs“, begann er von neuem. „Schon in der zweiten Nacht nach dem Abmarsch von Kufra bemerkte ich das verdächtige Treiben des angeblichen Marokkaners. Fragen Sie ihn doch, Mr. Harst, ob er nicht in seinem Gepäck eine kleine Blendlaterne mit sich führt?“

Der stumme Ralla stieß ein höhnisches Lachen aus und deutete auf Kafrim und zeigte durch Gesten an, daß Kafrim selbst die Signale gegeben und auch eine Laterne bei sich habe.

Bei alledem gewann ich immer mehr das Gefühl, daß Harald und ich hier von Leuten umgeben seien, die es alle nicht ehrlich meinten – auch Ingrid traute ich nicht, jetzt erschien mir ihr Spiel mit der entsicherten Pistole wie eine Komödie, und ebensowenig traute ich Kafrims Wutblicken … Das konnte alles nur wohlberechneter Bluff sein.

Zu dieser Überzeugung brachte mich einzig und allein Ingrids Verhalten, die bei der Erwähnung der Signale schnell den Kopf gesenkt und auch nicht wieder gehoben hatte. Die tiefe Röte ihres Gesichts blieb mir trotzdem nicht verborgen.

Harst stand noch aufrecht da und hinter ihm lehnte der alte hagere Ralla an einem Felsen.

Was sich dann ereignete, spielte sich so unerwartet und so blitzschnell ab, daß wir drei Europäer erst richtig wieder zur Besinnung kamen, als wir bereits gefesselt im Sande lagen. An Gegenwehr war gar nicht zu denken, denn Ralla besaß Kräfte wie ein Stier und hatte Harst sofort eng umschlungen und damit das Zeichen zu dem allgemeinen und genau vereinbarten Überfall auf uns drei gegeben. Ingrid schied jetzt als Kämpferin völlig aus, und da mich der hünenstarke Kafrim wie ein Panther angesprungen hatte, wollte auch ich in den Sand und war sehr bald nur ein wehrloses Paket aus Decken und Riemen.

Mit dieser Wendung der Dinge hatte keiner von uns gerechnet. Sie kam so unerwartet wie ein Blitz aus heiterem Himmel und so vernichtend wie eine Naturkatastrophe. Nun stand der dürre Kafrim mit seinem niederträchtigsten Grinsen vor uns und sagte sehr kurz und verständlich – verständlich, was unser ferneres Schicksal anging: „Wir werden euch hier allein lassen zur Strafe für unsere Toten. Der Dscheitan verderbe euch, und die Aasgeier mögen euch fressen!!“

Er spie vor uns aus und gab dann das Zeichen zum Aufbruch.

Ingrid verlegte sich aufs Bitten, aber Harst rief dazwischen: „Erniedrigen Sie sich doch nicht vor diesen Banditen, die es ja von vornherein auf nichts anderes abgesehen hatten …! Die ganze Gesellschaft steckt unter einer Decke, und nur die vier Toten, die wir seit Kufra zu beklagen haben, gehören nicht mit dazu. Deshalb mußten sie sterben, und ihr Mörder ist Kafrim und kein anderer. Von ihm stammte ja auch das Geschwätz wegen der Sudanfliegen. – Kafrim, geben Sie die Morde zu?“

Der lange Kerl drehte sich halb um, – er brach gerade sein Zelt ab.

„Ja, ich gebe es zu. Warum nicht?! Noch einen Tag, und ihr seid tot. Dann kommen die Füchse und die Wölfe und die Schakale und die Aasgeier, und übermorgen seid ihr nur noch Knochen. Der Teufel fresse euch!!“

„Und was werdet ihr in Kufra über unser Verschwinden angeben?“ meinte Harst in aller Seelenruhe. „Ich sehe euch alle schon in der Schlinge baumeln!“

Doch auch das verfing gar nicht, – der verräterische Führer lachte uns aus. „Denkt ihr, wir werden nach Kufra zurückkehren? Denkt ihr, wir sind dort zu Hause?! Denkt ihr, wir werden etwas von euren Sachen mitnehmen, das Argwohn erregen könnte?!“

Und der genau so niederträchtige Koch Ralla fügte hinzu: „Die Sonne hat euch euer Hirn ausgedörrt! Ihr hört nun, ich kann sehr wohl sprechen! Ihr mögt in der Hölle schmoren!!?“

Der sehnige alte Kerl sprach wirklich perfekt englisch und amüsierte sich schadenfroh über Ingrids verdutztes Gesicht.

Das junge Mädchen weinte jetzt. Sie war verzweifelt. Ralla hatte ihr sogar ihr Geld und ihre Schmucksachen und ihre Waffen abgenommen.

– Eine halbe Stunde darauf zogen die Banditen ab, nachdem uns Kafrim noch hohnvoll erklärt hatte, wir seien nicht die ersten Europäer, deren er auf diese Weise die Suche nach der Oase Zerzura gehörig versalzen habe. Man hatte uns nur unser Zelt gelassen und unser Gepäck. Aber wir lagen draußen im sengenden Sonnenschein und waren alle drei so aneinander gebunden, daß wir uns kaum bewegen konnten.

 

 

4. Kapitel

Mein Freund, der Detektiv.

Es mochte eine Viertelstunde nach dem Abzug der Verräter vergangen sein. Ingrid Greyson schluchzte noch immer still und verzweifelt vor sich hin. Wir drei lagen nicht am Boden, sondern man hatte uns nebeneinander an die Felsen gestützt, wir saßen also, und die Sonne schien uns grell und stechend in die Gesichter und auf die bloßen Köpfe. Daß es dem Anführer der braunen Banditen mit seiner Drohung, uns hier elend umkommen zu lassen, völlig ernst gewesen, ging schon aus seiner raffinierten Marter für uns hervor: So ungeschützt wie wir hier saßen, würden wir den Abend nicht mehr erleben und unter Höllenqualen verenden. Kein Wunder, daß Ingrid in richtiger Erkenntnis der Lage sich gar nicht beruhigen konnte und meine Niedergeschlagenheit nur noch vermehrte, denn was Harald eigentlich über unsere Aussichten auf Rettung dachte, ließ sich schwer sagen, da er mit geschlossenen Augen regungslos verharrte und sich überhaupt nicht meldete, obwohl ich ihn wiederholt angesprochen hatte, schon um Ingrid irgendwie trösten zu können, der wir ja offenbar mit all unseren haltlosen Verdächtigungen bitter unrecht getan hatten.

Dann rührte er sich. Es geschah ganz unerwartet, als Ingrid gerade mit ihrem verzweifelten Schluchzen etwas aufhörte.

„Seit wann kennen Sie Kafrim?“ fragte er, den Kopf nach Ingrid hinwendend.

Sie schaute auf. Eine Weile blickte sie Harst still und schuldbewußt an.

„Seit Juli dieses Jahres“, erwiderte sie ehrlich und ohne jeden Versuch, weiterhin etwas abzustreiten, was ihr nun auf den Kopf zugesagt wurde.

„Wie lernten Sie ihn kennen?“

Miß Greyson entgegnete sofort: „Ich will Ihnen alles beichten, Herr Harst. Ich bereue es tief, mich mit dem Menschen auf dieses trügerische Spiel überhaupt eingelassen zu haben, aber ich fand dabei nichts Unrechtes, zumal es mir nur angebracht schien, mich einer doppelten Hilfe zu versichern.“

„Als er sich Ihnen näherte, muß er das sehr schlau angefangen haben, denn Sie sind doch nicht so ganz weltfremd und menschenunkundig.“

„Er machte es überaus geschickt. Ich besuchte damals – es war kurz nach der Erbschaft – sehr oft das Britische Museum, um meine Kenntnisse über die Lybische Wüste zu bereichern. Auch Kafrim war dort und saß mir wiederholt gegenüber und verlangte auch an der Ausgabe dieselben Bücher. So kamen wir ins Gespräch, und unsere nähere Bekanntschaft entwickelte sich auf Grund derselben Interessen ganz von selbst weiter und führte schließlich zu einer Art Freundschaft. Kafrim nannte sich damals Sennor Gonzales Rodrigez Alvaro.“

„Ein sehr schöner Name, – wie im Film“, warf Harald etwas ironisch ein, „bitte weiter.“

„Es kam nach etwa acht Tagen auch dazu, daß er mich besuchte, ich hatte bereits eine andere Wohnung bezogen. Nun vertraute ich mich ihm völlig an, sagte ihm auch, daß ich schon mit Ihnen in schriftlichen Unterhandlungen stünde und sehr bald nach Berlin fahren würde.“

„Und da machte der Sennor mit dem Patentnamen wohl ein sehr saures Gesicht dazu?“

„Im Gegenteil. Er erklärte mir, mein Gedanke, gerade Sie hinzuzuziehen, sei vorzüglich!?“

„Welch‘ ein frecher Schwindler!! – Weiter!“

„Er klagte mir dann sein Leid, er hätte leider nicht die Mittel, eine eigene Expedition auszurüsten …“

„Und Sie fielen prompt darauf herein und vereinbarten, sich in Kufra zu treffen und ihn in unsere Karawane hineinzumogeln. Er lehnte also Ihren Vorschlag, den Sie ihm sicherlich gemacht haben, nämlich mich ins Vertrauen zu ziehen, endgültig ab. Stimmt das?“

„Ja, leider.“

„Und auch da wurden Sie noch nicht argwöhnisch?! Er muß die Geschichte überaus schlau angefangen haben. Übergehen wir alle überflüssigen Einzelheiten. Wie war denn das nun eigentlich mit den nächtlichen Ritten dieses Alvaro? – Vielleicht heißt der Kerl wirklich so. Ich bin beinahe davon überzeugt, das würde in den Rahmen hineinpassen.“

„In welchen?“ –– Miß Greyson schaute Harst forschend an. „Meinen Sie den mexikanischen Rahmen? Mein Wohltäter Allan Rells wohnte ja auf mexikanischem Gebiet in dem südwestlichsten Ausläufer der Mojave.“

„Ja, das meine ich. Ich habe da noch weitere Zusammenhänge zu Mexiko gefunden. Kennen Sie den Anwalt Barrana persönlich? Er war doch Allan Rells Bevollmächtigter.“

„Nein, ich habe nur mit ihm korrespondiert. Es gibt übrigens in Mexiko mehrere Anwälte dieses Namens, und der eine ist ein Vetter des Diego Barrana. Den kenne ich. Der war einmal bei uns in London in dem Büro der Anwaltfirma, bei der ich als Stenotypistin arbeitete.“

„Aha! – Und hat dieser Barrana Ihnen da nicht so ein wenig den Hof gemacht?“

Ingrid schaute Harst ganz entsetzt an. „Ja, so war es!“ erwiderte sie etwas zögernd.

„Und Sie ließen ihn gründlichst abfallen?“

„Ja. Er war doppelt so alt wie ich und auch so ungeheuer aufdringlich.“

„Sie schieden in Feindschaft von einander. Sie brauchen mir das gar nicht zu bestätigen. Es muß so sein.“

„Es war so“, nickte Miß Greyson erschauernd. „Es war sehr häßlich. Er schwor mir, er würde es nie dulden, daß ich je einem anderen Manne angehörte und er drohte, er würde –“ sie zauderte.

„… er drohte“, ergänzte Harst „Ihren heimlich Verlobten, den Sie selbst uns unterschlagen haben, zu töten.“

„Ja, aber woher wissen Sie von der Verlobung mit …“

„… Mit Harry Burns …?! Ja, Harry Burns heißt er … – Woher? Liebe Miß Ingrid, wenn jemand als Klientin zu mir kommt und macht zum Teil so zögernde Angaben, dann lasse ich diese Angaben nachprüfen und ergänzen, – genau wie die über die Erbschaft und den Wohltäter Allan Rells, und dann kommen gewöhnlich sehr interessante Dinge ans Licht. Was noch fehlt, um das Bild abzurunden, kann man sich ergänzen. Allerdings, Ihre Bekanntschaft mit Kafrim ist mir doch erst später, zu spät aufgestoßen. Anders verhielt es sich mit Ihrem Wohltäter. Die erste Detektei versagte, denn sie stand in Diego Barranas Sold. Die zweite arbeitete um so präziser, aber auch ihre Auskunft mußte lückenhaft bleiben.“

Jetzt war ich‘s, der Harst erstaunt anstarrte. – Ich hatte bisher keine Ahnung davon, daß auch bereits die Antwort der anderen Detektei eingelaufen war.

Jetzt fragte ich, und mein Ton war sehr unwillig und verärgert: „Was hat dir denn zum Teufel die zweite Detektei so Wichtiges gemeldet?! Rede gefälligst! Du hast uns hier in eine allerliebste Patsche gebracht. Nur du! Wenn du mir eine Silbe von …“

Ich zog es vor zu schweigen, denn Harald hatte mich mit einem Blick gemustert, der Bände sprach, in diesem Falle sagte der Blick: „Warte gefälligst ab und verdirb mir nicht den ganzen Spaß!“

Ich schwieg. Ich war nur außerordentlich gespannt was nun folgen würde. Aber von selbst wäre ich niemals darauf gekommen.

Der Detektiv Harst erklärte nämlich: „Miß Ingrid, wir waren bei Ihrem heimlich Verlobten stehen geblieben. Sie haben sich mit dem netten Harry Burns entzweit!“

„Er war mir untreu!“ stieß das junge Mädchen gereizt hervor.

„So?! Wissen Sie das so genau?! – Ein Mann wie Burns, ein Inspektor der Abteilung G. von Scotland Yard, wird sich hüten, ein Mädchen wie Sie zu hintergehen. Ich hätte auf die anonymen Briefe und auf Ihre zweifelhaften Beobachtungen nichts gegeben. Aber das ist ja schließlich Ihre Sache. Jedenfalls ging das Verlöbnis auseinander, und Sie leiden noch heute darunter! Nicht weinen! Dazu liegt kein Grund vor. Ein Harry Burns ist treu und hilfsbereit und klug.“

Aber Ingrid weinte trotzdem. Und das war bei der Hitze doppelt gefährlich, denn die feuchte Haut hat nun einmal die Unart weit leichter Hitzeblasen zu stellen als trockene Haut.

Ich hatte mich daher abermals recht ärgerlich Harald zugewandt und fauchte ihn grob an; „War es wirklich nötig, daß du ausgerechnet in dieser unserer kläglichen Situation auf Burns zu sprechen kamst?!“

„So?!“ meinte er sehr gleichgültig und geradezu abgebrüht gefühllos. „So, – die Hilfe ist ja schon da!!“

Ich folgte der Richtung seiner Blicke und gewahrte ein paar Dromedarreiter, die in schlankem Trab auf die Felsen zuhielten.

Ich war sprachlos. Hatte Harst etwa gewußt, daß wir so schnell gerettet werden würden? War etwa der vorderste der Reiter Harry Burns, der junge Inspektor der Abteilung G.?!

Er war es nicht.

 

 

5. Kapitel.

Wir bleiben als überzählig zurück.

Ein Europäer war‘s, aber nicht Mr. Burns, sondern ein junger, sehr patent herausstaffierter Franzose namens Bernhard d‘Orville … Er hatte zwei Beduinen und zwei Lasttiere bei sich und beeilte sich, uns von den Fesseln zu befreien und Miß Greyson allerlei Liebenswürdigkeiten zu sagen, für uns beide zeigte er weit weniger Teilnahme, immerhin sprach er uns sein Bedauern darüber aus, daß er zunächst für Harst und mich nichts tun könne, da er eiligst nah Kufra müsse, er würde nur Ingrid dorthin mitnehmen und dafür sorgen, daß wir von hier abgeholt werden sollten.

Er hatte es offenbar wirklich sehr eilig und hinterließ uns genügend Proviant, aber nur drei Wasserschläuche, mehr könnte er nicht entbehren. Das sahen wir vollkommen ein, zumal er jetzt die Verantwortung für eine junge Dame trug, die sich von uns nur sehr zögernd trennte. Harst trug das Seine dazu bei, daß Ingrid schließlich einsah, wie wenig Zweck ein Zusammenbleiben jetzt für uns hätte, da wir ja doch in Kufra erst eine neue Karawane zusammenstellen müßten.

Wir winkten Ingrid noch lange nach und Harald rief sogar verschiedentlich „Auf baldiges Wiedersehen!“ obwohl die Entfernung bis zu den Davonreitenden eine Verständigung durch Rufe ganz ausgeschlossen machte.

Nachdem Monsieur Bernhard dann endgültig verschwunden war, holte Harst tief und erleichtert Atem und meinte zu mir: „Bisher ist alles wie am Schnürchen gegangen. Ich bin jetzt nur neugierig, wer nun als erster erscheint, der nette Burns oder …“

„Wer?“ fragte ich mit einem Gesicht, das meine Zweifel an Haralds Zurechnungsfähigkeit deutlich ausgedrückt haben muß.

Er winkte mir und wir setzten uns in das Zelt, wo es wenigstens schattig, wenn auch nicht gerade bedeutend kühler war.

Mein Freund nahm auf dem Klappstuhl umständlich Platz und knipste sein Zigarettenetui auf. „Bitte bediene dich! – So, hier ist Feuer! Jetzt beginnt mir der Fall Oase Zerzura erst Spaß zu machen. Die Mitspieler dürften alle in der Nähe sein, und wir schweben als Engel der Vorsehung über dem Ganzen, weil wir genau wissen, was los ist, und das ist ein sehr behagliches Gefühl. Wäre Monsieur Bernard d‘Orville nicht erschienen, hätte ich mich in meinen Schlußfolgerungen gründlich getäuscht, und das hätte mich sehr niedergedrückt, wie eben jeden Va-Banque-Spieler, der alles auf eine Karte setzt. Meine Karte war hier die Logik meiner Gedanken. Bisher haben sie nicht versagt, diese Gedanken, im Gegenteil, sie sind Punkt um Punkt bestätigt worden durch die tatsächlichen Geschehnisse.“

Er sprach für mich so ziemlich in Rätseln.

„Beginnen wir nochmals beim Ausgangspunkt des Ganzen“, fuhr er bereits fort. „Lord Reginald Layton versucht 1932 in Begleitung seiner Gattin Honoria die Oase Zerzura zu finden, erblickt jedoch nur vom Flugzeug aus eine bisher unbekannte Oase von großem Umfang und nimmt an, es wäre Zerzura. Er stirbt und seine Gattin will sein Werk zu Ende führen. Nach unendlichen Mühsalen stößt sie auf eine menschenleere und wasserarme Oase. Es ist nicht Zerzura!

„Wassermangel"“, fuhr er fort, „zwingt die Lady zur Umkehr. Im folgenden Jahre will sie nochmals das Sandmeer bei Gilf Kebir, diese ungeheure Fläche unbekannten Gebietes durchsuchen, – da stirbt sie unter ähnlichen Erscheinungen wie ihr Gatte.“

Er rauchte ein paar nachdenkliche Züge und blickte mich dann versonnen an.

„Du kennst die Legende vom Fluch der Pharaonen. Wir haben uns selbst einmal damit beschäftigen müssen. Es handelt sich um die Schicksale oder, genauer, um die Todesfälle aller der Leute, die damals das Grab des Tutanchamon entdeckt, geöffnet und geplündert hatten. Also um die Carter-Expedition. Lord Cornavoor war der Geldgeber. Alle starben, alle, in kurzer Zeit, und die Superschlauen sagten: „Ein Zufall!!“ das ist nämlich immer am bequemsten, dieser liebe Onkel Zufall, – der findet sich immer wie in schlechten Romanen als Erbonkel ein.“

„Wir wissen es besser“, meinte er sinnend, „woran die Leute der Tutanchamon-Expedition zugrunde gingen: Durch einen Geisteskranken, der auch schon wie hier der Herr Kafrim mit der Sudanfliege operierte. Du hast die Geschichte nachher „Die grüne Fliege“[2] betitelt.

Als der erste unserer Beduinen hier starb und Kafrim sofort die Sudanfliege als Schreckgespenst heraufbeschwor, da schöpfte ich sofort gegen ihn Verdacht, das heißt, mein bereits bestehender Verdacht verstärkte sich. Er hat die armen Teufel vergiftet, das wissen wir nun, er wollte sie los sein, sie waren ihm und seinem Auftraggeber im Wege. – Das wäre zum Thema Sudanfliege zu sagen.

Gewiß, ich gebe zu, daß ich noch heute früh sehr im Zweifel darüber war, ob meine Vermutungen stimmten, sogar sehr, und ich wurde beinahe irre an mir selbst, weil ich den Überfall auf uns früher in meinen Schlußfolgerungen angesetzt hatte, mindestens um einen Tag früher. Jetzt hat sich die Sache wieder eingerenkt.“

Er schaute mich listig blinzelnd an und fuhr fort: „Nun das Thema: Ingrids Taschentuch. Auch ein Beweis, daß ich richtig kalkuliert hatte. Kafrim war nachts unterwegs, wie er ja auch zugab. Aber zunächst wollte er den Verdacht auf unsere Perle von Koch, auf den ehrwürdigen alten Ralla el Sett lenken. Denn den hatte Kafrim auch auf der Totenliste, aber Ralla war zu schlau und markierte den Stummen und den …“

Bis dahin hatte ich geduldig zugehört. Jeder Geduldsfaden reißt einmal, der meine riß jetzt.

„Stopp!“ fuhr ich dazwischen, da mir die Geschichte nun denn doch zu dumm wurde. „Ein unübersichtlicheres Geschwätz hast du noch nie vom Stapel gelassen, Harald!“

Er nickte und lachte. „Ein größeres Lob als dieses konntest du mir gar nicht zollen, mein Alter, wirklich nicht! Das wollte ich ja gerade, du solltest auf gewisse Zusammenhänge hingewiesen werden, ohne daß ich dich direkt mit der Nase auf die Tatsachen stieß. Du solltest von dir aus die …“

Da schwieg er und horchte. Mag der Wüstensand nun auch die Tritte der Dromedare stark dämpfen, etwas hört man stets, wenn Reiter sich in eiligster Gangart nähern: Sattelknarren und das Keuchen der Tiere.

Wir horchten. – Dann brüllte jemand: „Hallo!! Noch jemand hier?!“

Englische Worte, eine sehr helle und scharfe Stimme.

Ich hinaus ins Freie.

Harst bleibt sitzen.

„Wozu diese makkabäische Hast?!“ ruft er mir nach. „Es ist natürlich der nette Harry Burns, Spezialist für ganz verwickelte Fälle. So hier der Fall seiner verflossenen Braut, die ihn natürlich noch immer liebt.“

Das höre ich hinter mir.

Und was sehe ich vor mir? – Ich grinse vor Schadenfreude, denn das hatte Harald nie geahnt. Zwei Reiter und zwei Lasttiere kommen angejagt. Den einen kenne ich nicht, aber den anderen um so besser, schon seiner Braten und Tunken wegen: Es ist der Trockensmutje Ralla el Sett! Und ihm sind die Beine fein säuberlich unter dem Leibe des Dromedars zusammengeschnürt!

„Harald! – Der Smutje!“ rufe ich.

„So?!“ ertönt es aus dem Zelt. „Dann ist der arme Trockensmutje ein Gefangener!“

„Ja, aber bist du Hellseher oder hast du ein Loch in das Zelt geschnitten?“

„Weder das eine noch das andere! Ich habe nur die Angewohnheit, etwas nachzudenken. Was ich dir auch empfehlen möchte!“

Der Reiter und der Gefangene hielten am Fuße des Hügels. – „Sind Sie Mr. Schraut? – Mein Name ist Coldenleets. Wo ist Miß Greyson?“

„Sie sind nicht Coldenleets, sondern Harry Burns! Und …“

„Er schmückt sich mit fremden Federn!!“ ertönte es aus dem Zelte.

Burns starrte mich an und lächelte. Aber nur flüchtig. Dann machte er ein um so ernsteres Gesicht. „Wo ist Ingrid?“

Harst erschien neben mir, und er erwiderte achselzuckend: „In bester Sicherheit! Ein Monsieur d‘Orville nahm sie mit zurück nach Kufra.“

Burns sprang waghalsig aus dem hohen Bocksattel und rannte zu uns herauf. „Um Gottes willen!! Ein Franzose?! Noch jung, nicht wahr, und etwas verkommen aussehend, verlebt und mit listigen Augen und Hakennase?!“

Harst nickte, ich nickte.

„Es ist ein ganz berüchtigter Mädchenhändler, der sehr reiche Geldgeber hinter sich hat!“

„Na, wenn schon!“ meinte Harald zu meinem Entsetzen ganz pomadig. „Er hat auch noch andere hinter sich. Zum Beispiel uns und Sie, Mr. Burns. Der Schlimmste aber ist der da!“

Er zeigte auf den Trockensmutje.

Der Engländer nahm den schlechten Witz mit Recht verdammt krumm. „Mr. Harst, mir ist wahrhaftig nicht nach Scherzen zumute! Es geht um …“

„Weiß ich, weiß ich alles. Es geht um Ihre Braut, und doch bleibe ich dabei, daß da der Schlimmste ist!“

Und wieder zeigte er auf Ralla, den Koch, der stumpfsinnig und erschöpft im Sattel hockte und wieder so tat, als verstünde er nur zur Not Englisch.

„Ich reiße durchaus keine Witze, Mr. Burns“, fügte er sehr höflich hinzu. „Alles zu seiner Zeit. Wir werden Ihre Braut finden und wir werden auch den Mädchenhändler erwischen, falls der nicht schon tot ist.“

Dann ging er und schnürte den Trockensmutje los, packte ihn beim Genick und schleppte ihn ins Zelt.

Burns und ich folgten. – „Erzählen Sie, Burns!"

Das war bald getan. Harry hatte nach dem Zwist mit seiner Braut, der bestimmt fremden Einflüssen zuzuschreiben war, Ingrid nicht aus den Augen gelassen und so rechtzeitig gemerkt, daß sie nach Afrika wollte. Er nahm Urlaub und folgte uns. In Kufra beobachtete er uns genau und machte dabei die Erfahrung, daß der dort sehr verrufene d‘Orville sich stark für uns interessierte. Er behielt uns dauernd auch während unseres Marsches gen Norden durch die Wüste unter scharfer Aufsicht und konnte daher heute den Trockensmutje, der seine Banditenkollegen um alle Wertsachen und alles Geld bestohlen hatte, bei der Flucht abfangen.

„Der Kerl hatte auch die Tiere seiner Spießgesellen bei sich, damit diese ihn nicht verfolgen könnten. Ich habe die Dromedare drüben in einem steinigen Tal vorläufig zurückgelassen. Er hat wirklich alles bei sich, was er Ihnen vorher mit Hilfe seiner Kumpane stahl.“

Harst sagte: „Sehr anständig von ihm, uns das Zeug nachzubringen. Sehr anständig, beinahe schon vornehm gehandelt. Herr Ralla, darf ich Ihnen eine Zigarette anbieten?“

„Wird angenommen!“ sagte der Wüstenräuber und verbeugte sich. „Danke, Feuer habe ich bei mir!“

Burns und ich waren sprachlos.

Harst schaute uns sehr, sehr augenzwinkernd an. „Das ist so meine Art, mit zweifelhaften Ehrenmännern umzugehen. Manchmal erzielt man damit überraschende Erfolge.“

Der Trockensmutje Ralla saß mit todernstem Gesicht dabei und rauchte mit einer Andacht, die schon mehr Frechheit war, seine Zigarette.

 

 

6. Kapitel

Harsts Besserungsmethoden werden immer unverständlicher.

Harry Burns hatte sich nun von seiner Überraschung oder Empörung erholt und erklärte sehr ehrlich:

„Sie werden es mir nicht verargen, Herr Harst, aber bei uns in England hält man verdammt wenig davon, Verbrecher als Opfer sozialer Verhältnisse zu behandeln und ihnen Fußballplätze einzurichten, anstatt sie mit einem gewissen Seilerfabrikat zu beglücken. Bedenken Sie, der alte Bursche da ist ein Dieb, ein Genosse von Mördern und ein Verräter an den eigenen Kumpanen, also doppelt verächtlich.“

„Was abzuwarten bleibt!“ lautete Haralds freundlich-nachsichtige Antwort.

Burns schüttelte den Kopf.

„Sie werden an meine Worte denken. Sie dürften mit diesem Ralla die allerschlechtesten Erfahrungen machen!“

Mein Freund erwiderte nichts. Burns drängte nun zu sofortigem Aufbruch, da die Sorge um Ingrid ihm keine Ruhe ließ.

Er und ich ritten nach dem steinigen Tale hinüber und holten die zehn Dromedare der Banditen, die nun zusehen konnten, wie sie nach Kufra zurückgelangten, falls sie sich überhaupt dorthin wagten. Diese Strafe war ihnen nur zu gönnen, es waren ja in der Tat Mörder und kaltblütige Schurken, und ihnen irgendwie mit Milde zu begegnen, wäre nichts als Schwäche gewesen.

Inzwischen hatten Harst und Ralla das Zelt abgebrochen und alles zum Aufbruch vorbereitet. Daß der Trockensmutje sich so völlig frei bewegen durfte, mißfiel Burns gründlich und mir auch. Aber andrerseits mußten wir zugeben, daß er sich tadellos benahm und sehr fleißig und willig zeigte.

Unsere kleine Karawane setzte sich nun in Marsch.

Die Fährte d‘Orvilles war leicht zu verfolgen, sie bog sehr bald, und das war auffällig, wieder nach Norden ab und verlor sich in einem steinigen Tale, das in der Richtung von Nordwest nach Südost verlief. Die eine Talwand war so hoch, daß sie uns genügend Schatten spendete. Die Fährte blieb auch hier recht deutlich und bereitete uns keine Schwierigkeiten.

Wir waren nun zwei Stunden unterwegs, und das Tal wollte noch immer kein Ende nehmen. Wir stießen auf schneeweiße Muschelbänke, manche von den Muscheln waren noch teilweise erhalten, die meisten zu Splitterchen zerrieben: ein Beweis, daß das Mittelmeer einst bis hierhin eine Bucht in den „Schwarzen Kontinent“ vorgeschoben hatte.

Dann flogen vor uns Aasgeier auf.

Eine breite Halde von roten Felsblöcken versperrte das Tal.

Der Koch Ralla, bisher schweigsam wie das Grab, rief leise: „Halten wir! Die Geschichte gefällt mir nicht. Ich kenne mich in derlei Dingen aus.“

Er ließ sein Tier niederknien, schlich an der Steilwand dahin und verschwand, kehrte aber sehr bald zurück und erklärte finster: „Zwei Tote in einem Felsloch. Sehr viel Spuren. Der eine Tote ist d‘Orville, der Mädchenhändler.“

Wir standen vor dem tiefen Schlund und erblickten drunten tatsächlich oberflächlich mit Steingeröll bedeckte Leichen.

Burns fragte Harst: „Wie erklären Sie sich das?“

„Es ist nur folgerichtig, lieber Burns.“

„Allerdings!“ murmelte der Trockensmutje zu unserer Überraschung.

Burns und ich schauten ihn verwundert an.

„Weiter!“ befahl Harst lakonisch. „Nun wird die Spur dieser großen Karawane sich sehr bald verlieren, fürchte ich, denn wir sollen Ingrid nicht finden. Ralla, verstehen Sie etwas vom Fährtenlesen?“

„Überflüssige Frage!“ knurrte der Alte.

Wir trabten in etwas bedrückter Stimmung weiter. Burns und ich blieben zurück und sprachen leise miteinander. Wir waren uns einig über den einen Punkt, daß Ralla und Harst, die dauernd miteinander flüsterten, vor uns vieles verheimlichten.

Das Tal senkte sich zu einer großen tiefen Mulde, die fast kreisrund war, und dort glitzerte die Sonne auf einem ungeheuren Felde von Glassplittern.

Die breite Fährte bog hier links in ein steiniges Seitental ab und wurde auf dem glatten Steinboden immer undeutlicher und verschwand schließlich vollkommen.

Ralla stieg abermals ab, schritt hin und her und suchte nach der Fährte. Er hatte alle Mühe, sie wiederzufinden. Wir hätten sie nie entdeckt. Die Karawane war hier auf der eigenen unmerklichen Spur umgekehrt und hatte sich in ein anderes Seitental hineingeschlängelt, und offenbar war ein Tier hinter dem anderen geritten, so daß die Spur nur ganz schmal wurde. Auch hier verhinderte der glatte Steinboden einem unkundigen oder ungeübten Auge jeden Anhaltspunkt für den Verbleib der Reiter.

Ralla wanderte noch immer zu Fuß dahin, tief gebückt und die Augen fest auf den Boden gerichtet. Wir hielten uns dicht hinter ihm, und zuweilen gab er uns einige Erklärungen.

Stundenlang währte diese mühselige Verfolgung. Dann begann wieder wellenförmige Sandwüste, in der auch nur das kundige Auge jene Treibsandstellen vermeiden kann, die im Gegensatz zu der festen Wüste (den „feste“ Wüste tritt stets nur streifenweise auf und besteht aus einer lehmigen Sandart, die von selbst erhärtet und die wie eine gewalzte Tenne schon an der glatten Oberfläche) nicht an der Farbe zu erkennen ist. Auch diese ‚Lehmstraßen‘ hat Lord Layton wiederholt erwähnt und sie als die besten Wege sogar für Autos erklärt. Er selbst hatte Automobile benutzt, und seine Gattin wollte auf dieselbe Art möglichst nahe bis zu dem Punkte vordringen, wo man etwa die Oase Zerzura vermutet.

Was es heißt, in dieser Sonnenglut viele Stunden ohne Schatten und dabei noch unter sparsamstem Verbrauch von Trinkwasser umherzuirren, wird niemand ermessen können, der es nicht selbst mitgemacht hat.

Wir mußten rasten. Es ging nicht anders. Auch Burns sah das ein.

Im Schatten einer Felswand, wo wenigstens einige Salzsträucher wuchsen, deren Feuchtigkeitsgehalt für die Dromedare vollauf genügte, lagerten wir vier Stunden.

Wir waren völlig ausgepumpt, nur der alte Ralla beschämte uns und machte sich wieder zu Fuß auf den Weg, um zu versuchen, von einem nahen Hügel mit dem Fernglase die Oase zu erspähen, die zweifellos in der Nähe liegen mußte, da wir vorhin auf einen leeren Benzinbehälter gestoßen waren.

Daß der Koch, dieser rätselhafte Mensch, flüchten könnte, war ausgeschlossen. Ohne Reittier wäre er hier verloren gewesen.

Harry Burns bat Harst nun in aller Höflichkeit, ihm doch wenigstens darüber Aufschluß zu geben, wer dieser Ralla sei.

„Sein Englisch ist miserabel, aber wahrscheinlich spricht er absichtlich dieses furchtbare Kauderwelsch?" meinte der Inspektor nachdenklich.

Harst schwieg beharrlich. Er lag mit, geschlossenen Augen da und tat, als schliefe er.

Burns zuckte ärgerlich die Achseln und wandte sich mir zu. Aber meine Gedanken waren nicht dazu angetan, laut geäußert zu werden. Ich war nun so allgemach auf eine ganz bestimmte Vermutung gekommen, die mir andrerseits zu weit hergeholt erschien, um sie offen auszusprechen.

Wir schliefen ein.

Ich tat es ganz getrost, denn wenn mein Freund jede Vorsichtsmaßnahme für überflüssig hielt, drohte uns kaum Gefahr. Als Ralla uns dann weckte, war es sieben Uhr abends. Der Trockensmutje saß mit untergeschlagenen Beinen da, rauchte eine von Burns Zigarren und hatte auch bereits die Mahlzeit fertig. Wir beeilten uns und brachen dann nach dem Essen sofort auf.

Ralla spielte wieder den Führer. Er hatte vorhin behauptet, von der Oase nichts erspäht zu haben, aber ich glaubte nicht recht daran, denn er kümmerte sich um die Fährte überhaupt nicht mehr und schlug eine scheinbar ganz willkürliche Richtung ein. Wir stießen auf neue Glasfelder, ritten zumeist auf Lehmwegen dahin und kamen sehr schnell vorwärts.

Soweit ich feststellen konnte, ritten wir einen richtigen Halbkreis und hatten schließlich die untergehende Sonne im Rücken. Vor uns lag nun ein steiler kahler Gebirgszug, der von Nord nach Süd verlief und einige ansehnliche Erhebungen hatte.

Die Sonne war verschwunden. Das Abendrot glühte am Horizont in einer Farbenpracht, wie nur die Wüste sie kennt. Unsere Tiere griffen plötzlich von selbst schärfer aus, und Ralla rief zufrieden: „Sie wittern Wasser!“

Burns bezweifelte das.

„Hier hat noch niemand Wasser gefunden. Ich habe mich schon in London sehr genau über alles, was die Umgebung der sagenhaften Oase betrifft, unterrichtet.“

„In den Bergen gibt es Wasser!“ beharrte der Alte auf seiner Ansicht. Und er behielt recht. Eine halbe Stunde später lagerten wir neben einer Schlucht auf einer nach Norden gelegenen Terrasse, und in der Schlucht schimmerte in etwa acht Meter Tiefe ein klarer Tümpel. Wir ließen an Riemen die Becher hinab, und es zeigte sich, daß das Wasser nur ganz leicht salzig und fade schmeckte.

Ralla hatte die erste Zisterne im Gebiet von Zerzura entdeckt.

Nachher, als das Abendrot noch nicht ganz verblichen war, führte er uns auf eine Anhöhe und deutete gen Osten:

„Dort, bitte, das ist die Oase, die Lord Layton fand und zuerst für Zerzura hielt!“

Wir erkannten durch die Gläser eine sehr ausgedehnte grüne Fläche und mitten darin einen spitzen Sandsteinfelsen, der fast weiß war und der einer Nadel glich.

Lord Layton hatte diesen Felsen als untrügliches Merkzeichen der Oase erwähnt, die noch keinen Namen hatte, die nicht Zerzura war und nicht Zerzura sein konnte, da das alte, in den Urkunden benannte Zerzura sich durch seinen Quellenreichtum ausgezeichnet hatte, während die ‚Oase ohne Namen‘ nicht einen einzigen offenen Wasserlauf besaß, sondern nur Grundfeuchtigkeit. Deshalb war auch die Lady zur Umkehr gezwungen worden.

 

 

7. Kapitel

Ingrids Retter und die Oase der Träume.

Wenn ich unser damaliges Abenteuer genau der Zeitfolge der Ereignisse nacherzählen wollte, wäre ich genötigt, zum Schluß, alles das in einem Atem dem Leser zu berichten, was Ingrid uns später über ihre Erlebnisse mitteilte. Das wäre dann eine Häufung von trockenem Bericht, die niemandem behagen dürfte. Ich nehme daher für mich die dichterische Freiheit in Anspruch, die Handlung ein wenig umzustanzen.

Ingrid hatte keinerlei Veranlassung, gegen den Monsieur d‘Orville, der ihr mit allergrößter Höflichkeit begegnete, irgendwie Verdacht zu schöpfen. Sie achtete auch gar nicht weiter auf den Weg und die Richtung, die er wählte, sondern unterhielt sich mit ihm sehr angeregt über das, was sie nun einmal am meisten interessierte, und das war das Geheimnis um die verschwundene Oase Zerzura.

Der angebliche Franzose – er wollte Südfranzose sein und aus Marseille stammen, bekanntlich einem der Durchgangshäfen für den internationalen Mädchenhandel, der nur noch von Böswilligen oder Interessierten als solcher abgeleugnet werden kann, – der Herr d‘Orville also zeigte sich über alle Fragen, die Zerzura betrafen, sehr wenig bewandert und suchte immer wieder dem Gespräch eine andere Wendung zu geben. Auch sein Französisch erschien Ingrid mit der Zeit etwas sehr holprig und wenig gewandt, und da er auch noch wiederholt von hohen Kuppen Ausschau hielt, als suchte er ein ganz bestimmtes Ziel, wurde es ihr mit der Zeit doch etwas unheimlich zumute, zumal sie schließlich noch eine Rauchsäule bemerkte, auf die der Franzose schleunigst zuhielt.

Sie merkte nun auch, daß, er es mit der Rückkehr nach Kufra gar nicht so eilig hatte, wagte jedoch nichts darüber zu äußern, weil d‘Orville mit einem Male sehr schweigsam geworden war und ihre letzten Fragen einfach überhört hatte.

Das Rauchsignal entstieg einem steinigen endlosen Tale.

Kaum hatte Ingrid dann eine Felsbarriere erspäht, die sich quer über das Tal hinzog, als hinter einem einzelnen Felsen ein Mann im Tropenhelm hervortrat, dem Franzosen ein drohenden Halt zurief und gleichzeitig seine moderne Repetierbüchse in Anschlag brachte.

D‘Orville hielt und sprach zu dem Fremden einige ärgerliche Worte in einer Mundart, die Ingrid für Spanisch hielt.

Zu ihrem Entsetzen knallten dann zwei Schüsse und d‘Orville und der ihn begleitende Beduine sanken lautlos aus dem Sattel in das Geröll.

Das Mädchen schrie auf. Der Fremde näherte sich ihr und beruhigte sie, indem er erklärte, er habe sie soeben aus einer großen Gefahr befreit, denn der Weiße dort sei ein bekannter Mädchenhändler und habe sie bestimmt entführen wollen.

Er wußte all das so einwandfrei durch Einzelheiten zu begründen und zu beweisen, daß Ingrid dem sonngebräunten Manne auf das Wort glaubte, wenn es auch für sie gewisse kleine Zweifel gab, ob ihr Retter berechtigt gewesen, so vorschnell die Büchse zu benutzen. Außerdem drängte sich ihr immer stärker das Gefühl auf, sie müsse den Fremden, der sehr hager und groß und völlig bartlos war, bereits gesehen haben, auch seine Stimme erschien ihr irgendwie unangenehm vertraut. Dann erstarrte sie vor Schreck. Sie besann sich nun: Der Mann war der mexikanische Rechtsanwalt Barrana, der ihr so zudringlich den Hof gemacht hatte!

Sollte denn Barrana sie nicht wiedererkennen, oder tat er nur absichtlich so, als wäre sie ihm fremd? Ingrid überlegte noch, wie sie sich in dieser so ungeklärten Lage verhalten solle, als der Fremde sie mit einer höflichen und zwanglosen Verbeugung fragte, wer sie sei. „Ich möchte doch wenigstens wissen, wen ich vor einem Schicksal bewahren durfte, das schlimmer als sicherer Tod ist.“

Inzwischen war Ingrid etwas anderes aufgefallen: Der Barrana, den sie von London her kannte, hatte einen starken Hängeschnurrbart, Backenbärtchen und graues Kopfhaar gehabt. Ihr Retter hier sah bedeutend jünger aus und hatte schwarzes Haar und war bartlos. Sollte sie sich doch nur durch die Ähnlichkeit der Stimme haben täuschen lassen?

Der Mann lächelte sie auch völlig harmlos und ehrlich an, daß sie nun ohne Zaudern erwiderte:

„Ich heiße Ingrid Greyson und …“

Er trat vor Überraschung einen Schritt zurück und rief kopfschüttelnd:

„Das ist ja nicht möglich! Derartige Zufälle gibt es nicht! Sind sie jene Miß Greyson, die einer Erbschaft wegen mit einem Anwalt aus Mexiko Briefe wechselte?“

Sie nickte nur. Nun war ihr auch klar geworden, weshalb sie die Stimme zu kennen glaubte. Der Fremde war sicherlich der Vetter jenes widerwärtigen und aufdringlichen Menschen, den sie nur in allerschlechtester Erinnerung hatte.

„Und ich bin dann Ihr Anwalt!“ lachte Barrana erfreut. „Ich bin Diego Barrana, Vetter des anderen Barrana, der Sie allzu leidenschaftlich verehrte und Ihnen sehr lästig wurde. Mein Vetter meinte es sicherlich nicht so arg, zumal er ja ein alter Herr ist. Sie müssen ihm sein Benehmen nicht zu sehr verübeln, Miß Greyson. Jetzt, wo ich Sie vor mir sehe, begreife ich seine Schwärmerei für Sie. Fassen Sie das nicht als plumpe Schmeichelei auf. Ich werde mich hüten, etwa in meines Vetters Unarten zu verfallen.“ Und er lächelte wieder so kameradschaftlich und so offen, daß Ingrid ihm nun die Hand hinstreckte und sich bei ihm nochmals für sein Eintreten für sie bedankte und keinerlei Zweifel mehr hegte, daß sie es mit dem zweiten Diego Barrana zu tun hätte.

Diese kurze Aussprache zwischen den beiden hatte nicht etwa an der Stelle stattgefunden, wo die Toten im Geröll lagen, nein, Barrana hatte Ingrid rücksichtsvoll hinter den Steinblock geführt und bot ihr nun einen Sitz auf einem Klappstuhl an, der hier ganz einsam stand und den Barrana offenbar benutzt hatte. Das Signalfeuer stellte sich nun als ein harmloses Lagerfeuer heraus und Ingrid gewahrte weiter hinten eine große rastende Karawane.

Sie setzte sich und kam mit Barrana in ein immer lebhafteres Gespräch über die Oase Zerzura. So erfuhr sie, daß auch Barrana im Begriff sei, die berühmte Oase der Vögel zu suchen und daß er, wie er geheimnisvoll betonte, alle Aussicht habe, sie auch zu finden. Dann fügte er galant hinzu:

„Sollten wir Glück haben, Miß Greyson, so werde ich Ihnen den Ruhm überlassen, als Entdeckerin zu gelten, schon in Rücksicht auf Ihre mütterliche Freundin Lady Layton, die doch das erste Anrecht darauf hat, daß die Oase zumindest nebenher ihren Namen bekommt.“

Ingrid fand diese Bescheidenheit und kavaliersmäßige Art des Sennor Barrana, so bestechend und so echt vornehm, daß sie darüber den Vorfall von vorhin völlig vergaß und sehr gern Barranas Anerbieten annahm. Bei ihm zu bleiben und sich damit zu begnügen, daß er ein paar Leute ausschickte, um die Herren Harst und Schraut gleichfalls herbeizuholen.

Gleich darauf brach die Karawane Barranas auf, und Ingrid gab sich der trügerischen Hoffnung hin, daß ihr Retter tatsächlich jemanden beauftragt hätte, ihre bisherigen Begleiter, die beiden deutschen Detektive, zum nächsten Lagerplatz zu geleiten.

Dann aber wurde sie doch wieder argwöhnisch, nachdem man ungefähr eine Stunde unterwegs gewesen war. Ihr fiel es auf, daß Barrana dafür sorgte, daß alle Spuren vermieden würden und daß gerade er hierbei die Anordnungen so klug und so eingehend traf und durchführte, als wäre er in der Wüste groß geworden und verstünde vom Auslöschen der Fährten genau so viel wie ein Mann, der sein Lebelang nur mit derlei Dingen sich beschäftigt habe.

Er selbst suchte ihr dieses vorsichtige Austilgen aller Spuren damit zu erklären, daß er nicht wünsche, etwa andere Reisende sollten es nun leicht haben, auch ihrerseits den Weg nach Zerzura zu finden,

Aber gerade weil er diese Erklärungen so weitschweifig und so sehr genau stets von neuem wiederholte, mußte Ingrid nur verstärkt den Eindruck gewinnen, daß er sie zumindest in diesem einen Punkte belüge und mithin doch Geheimnisse vor ihr hätte, deren Bedeutung sie nicht recht zu begreifen vermochte. Sie war nun viel allein und sich selbst überlassen, da Barrana immer an der Karawane entlangritt und die Beduinen dazu anhielt, einzeln zu reiten, allen Dünger der Dromedare und der Maultiere aufzuheben und mit Geröll zu bedecken. Einmal machte man auch kehrt und marschierte eine geraume Strecke zurück.

Ingrid begann zu grübeln. Sie war keine oberflächliche, sondern im Grunde eine sehr ernste Natur, hatte durch ihre ärmliche Jugend und durch die Güte Lady Laytons sowie durch ihre Tätigkeit bei den Anwälten das Leben wirklich von allen Seiten kennengelernt und sich eine Menschenkenntnis und Beobachtungsgabe angewöhnt, die ihr hier nun wieder sehr zu statten kam.

Ihr einmal gewecktes Mißtrauen wollte nicht schwinden, sondern steigerte sich nur noch mehr.

Sie sah Barrana mit sehr kritischen Augen zu, wie er immer und immer nur darauf bedacht war, doch nur ja alle Fährten zu tilgen, und hierdurch gelangte sie allmählich zu der Überzeugung, daß er überhaupt niemanden ausgeschickt habe, ihre Freunde Harst und Schraut zu holen.

Sie hatte vorhin die Leute der Karawane flüchtig aus Interesse an der Sache gezählt, und sie stellte nun fest, daß die Zahl der erwachsenen Beduinen dieselbe geblieben. Gewiß, es waren auch halbwüchsige Jungen mit dabei, von denen sie einige übersehen haben mochte, aber Barrana hätte doch für einen solchen Auftrag sicher nur Erwachsene ausgewählt. So reihte sich bei ihr eine Kleinigkeit an die andere, Sie war fast überwacht. Ihre Gedanken arbeiteten schärfer denn je.

Und doch kam ein Augenblick, wo sie all ihre Vorsicht und ihr Mißtrauen vergaß und nur in all den Schönheiten schwelgte, die ihr das wunderbare Landschaftsbild einer Oase darbot, die völlig unbewohnt und doch so baumreich war, daß man sich in einen tropischen Wald versetzt fühlte.

Sie hielt mitten zwischen Palmen und üppigen Sträuchern ihr Tier an und genoß nur noch in selbstvergessener Trunkenheit den Anblick dieses unberührten Paradieses, Sie gewahrte Vogelschwärme und allerlei Getier und sogar ein paar Affen und einige Wüstenfüchse und Schakale, die keinerlei Scheu zeigten und die am besten durch ihr Benehmen bewiesen, daß hier nie ein Mensch als Störenfried ansässig gewesen.

Sie glaubte eine Weile fest daran, daß es wirklich Zerzura sei, das Barrana gefunden habe … als erster!

Dann aber fiel ihr Blick wie von ungefähr auf eine leere Benzinkanne und auf eine Tafel aus Kistenholz an der nächsten Palme.

Die Tafel trug eine Inschrift aus Ölfarbe:

Lady Honoria Layton fand diese bisher unbekannte Oase im März 1932 und verweilte hier zwei Tage. Wassermangel zwang sie zur Rückkehr, denn die Oase hat nur Grundwasser und keine offenen Quellen.

12. 3. 1932.

Ingrid war ganz nahe an die Tafel herangeritten. Sie sah nicht den brennenden und verzehrenden Blick Barranas, der ihre Schönheit förmlich in sich hineinfraß. In seinen Augen loderte ein Feuer, das nichts mehr von jener kameradschaftlichen Freundschaft verriet, mit der er schlauerweise Ingrid bisher behandelt hatte. Seine Oberlippe hob sich zu einem hämischen Grinsen und legte das raubtierähnliche Gebiß frei.

Jetzt glich er durchaus jenem Barrana, der damals den alten Ranchero, den Einsiedler Old Gila, zu dem Handel verführt und ihn dann samt seinen Hunden aus dem Hinterhalt erschossen hatte.

Als Ingrid nun ihr Tier neben Barrana lenkte und etwas enttäuscht sagte, sie hätte sich der Hoffnung hingegeben, diese Oase wäre das berühmte Zerzura, da lächelte er sie wieder ganz harmlos an, nickte ihr aufmunternd zu und entgegnete:

„Wir finden Zerzura schon, Miß Greyson! Oder besser: Sie sollen es finden. Es muß hier in der Nähe liegen, und morgen am Tage mögen Sie danach suchen, unter meiner bescheidenen Obhut.“

Auch das klang wieder so ritterlich und so selbstlos, daß es Ingrid Mühe kostete, ihr Mißtrauen von neuem durch die Erinnerung an all die kleinen Seltsamkeiten und Ungereimtheiten aufleben zu lassen. Aber sie wollte sich nicht einem vielleicht trügerischen Sicherheitsgefühl hingeben, sie wollte abwarten, ob ihre deutschen Freunde wirklich erscheinen würden. Ihrer Berechnung nach mußte dies noch im Laufe des Abends geschehen.

Kämen sie nicht, oder verging gar die Zeit bis Mitternacht, ohne daß Barrana für deren Ausbleiben eine stichhaltige Erklärung abgab, dann war Ingrid fest entschlossen, zu entfliehen. Sie wollte eben sicher gehen. War die Nacht erst vorüber, so war auch der Zeitpunkt zur Flucht für immer verpaßt. Ihr blieb keine Wahl. Sie mußte handeln. Die Gedanken an die Frechheit und Aufdringlichkeit und an den Haß, mit dem der Vetter dieses Barrana sie schließlich verfolgt hatte, warnten sie. Wer sagte ihr dafür gut, daß dieser Diego Barrana hier so ganz anderen Schlages sei als sein Vetter?

Und noch eins kam hinzu, sie zur größten Vorsicht zu mahnen.

Sie besann sich auf ihre Bekanntschaft mit dem Sennor Gonzales Rodrigez Alvaro, den sie nachher hier in Kufra unter dem Namen Kafrim angeworben und der sich als Bandit entpuppt hatte. Alvaro konnte sehr gut ein Mexikaner und ein Verbündeter des Barrana gewesen sein.

Und ihre Gedanken glitten von Alvaro weiter zu ihrem Verlobten und zu den Briefen, die sie anonym erhalten und die ihr scheinbar die Beweise für Harrys Untreue geliefert hatten.

Sie begann das falsche Spiel zu ahnen, das man mit ihr getrieben hatte, aber sie überschaute es nicht völlig.

Das konnte sie nicht. Dazu war dieses Spiel zu großzügig, brutal und zu mörderisch eingeleitet worden.

 

 

8. Kapitel.

Am Lagerfeuer in den Zerzura-Bergen.

Auf unserer Terrasse flackerte ein spärliches Feuer auf.

Der alte, so überaus brauchbare Ralla hatte in der Nähe in einer anderen Schlucht ein paar Büsche entdeckt und die Blätter den Dromedaren vorgeworfen, uns aber die Äste und Zweige mitgebracht, damit wir es behaglicher hätten, denn die Nacht war recht kühl, und ein scharfer Wind stieß in jaulenden Böen durch die zerklüfteten Berge. Das Zelt war schnell errichtet, und dann entfernte sich Ralla nochmals, um irgend ein Tier zu erlegen, und bat sich dazu Harsts Büchse aus, die ihm auch bereitwilligst ausgehändigt wurde.

Wie Ralla behauptete, habe er in der Nähe Spuren von Kaninchen gefunden, und da wir unsere Vorräte schonen mußten, wäre uns ein solcher Braten sehr willkommen gewesen.

Der Trockensmutje hatte sich kaum entfernt, als Harald sich lautlos erhob und uns zuraunte, er würde Ralla doch besser nachschleichen, weil hier in der Nähe der Oase die Möglichkeit einer Flucht immerhin vorläge.

Kaum gesagt, war er auch schon verschwunden.

Harry Burns schaute mich merkwürdig an. „Glauben Sie an diese Jagd, lieber Schraut! Ich nicht! Ich bin kein Baby mehr, und das trügerische Spiel zwischen Ihrem Freunde und diesem Pseudoaraber wird immer undurchsichtiger. Ich habe die Sache satt. Ich werde Harst heimlich folgen, und wenn er nachher auch flucht!“

„Das tut er fast nie, also nur los! Auch ich habe etwas vor. Ich will feststellen, ob die Oase drüben, wirklich schon besetzt ist.“ (Der Leser mag daran denken, daß ich damals von der Anwesenheit Barranas in der Libyschen Wüste noch nichts wußte!)

Es war weiter kein Risiko dabei, das Lager ganz ohne Bewachung zu lassen, denn größere Raubtiere, die den Dromedaren hätten gefährlich werden können, gab es hier nicht, und die Menschen, die sich bisher mit uns beschäftigt hatten oder wir mit ihnen, konnten uns nicht gefolgt sein, da wir unsere Fährten noch sorgsamer verwischt hatten als die große Karawane, die wir nun in der Oase drüben vermuteten.

Immerhin nahm ich meine Büchse mit und natürlich auch das Fernglas, erklomm die nächste Kuppe und suchte mich zunächst beim Sternenschein zu orientieren. Die Richtung, in der die Oase zu suchen war, kannte ich, aber nachts, wo der Horizont nur eine einzige milchige Dämmerung ist, kann man auch mit dem Glase das Ziel verfehlen und einen Stern vielleicht für ein Lagerfeuer halten.

Als ich so eine Weile gesucht hatte, glaubte ich meiner Sache sicher zu sein und sogar aufsteigende Rauchwolken zu bemerken. Die Entfernung bis zur Oase betrug ungefähr eine deutsche Meile. Wenn Ralla sich also nach Norden gewandt hatte, war kaum anzunehmen, daß der Schuß auf ein Kaninchen bis zur Oase gehört würde.

Nachdem meine Augen sich an das Dämmerlicht der sternen- und mondhellen Nacht gewöhnt hatten, sah ich auch die Umrisse der Bäume und die Grenzlinie der Baumkronen und im ganzen acht Rauchsäulen, die der Wind allerdings schnell zerstreute.

Ich wollte nun gerade zum Lager zurück, als ich mehr durch Zufall mein Glas unten auf die Wüste richtete und so einen Mann erblickte, der im Trab auf die Oase zulief. Wenn Harry Burns nicht über dem Tropenhelm noch einen so langen Nackenschleier getragen hätte, würde ich den Mann als Burns nie erkannt haben. Es war Burns. Er hatte mich beschwindelt, er hatte Harst gar nicht folgen, sondern auf eigene Faust auf Abenteuer ausgehen wollen.

Was lockte ihn dorthin? Ich betone nochmals: Wir wußten nichts von Barrana, wir hatten nur die beiden Toten gefunden und die Spuren der großen Karawane!

Unter diesen Umständen hielt ich es für ratsam, Harald schleunigst zu benachrichtigen, denn Burns konnte uns sehr üble Dinge ungewollt Einbrocken, falls man ihn erwischte.

Das waren so meine Gedanken, als ich mich unserem Lagerplatz wieder näherte und aus alter Gewohnheit sehr leise dahinschlich, denn alte Erfahrung hatte mich gelehrt, daß man jedes überflüssige Geräusch in der Wildnis vermeiden soll. Ich hörte mit einem Male Stimmen.

Ich begann zu kriechen. Das klingt nicht schön: Kriechen! Aber es ist die einzige Möglichkeit, unbemerkt einem guten Freund, der so allerlei Geheimnisse vor seinem Intimus hat, einen harmlosen Streich zu spielen. Ich kam auch so dicht an die Sprecher heran, daß ich Zeuge folgender Unterredung wurde:

H. – (er saß am Feuer und rauchte eine Zigarette, während Ralla sich wieder eine von Burns Zigarren verpaßt hatte). „Kaninchen schießt man nicht bei Mondlicht und nicht mit einer Kugelbüchse, mein lieber Ralla. Sie wollten mit meiner schönen teuren Flinte auskneifen. Ich kriegte Sie gerade noch zur rechten Zeit am Wickel.“

R. – „Herr Harst, sehr schade, daß Sie mich am Wickel kriegten, ich hätte bestimmt ein paar Kaninchen erlegt, mein Wort darauf, ich bin ein glänzender Schütze!“

H. – „Das weiß ich!“

R. = „Woher wissen Sie das?“

H. – „Durch eine Detektei in Mexiko.“

R. – (er war hochgefahren) „Mexiko? Was habe ich mit Mexiko zu tun?!“

H. – „Sehr viel, alter Freund! Sie sind dort zu Hause. (und in sehr ernstem Tone) Sie sind nämlich der sogenannte Einsiedler der Mojave oder auch Old Gila und müßten nach den mir zugegangenen Nachrichten längst tot sein.“

R. – „Wie sind Sie dahinter gekommen, Herr Harst? Ich leugne nicht, ich bin Old Gila, mit richtigem Namen Allan Rells.“

Meine Rolle als Horcher war damit ausgespielt, denn Harald erklärte plötzlich in seinem ironischen Ton: „Ich würde mir lieber eine Wolldecke unterlegen, mein Alter. Du mußt es dort im Steingeröll sehr hart haben!“

Das stimmte auffallend. Ich nahm also bei den beiden Platz, und der Indianermörder Old Gila (er sollte in seiner Jugend sogar Skalpjäger gewesen sein) schaute mich mit einem so verächtlichen Blick an, als ob ich so etwa seine silbernen Löffel gemopst hätte, die er im übrigen kaum je besessen haben dürfte.

Harald, rücksichtsvoll wie manchmal, wollte die Peinlichkeit der Situation für mich beenden und erklärte schnell: „Wie ich dahinter gekommen bin? Sehr einfach! Ihr Englisch, mein lieber Old Gila, trägt so unverkennbar alle charakteristischen Beimischungen des Amerikanischen, daß es jedem auffallen muß. Schraut ist das sicher auch sehr stark aufgefallen. Oder nicht?“

Wozu ich schwieg.

„Dann fiel mir Ihre Gewandtheit im Umgang mit Tieren und Ihre außergewöhnliche Fertigkeit im Spurensuchen auf. Und schließlich – auch das ist für Schraut neu – hatten Sie mir ja, bevor Sie mit den Banditen davonritten, wie durch Ungeschick oder Zufall Ihr Messer in die auf dem Rücken gefesselten Hände gleiten lassen. Wir sollten eben nicht im Sonnenbrand umkommen. Wenn der Monsieur d‘Orville nicht erschienen wäre, hätte ich uns immer noch, rechtzeitig befreien können. Am aufklärendsten über Ihre Person blieben immer die Künste als Fährtensucher. Derartiges lernt man nur in einem Lande, wo von dieser Fertigkeit das Leben abhängen kann.“

Old Gila nickte maulfaul, schaute mich wieder nur verächtlich an und meinte kurz: „Sie, Herr Schraut, haben noch sehr viel zu lernen. Vom Anschleichen haben Sie keinen Schimmer! Ich hatte Sie längst bemerkt!“

Um dieses mir unangenehme Thema abzubrechen, erzählte ich nun schleunigst, was ich über Burn zu sagen hatte.

„Er ist bestimmt nach der Oase unterwegs. Harald, das kann uns größte Ungelegenheiten bereiten. Da, er hat nicht einmal seine Büchse mitgenommen, dort liegt sie!“

Harst sprang auf. „Der verliebte Inspektor ist ein unüberlegter Tollkopf! Vorwärts! Ihm nach! – Old Gila, Sie bleiben hier! Einer muß die Dromedare und Vorräte bewachen!“

Der Alte war einverstanden, obwohl er erst etwas murrte. Wir beide sattelten unsere Tiere und ritten im schärfsten Trab auf die Oase zu. Die Nacht war derweil eher noch heller geworden, und wenn die Leute der großen Karawane Wachen aufgestellt hatten, konnten wir unschwer vorher bemerkt werden. Dies mußte uns, so wie die Dinge lagen, gleichgültig sein.

Erst als wir bis etwa tausend Meter heran waren, wurden wir vorsichtiger und benutzten eine Bodensenkung, um bis an die ersten Bäume heranzugelangen.

Plötzlich vernahmen wir Schüsse.

Harst war im Nu aus dem Sattel.

„Los, kein Zögern mehr, ich …“

Er verstummte und horchte. Abermals war ein Schuß gefallen.

Dann erhob sich ein wildes Gebrüll und wir unterschieden nun den dumpferen Klang der alten Steinschloßflinten der Beduinen.

Wir liefen weiter. Unseren Dromedaren hatten wir nur flüchtig die Beine gefesselt.

Und dann weit vor uns ein Schrei aus weiblicher Kehle: „Harry, zu Hilfe …! Harry …“ Dann erstarb die Stimme jäh.

 

 

9. Kapitel

Ingrids Träume.

Das für Miß Greyson errichtete Zelt stand etwas abseits von den übrigen hinter einer Gruppe von Sträuchern. Ingrid hatte dies so gewünscht, und der äußerst zuvorkommende Barrana war damit einverstanden und hatte dafür gesorgt, daß Ingrid nicht weiter gestört und daß sie auch die Abendmahlzeit allein einnehmen konnte.

Das junge Mädchen dachte nur an Flucht. Aber sie kannte ihren brutalen Verehrer schlecht. Er hatte alles Erdenkliche getan, ihr ein Entweichen unmöglich zu machen.

Der leichte Kakao, den Ingrid zum Abendessen mit vorgesetzt erhielt, war sehr stark gesüßt und mit kondensierter Milch zu reichlich verwässert. Sie trank ihn dennoch und er schmeckte ihr auch, den bitteren Nachgeschmack schrieb sie dem Wasser zu.

Sehr bald wurde sie dann müde und legte sich angekleidet auf ihre Lagerstatt im Zelte. Sie nahm sich vor, auf keinen Fall einzuschlafen. Sie kämpfte auch mit aller Gewalt gegen das Schlafbedürfnis an. Nach kurzer Zeit erhob sie sich und verließ das Zelt, indem sie die eine hintere Zeltbahn losknöpfte. Zwischen den Büschen sich lautlos hindurchzwängend, eilte sie ins Freie.

Sie sah plötzlich die offene Wüste im Mondlicht vor sich liegen und erkannte nicht allzu weit gen Westen eine zweite Oase …

Sie blieb stehen … Sie staunte … Unter den Palmen dort drüben gewahrte sie viele Feuer, dazu Tiere und Hütten und umhereilende Menschen.

Eine Karawane verließ gerade die Oase und wanderte, ein endloser Zug, gen Norden … Sie zählte an die dreihundert Dromedare, und sie wunderte sich über die eigentümliche Fracht der Begleiter der Karawane, die für sie etwas Gespensterhaftes an sich hatte, da die Dromedare und Menschen an ihr dicht vorüberkamen und doch keinerlei Notiz von ihr nahmen …, so, als wäre sie überhaupt nicht vorhanden …

Sie erblickte seltsame Rüstungen und Helme und Waffen, und all diese Wächter des Zuges der hochbepackten Tiere hatten fast alle schwarze Bärte, die bis auf den Gürtel reichten und trugen Sandalen mit hohen geschnürten Schäften aus ungegerbtem Leder …

Die gespenstische Karawane verschwand dann im Dämmer der Mondnacht. Ingrid näherte sich nun der Oase, schritt wie im Traum dahin und erreichte die ersten Bäume und Hütten und stellte fest, daß es sich um eine ganze Stadt von Häusern aus Steinen und Zelten und Hütten aus Zweigen handelte.

An den zahllosen Feuern saßen Frauen und zerstießen in Steinmörsern Korn, kneteten Brotteig und beschäftigten sich mit ihren Kindern. Schafe und Ziegen liefen frei umher, ebenso Hunde und Dromedarfüllen, Hühner und zahme Affen …

Die Männer, die sie bemerkte, hockten im Kreise um ein größeres Feuer und lauschten einem uralten Manne, der Märchen erzählte und dazu ein Musikinstrument wie ein Banjo benutzte, um die Hauptstellen seiner Geschichten aus Tausend und einer Nacht zu untermalen durch Akkorde und einzelne Töne …

All diese Männer hatten ein ganz fremdartiges Aussehen genau wie die Frauen, und Ingrid sagte sich, daß es sich um Leute handeln müßte, die mit der Welt von heute noch nicht in Berührung gekommen seien …

Auch hier nahm niemand von ihr irgendwie Notiz …

Nicht einmal die Hunde …

Sie ging bis zu einer der Gruppen der Frauen und richtete an eine junge Mutter, die einen Säugling näherte, eine Frage, aber die Frau achtete nicht darauf, sondern hob lauschend den Kopf, und jeder Lärm im Lager verstummte urplötzlich …

Von der Wüste her kam der dumpfe grollende Ton einer Löwenstimme, und Hunde und alles Getier verschwand in einer hohen Umfriedung von Dornen. Auch die Frauen und Kinder flüchteten dorthin, während die Männer nach den Waffen griffen und ihre Pfeile für ihre Bogen und die Speere bereitlegten …

Doch auch sie verrieten Furcht vor dem Herrn der Wüste und wagten nicht, allein dem Löwen entgegenzueilen, scharten sich um ihren Häuptling und schritten in geschlossenem Zuge von dannen …

Um Ingrid war es leer geworden …

Mit einem Male erblickte sie den Löwen dicht vor sich und wollte fliehen.

Die Füße versagten ihr den Dienst …

Entsetzen packte sie …

Der Löwe war ein prachtvolles Männchen mit riesiger Mähne und schillernden Augen … Er sprang vorwärts, Ingrid fühlte seinen stinkenden Odem und schrie vor Angst laut auf … Sie spürte die Krallen des Raubtieres und rief nochmals um Hilfe.

Sie fühlte sich emporgehoben und weggeschleppt und glaubte, daß der Herr der Wüste sie mit den Zähnen davontrüge …

Dann wieder war es ihr, als ob sie auf einem Dromedar säße und jemand sie umklammert hielte …

Und dann erwachte sie …

*    *

*

Als Harst und ich das erste der Zelte, das abseits von den übrigen hinter einer Kulisse von Sträuchern stand, erreicht hatten, tauchte auch Harry Burns unversehens auf. Er rief überrascht:

„Hallo. – Sie hier?!“

„Ja, wie Sie sehen, Sie leichtsinniger Liebhaber!“ meinte Harald nicht eben freundlich. „Was wollen Sie hier?!“

Der Inspektor der G.-Abteilung von Scotland Yard erwiderte kleinlaut:

„Ich muß Ihnen beichten, meine Herren! Diese Karawane hier, der Ingrid sich ahnungslos angeschlossen hat, ist von Diego Barrana zusammengestellt worden, der auch dafür gesorgt hat, mich und Ingrid auseinanderzubringen.“

„Das weiß ich längst!“ fauchte Harst ihn an.

Er betrat das Zelt und ließ seine kleine Laterne aufblitzen.

Dicht vor dem Zelteingang lag ein Toter mit einer Schußwunde genau zwischen den Augen.

„Barrana!“ rief Burns leise. „Es ist der mexikanische Anwalt!“

„Allerdings, und mausetot!“

Harry Burns eilte über die Leiche hinweg in das Zelt und rief abermals, und diesmal ganz verzweifelt: „Ingrid ist verschwunden!“

Hinter uns ertönten neue Schüsse. Ein paar Kugeln fegten durch die Büsche.

„Hinwerfen!“ – Harst sank zu Boden und kroch schnell hinter einen dicken Palmenstamm. Dann brüllte er den Beduinen zu: „Unterlaßt jeden Angriff! Barrana ist tot!“

Ich war hinter einen Dornenstrauch geschlüpft, prallte jedoch erschrocken zurück, da die Leiche eines zweiten Mannes hier im Schatten lag. Ich bückte mich. Es war kein anderer als der verräterische Führer Kafrim.

Dann ertönte von der Gegenseite Antwort. Ein älterer Mann erschien, stellte sich uns als den Dolmetscher des Barrana vor und erklärte, daß er und die Beduinen nichts mehr mit Barrana zu schaffen haben wollten, da dieser bereits drüben im Süden im großen Tale zwei Leute erschossen hätte.

Aber auch er wußte nichts über den Verbleib Ingrids, und nur etwas konnte er uns noch mitteilen: Daß drüben noch sechs Tote lägen, und das seien die Araber, die der angebliche Kafrim als Helfershelfer benutzt habe, der gar kein Beduine oder Marokkaner, sondern ein Mexikaner gewesen sei, den Barrana für sich angeworben, da dieser Alvaro tatsächlich mal in Nordafrika jahrelang gelebt habe.

„Nun, dann wird er hier auch begraben werden“, meinte Harald trocken. Und zu Burns: „Ich vermute, daß Ingrid nach den Bergen geflüchtet ist, wo wir lagern. Reiten wir dorthin!“

„Und wer erschoß all diese Leute?“ fragte Harry Burns Kopfschüttelnd.

„Keine Ahnung! – Vorwärts, zurück nach unserem Lager!“

 

 

10. Kapitel

Unter sechs Augen.

Burns nahm eins der Tiere der Beduinen, und dann jagten wir in vollem Dromedartrab, was so gut wie Pferdegalopp ist, zu den fernen Bergen zurück. Als wir unser Lager auf der nördlichen Terrasse erreichten, saß da unser Trockensmutje in aller Gemütlichkeit am hellbrennenden Feuer und rauchte wieder eine von Burns guten Zigarren, nickte uns freundlich-frech zu und versteckte eiligst die Rumflasche, die halb leer war.

„Old Gila!“ rief Harry besorgt, „hörten oder sahen Sie nichts von Ingrid?“

Der alte Jäger und Fährtensucher nickte nur sehr gleichgültig. „Ja, sie liegt dort im Zelt. Sie kam angelaufen und war ganz erschöpft, Nun schläft sie. Lassen Sie sie gefälligst schlafen, Sie verliebter junger Narr! – Ich habe doch drei Kaninchen inzwischen geschossen, Herr Harst. Des Inspektors Büchse kam mir sehr gelegen. Dort liegt die Jagdbeute!“

„Nur drei?“ meinte Harald sehr gedehnt. „Ich glaubte, Sie würden noch mehr erlegt haben!“

Dann setzten wir uns zu ihm und er erzählte nun freiwillig, wie er damals den Kugeln der Meuchelmörder entgangen sei. „Ich hatte ja vorausgeahnt, daß Barrana und seine Spießgesellen mir auflauern würden. Meine Hunde mußte ich opfern. Aber ich selbst hatte mich genügend gesichert. Ihnen dürfte bekannt sein, daß nicht nur Stahlpanzer gegen moderne Büchsenkugeln Schuß bieten, sondern auch Seide in mehrfachen Lagen. Ich hatte mir eine Zarape, einen mexikanischen Umhang, in mehrfachen Windungen um die Brust gelegt und darunter trug ich ebenso locker eine Wolldecke und wieder Seide.“

„Als dann“, erzählte er augenzwinkernd weiter, „zwischen den Kakteen die Schüsse knallten, warf ich mich zu Boden und besudelte mich mit Blut von einem frisch geschlachteten Schafe. Das Blut befand sich in einer Hammelblase. Das Geld hatte ich in eine Ledertasche getan und versteckt und nur zum Schein einige Banknoten zu einem Bündel zusammengeschnürt – in der Mitte lag Papier. Ich warf dieses Bündel weg und Barrana glaubte, es sei sein ganzes mir gezahltes Geld. Er und seine Freunde buddelten mich dann für tot in den Sand ein und ritten davon. – Was weiter geschah, können Sie sich selbst zusammenreimen. Ich wollte mich an Barrana rächen und folgte ihm nach Kufra. Haben Sie den Schuft nun in Eisen gelegt, Inspektor?“:

Burns lächelte grimmig, „Das ist nicht mehr nötig. Er ist tot – erschossen!“

Old Gila flog empor. „Wie – tot?! Und wo bleibt meine Rache?! Herr Harst, den Kerl hätten Sie mir überlassen sollen!!“

Er war wütend. Er schimpfte und gebrauchte Ausdrücke, die für Damenohren nichts gewesen wären, aber Ingrid schlief zum Glück.

Dann legten auch wir uns zum Schlafe nieder, nur Allan Rells war noch wach, putzte Burns‘ Büchse und erklärte abschließend: „Herr Harst weiß, weshalb ich mich nicht sträubte, Ingrid Greyson die Erbschaft zukommen zu lassen.“

„Ja, Sie sind der jüngere Bruder des toten Lord Reginald Layton, der auch Rells hieß, bevor er den Lordtitel erbte, und Sie hatten Lady Honoria auch geliebt, sie aber zog den älteren Rells vor und Sie, Old Gila, gingen nach Amerika.“

„So war‘s!“ sagte der Goldsucher und lächelte verträumt.

Am Morgen berichtete uns Ingrid von ihrem seltsamen Traum. Sie wußte nicht, wie sie zu unserem Lagerplatz gelangt war, und sie behauptete bei dieser Gelegenheit, daß sie schon häufiger an Wahrträumen gelitten habe und daß sie überzeugt sei, im Traum die alte Oase Zerzura gesehen zu haben.

Nachher ritten wir in die Wüste hinaus und sie führte uns an die Stelle, wo sie im Traum die Oasenstadt gesehen hatte. Wir fanden dort auch tatsächlich im Sande allerlei Reste von Steinbauten und viele Holztrümmer und Überbleibsel von Bäumen, die offenbar der Sand verweht hatte. Ob dort unter den Triebsanddünen das Geheimnis von Zerzura schlummert, konnten wir nicht feststellen.

Bisher ist Zerzura nicht entdeckt worden. Vielleicht war es die Oase der Vögel, die Ingrid in ihrer Betäubung durch Barranas Schlaftrunk erblickt hatte, vielleicht.

Das Brautpaar Ingrid und Harry ritt dann allein davon. Wir drei blieben noch und wühlten weiter im Sande. Old Gila war wieder besessen von der Hoffnung, daß er hier Gold entdecken könnte.

Harst schaute ihm eine Weile still zu und meinte dann: „Dieser Barrana muß auf seine Art Ingrid sehr geliebt haben. Ein raffinierter Teufel war er. Er ahnte, daß Ingrid mit dem ererbten Gelde nach Kufra reisen würde und spielte hier ihren Retter. Ein großzügiger Plan! Aber ein noch schlauerer Teufel war der Mann, der ihn und Kafrim und die sechs Beduinen niederknallte. Das war ein vorzüglicher Schütze wie Sie, Old Gila! Es waren alles Kugel mitten in die Stirn!“

Old Gila lächelte grimmig – genau so grimmig – wie Burns gelächelt hatte.

„Bedauern Sie die Kerle, Herr Harst? Ich denke, ich habe meine Kaninchen gestern nacht genau so gut getroffen wie der Mann, der den Rächer spielte.“

Harst schaute ihn lange an. „Old Gila, wir sind hier unter uns dreien. Ich weiß, daß Sie Barrana und die übrigen erledigt haben. Ich sagte gestern schon, daß drei Kaninchen etwas wenig seien. – Sie ritten zur Oase der Träume und holten Ingrid in demselben Augenblick, als Barrana das Mädchen …“

„Ja!“ unterbrach ihn Old Gila mit leuchtendem Blick. „Ich kam gerade zur rechten Zeit! – Es waren die besten und schnellsten Schüsse meines Lebens, und das will bei mir viel heißen! – Aber ich denke, das bleibt unter uns, – unter sechs Augen erklärte ich Ihnen das!“

„Nein“, sagte Harald und drückte ihm die Hand, „nein, nur unter zwei Augen! Ich weiß nichts davon und Schraut auch nicht! Wir haben nur Ihr Geständnis geträumt – die Oase der Träume liegt ja so nahe …“

Und er zeigte hinüber zu den grünen Palmen und Büschen.

Unter uns in den Tiefen des Sandes der Libyschen Wüste schlummerte vielleicht das Geheimnis von Zerzura für ewige Zeiten …

 

 

Nächster Band:

Einer, der die Freiheit haßte …

 

 

Anmerkungen:

1 Zaun, Einfriedung

2 Die grüne Fliege ist Band 244 und erschienen bereits 1929.